Titel: | Chemische Untersuchung eines Gemisches von Weingeist und Holzsäure, welches unter der falschen Benennung „Holzgeist“ in England eingeführt wurde; von Dr. Andr. Ure. |
Fundstelle: | Band 89, Jahrgang 1843, Nr. LXXVI., S. 293 |
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LXXVI.
Chemische Untersuchung eines Gemisches von
Weingeist und Holzsaͤure, welches unter der falschen Benennung
„Holzgeist“ in England eingefuͤhrt wurde; von Dr.
Andr.
Ure.
Aus dem Mechanics' Magazine, 1843. No.
1032.
Ure's chemische Untersuchung eines Gemisches von
Weingeist.
Ein Auszug des Thatsächlichen aus einer von Dr. Ure vor Kurzem herausgegebenen
Schrift„The Revenue in Jeopardy from spurious
Chemistry.“By Andrew Ure M. Dr.,
analytical Chemist to the Board of Customs. 8. Ridgway.,
die Declaration und von mehreren chemischen Notabilitäten angestellte Untersuchung
einer in England eingeführten Flüssigkeit betreffend, wird unsern Lesern in
mannichfacher Beziehung Interesse gewähren.
Der Fall war folgender. Eine Ladung von 18 Fässern, von New-York eingeführt,
wurde in das Custom-House zu Liverpool gebracht, und von den HHrn. Tennants, Clow und Comp. als
Holzgeist (wood-naphtha) declarirt. Da über die Aechtheit derselben Zweifel
obwalteten, wurde eine Probe davon dem Chemiker der Zollbehörde, Dr. Ure, zur Untersuchung
zugestellt. Dieser erklärte die Flüssigkeit nicht für Holzgeist, sondern für
Holzsäure mit einer großen Quantität Alkohols oder starken Branntweins gemischt,
nämlich 70 Procent Alkohol von 0,878 spec. Gewicht bei 60° Fahrenh., so daß
z. B. 100 Gallons derselben 91 Gallons ProbespiritusProbespiritus ist Weingeist von 0,920 specifischem Gewicht bei 60° F.
(12°,4 R.). enthalten, welcher abdestillirt und mit Kali
rectificirt, schmakhaft und zur Bereitung des englischen Wachholderbranntweins
brauchbar werde. Die Waare wurde sonach wegen der Einführung unter falscher
Benennung confiscirt. Die HHrn. Tennant, Clow und Comp. aber remonstrirten und legten dem Zollamte
zwei Gegenberichte vor, einen vom Professor der Chemie an der Londoner Universität,
Hrn. Graham, den andern von Hrn. David Waldie, Chemiker der Liverpooler Apothekercompagnie. Hr.
Graham erklärte, die in Rede stehende Flüssigkeit
enthalte keine Holzsäure, ebensowenig Alkohol, und könne auch nicht in lezteren oder
Branntwein umgewandelt werden; weit entfernt, daß 91 Gallons Weingeist daraus
abgezogen werden können, enthalte sie vielmehr gar keinen
Alkohol, den man abtrennen und zu Wachholderbranntwein verarbeiten könne. Hr. Waldie behauptete, daß gar kein Beweis eines Gehalts von
Alkohol vorhanden sey und die Flüssigkeit lediglich aus Holzgeist bestehe, kein
trinkbarer Spiritus sey und auf keine Weise trinkbar gemacht werden könne.
Wenn zwei Flüssigkeiten, sagt Dr. Ure in seiner Replik vom 7. Januar, gleich flüchtig sind, wie dieß mit dem
Alkohol und dem Holzgeist der Fall ist, so ist es durchaus unmöglich, sie durch
Destillation oder sonst ein directes Verfahren vollkommen zu trennen; eine
Thatsache, die dem Zusammensezer dieses falschen Holzgeistes sicherlich bekannt war.
Kein nur einigermaßen in der Chemie Eingeweihter wird in dem angeblichen Holzgeist
die Gegenwart von Alkohol aus dem Grunde zu läugnen wagen, weil die beiden
Flüssigkeiten durch Destillation nicht von einander getrennt werden können. Gerade
so ist es, wenn Blei und Zinn, wie im Schnellloth, mit einander verbunden sind,
unmöglich sie durch Schmelzen von einander zu trennen, weil sie zu gleicher Zeit
schmelzen; aber sie können doch sehr leicht von einander geschieden werden, mittelst
Salpetersäure, welche das Zinn in ein unauflösliches Oxyd, das Blei aber in ein
auflösliches Salz verwandelt.
