Titel: | Ueber das mechanische Gerbeverfahren und andere neuere Verbesserungen in der Gerberei. |
Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. XVI., S. 62 |
Download: | XML |
XVI.
Ueber das mechanische Gerbeverfahren und andere
neuere Verbesserungen in der Gerberei.
Aus dem Echo du monde savant, 1843, No. 10, No. 12 und No.
14.
Ueber das mechanische Gerbeverfahren und neuere Verbesserungen in
der Gerberei.
In der neueren Zeit wurden in der Gerberei viele Verbesserungen gemacht. Ein neues
Verfahren, welches am meisten verspricht, die mechanische Gerberei, gestattet das
Gerben der Ochsenhäute in 90 Tagen, der Kühhäute in 60, der Kalbfelle in 30 Tagen,
während man zu ersteren sonst 1 1/2 Jahre, zu den zweiten 1 Jahr und zu den lezteren
8 Monate brauchte, und dabei ist überdieß für alle Perioden des Processes die
Schwefelsäure verbannt.
Die ohne alle Zubereitung getrokneten Häute faulen bekanntlich leicht, ziehen Wasser
ein und verderben durch wiederholte Reibung. Allem dem wird aber begegnet und sie
werden zu unserer Fußbekleidung tauglich gemacht durch Benuzung der ihnen, so wie
allen thierischen Geweben gemeinen Eigenschaft, sich mit dem Gerbestoff innig zu
verbinden. Taucht man ein Stük Haut in eine wässerige Lösung von Gerbestoff oder in
den Absud irgend einer adstringirenden Substanz, so entzieht sie dem Wasser
allmählich lezteren Stoff, so daß es nach einer gewissen Zeit keine Spur mehr davon
enthält. Die dadurch erhaltene Verbindung ist sehr zähe, gänzlich unauflöslich, der
Fäulniß nicht fähig und kann abwechselnd Trokne und Feuchtigkeit vertragen, ohne
Wasser zu absorbiren. Darauf beruht die Theorie des Gerbens oder des Processes, die
Thierhäute in Leder umzuwandeln.
Das Gerben schreibt sich aus der ältesten Zeit her; aber erst seit vier Decennien machte diese
Kunst ungeheure Fortschritte, vorzüglich durch die Bemühungen mehrerer Chemiker,
u.a. Séguins; sie hat jedoch keineswegs schon ihre
höchste Stufe erreicht.
Es wäre überflüssig, uns über die Wichtigkeit dieses Industriezweiges hier zu
verbreiten; vor einigen Jahren hat Say die Anzahl der in
Frankreich verfertigten Schuhe auf 100,000,000 Paare geschäzt und den Arbeitslohn
auf 300,000,000 Fr.
Die Hauptaufgabe beim Gerben, deren Lösung große Schwierigkeiten darbietet, besteht
darin, die Verbindung des Gerbestoffs mit den Bestandtheilen der Haut vollkommen und
in kurzer Zeit herbeizuführen, ohne daß leztere irgend eine nachtheilige Veränderung
erleidet.
Die rohe Haut ist wie folgt zusammengesezt:
Haare, Epidermis, Gelenkgewebe,anhängendes Fleisch, welche
entferntwerden können.
WasserZell- und faseriges
GewebeEiweißFleischextractIn Alkohol lösliche
SubstanzFettstoff in wandelbaren Mengen
57,5 32,55 1,55 7,6 0,8
––––––
100,00
Vauquelin's mechanisches GerbeverfahrenVauquelin's Verfahren mit dem Bericht von Dumas über
dasselbe wurde schon im polyt. Journal Bd.
LXXXIII. S. 208 mitgetheilt; hier ist es zum Theil ausführlicher
beschrieben. Die Maschinen, welche dabei gebraucht werden, ließ sich Poole in England patentiren; sie sind im polyt.
