Titel: | Neueste Glasmalertechnik in Frankreich; von Dr. Gessert. |
Autor: | Gessert |
Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. L., S. 196 |
Download: | XML |
L.
Neueste Glasmalertechnik in Frankreich; von Dr.
Gessert.
Gessert, über die neueste Glasmalertechnik in
Frankreich.
Frankreich will hinter dem Aufschwunge der deutschen Glasmalerei nicht zurükbleiben.
Aber Severs ist's nicht mehr allein, welches mit unserer Technik in die Schranken
tritt, sondern allerorts erheben sich auf dem für die mittelalterliche Glasmalerei
einst so gedeihlichen Boden Frankreichs wieder Laboratorien und Schmelzöfen. Wer das
Land kennt, den wird es nun freilich nicht befremden, daß derlei meist von Severs
ausgestrahlte Colonien sofort mit ihrer Begründung in eine schroffere oder gelindere
Opposition zu ihrem Mutterorte treten, dem sie doch, wo nicht ihre Ausbildung,
wenigstens die Anregung dazu verdanken. Diesen Gegnern des königl. Instituts stellt
sich in diesem Augenblike J. J. Meunier in Paris an die
Spize, und kündigt ihm offene Fehde an. Nicht allein, daß er die Leistungen von
Severs auf ihren eigentlichen technischen Werth herabgesezt wissen will, bezeichnet
er sie überhaupt als die Ergebnisse und den Beweis einer ganz falschen Richtung,
welche jene Anstalt mehr zum Verderben als zum Heile unserer Kunst von Vorne
eingeschlagen und hartnäkig festgehalten habe. Der Gesichtspunkt, unter welchem er
sein Anathema über Severs motivirt, hat übrigens neben seiner historischen
Begründung so viel ästhetische Wahrheit für sich, daß dießmal wenigstens die bei
ähnlichen Invectiven immer etwas verdächtige Reinheit der Tendenz außer Zweifel zu
stehen scheint.
Meunier behauptet wesentlichst: die Leistungen von Severs
wurden bisher über Gebühr erhoben und gerühmt – freilich nur von Leuten,
welche sich auf die Glasmalereien unserer alten Kirchen schlecht verstehen. Man
pries sie als einen wahren Fortschritt der Kunst, während sie in Folge eines
Mißverständnisses über das unerläßlich harmonische Verhältniß der Glasmalerei zum
Geiste der Architektur gerade das Gegentheil waren. Severs bildete sich nämlich ein,
mit der Oehlmalerei in die Schranken treten zu müssen, und erweiterte, um seine
Leistungen in diesem Sinne möglichst der Naturwahrheit zu nähern, die alte
Farbenscala in einer Weise, daß die Verbleiung der Alten, welche der Markirung der
Umrisse und der Transparenz der Gläser so sehr zu statten kam, nachgerade für
überflüssig, ja für eine technische Barbarei gilt. Im Grunde – fährt er fort
– beständen die sogenannten Vervollkommnungen der Glasmalerei von Seite der
Anstalt zu Severs gerade nur in Anwendung dessen, was eben die alten Meister mit
ihrem gesunden praktischen Tacte verschmähten. Man dürfe nicht glauben, daß eine
solche Ausdehnung der Farbenscala und die ihr entsprechende Behandlungsweise unserer
Kunst außer dem Bereiche der mittelalterlichen Möglichkeit gelegen; vielmehr sey sie
in ihrer wirklichen, an einzelnen Werken nachweisbaren Vorhandenheit nur von der
rechten Ansicht der Alten niedergehalten worden; daß Oehl- und Glasmalerei
wie ihrem Wesen, so ihren Zweken nach himmelweit unterschieden bleiben müßten; daß
leztere ihre Ansprüche über die eines architektonischen, zum Ganzen in geistigem
Einklange stehenden Ornaments nicht erheben dürfe, und daß daher alle peinliche
Vollendung, rein künstlerische Durchbildung, wie überhaupt jede ihren so
eigenthümlichen Mitteln nicht vollkommen naturgemäße Disciplin verwerflich sey.
