Titel: | J. A. Etzler's Mechanismus, um die Schwankung von Schiffen, welche durch die Kraft der Wellen hervorgebracht wird, als bewegende Kraft zum Treiben der Schiffe, anstatt der Dampf- oder einer anderen künstlichen Kraft anzuwenden. |
Fundstelle: | Band 89, Jahrgang 1843, Nr. LXIV., S. 254 |
Download: | XML |
LXIV.
J. A. Etzler's Mechanismus, um die Schwankung
von Schiffen, welche durch die Kraft der Wellen hervorgebracht wird, als bewegende Kraft
zum Treiben der Schiffe, anstatt der Dampf- oder einer anderen
kuͤnstlichen Kraft anzuwenden.
Aus dem Family Herald. Jul. 1843.
Mit einer Abbildung auf Tab. IV.
Etzler's Triebkraft für Schiffe.
Fig. 32 ist
eine Seitenansicht der hauptsächlichen Theile des Mechanismus.
A ist der Rumpf des Schiffes.
B ist die Plattform.
C, C sind Verbindungsstangen zwischen der Plattform und
der Maschinerie auf dem Verdeke des Schiffes.
D, D sind Hebelarme.
E, E, E, E sind verzahnte Stangen mit Staffelzähnen.
F ist ein verzahntes Rad mit Staffelzähnen und G das Ruderrad.
Diese Erfindung beruht auf dem Grundsaze, daß die Bewegungen der Wellen nicht tiefer
stattfinden, als sie selbst hoch sind, und daß folglich das Wasser in einer kleinen
Entfernung von der Oberfläche bewegungslos ist. Bewegung und Kraft können angewandt
werden, so bald wir einen ruhigen Stüzpunkt, um Reaction hervorzubringen, haben. Um
folglich die Schwankungen eines Schiffes, welche durch die Wellen hervorgebracht
werden, benüzen zu können, müssen wir einen Stüzpunkt haben, der entweder gar keine
Bewegung hat, oder eine kleinere, oder eine entgegengesezte. Dieser Stüzpunkt oder
Widerstand ist gefunden, sobald man eine flache Oberfläche unter dem Kiel des
Schiffes anbringt. Durch die Schwankungen des Schiffes bewegen sich die
Verbindungsstangen C, C auf und ab wie die Kolbenstange
einer Dampfmaschine, und verursachen, daß sich die Arme D,
D rükwärts und vorwärts bewegen. Auf diese Art bewegen die einen verzahnten
Stangen E sich zurük, während die anderen E in die Zähne des Rades eingreifen und so dem
Schaufelrade eine ununterbrochene rotirende Bewegung mittheilen.
Auf der Zeichnung ist nicht zu sehen, wie die Bewegung der Ruderräder eingehalten
oder umgewandt werden kann. Wir wollen deßhalb hinzufügen, daß dieß auf folgende Art
geschehen kann: um die Ruderräder einzuhalten, dürfen die verzahnten Stangen nur aus
den verzahnten
Rädern ausgehoben werden, und um die Bewegung umzukehren, werden die verzahnten
Stangen mit einem andern verzahnten Rade in Eingriff gebracht, dessen Zähne in
entgegengesezter Richtung stehen. Es gibt übrigens noch andere Mittel, um eine
rükwärtsgehende Bewegung hervorbringen, welche jedem Ingenieur wohl bekannt
sind.
Der Zwek dieser Erfindung ist, die hebende Kraft der Wellen nuzbar zu machen, welche,
obgleich sie den Seeleuten wohl bekannt war, doch eben so gut vernachlässigt wurde,
als die Dampfkraft von den Waschweibern.
Hr. Etzler fügt bei, die Triebkraft, deren Benuzung er
empfehle, sey in Ueberfluß auf der See zu finden und sehr wohlfeil, denn sie koste
gar nichts; sie sey viel größer als die Dampfkraft (?); die anzuwendende Maschinerie
sey sehr einfach und weniger kostspielig als eine Dampfmaschine, nehme weniger Raum
ein, bedürfe keiner Steinkohlen, arbeite immer von selbst, und wenn sie in Unordnung
gerathen sollte, so könne sie ein gewöhnlicher Schmied oder Zimmermann schnell und
leicht repariren.