Journal Bd. LXXXIII S. 365
beschrieben und abgebildet. A. d. R., welches vorzugsweise unsere Beachtung verdient, besteht darin, die Häute,
nachdem sie wie sonst, nur nicht so lange, gewässert wurden, der Wirkung des Dampfes
in einer Kammer oder eines Stromes lauwarmen Wassers auszusezen, dessen gemäßigte
Einwirkung die Haut schwellen macht, so daß das grobe Haar leichter ausgerissen
werden kann, während man das Fleisch von der Haut dadurch entfernt, daß man sie über
einen Cylinder ausspannt und mit dem Schabemesser
behandelt, welches sie ganz rein herstellt, so daß nur der wahrhaft nüzliche Theil
dem Gerbeproceß unterworfen zu werden braucht. Die Schabsel können zur
Leimfabrication verwendet werden, während sie vom schon gegerbten Leder gewonnen
nicht mehr nuzbar sind. Es gewährt diese Behandlung den Vortheil, daß die Flußarbeit
erspart wird, bei welcher sich ein so übler Geruch entwikelt und wobei die Haut
überdieß durch die große Menge Kalk, von welcher sie durchdrungen wird und die
schwer ganz daraus zu entfernen ist, Schaden leidet.
Die Häute, namentlich wenn sie geschwellt sind, verderben schnell, wenn man sie
liegen läßt; da sie aber nicht sogleich verarbeitet werden können, bringt sie Hr. Vauquelin, wenn sie vom Dampfe oder dem lauwarmen Wasser
herkommen, in ein sehr schwaches Kalkwasser, dessen er sich statt der gewöhnlichen
Kalkmilch bedient; statt dann das Wasser mittelst des Puzmessers oder der Presse
wieder herauszuziehen, spannt er die Häute auf Rahmen mit doppelten Klingen, die
sich an der Schabmaschine befinden, und zieht dadurch das Wasser mit weit weniger
Kosten an Arbeitslohn heraus. Die Häute kommen nun in eine Walkmühle; die hölzernen,
durch Däumlinge in Bewegung gesezten Hämmer schlagen auf die Häute, welche durch die
Beweglichkeit des Kastens, worin sie sich befinden, successive ihrer Wirkung
ausgesezt werden; lauwarmes Wasser oder ein Dampfstrom hat in diesen Kasten
Zutritt.
Um das Treiben zu bewerkstelligen, kommen die Häute in
Behälter, worin sich auf einem horizontalen Wellbaum krumme oder gerade Pflöke
befinden; sie werden von lezteren in schwacher, lauwarmer Lohbrühe gewendet. Man
behandelt nun die Häute so oft in der Walkmühle und dem Behälter mit Pflöken in
starker Lohbrühe, bis die Gerbung vollendet ist.
Der Stoß der Hämmer macht die Häute geschmeidig, daher der Gerbestoff in sie dringt,
ohne ihr Gefüge zu beschädigen; die Folge davon ist, daß die Gerbung sehr schnell
vor sich geht, gleichförmig ist und sich mit Häuten vornehmen läßt, welche der
gewöhnlichen Behandlung widerstehen. So wird von Vauquelin aus dem Kreuzleder der Pferde
(Schwanztheil der Haut) Leder bereitet, welches sich zu Militärstiefeln eignet,
während dieser Theil bisher nur zu Sattlerarbeit verwendet werden konnte. Die durch
die zu hohe Temperatur des Klima's ihrer Heimath zu stark ausgetrokneten oder von
Natur aus für das gewöhnliche Gerbeverfahren zu trokenen Häute liefern ebenfalls
sehr schöne Producte.
Das Zurichten. Man spannt die Haut über eine starke Tafel
aus, besprengt sie mit Wasser, tritt sie mittelst einer am Ende eines Armes
befestigten Holzmasse, die mit Pflöken versehen ist, ein, oder auch mittelst der mit
starken Schuhen bekleideten Füße und entfernt mit dem Schabeisen alles Fleisch, um
der Haut eine gleiche Dike zu geben. Man breitet über eine starke Tafel zwei Häute,
mit der Narbenseite gegen einander gekehrt, aus und macht die Haut mittelst eines
auf seiner oberen Seite gebogenen Holzes, dem Krispelholze (Pommelle genannt) oder eines anderen (Marguerite genannten) Instrumentes geschmeidig, indem man sie auf allen
Punkten stark damit reibt; eben so verfährt man dann mit der Narbenseite.
Die Haut wird nun auf den Marmor gespannt und mit einer Kupfer- oder
Eisenplatte mit stumpfen Schneiden gekrazt. Zulezt wird sie mit einem nur wenig
geschliffenen kreisrunden Messer, der Schlichtklinge oder dem Schlichtmonde noch
vollends zugerichtet.
