Titel: | Ueber verschiedene Erscheinungen bei der Darstellung des Zukers; von Carl Hochstetter. |
Fundstelle: | Band 89, Jahrgang 1843, Nr. XXXIX., S. 130 |
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XXXIX.
Ueber verschiedene Erscheinungen bei der
Darstellung des Zukers; von Carl
Hochstetter.Diese Arbeit geht aus dem Laboratorium des Hrn. Prof. Magnus in Berlin hervor, welcher mir alle noͤthigen
Huͤlfsmittel zur Disposition stellte. Aufgemuntert durch das Interesse,
welches dieser Gelehrte an dem Gegenstande nahm, hatte ich mich auch im Verlaufe
der ganzen Arbeit seines Rathes stets zu erfreuen.
Aus Erdmann's und Marchand's Journal fuͤr praktische Chemie, 1843,
Bd. XXIX Heft 9.
Hochstetter, über verschiedene Erscheinungen.
Die Industrie, welche ich in vorliegender Abhandlung berühre, ist in einer Reihe von
10 Jahren häufig der Gegenstand in Zeitschriften gewesen; Landwirthe, Mechaniker und
Chemiker haben sich bemüht, durch Veröffentlichung ihrer Erfahrungen, ihrer
Erfindungen und Untersuchungen dem Fabricationszweige nüzlich zu werden, welcher die
mannichfachsten Interessen in sich vereinigte. Diesen gemeinschaftlichen
Bestrebungen hat namentlich die Rübenzukerfabrication ihre Wichtigkeit und
Ausdehnung zu verdanken, obgleich der Zukunft noch Manches für ihre Vervollkommnung
übrig bleibt.
Den mechanischen Hülfsmitteln wurde vom Anfange an größere Aufmerksamkeit gewidmet
als den chemischen, daher jene sehr ausgebildet waren, während lange Zeit der Körper
selbst, um dessen Gewinnung es sich handelte, der Zuker, in seinen Eigenschaften
wenig gekannt war, während die Rohmaterialien, das Zukerrohr und die Runkelrübe nach
ihren Bestandtheilen und deren Eigenschaften nur höchst unvollkommen untersucht
waren. Erst in neuerer Zeit haben mehrere Chemiker unsere Kenntniß über den Zuker
und die Materialien, aus denen er gewonnen wird, erweitert und den
wissenschaftlichen Theil der Fabrication gefördert. Dessenungeachtet sind die
Resultate solcher Untersuchungen noch weit entfernt, den Bedürfnissen dieser
wichtigen Industrie zu genügen. Jeder Zukerfabrikant, der mit der Chemie vertraut
genug ist, um diese Wissenschaft auf sein Gewerbe anwenden zu können, wird mir
beistimmen, daß die bisherigen Hülfsmittel der Chemie nicht zureichen, einen großen
Theil der Erscheinungen, welche im Verlaufe der verschiedenen fabrikmäßigen
Behandlungen des Materials zur Darstellung des Zukers auftreten, genügend zu
erklären, daß über die Wirkung und die Einflüsse der chemischen Mittel, welche bei
der Fabrication angewandt werden, noch sehr wenig Klarheit herrscht und daß eben
deßhalb der Fabrikant bloß seinen Erfahrungen folgen muß, die ihn aber sehr häufig
im Stiche lassen.
Mit der Fabrication des Zukers in allen ihren Zweigen ziemlich vertraut, wurde ich
durch die vielen Schwierigkeiten, welche mir mitunter in der Praxis aufstießen,
veranlaßt, mir Fragen über verschiedene Erscheinungen zu stellen, deren Lösung den
Gegenstand einer chemischen Arbeit bilden sollte.
So wenig ich bei einer so schwierigen und umfassenden Arbeit auf besondern Erfolg
hoffen konnte, so wollte ich doch den Versuch wagen, indem mir jeder, auch nur der
geringste Fortschritt von großer Wichtigkeit schien; ich wollte versuchen, eine
Reihe von Erscheinungen auf bestimmte Geseze zurükzuführen und den verschiedenen
Operationen der Zukerfabrication eine wissenschaftliche Basis zu geben.
Mit Benuzung des schon Bekannten wiesen mich meine Erfahrungen im Großen auf den Weg,
den ich bei dieser Arbeit einzuschlagen hatte und auf die Untersuchung von Körpern,
deren nähere Kenntniß Aufschluß über viele unerklärte Punkte geben mußte.
Zur Hauptaufgabe machte ich mir, die Einflüsse zu studiren, denen der Zuker bei
seiner Fabrication ausgesezt ist, die Ursachen zu ergründen, denen vorzugsweise eine
mindere Ausbeute an krystallisirbarem ZukerIch werde in der Folge der Kuͤrze halber diesen Zuker immer mit Rohrzuker bezeichnen. zuzuschreiben
ist, wie ich überhaupt ausschließlich die Praxis im Auge hatte, nach welcher sich
die meisten Versuche bestimmten. In einigen Fällen konnten die Resultate meiner
Versuche zur Aufstellung einer Ansicht nur genügen, indem ich meine Erfahrungen im
Großen und deren Aufzeichnungen mit zu Hülfe nahm; man lege daher an die Experimente
keinen zu strengen Maaßstab.
I. Die
Runkelrübe.
Die Kenntniß von der Zusammensezung der Materialien, welche zur Zukerbereitung
dienen, der Eigenschaften ihrer verschiedenen Bestandtheile, ist vor Allem nöthig,
um die Einflüsse zu begreifen, welchen der Zuker in seiner Auflösung und in
Berührung mit so vielen fremdartigen Substanzen ausgesezt ist.
Obschon dieser Theil von mehreren Chemikern bearbeitet wurde, so fand ich ihn doch
durchaus nicht erschöpft, wenigstens schien es mir wichtig, bei den Widersprüchen,
welche aus verschiedenen Arbeiten hervorgehen, durch neue Untersuchungen das Alte zu
bestätigen oder neue Beiträge zu dem Vorhandenen zu liefern.
Unter den beiden Hauptmaterialien, dem Zukerrohre der Tropen und der Runkelrübe,
konnte ich nur leztere untersuchen. Diejenigen Bestandtheile, welchen keine
Einwirkungen bei der Fabrication zugeschrieben werden konnten, vernachlässigte ich,
während ich fast ausschließlich die Substanzen zu isoliren und zu charakterisiren
suchte, deren Natur wesentliche Einflüsse erwarten ließ.
Die Wurzel, welche unsern sogenannten inländischen Zuker liefert, ist zu
verschiedenen Zeiten von vielen Chemikern untersucht worden; die Untersuchungen
bezogen sich jedoch größtentheils auf die Ermittelung des Zukergehaltes. Die
Schwierigkeit, welche die richtige Bestimmung des wahren Gehaltes der Rübe an Zuker
mit sich bringt, veranlaßte viele Chemiker, der Auffindung von Methoden zur
Bestimmung des Zukers ihre Bemühungen zu widmen. Für den Fabrikanten mußte es
allerdings von Wichtigkeit seyn, die Qualität seiner Rüben zu kennen, nicht nur der
ökonomischen Beziehungen wegen, sondern auch zur Beurtheilung, inwieweit seine
Fabrication entspricht. Man hat drei Methoden zur Ausmittelung des Zukergehaltes der
Rüben vorgeschlagen und angewandt: 1) durch Gährung,
indem entweder aus der Kohlensäure- oder Weingeistmenge die entsprechende
Menge Zuker gefunden wurde; 2) durch Ausziehung von
frischen Rüben, geschnitten oder gerieben, mittelst Weingeist; 3) durch Auslaugung getrokneter Rüben mit Weingeist. Ueber die Vorzüge der einen
oder andern Methode ist nichts constatirt; es scheint übrigens keine dem Zwek
gehörig zu genügen.
Wir besizen jedoch auch gründlichere Analysen der Runkelrübe von Payen, Péligot, Braconnot und einigen Anderen. Die meisten dieser
Analysen sind jedoch bloß qualitativ, andere beschränken sich darauf, bloß das
Wasser, den Zuker, die Pflanzenfaser und die übrigen fremden Substanzen zusammen in
Zahlenverhältnissen auszudrüken.
Der leichtern Uebersicht wegen führe ich hier die Resultate einiger Analysen an:
Payen.Mauny de Mornay, la
fabrication du sucre, p. 54, Paris 1837.
Péligot.
WasserRohrzukerHolzfaser
8510 bis 123
Trokene feste Materie
15,8
ZukerEiweißHolzfaser
10,62,13,0
Verschiedene Substanzen
—
Wasser
84,2
–––––––
–––––––
100
100,0.
