Titel: | H. Edward's sich selbst regulirendes Expansions-Schiebventil für Dampfmaschinen. |
Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. XXII., S. 91 |
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XXII.
H. Edward's sich selbst regulirendes
Expansions-Schiebventil fuͤr Dampfmaschinen.
Aus dem Civil Engineer and Architects' Journal. Febr.
1843, S. 49.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Edward's sich selbst regulirendes Expansions-Schiebventil
für Dampfmaschinen.
Welchen Vortheil die Anwendung der Expansion bei Dampfmaschinen gewährt, ist
allgemein bekannt und unterliegt längst keinem Zweifel mehr. Um indessen den aus der
Anwendung meines Schiebventils resultirenden Vortheil näher darlegen zu können, muß
ich das Princip der Expansion noch einmal in gedrängter Kürze darlegen.
Der Kolben einer ohne Expansion arbeitenden Maschine empfängt den Dampf während der
ganzen Hublänge, wobei seine Geschwindigkeit durch das Drosselventil regulirt wird,
indem dieses die Dampfröhre mehr oder weniger verengert. Die Geschwindigkeit der
Maschine wird dadurch zwar auf eine wirksame Weise regulirt, dafür geht aber auch
eine bedeutende Menge Dampfes, wie ich zeigen werde, verloren. Es kommt öfters vor,
daß eine Maschine leicht belastet ist, und da der eben erwähnte Verlust bei einer
leichten Belastung größer ist als bei einer schweren, indem die Verengerung der
Dampfröhre im ersteren Falle vollständiger vor sich geht, so will ich Beispiels
halber annehmen, eine Maschine arbeite mit einer solchen Belastung, welche eine
merkbare Verengerung der Mündung durch das Drosselventil veranlasse, um die
Geschwindigkeit des Kolbens zu mäßigen.
Beim Beginn des Kolbenhubs ist die Bewegung des Kolbens sehr langsam und das
Drosselventil wird daher den Dampf in hinreichender Quantität in den Cylinder
strömen lassen, um seinen vollen Druk auszuüben; in dem Maaße jedoch als die
Kolbengeschwindigkeit zunimmt, reicht auch die einströmende Dampfmenge nicht mehr
hin, den Raum hinter dem Kolben unter vollem Druke auszufüllen. Die Geschwindigkeit
des Kolbens nimmt zu, bis derselbe die Mitte des Cylinders erreicht, wo sie am
größten ist. Von dieser Stelle an bis zur Beendigung des Hubes, wo der
Bewegungswechsel erfolgt, nimmt die Geschwindigkeit wieder ab. Es gibt während des
Hubes nothwendiger Weise einen Punkt, wo die Geschwindigkeit so mäßig ist, daß die
durch das Drosselventil zugelassene Dampfmenge der Geschwindigkeit des Kolbens
proportional ist; von diesem Punkte an bis zur Beendigung des Hubes häuft sich, da
die Kolbengeschwindigkeit abnimmt, der Dampf in dem Cylinder an und der Druk
steigert sich. In diesem Momente ist jedoch die Stellung der Kurbel so, daß der sich
steigernde Dampfdruk auf die Geschwindigkeit der Maschine einen verhältnißmäßig geringen Einfluß
ausübt; in dem Augenblike, wo dieser Druk sein Maximum erreicht, wechselt das
Schiebventil seine Stellung und der im Cylinder enthaltene Dampf strömt in den
Condensator.
Die Quantität des beim Beginn des Kolbenhubes in den Cylinder zugelassenen Dampfes
ist nicht verloren, weil er in expansivem Sinne auf den Kolben zu wirken fortfährt
und ein Theil desjenigen Dampfvolumens wird, welches die Geschwindigkeit der
Maschine und die relative Oeffnung des Drosselventils bestimmt; allein das gegen
Ende des Hubes zuströmende Dampfvolumen dient nur dazu, den Cylinder in dem Momente
nuzlos zu füllen, wo sein Inhalt im Begriffe steht, in den Condensator einzuströmen.
Hat die Maschine zufällig ein leichtes Schwungrad, so wird der Uebelstand noch
bedeutend vermehrt, indem die Geschwindigkeit der Maschine gegen das Ende des Hubes
merkbar abnimmt, die Oeffnung des Drosselventils durch das Spiel des Regulators
erweitert und somit ein größeres Dampfvolumen in den Cylinder zugelassen wird, um
denselben sogleich wieder zu verlassen.