Einer Verkünstelung der lezteren benöthige es um so weniger, als bei der Glasmalerei
nicht sowohl der Inhalt ihrer Darstellung zu Geist und Herz des Beschauers sprechen,
sondern vielmehr der Gesammteindruk ihrer eigenthümlichen Technik, die harmonische
Pracht ihres Farbenspiels, die Verklärung des durchfallenden Lichts, kurz der
weniger beschreib- als fühlbare Zauber ihres ganzen Wesens hauptsächlichst
die Phantasie des Betrachtenden weken und beschäftigen solle u.s.w.
Dieß ist nun alles sehr wahr und so gut, als je von einem Deutschen gesagt, und es
wäre Hrn. Meunier das Verdienst vollkommen zu gönnen, dem
Severser Institut auf den rechten Weg geleuchtet zu haben. Er scheint aber an dessen
Unverbesserlichkeit zu glauben. Und theils aus dieser Ueberzeugung, theils um überhaupt die ihm nöthig
dünkende Reform der jungen Glasmalerei in Frankreich nicht allein auf
deklamatorischem, sondern auch dem viel überzeugenderen und wirksameren Wege der
Praxis in eigner Person zu beginnen, eröffnet er so eben in seiner Behausung, Montmartre, empasse constantine 8, einen auf obige
Principien basirten Lehrcursus unserer Kunst, zu dem er alle Liebhaber derselben
ladet. Er legitimirt sich hiezu durch eine mehr denn 25jährige Praxis, und durch den
Vorhalt einer Reihe von Schöpfungen, welche er im Geiste der nach ihren Grundzügen
oben auseinander gesezten und allein zulässigen Disciplin der Glasmalerei seit
geraumer Zeit zu Tage gefördert. Die Einladung ist mit der Versicherung gewürzt, daß
nach seiner Anweisung der ganze Apparat zur Glasmalerei, einschlüssig des
Schmelzofens, dem Dilettanten nicht über 150 Fr. zu stehen komme, und seinen
Farbenrecepten so wie seiner Einrichtungs- und Behandlungsweise des Ofens nur
das von Vater auf Sohn vererbte Geheimniß einiger alten holländischen Glasmaler zu
Grunde liege.
Wer wäre nun nicht neugierig danach? Und so mag es sich rechtfertigen, daß dem
deutschen Publicum hiemit geboten werde, was Hr. Meunier
bisher beliebte, über seine Farben und seinen Ofen zu veröffentlichen. Den
Farbenrecepten ist nur noch voranzusezen, daß sie hier in der etwas sonderbaren,
aber ursprünglichen Ordnung des Gewährmannes mitgetheilt sind.
I. Farbrecepte.
1. Hell Goldgelb.
16 Gramme Silber von ausgebrannter Borte werden mit ein wenig Spießglanz in einem
Schmelztiegel geglüht und, sobald die Mischung sich röthet, mit einer Messerspize
gepulverten Borax versezt. Wenn das Ganze geschmolzen, wird es auf eine
Porphyrplatte ausgegossen, damit es calcinire, dann in einem metallenen Mörser
möglichst fein gestoßen und auf gläserner Palette mit einem dergleichen Laufer
zerrieben. Hierauf schlemmt man Thon, läßt ihn, wenn er von allen fremdartigen
Bestandtheilen gereinigt, sich einige Stunden niederschlagen, gießt das Wasser
davon, troknet ihn vollkommen ein, und glüht ihn in einem Schmelztiegel. 205 Gramme
von diesem Thon mit 16 Grammen nach obiger Vorschrift calcinirten und feingeriebenen
Silbers werden sorgfältigst in Wasser gemischt, lezteres, sobald sich die Mischung
niedergeschlagen, abgegossen und diese in gelinder Wärme getroknet.
Zum Malen feuchtet man diese Farbe mit wenig Bier an und trägt sie mit dem Pinsel,
jedoch immer auf die Rükseite des Glases auf.
