Titel: | Ueber eine vorzügliche Sorte Guano. Von J. Fritzsche. |
Fundstelle: | Band 87, Jahrgang 1843, Nr. CIV., S. 380 |
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CIV.
Ueber eine vorzuͤgliche Sorte Guano. Von
J.
Fritzsche.
Aus dem Bullet. de St. Petersb. T. I. No.
6.
Fritzsche, uͤber eine vorzuͤgliche Sorte
Guano.
Der Wunsch, in den Besiz größerer Mengen von Harnsäure zu gelangen, veranlaßte mich
gegen Ende des Jahres 1839, der Akademie die Bitte vorzulegen, durch Vermittelung
des russischen Consuls in Valparaiso eine Quantität Guano kommen zu lassen. Die
frühere Angabe von einem Harnsäuregehalte von 50 Proc. ließ mich darin eine reiche
Fundgrube dieses von den Chemikern immer mehr gesuchten Präparates erwarten, und ich
wurde deßhalb unangenehm überrascht, als Völckel's von
Wöhler mitgetheilte Analyse eines Guano nur einen
verhältnißmäßig geringen Harnsäuregehalt angab. Bei meiner Anwesenheit in
Braunschweig im vorigen Herbste hatte ich Gelegenheit, eine kleine Quantität über
England dahin gekommenen und als Handelsartikel angebotenen Guano zu sehen, und da
dieser sowohl dem Ansehen als auch dem Harnsäuregehalte nach mit dem von Wöhler beschriebenen übereinstimmte, so mußte ich
glauben, es sey mit dem großen Gehalte an Harnsäure entweder ein Irrthum, oder ein
solcher komme nur ausnahmsweise vor, die zu erhaltende Sendung werde also den
gehegten Erwartungen nicht entsprechen.
Desto erfreulicher ist es mir nun jezt, nachdem diese Sendung angelangt ist, darüber
mittheilen zu können, daß dieselbe aus einem ganz anderen und zwar viel
werthvolleren Guano besteht, als der von Wöhler
beschriebene; eine kurze Notiz darüber wird deßhalb, wie ich hoffe, nicht ohne
Interesse seyn, um so mehr, da sie vielleicht Veranlassung geben wird, die
Lagerstätte des Guano genauer zu untersuchen und die noch nicht hinreichend erledigten
Fragen über seine Entstehung ihrer Lösung näher zu bringen.
Der erhaltene Guano, dessen Fundort ich leider nicht angeben kann, bildet dem größten
Theile seiner Masse nach ein trokenes gröbliches Pulver, welchem nur einzelne
größere compacte Stüke beigemengt sind; eine vergleichende Betrachtung zeigt sehr
bald, daß die pulverförmige Masse nur durch Zerbrökelung der compacten Stüke
entstanden ist, wahrscheinlich beim Ablösen am Fundorte, und diese Stüke will ich
daher zuerst beschreiben.
Die compacten Guanostüke, welche ich in allen Größen bis faustgroß in der
zerbrökelten Masse fand, haben eine gelbbräunliche Farbe und sind aus einer Menge
übereinanderliegender Schichten zusammengesezt, welche man auf dem frischen Bruche
auf den ersten Blik erkennt. Selten nur sind diese Schichten horizontal, sondern
mehrentheils auf das Mannichfachste verdrükt und wellenförmig; ihre Mächtigkeit ist
sehr gering, und ihre seitliche Erstrekung scheint mir, so weit meine Beobachtungen
reichen, bei den Stüken mit verdrükten Schichten nicht groß zu seyn, indem es mir,
bei diesen wenigstens, nicht gelang, sie durch das ganze Stük zu verfolgen, während
dieß bei den wenigen Stüken mit horizontalen Schichten keiner Schwierigkeit
unterliegt.
Der Schichten sind zweierlei wesentlich verschiedene Arten vorhanden; die einen sind
von der bräunlichgelben Farbe des Guano und bestehen ihrer Hauptmasse nach aus
harnsaurem Ammoniak, die anderen haben eine schwarzgraue oder dunkelbraune Farbe und
bestehen ihrer Hauptmasse nach aus Thon. Beide Arten von Schichten wechseln
unregelmäßig mit einander ab und ihr Mengenverhältniß ist ein stets wechselndes. Bei
den wenigen Stüken mit horizontalen Schichten, welche ich fand, sind die
Thonschichten nicht leicht zu erkennen, und überhaupt sind ihrer darin viel weniger
enthalten als in den Stüken mit verdrükten Schichten, in denen auch sie die
Verdrükungen zeigen.
