Titel: | Untersuchung einiger Beobachtungen über die Wirkungsweise des Dampfes bei Dampfmaschinen, insbesondere bei den Entwässerungs-Dampfmaschinen mit Expansion in der Grafschaft Cornwallis. Von Hrn. Combes. |
Fundstelle: | Band 89, Jahrgang 1843, Nr. XLI., S. 161 |
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XLI.
Untersuchung einiger Beobachtungen uͤber
die Wirkungsweise des Dampfes bei Dampfmaschinen, insbesondere bei den
Entwaͤsserungs-Dampfmaschinen mit Expansion in der Grafschaft Cornwallis.
Von Hrn. Combes.
Aus den Comptes rendus, 1843, Bd. XVI S.
649.
Combes' Untersuchung einiger Beobachtungen über die Wirkungsweise
des Dampfes bei Cornwall'schen Dampfmaschinen.
In Folge einer im Jahre 1834 nach England unternommenen Reise veröffentlichte ich in
den Annales des mines (tom.
V, 1834) eine Abhandlung über die in der Grafschaft
Cornwallis aufgestellten Entwässerungs-Dampfmaschinen und begleitete dieselbe
mit einer Zeichnung, der ersten, welche über diese Maschinen erschien. Ich
bezeichnete die Hauptursache ihrer Superiorität über andere Dampfmaschinen und
stellte einige Berechnungen auf, die sich auf die Annahme gründeten, daß die
Spannung des Dampfes in dem Cylinder im Momente des Absperrens des Admissionsventils
gleich der Spannung in dem Dampfkessel sey, und daß die Spannung des Dampfes während
seiner Expansion in dem Cylinder im umgekehrten Verhältnisse des Volumens variire.
Auf dieser Reise war es mir unmöglich, mir die Elemente einer etwas vollständigen
Discussion der Phänomene zu verschaffen, welche die Thätigkeit des Dampfes bei
dieser Maschine aufweist; insbesondere fehlte mir die directe Beobachtung der
Dampfspannung in dem Cylinder an den verschiedenen Stellen des Kolbenhubs, so wie
des bei jedem Kolbenhube in den Cylindern consumirten Wassers. Die Wichtigkeit
dieser beiden Elemente wurde seit dieser Epoche von den englischen Ingenieuren in
Cornwallis, so wie von mir vollkommen gewürdigt. Hr. John Taylor hatte sich bei verschiedenen Gelegenheiten geäußert, wie wichtig es
wäre, die Injection des Speisungswassers der Dampfkessel direct zu messen, und der
Gebrauch des kleinen tragbaren Feder-Manometers, dessen Beschreibung ich in
den Annales des mines (tom.
XVI, 1839) mittheilte, war in England schon ziemlich
verbreitet. Einige Jahre nach Veröffentlichung der erwähnten Abhandlung hatte ein
französischer Mechaniker, Hr. Halette zu Arras, bereits
Maschinen nach dem Cornwall'schen Systeme gebaut, und später wurden zwei solche
Maschinen aus England nach Frankreich eingeführt, und die eine zu
Rive-de-Gier, die andere in der Mine zu Rocher-Bleu in dem
Departement Bouches-du-Rhone aufgestellt.
Die Maschinen von Cornwallis erregten mehr und mehr die Aufmerksamkeit der englischen
Ingenieure. Man brachte an den Cylindern dieser Maschinen das Feder-Manometer
an und erhielt so die Curven der Spannungen. Bei einigen derselben maß man das
Volumen des in die Kessel gepumpten Wassers mit Hülfe eines Hydrometers, auf dessen
Erfindung von Hrn. Robert Fox in der polytechnischen
Gesellschaft zu Cornwallis ein Preis ausgesezt worden war. Die Resultate wurden in
den Verhandlungen der Gesellschaft englischer Civilingenieure veröffentlicht.
Im Jahr 1840 machte Hr. Piot, Zögling der écoles des Mines, eine wissenschaftliche Reise nach
England. Er war beauftragt, über die veränderlichen Spannungen des Dampfes in den
Cylindern vor und nach der Absperrung des Admissionsventils, über die Quantitäten
des in den Dampfkesseln verdampften Wassers, über die Formen der Dampfkessel und
über die Brennmaterial-Consumtion Beobachtungen anzustellen und zu sammeln.
Hr. Piot konnte, Dank der Gefälligkeit des Hrn. Robert
Fox, an den Cylindern dreier Maschinen einen
Feder-Manometer anlegen und seinem Berichte die Curven der veränderlichen
Dampfspannungen in diesen Cylindern beifügen.