BraconnotPolytechn. Journal Bd. LXXVII S. 49. gibt, mit
Benuzung der Analysen der Vorigen, folgende qualitative Zusammensezung der
Runkelrübe an:
1) Krystallisirbarer Zuker,
2) unkrystallisirbarer Zuker,
3) Eiweiß,
4) Pektin,
5) eine schleimige Substanz,
6) eine stikstoffhaltige, in Wasser lösliche Substanz,
7) pektische Säure, (?)
8) eine scharfe, riechende Substanz, die noch nicht näher untersucht ist,
9) ein Fett,
10) eine wachsartige Materie,
11) phosphorsaure Magnesia,
12) oxalsaures Kali,
13) äpfelsaures Kali,
14) phosphorsaurer Kalk,
15) oxalsaurer Kalk,
16) Chlorkalium,
17) schwefelsaures Kali,
18) salpetersaures Kali,
19) Eisenoxyd,
20) Ammoniaksalze,
21) Holzfaser.
Braconnot zog in seiner vorerwähnten Arbeit das
Alleinvorhandenseyn von Rohrzuker in der Rübe, den Ansichten von Pelouze und Péligot zuwider,
sehr in Zweifel. Neuerdings hat jedoch Pelouze seine
Ansicht durch schlagende Versuche bestätigt, ein für die Zukerfabrication höchst
wichtiges Factum.
Die Runkelrüben, welche mir zu den folgenden Versuchen dienten, waren theils aus der
Gegend von Berlin selbst, theils aus Magdeburg und dem Oderbruche.
1. Die stikstoffhaltigen
Substanzen.
Die Färbung des gepreßten Rübensaftes an der Luft ist bekannt, ich hatte jedoch
Gelegenheit, dieses Phänomen bei den Rüben, welche ich untersuchte, näher zu
beobachten. Der ausgepreßte Saft dieser Rüben war im Augenblike, wo er den
Zellen entquoll, gelblich trübe, er färbte sich an der Luft röthlich und wurde
nach einigem Stehen tintenartig. Diese Färbung des ausgepreßten Saftes beruht
auf einer wirklichen Oxydation eines in dem Safte enthaltenen Körpers. Man kann
diese sehr deutlich beobachten, wenn man Rübensaft in einem Cylinderglase
unbedekt stehen läßt; nach wenigen Minuten hat sich die oberste Schicht gefärbt,
welche mit der Zeit immer mächtiger wird. In einer flachen Schale der Luft
ausgesezt, färbt sich der Saft in wenigen Stunden tintenartig schwarz, und man
kann deutlich wahrnehmen, daß die Färbung von einem sehr feinen Niederschlage,
aus schwarzen Flökchen bestehend, herrührt. Dieser schwarze Niederschlag läßt
sich abfiltriren; im Kolben erhizt, gibt er Ammoniak. In Kali löst er sich
leicht auf, wird aber durch Essig- oder Salzsäure nicht mehr vollständig
aus dieser Lösung gefällt. In verdünnten Säuren ist er wenig löslich. Wird
Rübensaft, welcher diese Erscheinung zeigt, vor der Oxydation mit wenig Säure
versezt, so bildet sich der schwarze Niederschlag nicht; sobald jedoch die Säure
wieder abgestumpft wird, tritt dieselbe Erscheinung wie zuvor wieder auf. Durch
Erhizen des Saftes bis zum Kochen wird dieser Körper nicht ausgeschieden, denn
wird der gekochte Saft der Luft ausgesezt, so färbt er sich wie zuvor, nur nicht
so intensiv. Durch Zusaz eines Kalksalzes, z. B. Chlorcalcium, wird dieser
Körper aus dem Rübensafte weiß ausgefällt, färbt sich jedoch an der Luft
augenbliklich und wird schwarz.
Diese Substanz befindet sich nur in gewissen Gefäßen der Rübe. Das Zellgewebe der
Rübe enthält davon nichts, bloß die Gefäßbündel. Man sieht dieß sehr deutlich,
wenn eine Rübe so durchgeschnitten wird, daß alle Gefäßbündel im Durchschnitte
sichtbar sind. Erhält man die Schnittfläche einige Zeit mit Wasser, besser mit Weingeist, feucht,
damit sie nicht zu schnell abtroknet, so kann man nach sehr kurzer Zeit
beobachten, wie die Gefäßbündel durch schwarze Punkte sich bezeichnen. Wird die
Rübe, wenn sie durchschnitten ist, etwas gequetscht, so daß aus den Gefäßbündeln
Flüssigkeiten austreten und sich mit der des Zellgewebes vermischen, so färbt
sich die ganze Oberfläche.
Erhizte ich Rübensaft gleich nach dem Auspressen bis zum Kochen, so bildete sich
ein ziemlich reichliches weißes Coagulum, welches, abfiltrirt, ganz die
Eigenschaften von Eiweiß zeigte. Beim Troknen wurde es in der Regel grau, wohl
von der vorhin beschriebenen Substanz herrührend.
Braconnot hat Rübensaft untersucht, welcher beim
Kochen nicht coagulirte. Es ist möglich, daß dieser Chemiker mit alterirten
Rüben gearbeitet hat, deren Saft allerdings hie und da durch Kochen nicht
coagulirt. Auch scheint sein Rübensaft von dem meinigen durch mehr saure
Eigenschaften sich unterschieden zu haben, denn der Saft der meisten Rüben,
welche ich untersuchte, reagirte nicht, bloß wenige Sorten ganz schwach sauer,
kaum durch Lakmuspapier erkennbar.
Der Saft, durch Kochen von dem Eiweiß befreit, ist nicht klar, sondern stets noch
trübe; wird demselben aber eine Kalksalzauflösung, z. B. von Chlorcalcium,
zugesezt, so bildet sich in der Kälte, leichter, aber in der Wärme, ein
reichlicher Niederschlag, bestehend aus der oxydirbaren stikstoffhaltigen
Substanz, größtentheils aber aus oralsaurem, phosphorsaurem und schwefelsaurem
Kalk, und der bis zum Kochen erhizte Saft wird klar und weingelb gefärbt.
Wenn dieser Saft mit Kalkwasser versezt wurde, so entstand ein Niederschlag, der
weit reichlicher war als die beiden vorhergehenden und somit den größten Theil
der im Rübensafte enthaltenen fremden organischen Substanzen enthalten mußte;
beim Kochen der Flüssigkeit entwikelte sich Ammoniak. Von diesen Niederschlägen
sammelte ich auf dem Filter, wusch und troknete sie; im Kolben erhizt, gaben sie
ammoniakalische Producte. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß Kaltwasser beim
Kochen nichts mehr fällte, untersuchte ich die Flüssigkeit, ob darin nun noch
fremde Substanzen enthalten seyen. Nachdem ich die alkalische Flüssigkeit mit
Essigsäure kaum sauer gemacht hatte, behandelte ich einen Theil mit Tannin,
welches einen schwachen Niederschlag hervorbrachte; ein anderer Theil, mit
Bleiessig versezt, gab einen sehr starken Niederschlag, eben so mit
salpetersaurem Queksilberoxyd. Alle diese Niederschläge, jeder für sich
gesammelt und getroknet, gaben, im Kolben erhizt, ammoniakalische Producte.
Ich stimme in einigen Punkten dieser Untersuchung des Rübensaftes mit Braconnot nicht überein. Wie schon oben erwähnt, hat
dieser Chemiker durch Kochen des Rübensaftes kein Coagulum erhalten. Er erklärt
diese Erscheinung aus der Abwesenheit von Kalksalzen im Rübensafte und schreibt
die Eigenschaft des Eiweißes, zu coaguliren, in anderen Pflanzensäften dem
Einflusse von Kalksalzen zu, welche diese gewöhnlich enthalten. Dieß kann aber
nicht der Fall seyn, denn bei dem Vorhandenseyn von oxalsauren Alkalien konnte
auch in meinen Rübensäften kein Kalksalz enthalten gewesen seyn, was auch daraus
hervorgeht, daß Chlorcalciumlösung einen Niederschlag von oxalsaurem und
phosphorsaurem Kalke bildete. Wenn Braconnot durch
Chlorcalciumlösung oder irgend ein anderes Kalksalz ein Coagulum erhielt, wenn
er durch Kochen keines erhalten hatte, so war dieß offenbar eine und dieselbe
Erscheinung, welche ich beobachtete, nur mit dem Unterschiede, daß ich in der
gefällten Substanz einen ganz andern Körper erkannte; auch konnte der mit
Chlorcalcium versezte Saft nicht dem mit kaustischem Kalk geläuterten an
Reinheit gleichkommen, wie dieser Chemiker zu finden glaubte und deßhalb für die
Läuterung des Rübensaftes anstatt kaustischem Kalk Kalksalze, wie Gyps,
vorschlug. Ich habe im Gegentheil, wie oben gezeigt, gefunden, daß durch Kochen,
durch Zusaz eines Kalksalzes und durch reine Kalkerde verschiedene Substanzen
gefällt werden.
