Titel: | Bericht über die Entwikelung der Galvanoplastik. Von M. H. Jacobi. |
Fundstelle: | Band 87, Jahrgang 1843, Nr. XCIX., S. 361 |
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XCIX.
Bericht uͤber die Entwikelung der
Galvanoplastik. Von M. H.
Jacobi.
Aus dem Bullet. de St. Petersb. T. I. No.
5.
Jacobi, uͤber die Entwikelung der
Galvanoplastik.
In der Sizung vom 5. Okt. 1838 hatte der Hr. beständige Secretär die Güte, mein
erstes, vollkommen wohlgelungenes galvanoplastisches Product, eine gravirte
Kupferplatte, die sich noch jezt im Besize Sr. Excellenz des Hrn. Ministers der
Volksaufklärung befindet, der Akademie zu präsentiren. Obwohl die Bedeutung, welche
diese Anwendung der galvanischen Kräfte für gewisse Zweke haben könne, nicht
verkannt wurde, so hatte doch Niemand eine Ahnung von der raschen Entwikelung,
welche dieser Gegenstand nehmen würde – eine Entwikelung, welche, über alle
engeren Glänzen hinaus, schon jezt in den höchsten Aufgaben der statuarischen
Plastik ihre Befriedigung sucht. Seit meinem Eintritt in die Akademie hatte ich die
Ehre, ihr von Zeit zu Zeit die Beweise dieser Entwikelung vorzulegen, welche theils
von Männern herrührten, welche diesem Gegenstande einen bei bloßen Liebhabern
ungewöhnlichen Ernst widmeten, theils von solchen, welche die Galvanoplastik bereits
zum Gegenstande des Gewerbes gemacht hatten.
Heute nun, nach kaum 4 Jahren, schäze ich mich glüklich, einen Auftrag Sr. kaiserl.
Hoheit des Hrn. Herzogs von Leuchtenberg ausführen zu
können und der Akademie mehrere Gegenstände zu präsentiren, welche sich theils durch
die Sauberkeit ihrer Ausführung, theils durch die Complicirtheit ihrer Formen,
theils durch ihre bedeutenden Dimensionen vor allem auszeichnen, was, meines
Wissens, hier oder in anderen Ländern in der Galvanoplastik geleistet worden ist.
Diese Gegenstände sind hervorgegangen aus dem Laboratorium, das Se. kaiserl. Hoheit
zu Höchstihrem Gebrauch errichtet haben und wo Sie mit eigenthümlicher
Beharrlichkeit und wissenschaftlichem Sinne theils die besonderen Umstände
erforschen, welche den so differenten Aggregatzustand der auf galvanischem Wege
reducirten Metalle bedingen, theils sich durch eigene Versuche au courant dessen halten, was in diesem Zweige in
anderen Ländern geschieht, oder wo Sie diese oder jene vorgeschlagene Methode oder
Anwendung einer strengen Prüfung unterwerfen. Bedurfte auch die Lösung dieser
Aufgabe, die Se. kaiserl. Hoheit Sich gestellt hatten, zum Theil nur eines
einfachern Materials, so muß es um so höher anerkannt werden, daß Sie hiemit
zugleich nicht nur den technischen, sondern auch den ästhetischen Gesichtspunkt
verknüpften, um so diese beiden wichtigen Richtungen der Galvanoplastik auf
entschiedene Weise zu fördern.
Die Gegenstände, welche ich nun im Namen Sr. kaiserl. Hoheit der Akademie zu
präsentiren habe, sind:
1) Ein mit äußerst reichen Sculpturornamenten nach antiken Mustern verzierter Tisch,
dessen Platte ein rundes Schild bildet, in dessen Mitte sich ein Medusenhaupt
befindet. Der Durchmesser der Platte beträgt 2' 6'' und dessen Höhe 2' 10''. Er ruht
auf drei Füßen, die durch geflügelte Sphinxe gebildet werden, und hat einen mit
Arabesken verzierten Stamm. Er ist ganz und gar ohne weitere Ausfüllung von
galvanischem Kupfer und sein Gewicht beträgt ungefähr 2 Pud.
2) Eine 11 1/2 Zoll hohe, später bronzirte Statuette eines nach einem pompejanischen
Modell geformten muscheltragenden Knaben.
