Titel: | Ueber Kartoffelfuselöhl und Entfuselung des Branntweins. Von Prof. Dr. J. W. Döbereiner. |
Fundstelle: | Band 88, Jahrgang 1843, Nr. XCII., S. 366 |
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XCII.
Ueber Kartoffelfuseloͤhl und Entfuselung
des Branntweins. Von Prof. Dr. J.
W. Doͤbereiner.
Aus dem Jahrb. für prakt. Pharmacie u. verwandte Fächer,
Bd. VI, S. 93.
Döbereiner, über Kartoffelfuselöhl etc.
Es ist bekannt, daß fuseliger Kartoffelbranntwein im Geruch und Geschmak sehr
verbessert wird, wenn man ihn mit dem zehnten Theile seines Volumens Essig und ein
wenig Schwefelsäure vermischt und nach einigen Tagen destillirt.
Man glaubte sonst und glaubt noch, daß bei diesem Verfahren etwas Essigäther
(essigsaures Aethyloxyd) gebildet und dadurch allein die Verbesserung des
Branntweins bewirkt werde. Dieß ist aber ein Irrthum; es wird nur wenig oder gar
kein Essigäther, sondern essigsaures Amyloxyd gebildet, welches so angenehm obstartig riecht und schmekt,
daß man es zum Parfümiren der Zimmer und zur Darstellung des Obstratafias gebrauchen
kann. Die Kraft, mit welcher das Amyloxyd die Essigsäure anzieht, ist weit größer
als die des Aethyloxyds, und bedarf nicht (wie immer lezteres), um thätig zu werden,
der Mitwirkung mineralischer Säuren.
Die bereits vor 36 Jahren von mir beobachtete Wirkung des Chlorkalks auf fuseligen
Branntwein hat ihren Grund darin, daß das Amploxydhpdrat (das Kartoffelfuselöhl)
durch dieses Salz metamorphosirt und in eine ätherartige Substanz von angenehmem
Geruch verwandelt wird.
Gut ausgeglühte Holz- oder Knochenkohle scheidet das Fuselöhl aus dem
Branntwein nur dann vollständig ab, wenn er vorher mit Wasser verdünnt worden,
wodurch die Kraft, mit welcher der Alkohol das Fuselöhl in Auflösung erhält,
geschwächt wird; denn aus Weingeist oder concentrirtem Alkohol kann dieses Oehl
durch keine Art von Kohle abgeschieden werden.
Die einfachste Art den Branntwein zu entfuseln ist, ihn zu rectificiren in dem Pistor'schen Entfuselungsapparat. Man gewinnt dabei das
Fuselöhl als ein Nebenproduct in so großer Menge, daß man es als Leuchtmaterial,
weil es mit sehr glänzender Flamme brennt, oder auf andere Art technisch benuzen
kann. Ich erhielt vor einiger Zeit mehrere Quart von diesem Oehl aus einer
Magdeburger Entfuselungsanstalt und wurde dadurch in den Stand gesezt, die
chemischen Verhältnisse desselben theilweise, besonders in Beziehung auf Reinigung
des Kartoffelbranntweins, zu studiren, wobei die oben mitgetheilten kleinen
Erfahrungen und außer diesen auch Kenntnisse gewonnen wurden, welche die Ansichten
von Cahours und Dumas, nach
welchen das Kartoffelfuselöhl ein Analogon des Alkohols und Holzgeistes ist, völlig
bestätigten.
Ich will dieses Oehl wegen seiner Analogie mit dem Alkohol Amylol nennen, und nur noch bemerken, daß es sich auch gegen Platinschwarz
oder Platinmohr (d.h. überaus fein zertheiltes und eben deßhalb schwarz aussehendes
Platinmetall) eben so verhält wie Wein- und Holzgeist, daß es nämlich in
Berührung mit demselben und bei Gegenwart von atmosphärischer Luft oder
Sauerstoffgas 4 Atome Sauerstoff absorbirt und damit 1 Atom Valeriansäure und 3
Atome Wasser bildet.
In einer der hiesigen Essigfabriken bemerkte ich vor wenigen Wochen einen auffallend
starken Geruch nach Valeriansäure (Baldriansäure) und entdekte bald, daß man zur
Bereitung des Essigs einen nicht entfuselten Kartoffelbranntwein angewendet hatte.
Es ist gewiß interessant
zu erfahren, daß in den sogenannten Essigbildern nicht allein der Alkohol, sondern
auch das Kartoffelfuselöhl (das Amylol) gesäuert wird und daß Essig im Handel
vorkommen kann, der mehr oder weniger Valeriansäure enthält. Es ist nicht
unwahrscheinlich, daß auch der mit vielem Wasser verdünnte Holzgeist sich in jenem
Apparat oxydiren und in Ameisensäure verwandeln werde, was man versuchen sollte da,
wo sich Gelegenheit dazu darbietet.