So müssen wir, wenn Alkohol und Holzgeist gemischt vorkommen, ebenfalls zu einem
indirecten, nichtsdestoweniger aber ganz sichern Mittel unsere Zuflucht nehmen um
das Verhältniß eines jeden dieser Bestandtheile in der Mischung zu ermitteln. Im
vorliegenden Fall aber konnte ich schon durch Destillation des falschen Holzgeistes
über ungelöschten Kalk
die Gegenwart von Alkohol in großer Menge durch Geschmak und Geruch im rectificirten
Spiritus deutlich erkennen.
1) Wenn Alkohol von 50–60 Procent über der ProbeDie Berechnung der entsprechenden spec. Gewichte findet man im polyt. Journal
Bd. LXII
S. 333. mit seinem gleichen Gewichte Schwefelsäure
gemischt und zwekmäßig destillirt wird, so gibt er den wohlbekannten angenehmen
Geruch des Aethers oder Schwefeläthers von sich; wird die Destillation zu lange
fortgesezt, so wird der Rükstand in der Retorte schwarz, dik, und schäumt zulezt so
heftig auf, daß er aus dem Gefäße steigt, obwohl dasselbe das 50fache Volum der
Flüssigkeit vor ihrem Aufsteigen faßt. Der Proceß muß daher sorgfältig überwacht und
das Feuer einige Zeit vor dem Eintreten dieser Erscheinung beseitigt werden.
— 100 Theile absolut reiner Alkohol geben 80,6 Theile Aether und verlieren
dabei bloß 19,4 Theile Wasser, welches zu den Elementen des Alkohols gehört. (Liebig's organ. Chemie.)
2) Wird Holzgeist von gleicher Stärke ebenso behandelt und mit Schwefelsäure
destillirt, so erhält man kein tropfbarflüssiges, sondern
ein gasförmiges Product. Methyläther, sagt Liebig, wird dargestellt durch Destillation einer
Mischung aus gleichen Volumen concentrirter Schwefelsäure und Holzgeistes. Das sich
entwikelnde Gas läßt man zuerst durch Kalkmilch und dann
durch einige mit Wasser gefüllte tubulirte Flaschen streichen. Diese Verbindung ist
ein farbloses Gas von angenehmem Aethergeruch. Bei einer Kälte von 16° Cels.
unter 0° wird dasselbe noch nicht flüssig. (Liebig's organ. Chemie.)
Berzelius sagt: Methyloxyd oder Holzäther (nach obiger Vorschrift bereitet) ist ein Gas, welches sich in der Vorlage nicht verdichtet, sondern über Queksilber
aufgefangen werden muß. Es ist farblos und condensirt sich bei — 16°
Cels. nicht. Bei der fortgesezten Destillation einer Mischung von Holzgeist und
Schwefelsäure wird das Gemisch gelb, braun, und zulezt schwarz, ohne sich jedoch zu verdiken oder aufzuschäumen, wie dieß bei
der Behandlung des Alkohols auf gleiche Weise der Fall ist (dessen
Lehrbuch).
3) Ich rectificirte den angeblichen Holzgeist durch wiederholte Destillationen;
zuerst für sich, um die Holzsäure abzutrennen (welche dadurch in ziemlicher Menge
erhalten wurde) und dann mit ungelöschtem Kalk. Die so erhaltene flüchtige geistige
Flüssigkeit hatte ein specif. Gewicht von 0,839 und war mehr dem Alkohol als dem
Holzgeist ähnlich. Ich behandelte sie hierauf nach obiger Vorschrift mit
Schwefelsäure und erhielt wohlriechenden flüssigen
Schwefeläther und zwar
ziemlich ebensoviel wie mit einem gleichen Volum Alkohol. Es bildete sich auch nur
sehr wenig Holz- oder Methyl-Aether-Gas, welches durch das
Wasser in der Sicherheitsröhre des Recipienten entwich. Ich erhielt ungefähr 3
(Flüssigk.-)Unzen Aether. Bei fortgeseztem Erhizen nach Entfernung der
Vorlage wurden die in der Retorte (im Sandbade) enthaltenen Substanzen dik, schwarz,
schäumten und wurden mit großer Gewalt aus dem Gefäße geschleudert. Die Bildung
flüssigen Aethers und das Aufschäumen in der Retorte sind zwei unfehlbare Beweise,
daß der sogenannte Holzgeist viel Alkohol enthält.