3) Zwei Exemplare der galvanisch copirten berühmten Statuette Napoleons zu Pferde von
Marochetti, 19'' hoch, auf einer Basis von 11'' Länge
und 6'' Breite. Die eine dieser Statuetten ist sauber bronzirt, die andere ganz
unangerührt, wie sie die galvanoplastische Operation gegeben hat.
4) Mehrere kleinere Gegenstände, worunter ein kaiserl. Doppeladler und die später
vergoldete Büste des Hochseltgen Vaters Sr. kaiserl. Hoheit.
Die beiden Methoden, die Volta'schen Bedingungen der Galvanoplastik zu erfüllen, wie
ich sie in meinem Werke auseinandergesezt habe, haben bereits einen den
Galvanoplastikern verständlichen technischen Ausdruk erhalten, so daß Jedermann
weiß, was es sagen will, wenn mit dem Becher oder mit der Anode gearbeitet wird. Es
hat sich bis jezt noch kein entschiedener Vorzug der einen oder der anderen Methode
herausgestellt, der zu einer ausschließlichen Anwendung derselben berechtigte. Man
thut wohl, sich ganz nach den Umständen, der Bequemlichkeit und den sonstigen
Bedingungen der Formen zu richten, wie denn auch die beiden ersten der vorliegenden
Gegenstände theils auf die eine, theils auf die andere Weise gebildet worden
sind.
Ein anderer, viel wesentlicherer Unterschied in der Ausführung galvanoplastischer
Gegenstände besteht aber in Folgendem. Bald nach Erfindung der Galvanoplastik sing
man an, theils von Gyps oder anderem Material geformte, durch Tränken in Wachs oder
Stearin dem Wasser undurchdringlich gemachte und durch Einreiben mit Graphit gehörig
vorbereitete, theils aus Blei oder anderen zwekmäßigen Legirungen gegossene
Gegenstände mit einer dünneren oder dikeren Schicht Kupfer zu überziehen, um ihnen
so das Ansehen wirklicher Bronzen zu geben. Diese Ueberzüge erschienen, besonders wenn sie eine größere
Stärke erlangen sollten, krystallinisch und rauh, und besonders waren es namentlich
die hervorragenden Theile, an welchen sich mehr oder weniger große warzenförmige
Vegetationen von Kupfer ansezten. Diese Gegenstände mußten nun, um ihnen einiges
Ansehen zu geben, nachgearbeitet oder über und über ciselirt werden, was
beträchtliche Kosten verursachte und selten ohne Verunstaltungen geschah, wie denn
überhaupt durch diesen Kupferüberzug die künstlerische Form mehr oder weniger
beeinträchtigt werden mußte. Dieses Verfahren, das ich anfänglich als etwas den
wahren Werth der Galvanoplastik Verkennendes betrachtete, indem ich denselben eben
in der strengen und absoluten Wiedergebung des Originals sezte, dieses Verfahren hat
sich seitdem durch vielfache Bemühungen zu einer unerwarteten Vollkommenheit
ausgebildet und bereits eine gewisse technische Wichtigkeit erhalten. Wird nämlich
mit der gehörigen Reinlichkeit und Sauberkeit verfahren, gibt man der
Kupfervitriollösung den angemessenen Verdünnungsgrad, ordnet man die Anode auf eine
der Form des Gegenstandes entsprechende Weise an, regulirt man endlich den Strom so,
daß er nie eine gewisse Stärke überschreitet und der Proceß zu sehr beschleunigt
wird, so findet man, daß sich das Kupfer vollkommen glatt und mit höchster
Gleichförmigkeit ansezt, ja daß es eine namhafte Dike erlangen kann, ohne eine auch
dem schärfsten Auge sichtbare Verunstaltung der Form herbeizuführen oder die
feinsten Lineamente und Ciselirungen zu verhüllen. Ich gestehe, daß ich von dieser
Erscheinung überrascht war, die man vorherzusehen kaum im Stande gewesen wäre. Die
beiden Statuetten Napoleons, die Sie hier vor sich sehen, sind auf diese Weise
angefertigt, und zwar, wie es auch bei Bronzeguß der Fall gewesen wäre, aus einigen
zusammengeschraubten Stüken. Der hohle Kern besteht aus einer Legirung von Blei,
Zinn und Antimon, auf welche sich das Kupfer am schönsten absezt. Die eine Statuette
ist, wie schon erwähnt, ganz in dem Zustande, wie sie aus der Flüssigkeit kommt,
gelassen worden, damit man sich überzeugen könne, daß nirgends ein Nacharbeiten
stattgefunden hat. Der Adler und die kleine Büste sind ebenfalls nur überzogen
worden, man hat aber später das Metall herausgeschmolzen, um zu zeigen, wie der
Ueberzug eine so namhafte Stärke besizt, um eines Kerns entbehren zu können. Bei
vielen architektonischen Constructionen, bei Plafonds u.s.w. ist die Leichtigkeit
und dabei doch Solidität der Ornamente eine Bedingung von großer Wichtigkeit, die,
wie Sie sehen, auf diese Weise leicht erfüllt werden kann.