In diesem Zustande aber hätten die Häute noch nicht die gehörige Geschmeidigkeit und
übrigen Eigenschaften; man tränkt daher die Narbenseite derselben noch mit einer
Mischung von Thran und Kali, und auf diese Weise wohl zugerichtet, werden sie in
Haufen aufgeschichtet, mit der Fleischseite in Thran gesezt, worauf man sie
aufgehangen troknen läßt; nachdem das überflüssige Fett hinweggenommen, puzt man
noch einmal mit dem englischen Messer und wichst.
Die nach dem gewöhnlichen Verfahren zugerichteten Häute verlieren beim Zurichten
dadurch, daß man mit dem Schabeeisen alle fremdartigen Theile entfernen muß, welche
bei der Flußarbeit nicht weggebracht werden konnten; beim Vauquelin'schen Verfahren aber verschafft die Tripparbeit mittelst seines
Schabemessers, welches Felle mit bloßgelegten Adern gibt, dem Gerber ein größeres
Gewicht.
Die Beine und Vorderfüße können bei diesem Verfahren in einem gebogenen Zustande
zugerichtet werden, ohne ihre Form zu verlieren, was von großem Vortheil ist.
Zwischen der Dauer des gewöhnlichen Gerbens und der mechanischen Gerberei ist gar
kein Vergleich anzustellen; bei der lezteren dauert das Einweichen der Häute, je nach ihrer Art, nur 24 bis 48 Stunden; das Stampfen dauert 1/2 Stunde bis eine Stunde; das Enthaaren, welches in der mit Pflöken versehenen Kufe,
einer Art mechanischen Trogs, vorgenommen wird, der 20 Duzend Häute aufnehmen kann,
erheischt nur 12 Stunden. Nimmt man dieses Enthaaren in dem Fasse mit Pflöken vor,
einem Cylinder, welcher 12 Duzend Häute faßt, so braucht man dazu nur eine Stunde.
Das Treiben, welches ebenfalls in der Kufe mit Pflöken
geschieht, in welche 310 Theile Wasser und 75 Th. Lohe kommen, dauert nur 5
Stunden.
Man sieht, daß durch dieses Verfahren das Gerben sehr schnell vor sich geht; es ist
auch zu bemerken, daß das so bereitete Leder einer Temperatur von 80° R.
widersteht.
Folgende weitere Verbesserungen erfuhr die Gerberei in neuerer Zeit.
Hr. Félix Boudet in St. Germain empfahl die Häute
mittelst Aeznatrons zu enthaaren. Auf 1000 Pfd. Häute nimmt man 20 Pfd.
krystallisirte Soda und 15 Pfd. gebrannten und gelöschten Kalk, welche man mit
Wasser in die Aescher bringt. In 2 bis 3 Tagen schon ist der Proceß beendigt.
Beide Methoden, das Enthaaren mit Kalk und mit äzendem Natron, haben ihre Vorzüge und
ihre Nachtheile. Das mit Kalk nämlich ist gut für dike Häute und schlecht für die
dünnen, wie z.B. der Schafe, Kälber etc., weil sie leicht verderben, wenn der Kalk
nicht ganz vollkommen gelöscht ist.
Ferner bildet der Kalk im Innern der Haut unlösliche Kalksalze; auch absorbirt er
Gerbestoff, es bildet sich gerbesaurer Kalk, der rein verloren geht. Dieß sind große
Fehler, welche die mit Natron entstehenden Salze nicht haben, weil sie bekanntlich
auflöslich sind. Der einzige Uebelstand, welcher aus einer fehlerhaften Anwendung
des Natrons hervorgehen könnte, ist, daß ein Uebermaaß davon die Haut zu weich
machen würde. Uebrigens absorbiren die Häute durch das Natron mehr Gerbestoff. Es
gibt noch ein Verfahren die Haare zu beseitigen, und zwar ohne sie zu berühren; es
ist dieß das Enthaarungsverfahren der Orientalen. Man macht eine teigige Mischung
von Kalkhydrat Und Operment (gelbem Schwefelarsenik), welche 1 Linie dik auf die
Haarseite der Haut aufgetragen wird.Dr. Rudolph Böttger
empfahl anstatt dieses Gemenges das direct bereitete
schwefelwasserstoffsaure Schwefelcalcium anzuwenden, welches sein wirksamer
Bestandtheil ist (man sehe polytechn. Journal Bd. LXXII. S. 455 und Bd. LXXIX. S. 226). Nur der Umstand,
daß sich die Gerber dieses Präparat nicht wohl selbst darstellen und es auch
nicht im Handel beziehen können, scheint seine so wünschenswerthe Anwendung
bisher verhindert zu haben.A. d. R.