Läßt man dagegen den Dampf mit Expansion arbeiten, so findet der erwähnte Verlust
nicht statt, und wenn der zu überwältigende Widerstand constant wäre – wie
dieß z.B. der Fall ist, wenn ein gegebenes Wasserquantum in einer gegebenen Zeit auf
eine gegebene Höhe gehoben werden soll – so würde die Expansion ihrem Zweke
vollkommen entsprechen. Im Allgemeinen aber ist die Belastung veränderlich, und wenn
dieß der Fall ist, so sollte die Stelle des Kolbenhubes, wo die Dampfabsperrung
erfolgt, auch veränderlich seyn, so daß der Dampf, während er auf den Kolben strömt,
seinen vollen Druk ausübt, um von dem Momente der Absperrung an bis zur Beendigung
des Hubes in vollem Grade expandirend zu wirken. Um dieß mit Erfolg zu
bewerkstelligen, muß die Maschine selbst die Stelle des Hubes bestimmen, an welcher
der Dampf abgesperrt werden soll; zu diesem Zwek genügt der Regulator. Das zu
beschreibende Ventil wird daher bei allen Maschinen, welche
zur Regulirung ihrer Bewegung einen Regulator nöthig haben, sich nüzlich
bewähren.
Das gegenwärtige System, den Dampf bei ungefähr 3/4 des Kolbenhubes abzusperren, ist
eine außerordentliche Verbesserung, deren Werth sich jedoch hauptsächlich bei
Hochdrukmaschinen sehr vermindert. Da das bekannte, durch Mariotte für die atmosphärische Luft nachgewiesene Gesez, wonach die
Spannkraft derselben ihrer Dichtigkeit proportional ist, auch für die Elasticität
der Dämpfe gilt, so reducirt sich ein Volumen = 200 unter einem Druke = 2 auf 100
unter einem Druke = 4 und
dehnt sich so aus, daß es 400 unter einem Druke = 1 repräsentirt.
Nehmen wir nun an, die Länge des Dampfkolbenhubes sey in 20 gleiche Theile getheilt,
und es wirke während des ganzen Hubes Dampf von 4 Atmosphären auf den Kolben, so
wird die Dampfconsumtion durch 20 × 4 = 80 und die Summe der Kräfte
gleichfalls durch 20 × 4 = 80 ausgedrükt; in diesem Falle ist sowohl der
Dampfverbrauch als auch die Dampfkraft = 1 zu sezen. Nun soll in denselben Minder
Dampf von gleicher Spannung während 15/20 = 3/4 der Hublänge zugelassen werden, so
wird der Dampfverbrauch 15 × 4 = 60 und die Summe der Kräfte 15 × 4 =
60 für die ersten 15 Räume und 16,77 für die übrigen 5 Räume seyn. Die
Dampfconsumtion ist demnach 60 oder 1, die mechanische Leistung des Dampfes 60 +
16,77 = 76,77 oder 1,27. (Man sehe die Tabelle Nr. 1.)
Textabbildung Bd. 88, S. 93
In demselben Cylinder werde der Dampf nur während 10/20 = 1/2 der Hublänge
zugelassen, so ist der Dampfverbrauch 10 × 4 = 40 und die Summe der Kräfte 10
× 4 = 40 für die ersten 10 Räume und 26,75 für die übrigen 10 Räume. Die
Dampfconsumtion ist demnach in diesem Falle 40 oder 1 und die mechanische Leistung des
Dampfes 40 + 26,75 = 66,75 oder 1,66. (Man sehe die Tabelle Nr. 2.)
Läßt man ferner den Dampf nur während 1/4 des Hubes zu, so findet man die
Dampfconsumtion zu 5 × 4 = 20 und die Kräftesumme für die ersten 5 Räume 5
× 4 = 20 für die übrigen 15 Räume 26,28. Die Dampfconsumtion ist daher für
diesen Fall durch 20 oder 1 und die mechanische Arbeit durch 20 + 26,28 = 46,28 oder
durch 2,31 ausgedrükt. (Man sehe die Tabelle Nr. 3.)
Um von dem Dampfe den größtmöglichen Vortheil zu ziehen, ist es nöthig:
1) denselben mit Expansion anzuwenden;
2) ihn unter vollem Druk und ohne Verengerung der Dampfröhre in den Cylinder treten
zu lassen;
3) denjenigen Theil des Hubes, während dessen er frei einströmt, durch den Regulator
bestimmen zu lassen.
Die Construction meines selbstthätigen Expansionsventils wird bei näherer Betrachtung
der Figuren
70 und 71 erhellen.