2. Fleischfarbe.
Zu Fleischfarbe mischt man schwaches Roth, etwas Blau, ganz wenig Eisenrost, und
Weiß.
3. Zu Grün
mischt man Blau und Goldgelb.
4. Blau.
Kobalt
62 Gramme
Steinsalz
31 –
Feingestoßener Salpeter
31 –
Sind die Stoffe wohl gemischt, so füllt man einen
Schmelztiegel bis zum Rande damit und sezt diesen auf glühende Kohlen. Sobald die
Mischung wallt, nimmt man den Tiegel aus der Gluth und läßt ihn in ihrer Nähe
langsam verkühlen. Ist dieß geschehen, so zerschlägt man den Tiegel, um die Farbe
ablösen zu können, und stößt diese in einem metallenen Mörser zu möglichster Feine.
Dann wird sie wiederholt mit Essig geschlemmt und zulezt mit reinem Wasser
ausgesüßt, bis sie vollkommen rein erscheint. Nach dem Troknen reibt man sie mit
Gummi- und Boraxwasser auf gläserner Palette so zart als möglich, und
verwahrt sie in einem Spizglase. Zum Gebrauche wird sie mit Borax- und
Gummiwasser angefeuchtet und mit dem Pinsel gleich jeder anderen Farbe aufgetragen,
jedoch nicht in zu naher Berührung mit Gelb, weil beide Farben leicht zu einer
grünen verfließen, sondern vielmehr auf die dem gelben Auftrage entgegengesezte, die
Vorderseite des Glases.
5. Violet.
Rocaille in kleinen hellgelben
Perlen
47 Gramme
Im Feuer calcinirter Eisenrost
8
–
Blutstein
4
–
Wismuth
4
–
Geschlagenes Silber
2 Büchlein
Vändys-Braun
125 Gramme
Gummi arabicum
1
–
Borax
1
–
Lezteres beides zusammengepulvert.
Alle diese Färbekörper werden in kupferner Reibschale zu äußerster Zartheit gerieben
und in einem gläsernen Behälter von der Form eines Champagnerglases mit Wasser mäßig
erwärmt und abgedampft. Das Pigment ist pinselrecht, so bald es zur Zähe eines Syrups verdikte. Sollte es
jedoch dem Auftrag widerstreben, so genügt es, durch wiederholtes Anhauchen zu
befeuchten.
6. Zu Contouren und Schatten
dient:
Rocaille
62 Gramme
und Rost von reinem Eisen
96 –
auf kupferner Platte mit gläsernem Laufer nebst Gummi und
Borax möglichst fein gerieben. Zum Gebrauche wird sie auf der Palette mit
Gummi- und Boraxwasser, wovon man stets eine Flasche im Vorrath haben muß,
mäßig angefeuchtet.
7. Zinnoberroth.
Rocaille
47 Gramme
Wismuth
15
–
Geschlagenes Silber
2 Büchlein
Im Feuer calcinirter Eisenrost
4 Gramme
Blutstein
4
–
Geglühter Röthel
125 –
Gummi u. Borax zu gleichen Theilen
gemischt
2
–
Die Rocaille muß drei Stunden lang unter Zuguß von reinem Wasser auf einer
Kupferplatte mit gläsernem Laufer feingerieben werden, die Silberblättchen und das
Wismuth dagegen zwei Stunden, der Eisenrost eine, eben so lang der geglühte Röthel,
das arabische Gummi und der Borax endlich eine halbe Stunde. Alle diese Farbstoffe
müssen jedoch zuvor in metallenem Mörser, jeder einzeln, gestoßen werden, so wie sie
auch, jeder für sich, auf der kupfernen Platte fein gerieben werden müssen. Dann
erst werden sie mit einer Messerspize Borax versezt, in einem Stengelglase mit
Wasser verwahrt und an einem trokenen Orte der Sonne oder mäßiger Ofenwärme
ausgesezt. Auch dieser Farbe bedient man sich im flüssigen Zustande; man hat sich
aber zu hüten, mit dem Pinsel den Bodensaz des Pigments aufzurühren. Lezterer taugt
zu Colorit von Baumrinde oder Schattirungen.