Die Thonschichten haben eine viel festere Beschaffenheit als die Schichten des
harnsauren Ammoniaks und lassen sich daher leichter zusammenhängend
herauspräpariren, woher es denn auch kommt, daß sich in der pulverförmigen Masse
eine große Menge solcher Schichten in noch unverleztem Zustande vorfindet und man
auf diese Weise im Stande ist, etwas genauer ihre Form und Ausdehnung zu
erkennen.
Im Allgemeinen nun haben diese Thonschichten eine geringe seitliche Ausdehnung, und
man könnte wenigstens einen großen Theil derselben richtiger als in die Masse des
harnsauren Ammoniaks eingelagerte Thonnieren bezeichnen. Bei der Veränderlichkeit ihres
Durchmessers und Umfanges ist es schwierig, Maaße für sie anzugeben, es liegen mir
aber eine Menge aus der zerbrökelten Masse herausgesuchte Thonmassen vor, welche
ungefähr 1 Linie Dike und bei 3–6 Linien Breite 8–12 Linien Länge
besizen, während andere 1–3 Linien dike, bis 1 1/2 Zoll lange, gerade,
gewundene oder gekrümmte Cylinder bilden, und außerdem alle möglichen, zwischen
diesen beiden Extremen liegenden Formen vorkommen. In den noch unversehrten
compacten Guanostüken sind die Thonlagen fast immer viel dünner, zwischen 1/4 Linie
Dike ungefähr und der Dike eines starken Papiers wechselnd, auch bei weitem
bedeutendere Verdrükungen zeigend als jene dikeren Schichten. Diese dünneren
Schichten sind aber dadurch auch viel zerbrechlicher, und es ist mir daher nicht
gelungen, unversehrte von ihnen zu erhalten, welche jedoch allem Anscheine nach auch
keine größere seitliche Erstrekung als die oben angegebene zu besizen scheinen. Es
ist wohl möglich, daß die compacten Stüke gerade der dünneren Thonschichten wegen
der Zerbrökelung entgangen sind, denn es finden sich zwar in der zerbrökelten Masse
auch viele Bruchstüke dünner Thonschichten, unter den unversehrten Guanostüken aber
keine mit jenen dikeren Thonmassen.
Alle diese Thonschichten oder Massen, oder Nieren, wie man sie nennen will, sind mit
einer weißlichen Rinde bekleidet, welche beim frischen Bruche besonders stark von
der dunkeln Thonmasse absticht und durch Wasser wenigstens nicht leicht abgespült
wird; es besteht dieser Ueberzug aus harnsaurem Ammoniak, und er beweist, wie es mir
scheint, auf eine evidente Weise, daß der vorliegende Guano in den Zustand, worin er
sich gegenwärtig befindet, nur unter Mitwirkung von Wasser versezt seyn kann, eine
Meinung, worauf ich am Schlusse dieser Notiz noch zurükkommen werde.
Die Schichten des harnsauren Ammoniaks haben, wie schon erwähnt, einen viel
geringeren Zusammenhang als die Thonschichten, und so deutlich erkennbar sie auch
bei den unversehrten Guanostüken sind, so zerfallen sie doch beim Zerbrökeln
derselben größtentheils zu einem gröblichen Pulver, woraus der vorliegende Guano zum
großen Theile besteht. Dem Volumen nach bilden die Schichten des harnsauren
Ammoniaks die Hauptmasse der zusammenhängenden Stüke, sie sind jedoch sehr porös und
besizen deßhalb ein geringeres spec. Gewicht als die Thonschichten; sie haben einen
feinkörnigen Bruch und ein fast krystallinisches Ansehen, lassen jedoch unter dem
Mikroskope keine Spur ausgebildeter Krystalle erkennen. Durch Schlämmen läßt sich
aus dem zerbrökelten Guano, ohne daß die Thonschichten dabei im Geringsten
angegriffen werden, ein Theil des harnsauren Ammoniaks als feines Pulver absondern, bei der chemischen
Untersuchung dieses abgeschlämmten Pulvers erkennt man aber, daß dasselbe noch
feinzertheilten Thon mechanisch eingeschlossen enthält, welcher sich durch Waschen
nicht davon mechanisch trennen läßt, sondern erst beim Auflösen in Alkalien ungelöst
zurükbleibt.
