Titel: | Ueber Blutlaugensalz-Fabrication; von E. Jacquemyns. |
Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. LXXVII., S. 313 |
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LXXVII.
Ueber Blutlaugensalz-Fabrication; von
E.
Jacquemyns.
Aus den Annales de Chimie et de Physique. März 1843, S.
295.
Jacquemyns, über Blutlaugensalz-Fabrication.
Professor H. Rose machte mich während seines lezten
Aufenthalts in Gent darauf aufmerksam, daß sich bei der Leuchtgas-Bereitung
Cyan bildet. Ich suchte diese Substanz zuerst in dem Kalk des Reinigungsapparats
auf, überzeugte mich aber bald, daß sie darin nicht vorkommt; ich vermuthete nun,
daß sie in dem Wasser enthalten seyn dürfte, worin sich die ammoniakalischen
Producte auflösen. Als ich dasselbe mit Schwefelsäure bis zur sauren Reaction und
dann mit einem Eisenoxydsalz versezte, erhielt ich wirklich einen reichlichen blauen
Niederschlag. 2 Liter Flüssigkeit gaben 1 Gr., 5 Berlinerblau, so daß ein
Gasapparat, welcher 8 bis 9 Tausend Brenner speist, täglich 2 Kilogr., 7
Berlinerblau liefern könnte. Ich muß jedoch bemerken, daß das so erhaltene Product
gar nicht schön ist.
Das Cyan scheint bei der Leuchtgas-Bereitung durch die Wirkung des Ammoniaks
auf den Kohlenstoff zu entstehen, und wahrscheinlich bildet es sich durch dieselbe
Reaction auch bei der Berlinerblau-Fabrication mittelst thierischer
Substanzen. Gewiß ist, daß immer Kalium-Eisencyanür (Blutlaugensalz)
entsteht, wenn man Ammoniakgas über ein Gemenge von Kohlenstoff, Eisen und Kali
leitet, welches in einer eisernen Röhre zum Rothglühen erhizt ist. Behandelt man
dieses Gemenge dann mit Wasser, so erhält man eine Flüssigkeit, welche nach dem
Filtriren und Ansäuern mit Schwefelsäure, auf Zusaz von schwefelsaurem Eisenoxyd
einen schönen blauen Niederschlag liefert.
Hienach läßt das gewöhnliche Verfahren das Berlinerblau (oder vielmehr
Blutlaugensalz) durch Schmelzen thierischer Substanzen mit Potasche und Eisen zu
bereiten, viel zu wünschen übrig, weil das Ammoniak großentheils entweicht, ohne daß
die Potasche, das Eisen und die Kohle darauf wirken.
Dieß veranlaßte mich, die Bereitung des Berlinerblaues durch Zersezung der flüchtigen
Producte, welche man bei der Destillation der Knochen erhält, zu versuchen, und
dieses Verfahren lieferte mir auch Resultate, wonach es für die Praxis Vortheile
verspricht.
Ein Kilogramm an der Luft ausgetrokneter Knochen wurde in einer gußeisernen Retorte
erhizt; die flüchtigen Producte wurden in ein rothglühendes eisernes Rohr geleitet,
welches ein Gemenge von Kohle und Eisenfeile enthielt, das mit einer concentrirten
Potaschelösung getränkt war. Von diesem aus leitete ich sie in einen Kühlapparat,
um den Theer zu
verdichten und sodann in Wasser, welches mit Schwefelsäure angesäuert war, um das
unzersezte Ammoniak zu absorbiren; sodann in eine Nöhre, welche Aezkali enthielt, um
die Kohlensäure zu absorbiren und endlich in einen Gasometer.
Ich erhielt so 640 Gramme thierischer Kohle; das Gemenge im eisernen Rohr wurde mit
Wasser behandelt, die Auflösung filtrirt, angesäuert und sodann mit einem
Eisenoxydsalz niedergeschlagen, wodurch ich 0 Gr., 86 schönes Berlinerblau
erhielt.
Im Gasometer sammelten sich 126 Liter Gas, welches kein Ammoniak mehr enthielt; es
machte nämlich geröthetes Lakmuspapier nicht blau, roch weniger als das
Steinkohlengas, verbreitete keinen Geruch beim Verbrennen, gab aber auch wenig
Licht. Bei einem anderen Versuch erhielt ich ein Gas von genügender Leuchtkraft,
denn ein Brenner dieses Gases gab zweimal so viel Licht wie eine Kerze, wovon vier
auf das Pfund gehen. Dieser Unterschied rührt ohne Zweifel daher, daß die Retorte
und das Rohr bei der ersten Operation heißer waren; auch dauerte sie viel kürzere
Zeit.
Offenbar erhält man eben so viel thierische Kohle bei diesem Verfahren als bei den
jezt gebräuchlichen Methoden und man gewinnt überdieß Berlinerblau oder
Blutlaugensalz, welche nicht hoch zu stehen kommen, wenn man zum Erhizen des
Gemenges von Kohle, Eisen und Potasche gußeiserne Cylinder anwendet und so viel
Dampf durch dieselben streichen läßt, daß alle Potasche benuzt wird.
Die ammoniakalischen Salze sind wenig gefärbt, weil fast aller Theer in dem Rohre
zersezt wird, und sie könnten ohne weitere Zubereitung als Dünger benuzt werden.
Bei einer ununterbrochenen Fabrication könnte man den Cylinder, worin sich das
Blutlaugensalz bilden muß, in demselben Ofen anbringen, worin sich die zur
Fabrication der thierischen Kohle bestimmten Retorten befinden. Man brauchte nur die
Retorten mit einer ähnlichen, horizontal gelagerten cylindrischen Vorlage, wie man
sie bei der Bereitung des Steinkohlengases anwendet, in Verbindung zu sezen, aus
welcher sich die Gase und Dämpfe dann in den Cylinder begeben würden, welcher das
Gemenge von Kohle, Eisen und Potasche enthält. Die flüchtigen Producte würden
hierauf in zwei Apparate entweichen, wovon der eine bestimmt wäre, den Theer, der
andere aber das unzersezte Ammoniak zu verdichten, und zulezt wurde man sie in einen
Ofen oder auch in einen Reinigungsapparat (mit Kalkwasser) und in einen Gasometer
leiten, denn unter vielen Umständen ließen sich die Gase zur Beleuchtung
benuzen.Dieses Verfahren das Blutlaugensalz als Nebenprodukt bei der Fabrication
thierischer Kohle zu gewinnen, verdient gewiß alle Beachtung. Uebrigens hat der
Verfasser damit nichts Neues zu Tage gefördert; die Theorie der
Blutlaugensalz-Fabrication ist durch Liebig vollkommen ins Reine gebracht (man vergl. seine Abhandlung
im polyt. Journal Bd. LXXXII S.
346), welcher auch zeigte, daß Cyankalium in großer Menge entsteht,
wenn Ammoniak über ein glühendes Gemenge von Kohle und Potasche geleitet
wird. Ueberdieß ließ sich schon Miles Berry die
Bereitung von Blutlaugensalz nach dieser Methode in England patentiren; sein
Verfahren ist mit allen praktischen Details im polytechn. Journ. Bd. LXXXIV S. 365 mitgetheilt. A. d.
R.
Dieses Verfahren hätte auch noch den Vortheil, daß die Fabriken thierischer Kohle
beinahe keinen üblen Geruch in ihrer Nachbarschaft mehr verbreiten würden und der
Landwirthschaft Ammoniaksalze zu niedrigem Preise liefern könnten.