Endlich analysirte ich den Holzsäurerükstand der ersten im Wasserbad ausgeführten
Destillation des angeblichen Holzgeistes und fand daß 4 (Flüssigk.-)Unzen
desselben unter lebhaftem Aufbrausen so viel kohlensaures Kali sättigen, als 2
(Flüssigk.-)Unzen gewöhnlichen Essigs oder 5 Procent wirklicher Essigsäure,
was Prof. Graham's Behauptung hinreichend widerlegt.
Der Chemiker der königl. Münze, Hr. W. T. Brande, erklärte
in einem Schreiben vom 2. Februar, daß nach seiner Ansicht die fragliche Flüssigkeit
nicht mit Alkohol oder Weingeist vermischt sey. Es sey zwar schwer, die gänzliche
Abwesenheit desselben in Holzgeist mit Bestimmtheit auszusprechen; nach seinen
Versuchen aber müsse er annehmen, daß wenn auch etwas Alkohol darin enthalten sey,
die Menge desselben jedenfalls sehr gering und nicht so groß wäre, daß die
Abscheidung desselben zu einem betrüglichen Zweke sich lohne; ein anderer Grund
aber, Alkohol zuzusezen, sey nicht wohl denkbar. Er habe reinen Holzgeist aus dem
Muster abgezogen, welcher keine Merkmale des Alkohols zeige.
Da dieses Gutachten im Widerspruch stand mit dem meinigen (Dr. Ure's), so theilte Hr. Brande, davon in Kenntniß gesezt, in einem Schreiben (vom
10. Februar) folgende Versuche mit, auf welche er seine Behauptungen stüzte.
1) Er destillirte einen Theil der Flüssigkeit, und fing das Destillat in drei
abgebrochenen Portionen auf, konnte aber in keiner deutliche Merkmale des
Vorhandenseyns von Alkohol wahrnehmen.
2) Er rectificirte Portionen der Flüssigkeit über Kalk und Kohle und erhielt dabei
Producte, wie sie beim Holzgeist erwartet werden können, die aber keine
bemerkenswerthe Quantität Alkohols verriethen.
3) Er mischte einen Antheil mit Schwefelsäure und erhizte die Mischung in einer mit
dem pneumatischen Apparat verbundenen Retorte, erhielt dabei aber weder ein
ätherartiges Product des Alkohols, noch konnte er öhlerzeugendes Gas erhalten.
Die Zollcommission, um eine Lösung dieser Widersprüche herbeizuführen, übergab nun
ihrem Analytiker, Dr. Ure, 18
Bouteillen der angeblichen Naphtha, nämlich aus jedem der 18 Fässer eine, zur
nochmaligen Untersuchung, zu welcher dieser aber Hrn. Scanlan, einen wegen seiner wichtigen Entdekung hinsichtlich des
HolzgeistesEr stellte naͤmlich den schoͤnen krystallinischen
Koͤrper, das Pyroxylin oder Pyroxanthin zuerst aus dem rohen Holzgeist
dar. rühmlich bekannten und überdieß in der Bereitung des Aethers
und der Rectification des Alkohols und des Holzgeistes im Großen für den Handel sehr
erfahrenen Chemiker, als Zeugen sowohl, wie als geschikten Beistand zuzog. Nach
umständlichen Versuchen erstatteten dieselben ausführlichen Bericht folgenden
Inhalts.
Alle Probeflaschen schienen dieselbe Flüssigkeit zu enthalten, im Durchschnitt von
0,944 spec. Gewicht, eine nur hatte 0,942 und drei oder vier hatten 0,948, welcher
unbedeutende Unterschied durch kleine Abweichungen in der Quantität der dem Alkohol,
um ihn zu maskiren, zugesezten Holzsäure herbeigeführt wurde. Alle hatten den sauren
Geruch rohen Essigs und rötheten blaues Lakmuspapier sehr stark.