Gleichmäßiger Auftrag ist nicht minder ein wesentliches Bedingniß der Schönheit
dieser Farbe.
8. Zu Schatten von Roth und jeder anderen
Farbe
nimmt man 2 Theile Rocaille und 3 Theile calcinirten Eisenrost
mit Gummi und Borax versezt, womit man jedoch diese Farbe, wie überhaupt jede, nicht
übersättigen darf, wenn sie sich im Feuer nicht schuppen soll.
9. Steinfarbe.
Gestoßene Rocaille
31 Gramme
Blutstein
8
–
Calcinirter Eisenrost
8
–
Wismuth oder Zinn
4
–
Geschlagenes Silber
2 Büchlein
Mennige
125 Gramme
Gummi u. Borax gepulvert u.
zusammengemengt
2
–
Alles wird feinst zusammengerieben und im übrigen verfahren wie bei Roth.
10. Hellbraun.
Rocaille
62 Gramme
Rost von reinem Eisen
94 –
Brauner Oker
62 –
Gummi und Borax zusammen
2
–
Auf das zarteste gerieben in eine Tasse gefüllt und mit Gummi- und Boraxwasser
aufgetragen.
11. Weiß
gibt Rocaille auf gläserner Palette unter Zuguß von
Gummi- und Boraxwasser feinst gerieben.
12. Schwarz.
Rocaille
47 Gramme
Reinste Eisen- oder Stahlspäne
(Hammerschlag)
47 –
Reinstes Blei vom Bloke
1
–
mit ein wenig Gummi und Borax in kupferner Schale
zusammengerieben und behandelt wie bei Roth, gleich welchem es auch im flüssigen
Zustande aufgetragen wird. Der Bodensaz dient zu Contouren, vorzugsweise auch zur
Schrift.
13. Gelb zu Gewändern.
Rocaille
47 Gramme
Rost von reinem Eisen
16 –
Gelber Oker
62 –
mit Gummi und Borax auf das zarteste in reinem Wasser
abgerieben und in einem Stengelglase mäßig abgedampft. Wird flüssig aufgetragen,
jedoch nur, wie bei Roth, die oben schwimmende Farbe benuzt, welche aber, da sie
einem zähen Kleister ähnelt, ihre Schwierigkeit beim Auftrage hat, wozu
Vertreibpinsel und öfteres Anhauchen des Pigments unerläßlich.
14. Zu Umrissen.
Geschlagenes Silber
1 Büchlein
Rocaille
62 Gramme
Eisen- oder Stahlspäne
62 –
Reiner Eisenrost
62 –
auf kupferner Palette mit Gummi- und Boraxwasser
aufgetragen.
15. Noch ein Grün.
Grünes Goldschmied-Email
62 Gramme
Steinsalz
31 –
Salpeter
31 –
jedes zu feinstem Pulver gerieben, dann unter Zusaz von 16 Gr.
Borax gemischt und im Schmelztiegel wie Blau behandelt.
Das einzige Vehikel aller dieser Farben zum Auftrage ist Gummi- und
Boraxwasser.
II. Einrichtung und Behandlung des
Schmelzbrands.