A ist die Vorderseite des Cylinders;
H das Schiebventil, welches ganz auf dieselbe Weise wie
ein gewöhnliches Schiebventil wirkt;
I eine Metallplatte, welche sich auf der Rükseite des
Schiebventils so weit verschieben läßt, als dieß der Daumen a gestattet, dessen Stellung durch den Regulator bestimmt wird.
Wenn die Spizen der Daumen die Platte I zwischen sich
fassen, so bewegt sich nur das Schiebventil H und der
Dampf ist nur während eines ganz kleinen Theiles des Kolbenhubes wirksam. Entfernen
sich aber die Spizen der Daumen von einander, so führt das Ventil die Platte I mit sich fort, bis die leztere mit den Daumen in
Berührung kommt; je größer nun der Abstand zwischen den beiden Daumenspizen ist,
desto länger kann der Dampf in den Cylinder strömen. Haben sich die Daumen so weit
von einander entfernt, daß die Platte I dieselben
während der ganzen Verschiebung des Ventils nicht erreichen kann, so bringt der
feste Kloben K die Platte I
in die Mitte des Schieberventils, und der Dampf wird alsdann während des ganzen
Kolbenhubes mit Ausnahme des durch das Vorräten des Excentricums abgesperrten Theils
einströmen.
Die beiden Spindeln, woran die Daumen a sizen, treten
durch Stopfbüchsen aus der Ventilkammer und werden mittelst Eingriffes zweier an
ihren äußersten Enden befestigter gezahnter Sectoren umgedreht, so daß sich die
Daumen gleichzeitig in entgegengesezten Richtungen bewegen. Ein mit dem oberen
Sector Verbundener Hebel wird durch den Regulator in Thätigkeit gesezt, so daß die
Spizen der Daumen a bei Verminderter Geschwindigkeit der Maschine
auseinander gehen, bei gesteigerter Geschwindigkeit sich einander nähern. Auf diese
Weise läßt sich die Zuströmung des Dampfes in den Cylinder immer so abmessen, daß
die Geschwindigkeit der Maschine auf eine wirksame Art und ohne Verengerung der
Dampfrohre durch das Drosselventil regulirt wird.
Da die Wirksamkeit des Ventiles von der Stellung der beiden Daumen a abhängt, so muß auf dieselbe besondere Sorgfalt
verwendet werden. Der obere Sector G sizt fest an dem
Ende der Spindel und der Hebel F ist an denselben
mittelst zweier Schrauben b befestigt, welche durch
ovale, in dem Sector befindliche Löcher treten. Diese Einrichtung gestattet der
Spindel eine kleine Drehung nach beiden Richtungen, so daß sich die Spize des oberen
Daumens der Platte I ein wenig nähert oder von derselben
entfernt. An der unterm Spindel wird derselbe Zwek erreicht, indem man, anstatt den
Sector selbst zu befestigen, eine Platte auf die Spindel festkeilt und dann den
Sector mit Hülfe zweier Schrauben an die Platte befestigt, wodurch, wie oben, der
nöthige Spielraum in den Schraubenlöchern gestattet wird, um die Stellung der Daumen
verändern zu können.
Um die nöthige Adhäsion zwischen der Platte I und dem
Ventil H hervorzubringen, so daß die ersten sich mit der
lezteren bewegt, ist an der Rükseite der Platte I eine
Feder befestigt, deren beide Enden in einer Nuth gleiten, welche durch zwei an das
Schieberventil befestigte Seitenstüke gebildet wird. Diese Feder ist so angeordnet,
daß sie die Platte gegen die Rükseite des Ventils andrükt.
Ich habe Gelegenheit gehabt, dieses Ventil mit großem Nuzen an Maschinen anzubringen,
welche auf der einen Seite des Kolbens mehr Dampf nöthig haben, als auf der andern,
und dadurch ein bedeutendes Gegengewicht erspart, z.B. an direct wirkenden und an
solchen Maschinen, wo eine Kaltwasserpumpe an das eine Ende des Balanciers befestigt
ist und wo aus einem sehr tiefen Brunnen Wasser zu Tage gefördert werden soll.
Die Bewegung des Ventils, welche durch ein Excentricum bestimmt wird, ist genau
dieselbe wie die durch den Krummzapfen bestimmte Bewegung des Kolbens, nur mit der
Bedingung, daß das Ventil seine größte Geschwindigkeit erreicht hat, während der
Kolben sich in seiner kleinsten Geschwindigkeit befindet.