Die Gestalt und Dimensionen der Dampfkessel, so wie der Brennmaterialverbrauch in
einer gegebenen Zeit sind gleichfalls in seinem Tagebuch verzeichnet. Was die
directe Messung des verdampften Wasserquantums betrifft, so konnte er darüber keinen
directen Versuch anstellen, und die Notizen, welche er sich in Bezug auf diesen
Gegenstand verschaffte, ermangelten der nöthigen Genauigkeit. Vor diesem Zeitpunkte
hatte Hr. Thomas, Professor an der école centrale des Arts et Manufactures, an mehreren Maschinen, unter
anderen an einer Hochdruk-Expansions-Dampfmaschine zu Charonne, einen
Feder-Manometer in Anwendung gebracht, den ich aus England mitgebracht hatte.
Er war so gefällig, mir das Resultat seiner Beobachtungen mitzutheilen, und lud mich
ein, die Versuche mit ihm zu wiederholen. Er hatte die Thatsache constatirt, daß die
Dampfspannung in dem Cylinder während der Expansion weit weniger rasch als im
umgekehrten Verhältnisse des Volumens sich ändere. Diese Thatsache, welche sich in
allen seinen Beobachtungen, die er anzustellen Gelegenheit hatte, wiederholte, tritt
in der Curve der Spannungen, welche wir mit einander über die in Rede stehende
Maschine zu Charonne entwarfen, sehr deutlich hervor.
Die hauptsächlichen Schlußfolgen, welche ich aus den von Hrn. Piot über die Maschinen von Cornwallis, und von Hrn. Thomas und von mir über die Maschine zu Charonne angestellten
Beobachtungen abgeleitet habe, waren bereits von verschiedenen englischen Schriftstellern über
die Cornwall'schen Maschinen als Norm festgesezt. Ich hatte den Gegenstand der Société philomatique in den Sizungen des 21. und 28.
Jan. d. I. mitgetheilt, als ich von den wichtigen Beobachtungen des Hrn. Wicksteed über den Wasserverbrauch bei zwei zu London
aufgestellten Wasserhebmaschinen, die eine nach dem Cornwall'schen System, die
andere nach dem System von Boulton und Watt, in Kenntniß gesezt wurde. Die neuen Versuche des
Hrn. Wicksteed haben die Deductionen, zu welchen ich
gelangt war, vollkommen bestätigt.
Die gesammelten Beobachtungen sind zwar noch nicht zahlreich genug, um die
Allgemeinheit dieser Schlußfolgerungen außer Zweifel zu sezen. Indessen schienen sie
mir nicht ganz unwerth, dem Urtheile der Akademie vorgelegt und der Oeffentlichkeit
übergeben zu werden, sey es auch nur, um zu neuen Beobachtungen und zu einer
gründlicheren Discussion der in den Dampfmaschinen vorkommenden Erscheinungen
anzuregen.
Die beobachteten Thatsachen und die daraus abgeleiteten Schlußfolgerungen lassen sich
folgendermaßen zusammenstellen:
1) Bei Expansions-Dampfmaschinen, d. h. bei solchen Dampfmaschinen, wo der
Dampf nur während eines Theiles des Kolbenhubes in den Cylinder zugelassen wird,
vermindert sich die Spannung des Dampfes nach Absperrung des Admissionsventils im
Allgemeinen weniger rasch, als im umgekehrten Verhältnisse des Volumens, die
Cylinder mögen von einem Mantel umschlossen, und von Außen mit einer von dem
Dampfkessel hergeleiteten Dampfhülle umgeben, oder ohne Mantel der Berührung der
äußeren Luft ausgesezt seyn.
2) Die Spannung des Dampfes in den Cylindern, während das Admissionsventil offen
bleibt, ist einmal beinahe constant, ein anderesmal veränderlich. Im lezteren Falle
erreicht die Spannung beinahe am Beginn des Kolbenhubes ihr Maximum, und fängt
unmittelbar darauf an abzunehmen. Der Dampf wirkt also durch Expansion, während das
Admissionsventil offen ist, und wenn man eine Curve zeichnet, deren Ordinaten den
veränderlichen Spannungen des Dampfes während des ganzen Kolbenhubes und deren
Abscissen den Abständen des Kolbens vom Anfangspunkte seines Laufes proportional
sind, so kommt es hie und da vor, daß die beiden Theile dieser Curve, welche den von
dem Kolben vor und nach Absperrung des Admissionsventils durchlaufenen Räumen
entsprechen, eine einzige fortlaufende Curve ohne auffallende Inflexionen bilden. Im
ersteren Falle erreicht die Spannung des Dampfs in dem Cylinder ihr Maximum beinahe
bei Beginn des Kolbenhubs, und bleibt alsdann bis zur Absperrung des Admissionsventils constant; von
diesem Momente an nimmt sie aber rascher als im umgekehrten Verhältnisse des
Volumens ab. Immer ist das Maximum der Dampfspannung in dem Cylinder auffallend
geringer, als diejenige in dem Dampfkessel.