Die Enthaarung hat noch andere Verbesserungen erfahren. Man ließ vorerst die Häute
eine anfangende Fäulniß eingehen, wodurch man Hufe und Klauen ablösen konnte. Sodann
bediente man sich des Dampfes; zu diesem Behuf spannte man die Häute in einem
verschlossenen Raume aus, in welchen man den Dampf eintreten ließ. Die HHrn. Ogerau und Sterlingue, zwei
unserer vorzüglichsten Gerber, haben diese Methode zuerst in ihren Gerbereien
eingeführt.
Bekanntlich besteht Seguin's Verfahren des Schwellens der
Häute darin, sie nach dem Enthaaren in Wasser, welches anfangs mit 1/1500, und nach
und nach bis 1/100 Schwefelsäure augesäuert wird, einzuweichen. Nach 48stündigem
Einweichen sind die Häute hinlänglich geschwellt und haben bis in ihr Inneres eine
gelbe Farbe angenommen. Schneidet man ein Ekchen von einer solchen Haut ab, so
gewahrt man keine weißen Streifen mehr darin und sie hat durch und durch eine gelbe
Farbe und Durchscheinenheit angenommen. Die im Handel sehr wohlfeile Schwefelsäure
wird jezt allerwärts in den Gerbereien täglich zum Schwellen, in manchen sogar zum
Enthaaren der Häute angewandt. Ein jeder modificirt dieses schnelle
Schwellungsmittel nach seiner Art. Einige Gerber verdünnen die Säure mit einer großen Menge
gewöhnlichen Wassers; andere bringen eine ganz kleine Portion in die mehr oder
weniger starke Lohbrühe.
Worauf beruht nun diese Schwellmethode? Bringt man Hausenblase (Fischleim) in Wasser,
so schwellt sie nach und nach um die Hälfte ihres Volums auf; außerordentlich aber
schwellt sie auf, wenn man sie in mit Wasser verdünnte Schwefelsäure bringt. Der so
geschwellte Leim nun verliert, in Gerbestofflösung gebracht, seine Geschmeidigkeit,
wird hart, mit einem Worte, wird gegerbt.
Die intelligenten Gerber streben stets dahin, die Einwirkung der Schwefelsäure zu
schwächen; denn sie wissen wohl, daß das schlechte Leder, wenn es erwärmt wird,
bricht, indem die Schwefelsäure nicht flüchtig ist, sich daher concentrirt und das
Leder gänzlich desorganisirt. Diese Säure wird schon wieder weniger angewandt. Hr.
Dumas äußerte sich in einer seiner lezten Vorlesungen
im vorigen Jahre dahin, daß die Säure in nicht sehr langer Zeit ohne Zweifel ganz
außer Gebrauch kommen werde. Wir haben oben schon gesehen, daß in der mechanischen
Gerberei des Hrn. Vauquelin die Schwefelsäure bereits
verpönt ist.
Vor einigen Jahren machte man in England den Versuch der Schnellgerbung mittelst
gewaltsamer Hindurchtreibung der Lohbrühe durch die Haut. Man erzwekte dadurch eine
vollkommene Gerbung aller mit dem Gerbestoff in Berührung kommenden Punkte der Haut;
man hätte aber voraussehen können, daß alle solche Punkte durch Zwischenräume
getrennt sind, welche die Flüssigkeit hindurch ließen, so daß die Haut zu einem
wahrhaften siebförmigen Nez mit unzähligen Poren wird. Dieses Verfahren fand keinen
weitern Eingang.
Für dünne Felle bedient man sich übrigens schon seit langer Zeit der sogenannten Dänisch-Gerberei, eines dänischen Verfahrens,
welches darin besteht, die Felle wie Säke zusammenzunähen, mit Lohe und Wasser
anzufüllen, zuzunähen und in mit Lohe und Wasser angefüllte Gruben zu legen. Zwei Monate sind zu dieser Art von Gerberei
hinlänglich.
Auch kann man die Gerbung sehr beschleunigen, indem man auf die in den Kufen
liegenden Häute die mittelst einer Pumpe aufgesammelte Lohbrühe strömen läßt. Im
Jahre 1835 nahm Hr. Loisel für dieses Verfahren ein
Patent.