Hievon überzeugte mich auch folgende Untersuchung der Niederschläge, welche sich
in den Läuterpfannen der Rübenzukerfabrikanten durch Kalk bilden. Hr. H. Schmidt aus Magdeburg hatte die Güte, mir eine große
Quantität derselben, vorher sorgfältig getroknet, zu übersenden.
Diese Niederschläge, nachdem sie gut mit Wasser ausgesüßt waren, wurden mit
verdünnter Essigsäure behandelt, um die gebildeten Kalkverbindungen theilweise
zu zersezen. Die von den Rükständen abfiltrirte schwach saure Auflösung war
weingelb gefärbt und enthielt neben essigsaurem Kalk noch eine bedeutende Menge
organischer Substanzen aufgelöst, welche durch Bleiessig, Ammoniak oder
Kalkwasser wieder gefällt wurden. Um diese Substanz näher kennen zu lernen,
wurde der Kalk mit Oxalsäure gefällt, die Flüssigkeit filtrirt und abgedampft,
bei einiger Concentration aber mit Weingeist versezt, welcher die organische
Substanz fällte, die, ausgewaschen, sich in Wasser, jedoch erst nach längerer
Zeit, löste. Aus der wässerigen Lösung durch Abdunsten erhielt ich diese
Substanz als eine leimartige braune Masse, welche, im Kolben erhizt, Ammoniak
lieferte. Die wässerige Auflösung gibt mit Kalkwasser, Tannin oder dergleichen
Niederschläge, mit Chlorcalcium jedoch keine. Ich stellte mir eine ziemliche
Menge dieser
Substanz dar, um sie bei späteren Versuchen, wie ich anführen werde, anzuwenden,
um ihre Einwirkung auf Zukerlösungen kennen zu lernen.
Beim Auswaschen der mit Essigsäure behandelten Rükstände lösten sich stets noch
organische Substanzen auf, welche ich, da sie mit Kalk einen sehr voluminösen
Niederschlag gaben, für Pektinsäure hielt; die Untersuchung aber ergab, daß
diese Substanz auch sehr stikstoffhaltig war.
Der durch Behandlung mit Essigsäure ungelöst gebliebene braune Rükstand wurde
getroknet und dann mit absolutem Weingeist behandelt, welcher daraus in
gewöhnlicher Temperatur butterartiges körniges Fett auszog. Kali löste von dem
braunen übrigen Rükstande einen Theil auf; die Auflösung, mit Säuren versezt,
gab einen flokigen Niederschlag, der ebenfalls, wie die anderen,
stikstoffhaltig, in Wasser unlöslich, in verdünnten Säuren wenig löslich war und
überhaupt die Eigenschaften von wirklichem Eiweiß zeigte.
Die mit den angegebenen Reagentien ungelöst gebliebenen Substanzen bestanden
größtentheils aus anorganischen Substanzen, phosphorsaurem und oxalsaurem Kalk,
verschiedenen Unreinigkeiten, wie Sand und dergleichen, vom Kalk herrührend, und
endlich einer schwarzen humusartigen Substanz stikstoffhaltiger Natur, welche,
in Kali fast unauflöslich, das Product der verschiedenen Einwirkungen von Säuren
und Alkalien war.
Die Untersuchung dieser Rükstände zeigt, daß durch doppelte Wirkung von Wärme und
Kalkerde beim Läutern des Rübensaftes gefällt wurden:
1) O alsaurer Kalk,
2) phosphorsaurer Kalk,
3) eine dem Eiweiß ähnliche Substanz,
4) eine leimartige stikstoffhaltige Substanz,
5) ein Fett in Form von Kalkseife.
Pektinsäure konnte ich in diesen Niederschlägen nicht finden, was mit den
Untersuchungen von Braconnot übereinstimmen würde,
nach welchem der Rübensaft kein Pektin, wohl aber die Zellen der Rübe solches
enthalten. Da bei der Fabrication im Großen aber stets auch Rübenstükchen und
Zellen mit in den Saft übergehen, so dürfte sich in den Niederschlägen wohl auch
pektinsaurer Kalk vorfinden. Bei der Anwesenheit der auflöslichen
stikstoffhaltigen Substanzen ist es jedoch kaum möglich, die Pektinsäure zu
isoliren.
Es schien mir nicht uninteressant, die Menge der fremden organischen Substanzen
zu bestimmen, welche im Safte enthalten sind, namentlich aber, welche
Mengen durch Kalk fällbar sind und welche durch dieses Agens nicht gefällt
werden.
Eine gewogene Menge Rübensaft wurde zu diesem Zwek mit einer Auflösung von reinem
ZukerkalkIch wandte Zukerkalk an, um gewiß zu seyn, daß kein kohlensaurer Kalk in
die Fluͤssigkeit kommt, welcher das Endresultat unrichtig machen
muͤßte. versezt und bis zum Kochpunkte erhizt, die
gebildeten Niederschläge abfiltrirt, getroknet und gewogen. Die übrig bleibende
Flüssigkeit wurde mittelst Essigsäure schwach sauer gemacht und mit
drittel-essigsaurem Bleioxyd versezt. Die gefällte Bleiverbindung wurde
ebenfalls abfiltrirt, getroknet und gewogen.
Die Niederschläge wurden im Tiegel verbrannt und aus dem Verluste, so wie der
Kohlensäure des kohlensauren KalkesIch nahm hier an, daß der Kalk nicht durch Verbrennung der Kohle
kohlensauer geworden ist, sondern schon vorher bei der Zersezung der
organischen Koͤrper durch Waͤrme, weßhalb ich auch die
Kohlensaͤure als organische Substanz in Rechnung
brachte., die Menge der organischen Substanzen berechnet.
Es ergab sich aus zwei Versuchen:
Textabbildung Bd. 089, S. 138
In 100 Th. Saft von 90°
B.; In 100 Th. Saft von 9½° B.; Durch Kalkerde
faͤllbar; Durch Bleiessig faͤllbar;
Die Flüssigkeiten, aus denen diese Substanzen gefällt sind, enthalten jedoch noch
andere, denn salpetersaures Queksilberoxyd fällt daraus noch mehr.
Die Resultate der bis daher angeführten Versuche überzeugten mich, daß im
Rübensafte die fremden organischen Substanzen, welche bisher überhaupt mit dem
Namen Eiweiß bezeichnet wurden, aus einer Reihe von Substanzen bestehen, welche
zwar stikstoffhaltiger Natur sind, aber in ihren Eigenschaften wesentlich von
denen des Eiweißes abweichen. Im Allgemeinen kam ich bei verschiedenen Rüben aus
verschiedenen Gegenden und Boden zu demselben Resultate, nur fand ich die
Verhältnisse, in denen diese vier Substanzen vorkommen, sehr variirend. Diese
verschiedenen Mengenverhältnisse bei verschiedenen Rüben kann man bei der
Fabrication im Großen sehr leicht beobachten, denn die Kalkzusäze bei der
Läuterung richten sich größtentheils darnach. Je nach dem Zustande der Rüben, in
welchem sie sich befinden, können sogar eine oder zwei der vorerwähnten
Substanzen ganz fehlen. Aus Saft von sehr stark gekeimten Rüben läßt sich kein
Eiweiß mehr durch Kochen coaguliren, der Saft enthält dann gewöhnlich auch die
Substanz nicht mehr, welche sich an der Luft oxydirt und färbt. Es ist aber
gewiß, daß diese Substanzen vorher in der Rübe waren. Offenbar hat sich das
Eiweiß verändert und zwar zu einem Körper, der mit Kalk Verbindungen eingehen
kann, weßhalb solcher Rübensaft oft die doppelten Kalkdosen zur Fällung
erfordert, als dieß bei Saft von ungekeimten Rüben der Fall ist; es findet sich
aber auch in solchem Safte eine größere Menge durch Kalk nicht fällbarer
organischer Körper vor. Es scheint demnach, als ob durch den Vegetationsproceß
die beschriebenen Substanzen wesentlich modificirt werden und eine Reihe von
Veränderungen durchlaufen, bis sie geeignet sind, zur Ernährung der neuen
organischen Gebilde mitzuwirken.
Der Keimungsproceß ist es aber nicht allein, welcher solche Veränderungen
hervorbringt. Dieselben Erscheinungen zeigen sich bei gewissen Rüben, welche die
Eigenschaft zeigen, sehr leicht in Fäulniß überzugehen.
Das genauere Studium dieser Körper ist gewiß von großer Wichtigkeit, denn, wie
ich weiter unten zeigen werde, spielen diese eine sehr wichtige Rolle in der
Zukerfabrication.