Ein halber Gallon, aus 5 Flaschen genommen, wurde im Wasserbad der Destillation
unterworfen, und ein Spiritus von 0,901 spec. Gewicht erhalten, während ein saurer
Rükstand im Apparat zurükblieb, welcher unter Aufbrausen mit krystallisirtem Natron
gesättigt wurde und 1 Procent wirklicher Essigsäure in der ursprünglichen
Flüssigkeit anzeigte. Obiger Versuch ergab 18 Procente Probespiritus im Gallon; ein
Theil desselben wurde mit ungelöschtem Kalk aus einer Glasretorte im Wasserbad
destillirt, wodurch er ein specifisches Gewicht von 0,832 erhielt. Ein anderer Theil
dieses Spiritus wurde mit seinem gleichen Gewichte Vitriolöhl gemischt und mit der
nöthigen Vorsicht im Sandbad destillirt, wodurch ein angenehm riechender Aether in
derselben Menge erhalten wurde, wie sie reiner Alkohol von gleicher Stärke geliefert
hätte. Bei der Rectification gab diese Flüssigkeit feinen Aether von 0,752
specifischem Gewicht.
Es wurde hierauf ein Gallon der fraglichen Flüssigkeit aus einer Destillirblase mit
einem Kühlapparate destillirt. Die Holzsäure wurde dabei zuerst mit Aezkalk
gesättigt und die klar filtrirte Flüssigkeit dann der Destillation über freiem Feuer
unterworfen. Der über gegangene Spiritus wurde über noch mehr Aezkalk aus einem
Glasapparat noch einmal im Wasserbad rectificirt, wo er dann von 0,8268 spec.
Gewicht erhalten wurde. Da sich Spiritus von dieser Stärke zur Aetherbereitung sehr wohl eignet, so
wurde eine geeignete Menge desselben mit Schwefelsäure der Aetherbildung nach Boullay's Verfahren unterworfen. Es ging in sehr
reichlichem Maaße Aether durch Liebig's gläsernen
Condensator in einen mit einem Sicherheitsventil versehenen Glasrecipienten über. Er
charakterisirte sich durch die ihm eigenthümlichen, die Seiten des kugelförmigen
Gefäßes hinabgehenden Streifen oder Linien, so wie auch durch seinen kühlen
erfrischenden Duft. Man erhielt nicht weniger als 26 (Flüssigk.-)Unzen
Apothekermaaß einer ätherischen Flüssigkeit von 0,787 spec. Gewicht, welche
rectificirt ein specifisches Gewicht von 0,742 erhielt, bei 100° F. kochte
und volle 20 Unzen betrug, so viel als die gleiche Menge reinster Alkohol geliefert
hätte.
Im weiteren Verlauf lieferte die Aetherdestillation die gewöhnlichen flüssigen
Producte, zugleich mit öhlbildendem Gas in großer Menge, welches sich durch sein
Brennen mit weißer Flamme charakterisirt, so wie durch seine Verdichtung beim
Vermischen mit Chlorgas zu Chlorkohlenstoff, der öhlartigen Flüssigkeit, welcher es
seinen Trivialnamen verdankt.
Ich fand ferner, daß wenn man 10 Theile Holzgeist mit 90 Theilen Alkohol, jeden von
mäßiger Stärke mischt, und die Mischung, wie oben, mit Schwefelsäure behandelt, man
keinen guten, ächten Aether erhält, sondern eine eigenthümlich unangenehm stechend
riechende Flüssigkeit, woraus hervorgeht, daß die fragliche Flüssigkeit keinen oder
nur sehr wenig Holzgeist enthielt, sondern ihren eigenthümlichen Geschmak und Geruch
dem brenzlichen Oehle des Holzessigs verdankt, von welchem ein paar Tropfen
hinreichen, einen Gallon guten, feinen Alkohol zu verderben.
Versüßter Salpetergeist ist ein anderes Alkoholproduct, welches in dem vereinigten
Königreiche in großen Quantitäten consumirt wird und mit Holzgeist durchaus nicht
erzeugt werden kann. Die fragliche Flüssigkeit aber lieferte nach der Vorschrift der
Pharmakopöe die volle Menge davon, geradeso wie reiner Alkohol. Das specifische
Gewicht des Products war nur 0,842, während dieser
Artikel im Handel 0,850 specifisches Gewicht hat.
Auch wurde aus der fraglichen Flüssigkeit nach ihrer Destillation mit Kali guter
Wachholderbranntwein bereitet, welchen an dieses Getränk gewöhnte Leute sich sehr
wohl schmeken ließen.