Die gegerbten Häute enthalten eine große Menge Wasser, wovon wenigstens ein Theil
entfernt werden muß; man hängt sie zu diesem Behuf auf Böden auf, welche mittelst
beweglicher Läden nach Belieben gelüftet werden. Allein die hygrometrische
Veränderlichkeit der Luft und der Temperaturwechsel machen die Austroknung sehr unregelmäßig und
langwierig. In viel kleineren Räumen kann man durch Ventilatoren mit
Centrifugalkraft das Leder schnell troknen (man vergl. polyt. Journal Bd. LXXXI. S. 56) und hiemit einem Uebelstand
der Lederbereitung abhelfen.
Hrn. Ogerau gelang es erst kürzlich, die Dauer des Gerbens
durch eine neue Methode sehr zu verkürzen. Sein Verfahren kann Gerbung durch fortgesezte Filtration für das dike Sohlenleder genannt
werden. Bekanntlich erreichte man die Gerbung der kleinen Häute durch Kneten
derselben mit der Rinde; dieses Kneten macht, indem es den Hautnerv bricht, die Haut
zarter und für die Gerbung empfänglicher; die so behandelte Haut bleibt weich,
seidenzart und zu ihrer Anwendung tauglich. Hr. Ogerau
gerbt auf diese Weise jährlich eine bedeutende Menge kleiner Häute. Das dike
Sohlenleder hingegen muß den Nerv, die Cohäsion und Festigkeit, welche die Güte der
Sohle bedingen, behalten und durfte daher nicht wie die kleinen Felle behandelt
werden. Es mußte in seine Zubereitung Bewegung und Leben gebracht werden, ohne daß
es jedoch zerklopft oder sonst in seinem Zusammenhang verändert würde. Folgende
Einrichtungen traf hiezu Hr. Ogerau.
Die bis zum Erdboden herauf angehäuften Gruben in den Höfen, dem Witterungswechsel
der verschiedenen Jahreszeiten ausgesezt, schienen ihm nicht geeignet zu seyn; er
brachte dieselben daher über dem Erdboden, an einem verschlossenen und bedekten Ort
an, so daß jedoch die Luft, je nach den Jahreszeiten nach Belieben zugelassen werden
kann, möglichst stark nämlich bei mäßiger Temperatur und wieder schüzend vor Frost
und großer Hize.
Nach ihrer ersten Behandlung, dem Enthaaren und Schwellen, werden die Häute wie
gewöhnlich in diese Gruben gebracht, jede mit einer Schicht Lohe bedekt.Seit einigen Jahren ersezen mehrere Gerber die Lohe ganz oder zum Theil durch
das Dividivi oder Divi, dem Auswuchs eines amerikanischen Baumes. Die bis auf 1 Fuß von ihrer Mündung beschikte Grube wird nun mit Wasser
angefüllt. Die Grube ist unten mit einem Doppelboden mit einigen kleinen Oeffnungen
versehen, welche bloß Flüssigkeit hindurchlassen. Aus dem Doppelboden gelangt die
Flüssigkeit in einen Recipienten, woran eine Pumpe angebracht ist, welche dieselbe
Brühe wieder oben in die Grube schafft; hiedurch ist eine fortgesezte Circulation
der Flüssigkeit hergestellt, die, wenn sie sich oben in der Grube befindet, durch
die Masse hindurchzieht und im Recipienten anlangt, von wo aus sie wieder auf die
Oberfläche gebracht wird. Während dieses Uebergangs nimmt sie Luft in sich auf und gelangt
verstärkt wieder auf die Felle. Bei diesem Verfahren kann die Stärke der Brühe jeden
Augenblik geprüft werden und der geübte Fabrikant kann sie nach seinem Gutdünken
vermindern oder erhöhen.
Die Felle bleiben so einen Monat in der ersten Lohe, 6 Wochen in der zweiten und eben
so lange in der dritten; bis dahin ist das Fell ganz durchdrungen.
Die gerbenden Substanzen werden gerade so wie gewöhnlich angewandt; jede Haut wird
auf dieselbe Weise wieder eingelegt. Die Arbeit ist dabei dieselbe. Da sich die
Flüssigkeit nur sehr langsam im Recipienten sammelt, so braucht man nur ein paar
Augenblike, um sie wieder über die Grube zu bringen; ein Arbeiter verrichtet dieß
bei mehreren Gruben täglich in zwei Stunden.