Der benöthigte Ofen muß, um dem Rauch energischeren Abzug zu geben, wenigstens 1
Meter Tiefe haben und unter einem Kamine zu stehen kommen. Er wird aber construirt,
indem man zunächst einen festen Unterbau von 32 Centimetern Höhe aufführt. Auf
diesen legt man den Grund des Ofens von Fließen, dergleichen bei Baköfen
gebräuchlich. Soll er von beträchtlicher Größe werden, gibt man ihm eine Breite von
96 Centim. zu 1 Meter 10 Centim. Länge. Bei Anlage kleinerer Oefen hat man nicht
außer Augen zu lassen, daß man ihnen mehr an Breite als Länge abnimmt. Hierauf
errichtet man aus Thon und wohlgebrannten Baksteinen die Wände bis zur Dike eines
halben Steines. Sobald sich der Bau vier Steine hoch erhoben hat, wobei man in der
Vorderwand ein Schürloch von 32 Centim. Breite offen ließ, legt man über dieses eine
Eisenplatte und führt die Wände im Gevierte um zwei Steine höher. Hierauf bildet man
einen Tragrost, indem man drei Eisenstangen von wenigstens 4 Centim. Dike in gleich
weiter Entfernung unter sich quer über die Längenseiten des Ofens legt, jedoch so,
daß die vorderste wenigstens drei Finger breit von der Vorderwand und die hinterste
eben so weit von der Hinterwand entfernt ist. Indem man hienach den Bau der Wände
fortführt, läßt man in der vordern eine Oeffnung von 7 Centim. Breite zu 22 Centim.
Höhe, gerade über dem Schürloch. Sie dient, um zur Muffel mit den gemalten Gläsern
zu gelangen und die Proben herauszunehmen. Dann baut man wieder um drei Steine höher
und legt einen Stein oder die Muffel- und Probenöffnung.
Ist der Ofen so weit fertig, so fügt man aus Dachziegeln und Thon auf dem Tragroste
eine Muffel zusammen, 4 Zoll schmäler und kürzer als der Ofen selbst, und mit einem
Loche versehen, welches mit der Oeffnung zum Ausziehen der Proben correspondirt.
Behufs des Schmelzbrands aber glüht man lebendigen, wohl durchgesiebten Kalk mehrmals
in einem Töpferofen, trägt ihn dann einen schrägen Finger dik in die Muffel ein,
ebnet ihn, legt eine Lage alter Gläser ein, dann wieder eine Lage Kalk, und so fort,
bis wechselweise drei Lagen Kalk und zwei Lagen Glas einander deken. Auf die dritte
Lage Kalk ordnet man die gemalten Gläser über einander, und zwar dergestalt, daß
zwischen die einzelnen Stüke immer wieder eine halbfingersdike und vollkommen ebene
Schichte Kalk zu liegen kommt. Sind die gemalten Gläser sämmtlich eingetragen, so
werden sie in selbiger Art, wie bei ihrer Unterlage geschah, mit wechselweisen
Schichten von Kalk und Glas bedekt, bis die Muffel vollkommen gefüllt ist. Die
oberste jedoch kann nur eine Kalkschichte seyn.
Um nun später die Fortschritte des Schmelzbrandes beurtheilen zu können, stekt man
durch die Probenöffnung in das Loch der Muffel einige Streifen gemalten Glases.
Zum Schlüsse läßt man zwei gewölbte Eisenstangen über den Mauern des Ofens sich
kreuzen, und bedacht diesen mit Ziegeln, wobei jedoch etwa vier Löcher von der Größe
eines Thalers offen bleiben müssen, verkleidet alles sonstige sorgfältig mit Thon,
so daß außer den eben genannten und dem Schürloch keine Abzugslöcher offen bleiben,
und gibt auch der Probenöffnung einen, jedoch praktikabeln Verschluß.
Ist Alles in solcher Weise vollendet, so fängt man an mit glühenden und todten
Schmiedekohlen zu heizen, aber lediglich auf dem Wege des Schürlochs und nicht etwa
der oberen Oeffnung. Nach etwa 2 Stunden heftigen Feuers heizt man mit trokenem
Holze – immer nur zunächst des Schürlochs – etwa noch 1 1/2 Stunde,
bis die erste Stange des Tragrostes roth glüht. Hierauf rükt man mit der Feuerung
vor bis zur zweiten Eisenstange, jedoch nicht weiter, und fährt fort, das Feuer wohl
zu unterhalten. Glüht auch die zweite roth, so rüke man endlich mit der Feuerung bis
an die Hinterwand des Ofens, und dirigire sie solcher Weise, daß die Flamme an den
vier Seiten der Muffel empor, über ihr zusammen und etwa 1 Zoll hoch aus den
Dachöffnungen hinausschlage.