3) Wenn man bei einfach wirkenden Dampfmaschinen des Cornwall'schen Systems das
Gleichgewichtsventil, welches die durch den Dampfkolben getrennten Cylinderräume mit
einander in Communication sezt, öffnet, so vermindert sich die Spannung des Dampfes,
welcher sich sogleich in einen größern Raum ausbreitet, und die nunmehrige Spannung
steht zu der ursprünglichen Spannung in einem geringeren Verhältnisse als das
umgekehrte Verhältniß der Volume.
4) Kennt man das Volumen des Dampfs in dem Cylinder am Ende des Kolbenhubs, die
Spannung dieses Dampfes, ferner die Spannung und die Temperatur des Dampfes in dem
Dampfkessel, so kann man mit Hülfe bekannter Formeln die höhere und tiefere Gränze
des Gewichtes des in dem Cylinder befindlichen Dampfes bestimmen; diese Gränzen sind
auch diejenigen des bei jedem Kolbenhube in dem Dampfkessel consumirten
Wassergewichtes, wenn am Ende des Kolbenhubes kein Wasser in dem Cylinder bleibt.
Ist aber das leztere der Fall, so kann das in dem Dampfkessel consumirte
Wassergewicht die höhere Gränze übersteigen.
Kennt man das in dem Cylinder einer Expansions-Dampfmaschine im Augenblike der
Absperrung des Admissionsventils befindliche Dampfvolumen, die Spannung und
Temperatur dieses Dampfes im Dampfkessel, so kann man die höhere und tiefere Gränze
des Gewichtes des alsdann im Cylinder befindlichen Dampfes bestimmen. In allen
denjenigen Fällen, wo die Spannung des Dampfes indem Cylinder während der Oeffnung
des Admissionsventils nahezu constant blieb, habe ich gefunden, daß das Gewicht des
in dem Dampfkessel wirklich consumirten Wassers die auf obige Weise bestimmte höhere
Gränze auffallend überstieg, und daß daher im Momente der Absperrung des
Admissionsventils Wasser in dem Cylinder sich zeigte. Drei Entwässerungsmaschinen in
Cornwallis und die einfachwirkende Maschine von Watt und
Boulton zu London lieferten ein ähnliches
Resultat.
Aus den oben angeführten Thatsachen zog ich folgende Schlußfolgerungen:
Bei den meisten und wahrscheinlich bei allen Dampfmaschinen verwandelt sich ein Theil
des in den Cylinder strömenden Dampfes sogleich in Wasser, indem derselbe durch die
Wände des kurz zuvor
mit dem Condensator in Communication gewesenen Cylinders abgekühlt wird; vielleicht
daß diese Condensation des Dampfes auch zum Theil durch seine Bewegung in den Röhren
veranlaßt wird. Dem sey wie ihm wolle, es bildet sich in dem Cylinder auf Kosten des
einströmenden Dampfes Wasser, und zwar unabhängig von dem in Tropfengestalt aus dem
Dampfkessel in den Cylinder herübergeschleuderten Wassers.
Dieses Wasser verdampft nun während der Expansion des Dampfes von neuem, so daß
während dieser Expansion zu dem bereits vorhandenen Dampf noch neue Quantitäten
Dampfes hinzukommen. Hieraus erklärt sich, daß die Spannungen weniger rasch als im
umgekehrten Verhältnisse der Volume abnehmen.
Bei denjenigen Maschinen, deren Cylinder von einer aus dem Dampfkessel in einen
Mantel herbeigeleiteten Dampfhülle umgeben und auf diese Weise einer äußeren
Wärmequelle ausgesezt sind, verdampft aller liquid gewordene Dampf von Neuem, wenn
der Kolben am unteren Ende seines Hubes angelangt ist, vorausgesezt daß der von dem
Dampfe am Ende des Hubes eingenommene Raum zwei oder dreimal so groß als sein
ursprüngliches Volumen ist. Bei Maschinen ohne Mantel, deren Cylinder der Berührung
der Luft ausgesezt sind, verdampft nicht das ganze liquid gewordene Wasser am Ende
des Kolbenhubes, sondern verwandelt sich in dem Augenblike, wo der Cylinderraum mit
dem Condensator (Maschine zu Charonne) in Communication gesezt wird, plözlich in
Dampf; dieselbe Erscheinung findet bei Maschinen mit Mantel statt, wenn die
Expansion nur eine geringe Ausdehnung hat (Maschine von Boulton und Watt zu Oldford).