Obgleich indessen dieses Verfahren so schöne Productionen geliefert hat, ja sogar von commercieller
Bedeutung geworden ist, indem derartige Gegenstände bereits in den Magazinen als
Handelsartikel verbreitet sind, so steht es doch dem viel schwierigeren, aber
kunstgerechteren, die reine Form des Gegenstandes reproducirenden Verfahren
bedeutend nach, wodurch die Gegenstände in passenden Hohlformen reducirt werden,
woraus sie bei zwekmäßiger Behandlung so hervorgehen, daß nur die schwachen Näthe
überciselirt werden dürfen. Hier kann man den Gegenstand bis zu jeder beliebigen,
den anderweitigen Bedingungen der Festigkeit und Dauerhaftigkeit entsprechenden Dike
anwachsen lassen, oder, wenn man es für zwekmäßig hält, den in den Formen gebildeten
Hohlkörper mit irgend einem anderen Material ausfüllen. So erhält man einen
Gegenstand von solidem Kupfer, welcher den wirklichen Bronzen zur Seite gesezt
werden kann und welcher die von den Metallgießern so beneideten und erstrebten
Vorzüge besizt, eine große Oekonomie an Metall möglich zu machen und die Arbeit des
Ciseleurs gänzlich entbehren zu können. Auf diese Weise ist nun der vor Ihnen
stehende Tisch mit allen kleinsten Details im Laboratorium Sr. kaiserl. Hoheit
theils in Gyps-, theils in Metallformen angefertigt, worden. Se. kaiserl.
Hoheit haben ihn mit seiner natürlichen Farbe und ganz so gelassen, wie er aus den
Formen hervorgegangen ist, um Sie zu überzeugen und es Ihrer Prüfung zu unterlegen,
daß nirgends der Meißel des Ciseleurs als Nachhülfe erforderlich war. Hätte man
dieses Kunstwerk aus Bronze durch Metallguß produciren wollen, so hätte der Meißel
des Ciseleurs eine mühevolle, beinahe unüberwindliche Arbeit gehabt. Der oben
angeführte Muschelträger ist auf eben diese Weise, und zwar in einer Bleiform
reducirt und aus zwei Hälften sauber zusammengesezt worden. Um die Löthstelle zu
verdeken, ist das Ganze später noch einmal in Kupfervitriol getaucht und auf ganz
kurze Zeit dem galvanischen Processe unterworfen worden. Mehrere zufällige Umstände
haben es mir nicht gestatten wollen, der gnädigen Aufforderung Sr. kais. Hoheit zu
folgen, um von der Arbeit selbst, der Construction der Formen, die zu dem Tische
gebraucht wurden, der Anordnung der Apparate u.s.w. Einsicht zu nehmen; aber ich
weiß, daß diese Arbeit eine sehr mühevolle, zeitraubende, Scharfsinn und Geduld in
gleichem Maaße in Anspruch nehmende, aber auch äußerst belehrende und maaßgebende
gewesen ist, denn es läßt sich wohl denken, daß nicht Alles gleich auf den ersten
Wurf gelang und daß manche Verbesserungen durch einen verfehlten Erfolg im Laufe der
Arbeit herbeigeführt wurden.
Se. kais. Hoheit hat mich beauftragt, es der Akademie gegenüber ehrenvoll zu
erwähnen, wie Sie bei dieser ausgedehnten Arbeit sich der eifrigen Beihülfe des Hrn.