Der bedeutendste Weingeistfabrikant in London, Hr. Bowerbank, bestätigte ebenfalls, daß der mit Kali rectificirte sogenannte
Holzgeist Alkohol sey.
Nachdem nun die alkoholische Beschaffenheit der Waare dargethan war, wurde zur
Ermittlung der Quantität des Alkohols und der ihn maskirenden brenzlichen Säure geschritten. Durch
Destillation eines Gallons der vorher mit Kalk neutralisirten Flüssigkeit wurden
8/10 Gallons Probespiritus erhalten; die rükständige Flüssigkeit, aus holzsaurem
Kalk bestehend, wurde durch krystallisirtes kohlensaures Natron in essigsaures
Natron umgewandelt, wozu man von jenem Salze 3000 Gran bedürfte, woraus sich 1083
Gran wirklicher Essigsäure berechnen. Der angebliche Holzgeist besteht demnach aus
70 Theilen Alkohols von 14,3 Graden über der Probe, und 30 Th. Holzsäure.
Es wurden nun die Eigenschaften der verschiedenen gegenwärtig im Handel vorkommenden
Holzgeistsorten geprüft, um die besten Kriterien kennen zu lernen, wodurch sich
diese Flüssigkeit vom Alkohol unterscheiden läßt.
Es wurde zu diesem Zwek von den HHrn. Hill in Deptford
eine Quantität rectificirten Holzgeistes, so wie auch des rohen Holzgeistes bezogen,
wie er zuerst durch Destillation von der Holzsäure abgezogen wird.
1 Gallon des ächten rohen Holzgeistes wurde rectificirt und zeigte dann alle dieser
Flüssigkeit eigenthümlichen Erscheinungen, er kochte nämlich bei einer um volle
20° F. niederern Temperatur als Weingeist von demselben specifischen Gewicht,
unter Verbreitung des eigenthümlichen, höchst unangenehm riechenden, die Augen
röthenden und zu Thränen reizenden Aldehyddampfes. Die Flüssigkeit ist farblos, hat
einen eigenthümlichen, etwas unangenehmen Geruch, und gibt bei gelinder Wärme einen
die Augen sehr belästigenden Dampf, vor welchem sich die Hutmacher sehr in Acht
nehmen, die sich ihrer zum Auflösen des Schellaks und Sandarachs bedienen.Man vergl. polytechnisches Journal Bd. LXXXIV S. 140. Die
Veruchung ist daher sehr groß, statt Holzgeistes leicht maskirten Alkohol
einzuschwärzen, welcher die Augen nicht angreift und überdieß die Harze noch besser
auflöst. Der Hill'sche Holzgeist war der einzige im
englischen Handel, welcher sich als ächt bewährte; die andern bestehen alle mehr
oder weniger aus Alkohol, welcher betrügerischer Weise eingeführt wird.
Aechter Holzgeist hat folgende unterscheidende Eigenschaften: 1) wenn man
rectificirten Holzgeist von 0,870 spec. Gewicht, wie ihn die HHrn. Hill versenden, mit ungelöschtem, aber gepulvertem Kalk,
aus einer in siedendem Wasser erhizten Retorte destillirt, so geht derselbe mit
seinem unveränderten specifischen Gewicht über, während, wenn ächter Alkohol, oder
der Liverpooler Holzgeist ebenso destillirt werden, beide sich gleich so
concentriren, daß sie beinahe wasserfrei werden, und ihr specifisches Gewicht unter
0,800 bei 60° F.
sinkt. Es ist dieß ein sehr bedeutender Unterschied zwischen dem Alkohol und dem
Holzgeist, welcher schon für sich allein beweist, daß die in Rede stehende
Flüssigkeit Alkohol ist und kein Holzgeist, denn wenn sie auch nur 5 Procente vom
leztern enthielte, so könnte sie bei der Siedhize des Wassers mit Aezkalk nicht zu
obigem geringem spec. Gewicht concentrirt werden. Der. Holzgeist scheint sonach eine
größere Verwandtschaft zum Wasser zu besizen, als Alkohol — was auch aus dem
Folgenden unumstößlich hervorgeht.