Sobald die drei Stangen roth glühen, nimmt man einige der Proben aus der hiezu
bestimmten Oeffnung, um sich zu überzeugen, ob die Farben eingeschmolzen und ob
namentlich das Gelb anfange zu fließen. Ist solches noch nicht der Fall, so schürt man
zum leztenmal mit kleingespaltenem Holz, weil dieses am schnellsten und lebhaftesten
heizt.
Den Ofen überläßt man dann seiner eigenen Verkühlung.
Die Gläser aber dürfen ohne Gefahr des Springens vor drei Tagen nicht aus dem Ofen
genommen werden.
––––––––––
Nun, was zunächst Ofen und Schmelzbrand anbelangt, brauchte wahrlich nicht der Geist
eines alten Holländer Glasmalers aus seiner Gruft zu kommen, um uns das zu sagen.
Heinrich IV. ist todt, Hr. Meunier! Ihre Construction und
Behandlung des Ofens ist alt- und allbekannt. Wir wollten sie jedoch auch der
gegenwärtigen Veröffentlichung nicht entziehen, theils weil der progressive Eintrag
der Feuerung von Querstange zu Querstange, dessen übrigens schon Levieil gedenkt, ein der Praxis entfremdeter, daher so
gut wie neuer ist, theils auch, weil daselbst dem Dilettantismus ein ganz einfaches
und kostenloses Surrogat für eiserne und graphitene Muffeln dargeboten wird, womit
jedoch abermals ein hinterlassenes Manuscript der Pariser Barfüßermönche Antoine und Maurice unserem
Hrn. Meunier um fast zwei Jahrhunderte zuvorgekommen
ist.
Die Farbrecepte dagegen übergeben wir, um den Altar der Themis, an den wir eigentlich
berufen, nicht alltäglich mit einem Schmelzofen zu überbauen, ungeprüft der
scharfsichtigeren Prüfung der Fachmänner, jedoch nicht ohne einige allgemeine
Bemerkungen.
Spricht es nämlich von Vornherein zu ihren Gunsten, daß sie, so sehr die
Rocaille-, Borax- und Gummipülverchen an den Perrükenpuder Felibien's, Blancourt's, Marsy's, Levieil's u.a.
erinnern, doch nicht geradezu aus den Receptbüchern dieser Herren abgeschrieben
sind, so haben sie doch ein mehrfaches Bedenken gegen sich,
einmal, weil das Flußmittel für fast alle Farben, die eines solchen nach Meunier's Ansicht bedürfen, qualitativ dasselbe ist,
nämlich Rocaille,
dann, weil der ihrer eigentlichen Vitrification und darum ihrer nachherigen Schönheit
und Transparenz am wenigsten zusagende flüssige Zustand der Farben allzusehr
vorwaltet,
dessenungeachtet aber Zusäze von Borax und Gummi gefordert werden, wie sie nur bei
den strengsten Flüssen indicirt sind,
und endlich, weil Meunier noch durchaus an dem,
hauptsächlichst durch die Engländer, längst und allenthalben verdrängten
Gummi- und Boraxwasser, statt des in jeder Hinsicht viel dienlicheren
Lavendel-, Spik- und Terpenthinöhls als Vehikel der Pigmente
haftet.
Doch sey damit ihrer praktischen Prüfung, die hier allein entscheidet, in keiner
Weise vorgegriffen. Welchen Erfolg aber auch diese haben mag, so ist er jedenfalls
für den dermaligen Standpunkt der französischen Glasmalerei höchst bezeichnend, denn
ihrem ersten Repräsentanten, dem königl. Institut von Severs hätte Hr. Meunier ohne das Bewußtseyn technischer Ueberlegenheit
wohl schwerlich den Handschuh hingeworfen.