In beiden Arten der beschriebenen Schichten, und zwar zuweilen auch in die
Thonschichten fest eingeknetet, finden sich kleine Federn, und größere liegen auch
in der zerbrökelten Masse zerstreut. Es finden sich darin ferner kleine runde Körner
von der Größe der Hirsekörner ungefähr, oder nur wenig größer oder kleiner, welche
sich bei der mikroskopischen Untersuchung und Vergleichung unzweifelhaft als
Krystalllinsen kleiner Thiere, wahrscheinlich Fische, zu erkennen geben, und als
noch viel seltnere Gemengtheile kommen einzelne Rükenwirbel kleiner Fische, höchst
selten nur kleine Knochenstükchen und Bruchstüke größerer Fischknochen vor. Troz
alles mühsamen Suchens in der großen Menge von einigen Centnern Guano habe ich keine
Fischgräten oder Fischschuppen darin auffinden können, dagegen fanden sich noch
einige pflanzliche Reste vor, namentlich zerstörte Pflanzenstengel, hin und wieder
auch einzelne Samen, und eben so Bruchstüke von Thonschiefer und Quarz mit meist
scharfen Eken und Kanten.
Der so beschaffene Guano besizt einen starken urinösen Geruch und einen schwach
salzigen Geschmak.
So viel über die physische Beschaffenheit dieses Guano, dessen chemische
Zusammensezung ich nun, so weit ich sie zu erforschen für nöthig hielt, angeben
will.
Die zerbrökelte Masse des Guano enthält gegen 7 Proc. Feuchtigkeit und verliert gegen
20 Proc. lösliche Bestandtheile, wenn man sie mit dem 50fachen ihres Gewichtes
Wasser auslaugt. Man erhält dabei eine weingelbe, sauer reagirende Flüssigkeit,
welche, mit Ammoniak versezt, einen krystallinischen Niederschlag, phosphorsaure
Ammoniak-Talkerde fallen läßt, durch Aezkali einen deutlichen Ammoniakgeruch
erkennen läßt und neben einer gelbbraunen organischen, in die Kategorie des
problematischen Extractivstoffes gehörenden Substanz noch schwefelsaure Salze, etwas
Chlornatrium und Salmiak, so wie auch phosphorsauren Kalk und harnsaures Ammoniak
aufgelöst enthält. Oxalsäure und Harnstoff konnte ich darin nicht auffinden.
Alkohol, namentlich kochender, zieht sowohl aus dem Guano selbst, als auch aus dem
eingedikten wässerigen Auszuge desselben einen braunen fettartigen Körper aus. Die
Mengen der einzelnen Bestandtheile auszumitteln habe ich unterlassen, weil dieß nur
ein untergeordnetes Interesse darbietet; dagegen habe ich den Harnsäuregehalt
quantitativ bestimmt,
weil er fast allein ja den Maaßstab für die Güte des Guano abgibt.
16 Unzen der möglichst gleichförmig gemischten zerbrökelten Hauptmasse des Guano im
nichtgetrokneten Zustande gaben, in Aezkali gelöst und daraus durch Salzsäure
gefällt, 7 Unzen 2 Drachmen Krystallisirtes, hell bräunlichgelb gefärbtes
Harnsäurehydrat, oder 5 Unz. 7 Drachm. = 37 Proc. wasserfreie Harnsäure. In zwei
anderen Versuchen erhielt ich nahe dasselbe Resultat, und es kann dieses daher als
der durchschnittliche Harnsäuregehalt, freilich nur der in meinem Besize
befindlichen Menge des Guano gelten.
Ich habe ferner eins der unversehrten Stüke mit sparsamen Thonlagen, 200 Gran an
Gewicht, eben so behandelt und daraus 140 Gran krystallisirtes Harnsäurehydrat oder
118 Gran = 59 Proc. wasserfreie Harnsäure erhalten.
Das abgeschlämmte Pulver endlich gab von 130 Gran 100 Gr. Harnsäurehydrat, oder 82
Gr. = 63 Proc. wasserfreie Harnsäure.
Der Rükstand von allen diesen Versuchen bestand größtentheils aus Thon, welcher sich,
wahrscheinlich seines Gehaltes an phosphorsauren Erdsalzen und organischer Materie
wegen, ziemlich leicht absezte. Die geklärte Flüssigkeit, welche das 50- bis
60fache Gewicht des Guano betrug, ließ beim Vermischen mit Säure zuerst die
Harnsäure als voluminösen flokigen Niederschlag fallen, dieser zog sich jedoch bald
an einzelnen Stellen zu Krystallen zusammen, und nach einigen Stunden schon war er
gänzlich in körnige Krystalle verwandelt. Es eignet sich demnach dieser Guano ganz
vorzüglich zur Gewinnung von Harnsäure, und ich bedaure deßhalb, nicht angeben zu
können, welche der drei von Rivero erwähnten Sorten
derselbe ist; wahrscheinlich ist es jedoch, daß es der sogenannte weiße Guano ist.