2. Der Ammoniakgehalt der
Runkelruͤbe.
Es ist eine sehr bekannte Erscheinung, daß beim Läutern des Rübensaftes, so wie
beim Abdampfen desselben, bedeutende Mengen Ammoniak frei werden, weßhalb
allgemein angenommen wird, daß in dem Rübensafte Ammoniaksalze enthalten sind.
Die Menge des bei diesen Operationen sich entwikelnden Ammoniaks ist in der That
nicht unbedeutend, es ist mir aber stets aufgefallen, daß, wenn kalter Rübensaft
mit Kalk versezt wird, auch keine Spur davon zu erkennen ist.
Auch jezt versuchte ich wiederholt, kaltem gepreßtem Rübensaft oder Rübenbrei
Kalilösung zusezend, mich von der Gegenwart von Ammoniak zu überzeugen, allein
vergebens. Ein Umstand bestimmte mich noch besonders die Sache näher zu
untersuchen. Wenn ich nämlich durch Kalk geläuterten Rübensaft stark alkalisch
machte und denselben anhaltend kochte, hörte nach einiger Zeit die
Ammoniakentwikelung auf; wurde aber die Flüssigkeit in dem Kolben, worin dieß
geschah, sich circa 12 Stunden selbst überlassen, so
war bei wiederholtem Kochen wieder Ammoniakbildung bemerkbar; dieß wiederholte
ich öfters und fand stets, daß wenn Tags zuvor kein Ammoniak mehr vorhanden war,
den andern Tag beim Kochen sich neue Mengen entwikelten.
Da mich meine vorhergehenden Versuche von der Menge stikstoffhaltiger Substanzen,
welche in dem schon mit Kalk behandelten Safte noch vorhanden sind, überzeugten,
ferner die Bildung des Ammoniaks in dem oben erwähnten Versuche aufmerksam
machte, kam ich auf die Vermuthung, ob überhaupt das frei werdende Ammoniak
nicht ein Product von der Einwirkung der Alkalien auf die stikstoffhaltigen
Substanzen des Rübensaftes seyn könnte.
Wenn Rübensaft, Rübenbrei oder Rübenschnitte kalt mit verdünntem Kali oder
Kalkmilch versezt werden, konnte ich bei der gewöhnlichen Temperatur durch
keines der gewöhnlichen Reagentien Ammoniakentwikelung entdeken; wird das
Gemenge erhizt, so zeigen sich die ersten Spuren von Ammoniak erst in einer dem
Kochpunkte nahen Temperatur. Bei der oft stundenlang beim Kochen anhaltenden
Ammoniakentwikelung war es wirklich auffallend, daß bei gewöhnlicher Temperatur
gar keines und unter dem Kochpunkte nur so wenig Ammoniak frei wurde, da doch
die Ammoniaksalze in der Kälte so gut wie in der Wärme von Alkalien zerlegt
werden.
Um jedoch bestimmter die Abwesenheit von Ammoniak bei gewöhnlicher Temperatur
nachzuweisen, nahm ich 296 Gr. Rübensaft von 9½° B. vor, versezte
denselben in einem Kolben mit Kalkmilch im Ueberschusse und leitete durch dieses
Gemenge ungefähr während 12 Stunden einen Wasserstoffstrom, welcher endlich
seinen Weg durch einen Kugelapparat mit Salzsäure nahm, um Ammoniakdämpfe, die
er aus der Flüssigkeit aufnehmen konnte, dort abzugeben. Diese Salzsäure, mit
Platinchlorid vermischt, wurde im Wasserbade zur Trokne abgedampft und dann mit
absolutem Weingeist behandelt. Es hatten sich bei diesem Versuche Spuren von
Platinsalmiak gebildet.
Bei einem zweiten Versuche erhizte ich eine gleiche Menge desselben Rübensaftes
mit Kalkmilch bis zum Kochen und wiederholte nach der Abkühlung der Flüssigkeit
den vorigen Versuch auf dieselbe Art, erhielt aber nur wenig mehr Platinsalmiak,
dessen Menge 3 Mgr. betrug.
Die Menge Platinsalmiak war bei beiden Versuchen so gering, daß ich vermuthen
konnte, das Ammoniak könne auch während der Manipulation aus der Luft
aufgenommen worden seyn, oder die Salzsäure war nicht rein, denn Reiset hat uns gezeigt, daß dieses Verfahren der
Ammoniakbestimmung leicht Fehler im Gefolge haben kann, wenn die Versuche nicht
mit aller Sorgfalt angestellt werden. Ich wandte daher bei einem dritten
Versuche anstatt Rübensaft bloß ausgekochtes destillirtes Wasser unter den
vorigen ganz gleichen Umständen an. Die abgedampfte und mit Platinchlorid
versezte Salzsäure
hinterließ ebenfalls Spuren von Platinsalmiak, deren Menge der im ersten
Versuche gleich kam.
Ich glaubte aus diesen Versuchen schon unmittelbar auf die Abwesenheit von
Ammoniaksalzen schließen zu können; ich wollte aber, um wo möglich noch mehr
Beweise für diese Ansicht zu stellen, untersuchen, wie viel Ammoniak sich aus
einer Menge Saft, wie die vorhin in Arbeit genommene entwikelt.
Zu dem Ende wurden 296 Gr. Saft von 9½° B., von Rüben desselben
Akers herrührend, bis zum Kochen erhizt und mit Kalkmilch im Ueberschusse
versezt, wodurch alle durch Kalk und Wärme fällbaren Substanzen entfernt wurden.
Sobald die Fällung geschehen war, wurde die Masse möglichst schnell abgekühlt,
um Verlust an Ammoniak zu vermeiden, filtrirt und die Niederschläge mit
ausgekochtem kaltem Wasser ausgewaschen. Die klare Flüssigkeit zeigte nun
6½° B. Diese wurde, in einem Kolben erhizt, im Kochen erhalten und
die Dämpfe in mehreren mit einander in Verbindung stehenden kleinen Flaschen,
auf deren Boden sich Salzsäure befand, condensirt. Nach 1½stündigem
Kochen schien die Flüssigkeit kein Ammoniak mehr zu geben, weßhalb die Arbeit
unterbrochen, der Inhalt der Condensationsgefäße mit Chlorplatin vermischt, im
Wasserbade abgedampft und mit absolutem Weingeist behandelt wurde. Die Menge des
erhaltenen Chlorplatins betrug 0,944 Gr.
Die Flüssigkeit war etwas trübe geworden, sie hatte sich etwas gefärbt, und doch
kaum mehr, als durch die Concentration erklärt werden konnte; es hatte sich ein
weißer Niederschlag gebildet. Nach 12stündigem Stehen nahm ich das Kochen
derselben Flüssigkeit wieder vor, wobei wieder Ammoniak sich entwikelte, welches
sich in 0,346 Platinsalmiak vorfand. Die ganze Menge Platinsalmiak betrug also
1,290 Gr., welche gleich ist 0,099 reinem Ammoniak.
Eine solche Menge hatte ich nicht erwartet, sie überzeugte mich aber nur um so
mehr von meiner Ansicht, daß das Ammoniak, welches bei der Fabrication auftritt,
das Product von der Einwirkung der Alkalien auf gewisse stikstoffhaltige
Substanzen ist, welche weder durch Kochen noch durch Kalk fällbar sind. Wenn ich
eine Menge von Salmiak, welche dem dritten Theile des gefundenen
Ammoniakgehaltes entsprach, mit 296 Gr. einer Zukerauflösung von
9½° B. vermischte und Kalkmilch oder Kalilauge zusezte, so konnte
durch den Geruch sowohl als durch einen mit Salzsäure benezten Glasstab Ammoniak
sehr deutlich wahrgenommen werden.
Säuren bringen dieselbe Erscheinung hervor. Wenn ich nämlich Rübensaft mit
verdünnter Salzsäure längere Zeit gekocht hatte und die Flüssigkeit dann mit
Kali im Ueberschusse versezte, so war eine deutliche Ammoniakentwikelung bei gewöhnlicher
Temperatur bemerkbar, während dieß vor dem Versuche nicht der Fall war. Die
Substanz, welche in Berührung mit Alkalien und Säuren sich so leicht zerlegt,
ist in Weingeist von 83 Proc. löslich, denn werden getroknete Rüben mit diesem
ausgezogen, so entwikelt die weingeistige Lösung sowohl durch Kochen mit Alkali,
als auch nach längerem Kochen mit verdünnter Salzsäure und nachherigem Behandeln
mit Kali bei gewöhnlicher Temperatur Ammoniak.