Die so erhaltenen Felle haben dieselbe Beschaffenheit, Farbe, dasselbe Aussehen und
Gewicht wie die auf gewöhnliche Art zubereiteten. Man wird daher die Wichtigkeit des
neuen Ogerau'schen Verfahrens einsehen, wenn es im Großen
eingeführt wird.
Drei bis vier Monate reichen hin zur Bereitung des diken Sohlenleders, statt 18 bis
20 Monate, die man in Frankreich, und 2, 3 bis 4 Jahre, die man in Belgien unter
übrigens gleichen Umständen braucht.
Der schon erwähnte Hr. Sterlingue besizt eine Maschine,
welche in der Stunde 1500 Kilogr. Eichenrinde zerhaken kann. Er hat sich zuerst
eines Walkapparats bedient, um die von Buenos-Ayres kommenden Häute recht
geschmeidig zu machen; auch war er es, wenn wir nicht irren, der das mechanische
SchlagenDas Nähere darüber findet man im polyt. Journal Bd. LXXXVI. S. 418. des Sohlenleders statt des Schlagens mit der Hand einführte.
Wir schließen diese Abhandlung mit einigen Worten über ein in jüngster Zeit von Hrn.
D'Arcet vorgeschlagenes neues Gerbeverfahren.
Das Gerben mittelst des schwefelsauren
Eisen-Sesquioxyds ist ein ganz neues Verfahren, für welches ein
Patent gelöst wurde. Es ist einfach und nicht kostspielig, dauert sehr kurze Zeit
und das Material dazu ist sehr wohlfeil. Die Auflösung des schwefelsauren
Eisenoxydul-Oxyds bringt, in eine Gallerte- oder Eiweißlösung
geschüttet, einen reichlichen Niederschlag hervor, welcher consistent und dem durch
Gerbestoff erhaltenen ähnlich ist. Es können demnach die vorher präparirten Häute in
eine Lösung von schwefelsaurem Eisenoxydul-Oxyd gelegt werden, um sie zu
gerben.
Ein Uebelstand findet vielleicht dabei statt, daß nämlich das Salz eine gewisse Menge
freier Schwefelsäure im Fell zurükläßt; ferner stören die Eisensalze den
Zusammenhang der organischen Materie, welchem leztern Uebelstande nach Hrn. Dr. Boucherie jedoch durch
Anwendung von Leinöhl abgeholfen werden kann. – Man macht also diesem
Verfahren denselben Vorwurf wie dem Seguin'schen; man
glaubt, daß das Leder nach einiger Zeit brechen könnte, wenn es die beim Zurichten
zugesezte fette Substanz verliert; demnach müßte man seine Fußbekleidung aus solchem
Leder immer mit fetten Substanzen imprägniren.
Dieses Gerbeverfahren geht sehr schnell vor sich; vier
Tage reichen für dünne Felle hin; acht Tage für dike Häute. Im Allgemeinen
kann diese Methode in manchen Fällen vortheilhaft seyn; ehe man sie verdammt, muß
sie jedenfalls durch die Erfahrung geprüft werden.
Vor einigen Monaten machte Hr. Valery-Hannoye ein
auf die Anwendung der Real'schen Filterpresse beruhendes Gerbeverfahren bekannt. Durch dasselbe sollen
Kalbfelle in 20 Tagen, Ochsenhäute in 60 Tagen gegerbt werden. (Siehe polytechn.
Journal Bd. LXXXVII. S. 157.)
Auch Hr. Warington hat erst vor ein paar Monaten ein
neues, das gewöhnliche an Schnelligkeit übertreffendes Gerbeverfahren vorgeschlagen
(polytechn. Journal Bd. LXXXVII. S. 157).
Allein wir fürchten sehr, daß dasselbe als zu kostspielig keinen Eingang finden
werde.
Im Allgemeinen ist das Gerben, wie es noch größtentheils in den großen Gerbereien von
Paris und seinen Umgebungen, in ganz Frankreich und dem Ausland betrieben wird, ein
äußerst langwieriger Proceß, erfordert große Capitalien und sezt unangenehmen
Wechselfällen aus. Die Gerberei macht daher heutzutage mehr noch einen Handelszweig,
als einen Industriezweig aus; sie erheischt von demjenigen der sie treibt, alle
Eigenschaften des Kaufmanns, während er zugleich Techniker seyn muß. Die Kosten des
Brennmaterials und der Triebkraft, welche bei den meisten Industriezweigen eine so
große Rolle spielen, werden hier von Zeit- und Geldkosten vertreten.