Fragen wir nun, wie der so beschaffene Guano gebildet worden ist, so läßt sich diese
Frage zwar aus Obigem keineswegs mit Sicherheit beantworten, allein es lassen sich
doch einige Folgerungen ziehen, auf welche ich nur noch kurz hindeuten will.
Wenn schon im Ganzen das sehr geringe Vorkommen organischer Reste und die dem
harnsauren Ammoniak eingelagerten Thonmassen schließen lassen, daß der vorliegende
Guano an seinem jezigen Fundorte nicht in dem Zustande, wie er sich findet, von
Seevögeln als Excremente niedergelegt sey, wenn ferner der bedeutende, nur erst beim
Auflösen erkennbare Thongehalt des abschlämmbaren pulverförmigen harnsauren
Ammoniaks darauf hinweist, daß dieses Pulver nicht in diesem Zustande in den
Harnwerkzeugen der Vögel gebildet sey, sondern vielmehr einen Aufenthalt desselben
in mit aufgeschwemmtem Thone reichlich versehenem Wasser beurkundet, so spricht auch
noch der den
Thonschichten fest anhaftende Ueberzug aus harnsaurem Ammoniak deutlich dafür, daß
Wasser bei der Entstehnng dieses Guanolagers mitgewirkt haben müsse. Es würden sich
darüber gewiß eine Menge Hypothesen aufstellen lassen, welche wohl ohne Anschauung
der Oertlichkeit eben so schwierig zu beweisen als zu widerlegen seyn möchten; bis
wir aber etwas Näheres von Augenzeugen darüber erfahren, sey es mir erlaubt, eine
sich mir aufdrängende Ansicht auszusprechen, welcher es wenigstens nicht an
Wahrscheinlichkeit fehlt.
Das Phänomen der Ebbe und Fluth ist es, welchem ich einen Antheil an der Bildung des
Guanolagers zuschreiben möchte, von dem ich einen gewiß nur sehr kleinen Theil
besize. Nehmen wir ein thoniges Gestade an, welches die Fluth überschwemmt, die Ebbe
dagegen troken läßt, hinter demselben aber ein Wasserbeken, bis zu dem die Fluth
sich erstrekt, und Schaaren von Seevögeln, welche diese Küste zur Zeit der Ebbe
besuchen, und alle Bedingungen sind, wie mich dünkt, gegeben. Durch die von der
Fluth zurükgelassenen Fische und anderen Seethiere werden die Seevögel angelokt, sie
nehmen ihre Nahrung ein und entledigen sich ihres Ueberflusses, wobei sie zugleich
den thonigen Boden auflokern. Während dieß geschieht, brennt die tropische Sonne auf
den Thonboden, und indem sie ihn auf seiner Oberfläche troknet, zerreißt er
mannichfach und blättert sich ab; nun kommt die Fluth wieder und führt diese losen
Thonblätter nebst den ihnen aufliegenden Excrementen mit sich fort. Auf dem Wege zum
Bassin findet der Abschlämmungsproceß der Excremente statt, und während die
leichteren organischen Reste derselben nicht Zeit haben zu Boden zu sinken, und dem
abfließenden Wasser wieder folgen, haben sich das schwerere harnsaure Ammoniak und
die Thonschichten bereits zu Boden gesezt. Bei einiger Tiefe wird das Bassin im
Grunde durch die Fluth nicht, oder nur selten aufgerührt werden, und dort kann sich
also zwischen dem lose aufeinandergehäuften Gemenge eine Auflösung des harnsauren
Ammoniaks bilden, welche später beim Troknen die Thonstüke mit ihrer weißen Rinde
überzieht und eben so das pulverförmige harnsaure Ammoniak sowohl unter sich als
auch mit dem ihm bis dahin wahrscheinlich nur lose aufliegenden feinvertheilten
Thone fester vereinigt. Der Gehalt des Guano an löslichen Bestandtheilen steht damit
nicht im Widerspruche, denn wenn der Harn der Seevögel überhaupt nur, ähnlich wie
bei den Schlangen, in concreter Form ausgesondert wird, also concretes harnsaures
Ammoniak enthält, so wird das Seewasser auf einem kurzen Wege nicht im Stande seyn,
demselben viel von seinen löslichen Bestandtheilen zu entziehen, und sein baldiges
Niedersinken in dem Bassin verhindert die nachherige Auslaugung. Leider kenne ich
die Excremente der
Seevögel nicht aus eigener Anschauung, um daran einen Prüfstein für die
ausgesprochene Ansicht zu legen, und ich muß dieß daher anderen Beobachtern
überlassen.