Denkt man sich den von dem Kurbelzapfen beschriebenen Kreis rings herum in gleiche
Theile getheilt, so wird die von dem Cylinderende an beginnende Bewegung des Kolbens
mit dem Sinus versus des beschriebenen Bogens zunehmen, bis der Kolben die Mitte des
Cylinders erreicht, während die Bewegung des Ventils mit dem Sinus des Bozens zunimmt; und da die
Differenz der Sinus versus beständig wächst, während die Differenz der Sinus
abnimmt, so muß die Bewegung der Platte I auf der
Rükseite des Ventils um so geringer seyn, je länger der Dampf auf den Kolben
einzuwirken hat. Die Spindeln der Daumen müssen daher durch eine Bewegung derselben
Art, wie das Excentricum in Thätigkeit gesezt werden, und diesen Zwek erreiche ich
vermittelst des Winkelhebels A, B, dessen längeren, mit
dem Regulator in Verbindung stehenden Arm man einen Winkel von 90°
beschreiben läßt; der Arm B ist horizontal, wenn die
Schwungkugeln des Regulators auseinander stehen, und vertical, wenn sie
zusammengefallen sind. An der Ventilkammer ist ein graduirter Quadrant C und an dem Ende des Winkelhebelarms B ein Zeiger befestigt, welcher den Theil des
Kolbenhubes anzeigt, während dessen der Dampf in den Cylinder einströmt.
Wenn der Bolzen aus der unteren Verbindungsstelle des Hebels E herausgezogen wird, so zieht das Spiel der Platte I gegen die Daumen den Hebel F in die Höhe;
die durch die Daumen nicht länger aufgehaltene Platte wird alsdann durch den festen
Theil K in die Mitte des Schieberventils gestellt und
der Dampf hat so lange Zutritt zu dem Kolben, bis er auf die gewöhnliche Weise durch
das Schieberventil abgesperrt wird.
Beim Einstellen der Maschine muß der erwähnte Bolzen herausgezogen werden, weil die
Platte I immer in der Mitte der Rükseite des
Schieberventils stehen muß, wenn die Maschine wieder in Gang gesezt werden soll;
denn sonst würde die geringe Quantität des im andern Falle einströmenden Dampfes
nicht hinreichen, um die Maschine in Gang zu bringen.
Das in Rede stehende Ventil habe ich an vielen Dampfmaschinen mit dem besten Erfolge
in Anwendung gebracht, woraus der Leser abnehmen mag, daß es sich hier nicht bloß um
eine speculative Idee handelt. Ich brachte ein Paar solcher Ventile an einer
Locomotive an; das Resultat war jedoch nicht so günstig, als ich vermuthet hatte,
nicht etwa, weil dieses Ventil auf die Locomotive nicht anwendbar ist, sondern weil
ich dasselbe auf eine ungeeignete Weise angebracht hatte und ohne vorher die
verschiedenen Punkte, in denen die Locomotive von andern Maschinen abweicht, in
Erwägung gezogen zu haben. Die Kraft der Maschine wurde bedeutend erhöht, jedoch
ohne Brennmaterialersparniß, und diese hatte ich hauptsächlich ins Auge gefaßt. Ich
hatte nämlich den Cylinder zu weit gemacht und die große Geschwindigkeit, womit der
Kolben einer Locomotive arbeitet, nicht genügend berüksichtigt, so daß ich in dem
Schieberventil jenes Zwängen (wire drawing) des Dampfes
hervorbrachte, welches ich mit dem Regulatorventil beseitigte. Für den zur Erzeugung einer hinreichenden
Dampfmenge nöthigen Luftzug war zwar gesorgt, aber auch nicht auf die gehörige
Weise, indem die Mündung des Blaserohres verengert wurde, wodurch ich den geeigneten
Erfolg nur unter einer gegebenen Belastung und bei constantem Bahngefälle erzielen
konnte. Da aber bei Eisenbahnen die beiden lezteren Verhältnisse sich beständig
ändern, so ist einleuchtend, daß der Querschnitt der Blaserohrmündung gleichfalls
veränderlich seyn sollte, und zwar nicht allein wenn der Dampf mit Expansion wirkt,
sondern überhaupt bei jeder Gelegenheit. Ich nahm daher ein Patent auf einen
Apparat, welcher den Luftzug mit der größten Genauigkeit regulirt, und erhielt die
Erlaubniß an einer der kräftigsten Locomotiven eine Reihe von Versuchen mit dem
Apparate anzustellen. Allein Familienangelegenheiten riefen mich nach England zurük,
weßwegen diese Versuche unvollendet blieben; indessen erstrekten sie sich doch weit
genug, um mich zu überzeugen, daß die Locomotive durch Einführung des
Expansionsventils in Verbindung mit dem veränderlichen Luftzuge eine bedeutende
Verbesserung erfahren würde.