Glükliche Versuche (?) wurden kürzlich mit diesem Mechanismus bei Margate gemacht,
unter der Leitung Hrn. Stollmeyer, welcher der Agent des
Hrn. Etzler ist, um die Erfindung in dieser Gegend in
Aufnahme zu bringen.
Bemerkungen über Etzler's neue
Triebkraft.
Es ist allerdings richtig, daß die Kraft der Meereswellen bis jezt noch nicht
angewandt wurde; ob sie aber durch den von Hrn. Etzler
erfundenen Mechanismus wird zwekmäßig benuzt werden können, ist sehr die Frage,
denn:
1) wird der Tiefgang der Schiffe durch die weit unten angebrachte Plattform sehr
vermehrt, und es ist also unmöglich in seichtem Wasser zu fahren;
2) irrt sich Hr. Etzler sehr, wenn er glaubt, die Kraft
welche dem Schiffe von den Wellen mitgetheilt werden kann, sey größer als die
Dampfkraft. Er bedachte wohl nicht, daß das Schiff beladen seyn muß, und daß es also
bloß mit so viel Kraft wird gehoben werden können, als das Schiff allenfalls noch
Gewicht tragen könnte, ohne zu tief im Wasser zu gehen.
3) Würde die Plattform für das Schiff sehr gefährlich werden, wenn dasselbe große
Schnelligkeit erlangt hätte und die Plattform nicht mehr horizontal läge, was nicht immer der Fall seyn
kann. Denn denken wir uns die Plattform gegen vorn zu geneigt, und das Schiff mit
großer Schnelligkeit fahrend, so wird die schiefe Ebene, welche die Plattform
alsdann bildet, das Schiff in den Grund ziehen und zwar nach demselben Principe,
worauf Hr. Henson seine Luftschifffahrt gegründet hat,
nur daß dann die Bewegung nach unten, statt nach oben erfolgte. Abgesehen von der
Wirkung der schiefen Ebene, wird es für das Schiff sehr gefährlich seyn, nicht mehr
frei der Bewegung der Wellen folgen zu können; denn wenn eine neue Welle ankommt und
das Schiff also vorne heben will, so wird dasselbe bei seiner Hebung mehr Widerstand
leisten, weil es ja dadurch die enorme Kraft hervorbringen soll. Daß dann die Spize
des Schiffes in die Welle wird eingetaucht werden und das Schiff auch die Kraft der
Wellen ganz wird auszuhalten haben, ist leicht einzusehen. Wenn das Schiff der
Bewegung der Wellen nicht mehr folgen kann, werden diese viel empfindlicher werden,
als wenn es ihnen frei nachgeben kann.
4) Ist nicht einzusehen, wie man mit diesem Mechanismus bei ruhiger See fahren kann,
wo die Bewegung des Schiffes ganz unmerklich ist. Hr. Etzler sagt die neue Kraft sey unabhängig vom Winde; woher entstehen denn
die Wellen? Wie wird es gehen, wenn Hr. Etzler in einen
Fluß einfahren will; was fängt man dann mit der Plattform an?
5) Scheint der von Hrn. Etzler angegebene Mechanismus sehr
unzwekmäßig construirt zu seyn.
Aus allen diesem dürfte hervorgehen, daß das Ganze eine englische Patentspeculation
ist, wie sie oft vorkommt. Herr Etzler hat den Einfall
gehabt, die Kraft der Meereswellen zu benüzen. Dieß scheint nicht unmöglich; darauf
ließ er sich ein Patent ertheilen. Durch dieses Patent soll die Aufmerksamkeit von
Sachverständigen rege gemacht werden; gelänge es nun irgend einem Ingenieur das
Project gut zu lösen, so macht Hr. Etzler Einsprüche und
jener ist genöthigt ihm sein Patentrecht abzukaufen, um die Erfindung in die Praxis
einführen und ausbeuten zu können.
C. Walther.