Die Zersezung von stikstoffhaltigen Körpern beim Kochen mit kaustischen Alkalien
oder Säuren, wobei Ammoniak gebildet wird, ist bekanntS. Berzelius' Lehrbuch der Chemie Bd. IX. S. 878 und 879. doch tritt
bei diesen Körpern eine ähnliche Zersezung bloß bei Anwendung sehr concentrirter
Alkalien ein. Wenn ich das durch Kochen gefällte Eiweiß des Rübensaftes mit
verdünnten Alkalien unter denselben Umständen wie in den früheren Versuchen
längere Zeit kochte, konnte ich keine Ammoniakbildung wahrnehmen, eben so wenig,
wenn ich die oxydirbare stikstoffhaltige Substanz einer ähnlichen Behandlung
unterwarf. Dieser Fall kann jedoch nicht gegen meine Ansicht sprechen, da die
Verbindung, welche mir Ammoniak lieferte, eine losere seyn kann, eine in
Veränderung begriffene. Ueberhaupt sind die stikstoffhaltigen Körper der
Pflanzenwelt noch zu wenig untersucht, um zur Bestätigung meiner Ansicht nicht
analoger Fälle zu bedürfen.
Die Anwesenheit von Ammoniaksalzen in der Rübe scheint mir demnach sehr
problematisch, wenigstens rührt der größte Theil des
bei der Rübenzukerfabrication auftretenden Ammoniaks von einer Zersezung her,
wie ich sie beschrieben. Ueberhaupt dürften die Resultate dieser Untersuchung
dazu dienen, ähnliche Versuche mit anderen Pflanzen vorzunehmen, in welchen das
Vorhandenseyn von Ammoniaksalzen angenommen wird, ohne Zweifel, weil die
untersuchten Theile durch Kochen mit Alkalien Ammoniak entwikeln.S. Liebig's organ. Chemie in ihrer Anwendung
auf Agricultur und Physiologie, S. 72 und 73.
3. Die unorganischen
Bestandtheile.
Der Gehalt der Rübe an Salzen ist bekannt, ich fand jedoch über die Mengen,
welche darin vorkommen, so wenig aufgezeichnet, daß ich auch in dieser Hinsicht
verschiedene Rübensorten untersuchte. Ich bestimmte die Mengen ganz einfach
durch Einäschern. Diese Methode kann jedoch durchaus nicht genau seyn, denn man
erhält in der Asche theilweise bloß die Basen, während die organischen Säuren,
auch
Salpetersäure, zersezt werden. Die Aschenmenge wird also stets geringer
ausfallen, als der wahre Gehalt an Salzen in der Rübe beträgt. Ich hatte
versucht, die Menge der Salze in dem Zustande, wie sie in der Rübe enthalten
sind, zu bestimmen, indem ich eine gewogene Menge Rübenbreies mit Hefe in
Gährung versezte, um den Zuker zu zerstören. Die daraus erhaltene Flüssigkeit
enthielt zwar keinen Zuker mehr, wohl aber eine solche Menge fremder organischer
Substanzen, daß an eine quantitative Bestimmung der Salze gar nicht zu denken
war.
Mittelst Einäscherung getrokneter Rübensubstanz wurden folgende Resultate
erhalten:
Textabbildung Bd. 089, S. 143
Absolut. Gew. der
Ruͤbe.; Trokene Substanz.; Asche.; Th. Ruͤben aus gutem
Gartenland; Pfd.; dem Oderbruch; Lehmboden; 2⅛; Sandboden
Hienach berechnet sich der Aschengehalt für 100 Theile trokene Substanz:
1)
5,55
2)
14,20
3)
4,92
4)
3,77.
Eine quantitative Untersuchung der einzelnen Bestandtheile der Aschen habe ich
nicht vorgenommen. Da diese nach dem Boden, auf dem die Rüben gewachsen, sehr
verschieden sind, so hat eine solche Untersuchung keinen allgemeinen Werth.
70–80 Proc. vom Gewicht der Aschen sind auflöslich in Wasser; eine solche
Auflösung besteht zum größten Theile aus kohlensaurem, ferner schwefelsaurem,
salzsaurem und phosphorsaurem Alkali. Der in Wasser unlösliche Theil der Asche
besteht aus kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk, Eisenoxyd und Kieselerde.
In der Rübe 2) fanden sich große Mengen von salpetersaurem Kali, dessen
Anwesenheit sich nicht nur beim Verkohlen durch eine lebhafte Verbrennung
erkennen ließ, sondern ich erhielt es sogar in Krystallen, wenn der Zuker des
Saftes durch Gährung mittelst Hefe zerstört und die Flüssigkeit abgedampft
wurde. Mit dem leztern Verfahren erhielt ich bei den anderen Rübensorten keine
Spuren von Salpeter.
Noch war wichtig zu wissen, ob der größere Theil der Salze im Safte oder in der
Holzfaser der Rübe sich befindet.
Indem ich von derselben Rübe einen getrokneten gewogenen Theil einäscherte, einen
andern in Brei verwandelte, den Saft mit kaltem Wasser auslaugte, den Rükstand
troknete und ebenfalls einäscherte, erhielt ich bei Anwendung gleicher Mengen
aus der getrokneten Faser stets weniger Asche als aus der getrokneten
Rübenmasse, und zwar eine Asche, die größtentheils unlöslich in Wasser war. Es
geht daraus hervor, daß der Saft der Rübe den größten Theil der auflöslichen
Salze enthält.
So unvollständig die vorstehende Untersuchung über den Salzgehalt der Rüben ist,
so genügt sie doch, um zu zeigen, wie wenig dieser vernachlässigt werden kann,
denn die Menge der Salze übersteigt nach den angegebenen Analysen selbst bei den
besten Rübensorten, wie 1, 3 und 4, noch jedenfalls 1 Proc. vom Gewicht der
Rübe, wenn man nämlich die Basen mit den Säuren sich verbunden denkt als Salze,
wie sie in der Rübe existiren.
4. Der Zuker.
Zur Beantwortung der Frage, ob in der Rübe bloß Rohrzuker Vorhanden, oder ob ein
Theil des unkrystallisirbaren Zukers, welcher bei der Fabrication stets erhalten
wird, schon in der Rübe fertig gebildet enthalten ist, wiederholte ich die
Versuche, welche Pelouze, Péligot, Braconnot und
Andere zu diesem Zweke angestellt haben.
Nach PelouzePolytechn. Journal Bd. XLIII S. 53. behandelte
ich eine gewogene Menge feiner Rübenschnitte mit Weingeist von 83 Proc. und
dampfte die gewonnene weingeistige Zukerlösung unter der Luftpumpe ein. Anstatt
Rübenschnitten wählte ich in einem andern Versuche Rübenbrei, ich erhielt aber
stets eine dunkel gefärbte Masse, welche nur schwer zum Krystallisiren zu
bringen war; mit absolutem Weingeist legte ich einen Theil der Krystalle zwar
troken, aber rein und weiß konnte ich sie nie erhalten, sie waren sogar nicht
rein genug, um den Zuker quantitativ zu bestimmen, dem unverkennbar Salze und
andere fremde Materien beigemischt waren, welche mit einem Theile des Zukers
eine schmierige Masse bildeten. Mein weingeistiger Auszug färbte sich an der
Luft augenbliklich und wurde tintenartig von feinen schwarzen Flökchen, welche
die oben beschriebene oxydirbare Substanz waren. Dieß ließ sich zwar durchs
Filter trennen, die Auflösung wurde aber doch nicht farblos und enthielt nicht
wenig fremde Substanzen, welche beim Abdampfen eine schmierige gefärbte Masse
mit einem Theile des Zukers bildeten.
Ein etwas günstigeres, doch nicht genügendes Resultat gab mir Péligot's Methode, die getrokneten und gepulverten
Rüben mit Weingeist von 83 Proc. auszulaugen, allein ich erhielt stets nur
schmierige Zukerkrystalle mit unverkennbarer Einmengung von Salzen und anderen
organischen Substanzen, so daß mir keine dieser Methoden geeignet scheinen
konnte, die Frage über das alleinige Vorhandenseyn von Rohrzuker zu lösen.
Braconnot, welcher die Péligot'sche Methode zu demselben Zwek anwandte, hat auch nie reine
Zukerkrystalle erhalten können und zieht deßhalb die Annahme von Péligot über das Alleinvorhandenseyn des Rohrzukers
in der Rübe in Zweifel. Befremdend bleibt mir immer, auf welche Weise diese
Chemiker die Salze, deren Menge, wie ich gezeigt, nicht unbedeutend ist,
abgeschieden haben, da diese in Weingeist von 83 Proc. nicht absolut unlöslich
sind und nothwendig die Krystallisation des Zukers beeinträchtigen mußten. Oder
sollten die französischen Rüben weniger Salze enthalten als unsere
deutschen?
