Titel: | Ueber die Anwendung des weinsteinsauren Kali-Natrons anstatt Weinsteins in der Wollenfärberei. |
Fundstelle: | Band 89, Jahrgang 1843, Nr. XXXVIII., S. 129 |
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XXXVIII.
Ueber die Anwendung des weinsteinsauren
Kali-Natrons anstatt Weinsteins in der Wollenfaͤrberei.
Ueber die Anwendung des weinsteinsauren Kali-Natrons
etc.
Zum Färben der Wolle und der wollenen Zeuge wird jezt bei gesteigerter Fabrication
eine so große Menge Weinstein verwendet, daß der in Deutschland gewonnene Weinstein
nicht hinreicht, das Bedürfniß davon zu diesen und anderen Zweken zu befriedigen,
ein Theil desselben muß aus dem Auslande bezogen werden. Ein Verfahren, wobei der
Verbrauch des Weinsteins vermindert und überdieß den Färbern dieser Körper in einer
reineren, zwekmäßigeren und wirksameren Form geboten wird, ist deßhalb gewiß von
Interesse. Der Weinstein, insbesondere der rohe, ist meist von sehr ungleicher
Beschaffenheit, welche oft von wesentlichem Nachtheile beim Färben ist; derselbe
enthält nicht nur eine große Menge Unreinigkeiten, die sich gleichzeitig aus dem
Weine absezen, sondern ist auch häufig mit sandigen und erdigen Theilen absichtlich
vermischt, so daß der Gehalt desselben an reinem Weinstein oft keine 50 Proc.,
selten über 70 Proc. beträgt. Durch die braune oder braunrothe intensive Färbung,
welche die Auflösung des rohen Weinsteins besizt, wird die Farbe der Tücher nicht
selten beeinträchtigt; die faserigen Theile des Weinsteins hängen sich in die Wolle
und die Schwefelkörner, welche häufig darin sind, machen Fleken. Dazu kommt noch der
Uebelstand, daß der Weinstein selbst in kochendem Wasser schwer löslich ist, deßhalb
in gepulvertem Zustande angewendet werden muß und daß dennoch leicht ein Theil davon
als ungelöst verloren geht. Selbst der gereinigte Weinstein (Crystalli Tartari) ist nie ganz rein; er enthält stets mehr oder weniger
Kalk, ist ebenfalls schwer löslich und bedeutend theurer. Es haben deßhalb in
neuester Zeit einige Tuchfabrikanten anstatt des gereinigten und rohen Weinsteins
den mit Natron neutralisirten Weinstein — den Tartarus
natronatus der Apotheken — als Beizmittel in Verbindung mit Alaun
oder Metallsalzen angewendet und dabei gefunden, daß dieses Präparat vorzüglicher zu
diesem Zwek als der Weinstein und überdieß weit billiger ist als lezterer, da man
weniger braucht. Die Vorzüge des Tartarus natronatus
ergeben sich schon, wenn man erwägt, daß die Wirkung des Weinsteins auf der Bildung
von weinsteinsaurer Thonerde oder eines weinsteinsauren Metalloxyds beruht und daß
bei Anwendung von Weinstein nur so viel von der Weinsteinsäure mit Thonerde oder dem
Metalloxyd in Verbindung treten kann, als mit Kali ein neutrales Salz bildet,
während der andere Theil der Weinsteinsäure, also die Hälfte derselben, für
diesen Zwek verloren geht; bei Anwendung von Tartarus
natronatus anstatt Weinstein hingegen verbindet sich der ganze Gehalt an
Weinsteinsäure mit der Thonerde oder dem Metalloxyd in Folge doppelter
Wahlverwandtschaft. Ferner ist zu berüksichtigen, daß der Tartarus natronatus in den Weinsteinsäure-Fabriken sehr leicht als
Nebenproduct ganz rein und billig dargestellt wird, so daß er bereits jezt von
chemischen Fabriken billiger als der gereinigte Weinstein geliefert wird.Die chemische Fabrik von Joh. A. Benckiser in
Pforzheim liefert reinen Tartarus natronatus zu
sehr billigem Preise.Anmerk. d. Einsend. Die leichte
Löslichkeit des Tartarus natronatus, selbst in größeren
Stüken und in wenig erwärmtem Wasser, ist auch ein Vorzug desselben.
Die Erfahrung hat gezeigt, daß man beim Färben der Wolle und der wollenen Tücher
anstatt eines Theils gereinigten Weinsteins nur einen halben Theil Tartarus natronatus und anstatt eines Theils rohen
Weinsteins meist nur ein Drittel Tartarus natronatus
anzuwenden braucht; lezterer kostet deßhalb nicht halb so viel als die denselben
ersezende Menge Weinstein. In Gegenden, wo kein Weinstein gewonnen wird, werden
außerdem die Transportkosten bei Anwendung des Tartarus
natronatus um ½ bis 2/5 vermindert
L. R — n.