Friedrich Hurter, eines Schweizers von Geburt, der sich
vor einigen Jahren hier niedergelassen hat, zu erfreuen gehabt haben. Es ist mir um
so angenehmer, diese Pflicht zu erfüllen, da ich mich selbst zu überzeugen vielfach
Gelegenheit hatte, wie Hr. Hurter mit der vollkommensten
Kenntniß aller Bedingungen der galvanoplastischen Operationen zugleich eine
ausgezeichnete manuelle Geschiklichkeit besizt, die ihn in den Stand sezt, ganz
Vorzügliches in diesem Fache zu leisten. Ich lege Ihnen die Beweise hievon in einer
Statuette vor, die nach der ersten der oben erwähnten Methoden angefertigt ist und
an Sauberkeit der Ausführung durchaus nichts zu wünschen übrig läßt. Ich will es
noch erwähnen, daß Hr. Hurter die künstlichen Bronzen,
die früher in Paris allein so vortrefflich angefertigt wurden, ebenfalls in nicht
minder vorzüglicher Schönheit hervorzubringen versteht. Es wird ihm dadurch der
Vortheil gewährt, den galvanoplastischen Gegenständen zugleich eine schöne, gesuchte
und entsprechende Farbe geben zu können.
Mußte es nun eine große Befriedigung gewähren, der Akademie diese schönen
Productionen vorlegen und die Ueberzeugung ertheilen zu können, wie die
Galvanoplastik sich des beharrlichen Schuzes eines hohen Mitgliedes unseres
erhabenen Kaiserhauses zu erfreuen hat, so kann mit nicht minderer Befriedigung ein
Institut betrachtet werden, von welchem die öffentlichen Blätter bereits Kunde
gegeben, worüber der Akademie zu berichten ich aber jezt die Gelegenheit wahrnehme.
Es gibt wohl kaum eine gelehrte Corporation, die mehr als unsere Akademie
wahrzunehmen Veranlassung hat, wie Se. Erlaucht der Hr. Minister der Finanzen, Graf
Cancrin, sich keine Gelegenheit entgehen läßt, wo es
sich darum handelt, der Entwikelung der Wissenschaften thatkräftigen Beistand und
Unterstüzung zu gewähren, sey es nun, daß die Richtung dieser Entwikelung rein
wissenschaftlicher Natur, oder daß es eine solche sey, die in näherer oder
entfernterer Beziehung zum praktischen Leben oder zur Befriedigung industrieller
Bedürfnisse steht. So hat denn auch Se. Erlaucht gleich vom Beginn an der
Galvanoplastik seine Fürsorge angedeihen lassen und, durchdrungen von dem Grundsaze
jenes englischen Staatsmannes, daß Kenntniß die Macht
eines Volkes ausmacht, befohlen, daß bei der Verbreitung nüzlicher Kenntnisse im
Handwerkerstande auch diese neue Technik die ihr gebührende Stelle einnehme. Das
Local der ganz in unserer Nähe befindlichen öffentlichen Zeichnenschule, die unter
der Direction des Hrn. wirkl. Staatsrates Reißig zum
großen Nuzen des Handwerkerstandes seit einigen Jahren besteht, ist hiezu ausersehen
worden, um mit dieser Anstatt zugleich eine galvanoplastische Abtheilung zu verbinden.
Hier wird der Unterricht auf rein praktische Weise ertheilt. Apparate der
verschiedensten Art und in großer Zwekmäßigkeit sind aufgestellt, um das Verfahren
in seiner ganzen Ausdehnung kennen zu lernen; alle Bequemlichkeiten und Anlagen sind
geboten, welche diese Technik erfordert, und endlich ist Gelegenheit gegeben, die
schönsten Modelle nachzubilden und sie in Kupfer zu reproduciren. Jedermann legt
hier selbst Hand aus Werk, und nur wenn die angemessene Uebung in den vorbereitenden
Arbeiten erlangt ist, wird zu den weiteren Operationen geschritten. In der That ist
hier mit vieler Umsicht Alles vereinigt, was den Bedürfnissen angemessen ist, die
der Hr. Director der Anstalt durch langjährige Erfahrung in dieser Sphäre hat kennen
lernen. Hr. Ferdinand Werner, dessen schöne
galvanoplastische Productionen sich schon früher den Beifall der Akademie erworben
haben, hat freiwillig, mit Rüksicht auf den gemeinnüzigen Zwek der Anstalt, die
Leitung des Unterrichts übernommen und wird darin von Hrn. Hasenberger unterstüzt, dem die Akademie einen Aufmunterungspreis
zuzuerkennen früher Gelegenheit hatte. Der Hr. Director der Anstalt hat mir
gestattet, meine Herren Collegen, die sich für diesen Gegenstand interessiren, zum
Besuche der Anstalt aufzufordern, und ich thue dieß gern, weil in der That die rege
und besonnene Thätigkeit, die dort herrscht, überrascht und erfreut.