Dieselben Methoden, mittelst welcher die besprochene Frage gelöst werden sollte,
werden auch angewandt, den Zukergehalt der Rübe quantitativ zu bestimmen. Aus
den eben erwähnten Gründen aber sind sie nicht genügend, wenigstens gelang es
mir bei keinem meiner Versuche, den Zuker weiß, troken und ohne einen
unkrystallisirbaren schmierigen Rükstand zu erhalten. Pelouze mit der Annahme, daß bloß Rohrzuker in der Rübe existire,
bestimmte mit der durch Gährung erzeugten Weingeistmenge den Zuker in der Rübe.
Ich selbst habe keine vergleichenden Versuche angestellt, diejenigen aber,
welche diese Methode anwandten, erhielten bei einem und demselben Material bei
verschiedenen Versuchen auch verschiedene Resultate. Da diese Methode nur unter
der Hand eines sehr sorgfältigen Experimentators genaue Resultate erwarten läßt,
so dürften die vorhergehenden Methoden, troz ihrer Mangelhaftigkeit, für die
Praxis den Vorzug verdienen, weil sie einfacher sind und so große Fehler nicht
leicht möglich machen, wie dieß bei der Methode mittelst Gährung der Fall seyn
kann.
Die Abwesenheit eines unkrystallisirbaren Zukers in der Rübe hat nun vor kurzer
Zeit PelouzePolyt. Journal Bd. LXXXVI S. 215. mittelst
der KupferprobeDiese Probe beruht bekanntlich auf der Eigenschaft mehrerer Zukerarten,
das Kupferoxyd zu reduciren und aus der zukerigen Aufloͤsung als
Kupferoxydul zu faͤllen. Da der Rohrzuker nicht reducirend wirkt,
wenigstens nicht so schnell, so kann ein Kupferoxydsalz zur Erkennung
dienen, oh eine Zukerloͤsung außer Rohrzuker noch eine andere
Zukerart enthaͤlt. In einem Cylinderglaͤschen werden der
zu untersuchenden Fluͤssigkeit einige Tropfen schwefelsaures
Kupferoxyd und ein Ueberschuß von Kaliloͤsung zugesezt. Es wird
kein Kupferoxyd fallen, sondern eine klare blaue Fluͤssigkeit
entstehen, welche lange Zeit unveraͤndert bleibt, wenn bloß
Rohrzuker in der Fluͤssigkeit war. Die geringste Spur einer
andern Zukerart ruft die Bildung eines orangegelben Niederschlages von
Kupferoxydul hervor, nachzuweisen gesucht.
Ich stellte dieselben Versuche mit Saft verschiedener Rüben, geleimten und
ungekeimten, an und erhielt nie eine Reaction auf unkrystallisirbaren Zuker,
wodurch ich die Versuche von Pelouze vollständig
bestätigt fand. Es wäre aber doch noch wichtig, eine größere Menge Versuche mit
verschiedenen Rüben von verschiedenem Boden und von verschiedenem Zustande in
dieser Richtung zu machen, ob selbst bei saurer Reaction des Saftes und bei sehr
stark ausgewachsenen oder angefaulten Rüben doch kein unkrystallisirbarer Zuker
in der Rübe präexistirt. Alle Rüben, mit welchen ich operirte, enthielten nach
der Kupferprobe bloß Rohrzuker, ob sich gleich unter diesen gekeimte und
angefaulte befanden. Diese Erscheinung ist um so auffallender, als die Erfahrung
im Großen eine große Menge unkrystallisirbaren Zukers in der Rübe vorhanden
erwarten läßt.
Meine Untersuchungen haben den bisherigen Analysen der Runkelrüben demnach
Folgendes hinzuzufügen:
Der Rübensaft enthält eine Reihe von stikstoffhaltigen
Substanzen, welche bisher nicht näher bezeichnet, sondern unter dem
allgemeinen Namen vegetabilisches Eiweiß
zusammengefaßt wurden; sie lassen sich sowohl in ihren physischen Eigenschaften
als in ihrem Verhalten gegen verschiedene Reagentien unterscheiden:
1) als wirkliches Eiweiß, durch Kochen coagulirbar;
2) eine stikstoffhaltige, im Rübensafte aufgelöste Substanz, welche aus der Luft
begierig Sauerstoff aufnimmt und als unlösliche schwarze Substanz auftritt;
3) eine stikstoffhaltige leimartige Substanz, durch Kalkwasser fällbar;
4) eine stikstoffhaltige Materie, durch Bleiacetat fällbar und durch Kochen mit
verdünnten Alkalien leicht zersezbar.
Außer diesen vier Substanzen finden sich noch stikstoffhaltige, durch
salpetersaures Queksilberoxyd fällbare Substanzen vor, die nicht näher
untersucht sind.
In der Runkelrübe existiren keine Ammoniaksalze. Das
Ammoniak, welches bei der Fabrication im Großen sich in so großer Menge
entwikelt, ist das Product einer Zersezung, hervorgebracht durch die Einwirkung der
Alkalien auf einige stikstoffhaltige Materien des Rübensaftes.
Bestätigt habe ich Pelouze's Versuche, deren Resultate
die Ansicht feststellen, däß in der Rübe bloß Rohrzuker existirt.
Ich habe schon an seinem Orte darauf aufmerksam gemacht, wie die große Menge von
Salzen im Rübensafte Aufmerksamkeit verdient. Um diese noch mehr auf diesen
Bestandtheil der Rübe hinzulenken und überhaupt zu zeigen, mit wie vielen
fremden Substanzen der Zuker im Rübensafte gemengt vorkommt, habe ich die
Verhältnisse für 100 im Rübensafte enthaltene feste Bestandtheile berechnet und
folgendermaßen zusammengestellt:
I.
II.
Zuker
83,58
86,28
fremde
organische
Substanzen,
durch
Kalk faͤllbar
7,98
7,52
—
—
—
—
Bleiacetat faͤllbar
0,73
0,95
Salze und Salzbasen
7,71
5,25
––––––––––––––
100,00
100,00.
Diese Zahlen habe ich bei zwei Runkelrüben, welche zu den besseren gehören,
gefunden; jedoch werden sie nicht das wahre Verhältniß angeben, da noch eine
nicht unbedeutende Anzahl anderer fester Substanzen im Rübensaft enthalten sind,
deren nähere Bestimmung hier fehlt. Namentlich wird der wirkliche Gehalt an
Salzen sich stets höher berechnen, als hier angegeben ist, weil durch das
Einäschern die organischen Säuren zerstört wurden. Daher kommt es auch, daß man
stets einen nicht unbedeutenden Gewichtsverlust erhält, wenn man aus der
getrokneten Rübe mittelst Weingeist den Zukergehalt berechnet, aus dem Safte
derselben Rübe die stikstoffhaltigen Substanzen und durch Einäschern die
Salze.
Annähernd können jedoch diese Analysen vor der Hand genügen, um wenigstens zu
zeigen, daß eine Menge fremder Substanzen im Rübensaft enthalten sind, die
nothwendig einen wesentlichen Einfluß auf die Fabrication üben müssen.
Die Zusammensezung der Rübe wird stets nach Boden und klimatischen Verhältnissen
variiren.
Es wird aus dieser Arbeit über die Runkelrübe hervorgehen, wie viel hier noch zu
untersuchen ist, namentlich wünschte ich die Aufmerksamkeit der Chemiker durch
diese Arbeit auf nähere Untersuchung der von mir nur unvollständig
charakterisirten stikstoffhaltigen Substanzen hinzulenken, deren genaue Kenntniß
nicht nur für die Zukerfabrication, sondern auch für die Wissenschaft von
Interesse seyn muß.
II. Verhalten reiner Zukerlösungen unter verschiedenen Einflüssen.
Sowohl bei der tropischen als inländischen Zukerfabrication wird der Zuker der
ausgepreßten oder durch Auslaugung gewonnenen Säfte nur zum Theil in seinem
ursprünglichen Zustande, d. h. als Rohrzuker, erhalten. Schon ehe man mit
Bestimmtheit nachgewiesen hatte, daß sowohl im Zukerrohr als in der Runkelrübe bloß
Rohrzuker existirt, erkannte man, daß ein großer Theil der sogenannten Melasse der
Zukerfabrikanten einer Veränderung des Rohrzukers unter verschiedenen Einflüssen
während der fabrikmäßigen Darstellung zuzuschreiben ist.
Die bald eintretende Gährung bei ausgepreßten zukerhaltigen Pflanzensäften, eine bei
der Zukerfabrication in den Tropen gewöhnliche Erscheinung, beweist die Einwirkung
der in diesen Säften enthaltenen stikstoffhaltigen Substanzen, denn nur diese sind
nach den jezigen Erfahrungen im Stande, diejenigen Veränderungen zu bewirken, welche
mit dem Namen Gährung bezeichnet werden.