Der Nuzen der Mäntel, d. h. der Vortheil, die Cylinder der Dampfmaschine einer
äußeren Wärmequelle auszusezen, in der Absicht, die Quantität der Arbeit zu
vermehren, welche durch eines und dasselbe in dem Kessel verdampfte Wassergewicht,
oder durch das consumirte Brennmaterial entwikelt wird, ist sowohl durch directe
Erfahrung, als auch durch die auf Beobachtung sich stüzende Discussion außer Zweifel
gesezt.
Bei den zwekmäßig angeordneten und belasteten einfachwirkenden
Entwässerungs-Dampfmaschinen in Cornwallis steigt die Arbeit, welche von
jedem in dem Dampfkessel consumirten Kilogramm Wasser auf den Kolben übertragen
wird, häufig auf 35000 Kilogr. auf 1 Meter gehoben, und der Nuzeffect auf 32000
Kilogr. auf 1 Meter gehoben. Bei der zu Oldford aufgestellten einfachwirkenden
Entwässerungsmaschine niederen Drukes nach dem System von Boulton und Watt übersteigt die Arbeit, welche von jedem in dem
Dampfkessel verdampften
Kilogramm Wasser auf den Kolben übertragen wird, nicht 17000 bis 18000 Kilogr. 1
Meter hoch gehoben, und der Nuzeffect nicht 13000 bis 14000 Kilogr. 1 Meter hoch
gehoben.
Ungeachtet der großen Superiorität der Cornwall'schen Maschinen über die Maschinen
von Boulton und Watt, so wie
über alle anderen Maschinen ähnlicher Art, scheint es doch gewiß, daß man bei diesen
Maschinen noch nicht die Gränze des Nuzeffectes, den man aus der Verdampfung eines
bestimmten Wassergewichtes oder aus der Consumtion einer gewissen Quantität
Brennmaterials ziehen kann, erreicht hat. Dieser Effect würde gewiß noch erhöht
werden, wenn man dahin gelangte, das Flüssigwerden (die Condensation) des Dampfes zu
verhindern, welches bei seiner Admission in den Cylinder stattfindet, und man würde
diesen Zwek wahrscheinlich erreichen, wenn man den Cylinder einer äußeren
Wärmequelle aussezte, deren Temperatur die des Dampfes in dem Dampfkessel
überstiege. Hiezu könnten die gasartigen Verbrennungsproducte, welche wahrscheinlich
mit einer Temperatur von wenigstens 250 bis 300 Centesimalgraden in den Schornstein
entweichen, nuzbar verwendet werden. Durch eine einfache Anordnung, indem man die
Dimensionen der Gasleitungsröhren dem Querschnitte des Schornsteins gleich machte,
würde, wie ich glaube, der Verbrennungsproceß auf dem Roste durch die Circulation
der heißen Gase um den Cylinder nicht merkbar geschwächt werden. Ich bemerke
übrigens, daß die Verbrennung auf den Rosten der Cornwall'schen Dampfkessel sehr
langsam von statten geht, was für den Nuzeffect des Brennmaterials eher vortheilhaft
als nachtheilig ist.
Keine der bis jezt aufgestellten Formeln, um die durch ein bestimmtes verdampftes
Wassergewicht auf den Kolben einer Dampfmaschine übertragene Arbeit zu berechnen,
berüksichtigt die thatsächliche Ansammlung von Wasser in dem Cylinder und die
vollständige oder partielle Verdampfung dieses Wassers während der Expansion des
Dampfes. Alle diese Formeln nehmen an, die Spannung des Dampfes ändere sich nach
Gesezen, die von den aus der directen Beobachtung abgeleiteten sehr verschieden
sind. Sie sind demnach ungenau; und wenn sie auch hie und da für das Verhältniß
zwischen den auf den Kolben übertragenen Arbeitsquantitäten und den in den
Dampfkesseln verdampften Wasserquantitäten Werthe liefern, welche den aus directen
Beobachtungen resultirenden Werthen ziemlich nahe kommen, so ist dieses nicht Folge
einer Compensation des Fehlers im entgegengesezten Sinne, und kann deßhalb nicht als
ein Beweis ihrer Genauigkeit gelten.