2) Wird Alkohol mit Wasser vermischt, so verdichtet sich das Volum der Mischung, so
daß 100 Gallons starken Alkohols, mit 50 Gallons Wasser gemischt, nicht den Raum von
150 Gallons, sondern einen, in gewissem Maaße der Stärke des Alkohols
proportionalen, kleinern Raum einnehmen.
3) Die Siedepunkte des Alkohols und ächten Holzgeistes weichen bedeutend von einander
ab und geben daher ein sehr gutes Mittel an die Hand, um beide Flüssigkeiten von
einander zu unterscheiden. Hill's Holzgeist von 0,879
spec. Gewicht kömmt, in einer kleinen Flasche im Wasserbad erhizt, bei 144°
F. (50° R.) zum Sieden. Wird er so concentrirt, daß sein specifisches Gewicht
0,832 ist, so kocht er bei 140° F.; Alkohol aber von 0,870 specifischem
Gewicht kocht unter gleichen Umständen bei 180° F. (66° R.); von 0,832
spec. Gewicht bei 171,5° F. Der in Untersuchung genommene fälschlich so
genannte Holzgeist stimmt mit dem Alkohol in seinen Siedepunkten bei den
verschiedenen specifischen Gewichten überein, ist aber vom Holzgeist hinsichtlich
dieses höchst charakteristischen Merkmals völlig verschieden. Werden 10 Procent
Holzgeist mit Alkohol gemischt, deren jeder 0,870 specifisches Gewicht hat, so
erniedrigt sich der Siedepunkt des Alkohols wenigstens um 6° F. Nach diesem
physikalischen Gesez läßt sich klar darthun, daß die fragliche Flüssigkeit keine 5
Procent Holzgeist enthält.
Der falsche im Handel vorkommende Holzgeist charakterisirt sich also durch zwei
Merkmale: erstens sein geringes specifisches Gewicht, zweitens seinen hohen
Siedepunkt. Er hat manchmal nur 0,822, manchmal 0,827 specifisches Gewicht.
4) Wird ächter Holzgeist mit seinem gleichen Gewicht
Schwefelsäure wie bei der Aetherbereitung behandelt, so ergeben sich ganz andere
Erscheinungen als mit Alkohol und Schwefelsäure. Ein weißer Rauch wird in großer
Menge ausgestoßen unter Entwiklung eines mit mattblauer Flamme brennenden Gases. In
dem Recipienten Verdichtet sich eine säuerliche Flüssigkeit, welche mit Kali
neutralisirt und noch einmal destillirt eine Flüssigkeit gibt von 0,911 specifischem
Gewicht und eigenthümlich stechend gewürzhaftem Geruch, die dem Steinkohlenöhl darin gleicht,
daß sie sich mit Wasser nicht mischt; hinlängliche Beweise, daß ächter Holzgeist mit
Schwefelsäure kein in irgend einer Hinsicht dem Aether ähnliches Product liefern
kann.
Diese auf entscheidenden Versuchen beruhende Beweisführung für die Richtigkeit der
von Dr. Ure ausgesprochenen
Behauptung, daß der fragliche Holzgeist eine Mischung von Alkohol und denselben
maskirendem brenzlichem Holzessig sey, ist sehr belehrend, durch die Anleitung,
welche sie gibt, dergleichen Gemische mit Sicherheit zu analysiren, um das Aerar
gegen Defraudationen zu schüzen.
Nach diesem Vorfall wurden nun seit einem Monat nicht weniger als 11 Proben ähnlicher
(in England) eingeführter Waare Dr. Ure vorgelegt, welche alle auf diese Art verfälscht
waren. Eine von Havre angelangte enthielt 95 Procent Alkohol von 0,842 specifischem
Gewicht bei 60° F.; acht andere bestanden ganz aus
starkem Alkohol, der nur mit einer sehr kleinen Menge Steinkohlenöhls aus
den Gasfabriken maskirt war.
Der Ausfall in den Staatseinkünften durch den auf angegebene Weise eingeschwärzten
Weingeist war übrigens noch gering im Vergleich mit dem Schaden, welchen die
brittischen Landwirthe, die Weingeistfabrikanten etc. durch eine bedeutende Einfuhr
ganz, oder doch beinahe abgabenfreien Alkohols erlitten; die Weingeistlieferanten
für Hutmacher, Firnißbereiter etc. konnten beinahe nichts mehr verkaufen.