Die Beobachtung, daß aus einer Zukerlösung nach anhaltendem Kochen nur ein Theil
wieder als krystallisirbarer Zuker erhalten werden kann, bezeichnet als einen
weiteren Einfluß die Wärme.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß in der That solche Einflüsse dem Fabrikanten seine
Ausbeute schmälern; ich bezweifle aber, daß sie richtig beurtheilt worden sind, und
doch sind nur bei richtiger Beurtheilung derselben Verbesserungen in der Fabrication
möglich.
Zu diesem Zwek mußten Versuche im Kleinen angestellt werden.
Diese stellte ich an, indem ich Lösungen von reinem Zuker allen den Einflüssen
auszusezen suchte, welchen der Zuker in den Säften und überhaupt während der ganzen
Fabrication unterworfen seyn kann.
Den Grad der Zersezungen, welche ich bei der Einwirkung verschiedener Agentien auf
den Rohrzuker beobachtete, war mir nicht möglich, genau zu bestimmen bei den
unzureichenden Hülfsmitteln der Chemie, die neugebildeten Zukerarten von dem noch
unveränderten Rohrzuker zu trennen und quantitativ zu bestimmen. Zwar ist in neuerer
Zeit die Polarisation des Lichts angewandt worden, sowohl zur quantitativen
Bestimmung mehrerer Zukerarten in einer Auflösung, als auch zur gradweisen
Beobachtung von der Veränderung des Zukers unter verschiedenen Einflüssen. Ich
wandte diese Methode nicht an, weil sie mir nur zu einigen wenigen Beobachtungen von
Nuzen seyn, für den größeren Theil aber gar nicht dienen konnte, und weil ich
überhaupt die Genauigkeit ihrer Resultate für die vorliegenden Fälle sehr in Zweifel ziehe aus Gründen,
auf welche ich im Verlaufe zurükkommen werde. Die Ergebnisse dieser MethodeSie ist im polyt. Journal Bd. LXXXIV S. 271 beschrieben. A. d.
R. habe ich jedoch aus den Arbeiten von Ventzke und SoubeiranJournal fuͤr prakt. Chemie Bd. XXV S. 65,
Bd. XXVII S. 281, Bd. XXVIII S. 101. stets zur Vergleichung mit den meinen
benuzt.
1. Einfluß der
atmosphaͤrischen Luft auf reine Zukerloͤsungen bei
gewoͤhnlicher Temperatur.
Zuker in reinem destillirtem Wasser aufgelöst kann in verschlossenen Gefäßen
wochenlang aufbewahrt werden, ohne daß er sich verändert hätte; läßt man dagegen
eine Auflösung von circa 10° B. in einem
Becherglase vor Staub geschüzt, der Luft ausgesezt, so finden sich nach drei
Tagen schon Spuren von verändertem Zuker, welche sich von Tag zu Tag mehren.
Diese Beobachtung ist früher schon gemacht worden, und man schrieb die
Veränderung im zweiten Falle den organischen Substanzen zu, welche stets die
Luft erfüllen. So viel Wahrscheinliches diese Ansicht für sich hat, so scheint
doch fast, als habe die atmosphärische Luft unmittelbar auch Antheil an dieser
Veränderung, denn reine Zukerlösungen, denen große Berührungsflächen mit der
Luft geboten werden, verändern sich in sehr kurzer Zeit. Folgender Versuch wird
dieß zeigen.
Ich füllte nämlich einen Glascylinder, der unten und oben offen war, mit
Glasscherben auf Art eines Säuerungsgefäßes bei der Schnellessigbereitung und
ließ eine reine Zukerauflösung von 10° B., deren Reinheit vorher mittelst
der Kupferprobe untersucht wurde, langsam über diese Glasscherben so träufeln,
daß ungehinderter Luftzutritt stattfinden konnte. Die unten abfließende
Flüssigkeit wurde immer wieder oben aufgegossen. Die Temperatur der umgebenden
Luft war 15° R. Schon nach 6stündiger Arbeit hatten sich Spuren von Zuker
verändert, denn bei Zusaz von schwefelsaurem Kupferoxyd und Kali wurde
Kupferoxydul ausgeschieden. Diese Veränderung nahm rasch zu, und nach
36stündiger Operation war die Zersezung so weit fortgeschritten, daß beim
Abdampfen unter der Luftpumpe anfangs gar keine und erst nach vielen Versuchen
eine spärliche Krystallisation erhalten wurde.
Die Flüssigkeit war bei diesem Versuch ungefärbt geblieben, hatte sich aber etwas
getrübt.
Sey es der Einfluß des Sauerstoffs der atmosphärischen Luft oder der von
organischen Körpern, so geht aus diesem Versuche doch hervor, daß vielfache
Berührung mit der atmosphärischen Luft reine Zukerlösungen verändern kann.
2. Einfluß der Waͤrme auf
reine Zukerloͤsungen beim Kochen.
Eine Lösung von reinem Zuker, anhaltend gekocht oder einer Temperatur über dem
Kochpunkte des Wassers ausgesezt, zersezt sich, wie von mehreren beobachtet
worden ist; sie verliert ihre Krystallisationsfähigkeit. Es bilden sich hiebei
mehrere neue Producte, unkrystallisirbarer Zuker, von einigen Syrupzuker genannt und als eigenthümliche Zukerart
bezeichnet, Ameisen- und EssigsäureSoubeiran's fruͤher erwaͤhnte
Arbeit., Ulmin, Ulminsäure und andere nicht untersuchte
Substanzen.
Diese Veränderungen und Metamorphosen unter Einfluß von Wasser und Wärme gehen
jedoch äußerst langsam vor sich. Zur deutlichen Wahrnehmung der Veränderung
einer Zukerlösung beim Kochen gehört eine mehrere Stunden anhaltende Einwirkung.
Viele Erfahrungen im Großen ließen mich an der fast allgemein angenommenen
Ansicht, als ob der größte Theil der bei der Fabrication erhaltenen Melasse
durch Wärme zerstörter Zuker sey, zweifeln. Die früher angestellten Versuche, wo
Zukerlösungen 24 Stunden und länger gekocht wurden, konnten für die Praxis nicht
maaßgebend seyn; ich stellte daher folgenden Versuch mehrmals an.
Eine Auflösung reinen Zukers von 25° B. kochte ich in einer offenen Schale
bei einem Versuch 1 Stunde, bei einem anderen 1½ und 2 Stunden lang, und
zwar so, daß das verdampfte Wasser jedesmal erst dann wieder ersezt wurde, wenn
die Temperatur der kochenden Masse bis auf 110–112° C. gestiegen
war. Selbst nach 2stündigem, so vorgenommenem Kochen hatte sich die Masse
durchaus nicht gefärbt; unter der Luftpumpe der Krystallisation überlassen, war
dieselbe sehr reichlich; der flüssige Theil, von den Krystallen getrennt,
bildete nach einiger Zeit eine trokene Masse. Zersezung hatte übrigens doch
stattgefunden, denn die Kupferprobe zeigte Spuren von unkrystallisirbarem Zuker
an und, mit Kalkwasser erhizt, färbte sich die Flüssigkeit gelblich. Dieser
Versuch, öfter vorgenommen, gab stets dasselbe Resultat. Wird das Kochen der
Zukerlösung in einem Kolben vorgenommen, so ist bei gleicher Zeitdauer der
Einwirkung von Hize der Zuker im Kolben mehr verändert als der in der Schale.
Woher dieß kommt, ist schwer zu bestimmen, denn man könnte eher annehmen, daß
bei dem leichten Zutritt der Luft beim Kochen in der Schale der umgekehrte Fall
eintreten würde. Vielleicht rührt dieses andere Verhalten beim Kochen im Kolben
von dem zurükfließenden Condensationswasser her, welches selbst mit Spuren von
Ameisensäure, die nicht durch Reagentien zu erkennen sind, die Zersezung des
Zukers befördert.
Daher mag es auch kommen, daß Soubeiran bei seinen
Untersuchungen nach 2 — 3stündiger Einwirkung von Kochhize merklich
Zersezung nachwies.
Sehr leicht läßt sich bei längerem Kochen von Zukerlösungen wahrnehmen, daß die
Zersezung des Zukers bei längerer Einwirkung rascher fortschreitet, als dieß zu
Anfang der Arbeit der Fall war, ohne Zweifel, weil die durch die erste
Einwirkung gebildeten Producte die Zersezung des Zukers mit befördern und, je
mehr sich solche bilden, desto mehr die Veränderung beschleunigen.
