Titel: | Ueber Gypsbekleidung; vorzüglich die Erkennung des Grades ihrer Austroknung; vom Apotheker Batilliat zu Macon. |
Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. LIX., S. 229 |
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LIX.
Ueber Gypsbekleidung; vorzuͤglich die
Erkennung des Grades ihrer Austroknung; vom Apotheker Batilliat zu
Macon.
Aus dem Journal de Chimie médicale, März 1843, S.
198.
Batilliat, über Gypsbekleidung.
Die Anwendung des Gypses bei Bauarbeiten verbreitet sich immer mehr, da derselbe,
abgesehen von seiner blendenden Weiße und der Leichtigkeit, womit sich aus ihm alle
Arten von Formen und Verzierungen bilden lassen, auch ein Mittel an die Hand gibt,
unsere Zimmer hermetischer zu verschließen und sie mit reichen Tapeten zu belegen;
allein er verbindet auch Uebelstände mit diesen Vorzügen. Man muß, um Krankheiten
auszuweichen, die Wohnung auf einige Zeit verlassen und da man nicht genau weiß, wie
lange seine Ausdünstung währt, so berauben sich manche Personen zu lange ihrer
Wohnung, während sich andere wieder zu sehr mit dem Wiederbeziehen derselben
beeilen.
Der Gyps ist ein Naturproduct, nämlich schwefelsaurer
Kalk, welcher 21 Proc. Wasser enthält, die er durch das Brennen verliert. Er
wird hierauf zu Pulver gemahlen, dann mit Wasser angerührt, wovon man je nach dem
Zweke ein verschiedenes Verhältniß, im Durchschnitte jedoch ungefähr sein gleiches
Gewicht anwendet. Dicht angemachten Gyps nennen die
Arbeiter den mit dem wenigsten Wasser angerührten; er muß sogleich verarbeitet
werden. Dünn angemachter Gyps enthält mehr Wasser, er
erhärtet nicht so schnell und läßt dem Arbeiter mehr Zeit. Flüssig angemachter Gyps enthält noch mehr Wasser; er dient zur Tünche,
zum Sprizwurf, zu Verschlägen, Plafonds etc. – Beim Anrühren des Gypses mit
Wasser verbreitet sich der üble Geruch des Schwefelwasserstoffgases, doch erzeugt sich davon so wenig, daß es den
Arbeitern keine Gefahr verursacht, und dieß ist auch nur während der Anrichtung des
Gypses der Fall, denn 24 Stunden darauf kann weder durch den Geruch, noch durch chemische
Reagentien mehr solches entdekt werden. Die Ausdünstung besteht folglich bloß aus
Wasser, aber einer großen Menge, denn 100 Kilogr. Gyps absorbiren 100 Liter Wasser,
von welchen 85 Liter verdunsten. Sobald die erste Schicht aufgetragen wird, beginnt
das Wasser sogleich sich zu zerstreuen; erst wenn diese Schicht troken ist, wird die
zweite aufgetragen, welche einen Theil ihrer Feuchtigkeit an die erste abtritt,
daher man glaubt, daß sie schneller auftroknet, welchem aber nicht so ist.
Vor dem Aufziehen der Tapeten sollte man die völlige Austroknung abwarten, indem der
Leim sich einigermaßen dem Durchgang des Wasserdunstes widersezt. Es ist daher
wünschenswerth, den Grad der Trokenheit des Gypses ermitteln zu können. Man kann
dieß aber weder nach seiner Härte, noch nach der Zeit, seit welcher er aufgetragen
ist, da die Verdunstung je nach der Temperatur, dem Luftzuge etc. verschieden ist.
Ich schlage folgendes Verfahren vor, worauf ich nach vielen Versuchen verfiel.
Ich nehme den zu untersuchenden Gyps aus verschiedenen Theilen des Locals mittelst
eines Windelbohrers mit weitem Bohreisen, pulvere ihn und wäge 10 Gramme davon ab;
diese breite ich über die ganze Oberfläche einer vierekigen Kapsel von Weißblech mit
flachem Boden von 1 Decimeter Durchmesser aus; zwischen zwei Schichten des Pulvers
lege ich ein eben so großes Stük Briefpapier. Die Kapsel stelle ich dann auf ein
Gestell von Eisendraht und erhize sie durch Darunterherfahren mit einer
Weingeistlampe, bis das Papier anbrennt (welches die Stelle eines Thermometers
vertritt); sodann lasse ich erkalten und wäge wieder; der Gewichtsunterschied zeigt
die Menge Wassers an, die im Gyps enthalten ist; beträgt der Verlust nur 15 Decigr.
oder 3/20, so ist der Gyps als sehr troken zu betrachten; verliert er 2 Gr. oder
1/5, so muß seine Austroknung befördert werden. – Dieses Verfahren ist
schnell ausführbar und hinreichend genau, indem man sich um mehr als 1/100 nicht
täuschen kann.
Es ist zu bemerken, daß alter salpetriger Gyps sich bei diesem Versuch nicht wie
frischer verhält. Solcher muß durch anderen ersezt werden, die Mauer troknet aber
nicht, wenn sie ebenfalls salpetrig ist. Es ist dieß ein Uebel, gegen welches bisher
kein Mittel gefunden wurde.
Da ich nur den Gyps aus den reichen Brüchen der Saône und Loire untersuchte,
solcher aus andern Lagern aber mehr oder weniger Wasser gebunden zurükhalten könnte,
so muß durch die Versuche mit jeder Sorte erst die Norm festgesezt werden.
Das Austroknen des Gypses findet nicht, wie bei anderen Körpern, bloß durch
Verdunsten des Wassers an der Luft statt, sondern das Wasser wird dabei auch durch
die Annäherung der krystallinischen Molecule, gleichsam durch einen starken Druk,
herausgetrieben. Auch der Wärmestoff, welcher bei der Verdichtung eines Antheils
Wasser durch den Gyps frei wird, trägt dazu bei. Auf diese Schlüsse wurde ich durch
folgenden Versuch geleitet. Ich stellte eine Pyramide von frisch angemachtem Gyps
unter eine Glasgloke über Queksilber, so daß sich also die Luft nicht erneuern
konnte; die Verdunstung des Wassers fand aber deßhalb nicht minder statt; seit 3
Monaten ist das Innere der Gloke nach 24 Stunden jedesmal mit einem reichlichen Thau
beschlagen, ohne daß die Basis der Pyramide feuchter wäre als ihr Gipfel.