Nach Soubeiran reagirt durch Kochen zersezte
Zukerlösung stark sauer, und in diesem Falle ist die Beschleunigung des
Zersezungsprocesses beim Kochen leicht erklärlich. Ich habe nicht beobachten
können, daß Zukerlösung, die in einer offenen Schale sehr lange Zeit gekocht
wurde, auf Lakmuspapier sauer reagirte; nichtsdestoweniger finden sich saure
Producte in der Flüssigkeit, welche beim Zusaze von Alkalien die alkalische
Reaction augenbliklich aufheben. Mit Kalkerde versezt entstehen theilweise
unlösliche Verbindungen. Die Bildung flüchtiger und nicht flüchtiger saurer
Producte ist unwiderlegbar, und daraus folgt unmittelbar, daß sich, wie bei
Einwirkung von Säuren auf Rohrzuker, Frucht- und Traubenzuker bilden muß.
Deßhalb scheint mir die Annahme, daß eine eigenthümliche Zukerart durch
Zersezung des Rohrzukers beim Kochen entsteht, sehr gewagt. VentzkeJournal fuͤr praktische Chemie Bd. XXV
S. 75. nimmt eine solche an, bezeichnet sie mit dem Namen
Syrupzuker und charakterisirt ihn durch seine Eigenschaft, das Licht nicht zu
polarisiren. Vergleicht man die Erscheinungen, welche die Veränderungen des
Zukers beim Kochen begleiten, mit den Einwirkungen verdünnter Säuren, so findet
sich eine große Analogie, denn in beiden Fällen entstehen saure Producte. Es ist
deßhalb auch anzunehmen, daß, sobald in der kochenden Zukerlösung saure Producte
entstanden sind, diese ihre Wirkung in der Art ausüben, daß sie Frucht-
und Traubenzuker neben anderen Producten bilden. Die vollkommene Neutralität der
von Ventzke untersuchten Zukermasse kann daher auch
darin ihren Grund haben, daß Frucht- und Traubenzuker in dem Verhältniß
vorhanden waren, daß ihre entgegengesezte Polarisationsfähigkeit sich
gegenseitig aufhob. Eine Trennung oder Isolirung dieser beiden Zukerarten ist
bis jezt noch unmöglich, durch Krystallisation sind sie kaum zu trennen.
Um den Einfluß der atmosphärischen Luft auf kochende Zukerlösungen zu beobachten,
wurde eine Lösung von 15° B. in einem Kolben gekocht, durch die
kochende Flüssigkeit aber fortwährend ein Strom atmosphärischer Luft mittelst
eines Aspiranten geleitet.
Der Einfluß der Luft war hier unverkennbar, denn in weniger als 1½ Stunden
hatte sich die zukerige Flüssigkeit merklich gefärbt, die Kupferprobe wies eine
nicht unbedeutende Zersezung nach, auch erfolgte die Krystallisation des Zukers
schwieriger unter der Luftpumpe mit Hinterlassung eines stark gefärbten Syrups,
als bei den Versuchen, wo die kochende Zukerlösung der Luft nicht so ausgesezt
war, denn beim Kochen in der offenen Schale verhindert die Entwikelung der
Dämpfe den Zutritt der Luft.
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß die Einwirkung der Wärme beim Kochen von
Zukerlösungen unter denselben Umständen und in der Zeitdauer der Kochoperationen
im Großen nicht merklichen Einfluß übt, wenn die Zukerlösung rein ist, daß der
Einfluß des Sauerstoffs der Luft aber eine Veränderung des Rohrzukers sehr
befördert.
3. Verhalten von
Zukerloͤsungen unter dem Einflusse von Alkalien.
Daß Rohrzuker Verbindungen mit Alkalien eingeht, daß er aus diesen Verbindungen
in unveränderter Form durch Säuren wieder abgeschieden werden kann, ist bekannt.
Für die Zukerfabrication ist die Verbindung mit Kalk besonders wichtig. Obgleich
vielseitig nachgewiesen ist, daß der Kalk sich ähnlich den anderen Alkalien
gegen Zuker verhält, so herrscht doch noch bei einem großen Theile der
Fabrikanten die allgemeine Ansicht, daß große Kalkzusäze in dem zukerigen
Pflanzensafte den Zuker zerstören. Zur Bestätigung sowohl dieses Punktes, als
auch zur Kenntniß des Verhaltens alkalischer Zukerlösung unter verschiedenen
Einflüssen wurden nachfolgende Versuche angestellt.
Ich bereitete mir Zukerkalk durch Digeriren von Zukerlösung mit kaustischem Kalk
im Ueberschusse bei gewöhnlicher Temperatur. Ich erhielt so nach dem Filtriren
eine mit Kalk gesättigte klare wasserhelle Flüssigkeit, welche ich zu allen
folgenden Versuchen benuzte.
Wurde diese Zukerkalkauflösung mit Kohlensäure zersezt, zum Kochen erhizt, um die
überschüssige Kohlensäure auszutreiben, und dann die Flüssigkeit durch Filtriren
von gebildetem kohlensaurem Kalk getrennt, so erhielt ich beim Abdampfen unter
der Luftpumpe ganz reinen Zuker, welcher, aufgelöst, mit der Kupferprobe keine
Spur einer Zersezung zeigte.
Einen anderen Theil dieser Zukerkalkauflösung kochte ich während 2 Stunden
anhaltend über freiem Feuer, indem ich das verdampfende Wasser beständig ersezte,
nach welcher Zeit, mit Kohlensäure zersezt, der Zuker wie im vorigen Versuche
auftrat.
Eine Portion Zukerkalkauflösung dampfte ich in einer Porzellanschale über der
Lampe unter fortwährendem Kochen ein. Die Temperatur stieg bis zu 120° C.
Da die Masse bei diesem Punkte so dik wurde, daß sie nicht mehr gerührt werden
konnte, brannte die Masse zum Theil an und gab durch den Geruch die
Zersezungsproducte zu erkennen, welche Zuker mit Alkalien bei trokener
Destillation liefert. Nach dem Erkalten war die ganze Masse hart, so daß sie
gepulvert werden konnte. Ich trennte die weißen Stüke von den gebräunten, welche
Zersezung erlitten hatten; die ersteren lösten sich ohne Rükstand in Wasser auf
und gaben, mit Kohlensäure zersezt, keine Spur von unkrystallisirbarem
Zuker.
Diese beiden Versuche stimmen mit den Resultaten von Soubeiran überein, nach welchem der Zuker in Verbindung mit Alkalien
der Einwirkung der Wärme leichter widersteht als reine Zukerlösung.
Wenn eine concentrirte Auflösung von Zukerkalk der Luft längere Zeit ausgesezt
wird, so kann der Zuker ebenfalls unverändert abgeschieden werden. Es zeigt sich
aber hiebei eine eigenthümliche Erscheinung. Die Masse zieht nämlich nach und
nach aus der Luft Kohlensäure an, ohne daß aber kohlensaurer Kalk als
Niederschlag abgeschieden würde; die Masse wird endlich gallertartig
durchsichtig und troknet unter der Luftpumpe zu einer gummiähnlichen
durchsichtigen Masse ein. Versucht man diese in Wasser aufzulösen, so scheiden
sich große Mengen von kohlensaurem Kalk aus; derselbe Fall tritt ein, wenn die
gallertartige feuchte Masse mit Wasser verdünnt oder erhizt wird.
Es ist zwar bekannt, daß Zukerlösung kohlensauren Kalk aufzulösen vermag, aber
diese Mengen sind so gering, daß sie sich nicht mit den jezt gefundenen
vergleichen lassen. Wenn ich versuchte, frisch gefälltes Kalkcarbonat in
concentrirter oder verdünnter Zuker- oder Zukerkalklösung aufzulösen, so
fand ich immer nur Spuren von der Flüssigkeit aufgenommen. Wenn ich in
Zukerkalklösung Kohlensäure leitete, so bildete sich augenbliklich ein
Niederschlag von kohlensaurem Kalt.
Warum in dem oben angeführten Falle, wenn die Aufnahme der Kohlensäure sehr
langsam stattfand, kein kohlensaurer Kalk abgeschieden wird, vermag ich nicht zu
erklären. Die Erscheinung ist aber interessant genug, um näher untersucht zu
werden.
Concentrirte oder verdünnte Zukerkalklösungen, welche sehr lange der Luft
ausgesezt waren, färben sich in der Regel etwas, aber sogar bei weingelber Färbung
konnte ich nie zersezten Zuker nachweisen. Die Färbung rührt ohne Zweifel von
organischen Substanzen her, die, von Außen zugeführt, durch Kalkerde zersezt
wurden.
(Der Beschluß folgt im naͤchsten Heft.)