Titel: | Ueber die Theorie der Daguerre'schen Lichtbilder, von Choiselat und Ratel. |
Fundstelle: | Band 89, Jahrgang 1843, Nr. LXXIX., S. 311 |
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LXXIX.
Ueber die Theorie der Daguerre'schen Lichtbilder,
von Choiselat und
Ratel.
Aus den Comptes rendus, 1843, Bd. XVI. No.
25.
Choiselat u. Ratel, über die Theorie der Daguerre'schen
Lichtbilder.
Man nimmt allgemein an, daß die lichten Stellen eines Lichtbildes durch Queksilber
welches sich auf die Platte bloß abgelagert oder damit amalgamirt hat, die dunkeln
aber durch die Politur des Silbers selbst hervorgebracht werden; man pflegt jedoch
in das Nähere des Vorgangs bei diesen Erscheinungen nicht weiter einzudringen.
Wir wollen hier durch rein chemische Betrachtungen darzuthun versuchen, daß die
weißen oder lichten Stellen aus Silberamalgam-Tröpfchen bestehen, welche sich
auf der Oberfläche der Platte bilden und absezen, die dunkeln aber durch die Politur
des Metalls und einen Silber- und Queksilberstaub erzeugt werden.
Diese Theorie gründet sich auf folgende drei Thatsachen:
1) Das Silberjodid wird durch Einwirkung des Lichts in Silbersubjodid
umgewandelt.
2) Dieses Silbersubjodid bildet in Berührung mit Queksilberjodür rothes Iodqueksilber
(Queksilberjodid) und metallisches Queksilber.
3) Metallisches Queksilber mit Silberjodid in Berührung gebracht, erzeugt
Queksilberjodür, und Silber wird frei.
Den ersten Punkt betreffend weichen wir von der allgemeinen Ansicht nicht ab, daß
nämlich das Silberjodid durch das Licht in Subjodid umgewandelt werde; eine
Thatsache, welche unter andern diese Ansicht zu bestätigen scheint, ist, daß wenn
man eine Silberplatte dem Joddampfe, dann dem Lichte aussezt und nachher in
unterschwefligsaurem Natron wäscht, ein unauflösliches Pulver von Silbersubjodid auf
der Oberfläche deutlich zurükbleibt.
Der zweite Saz geht aus schon bekannten Thatsachen hervor; wenn man nämlich die
basischen Jodverbindungen mit Queksilberjodür behandelt, so bildet sich
Queksilberjodid und metallisches Queksilber sezt sich ab.
Der dritte Saz endlich wird dadurch dargethan, daß man einen Ueberschuß von
Queksilber mit Silberjodid zusammenbringt, wobei man sehr bald grünes Jodqueksilber
und Silberamalgam erhält.
Unter diesen Voraussezungen wollen wir nun die Folgen der drei Hauptoperationen der
Photographie in Betrachtung ziehen.
Man sezt eine auf der Oberfläche mit Silberjodid überzogene Platte in der Camera
obscura dem Lichte aus; die Wirkung beginnt sogleich, jedoch mit wesentlichen Verschiedenheiten in
der Einwirkung; statt eines gleichförmig vertheilten Lichtes findet eine ungleiche
Vertheilung der Lichtstrahlen statt. Das Silberjodid erfährt eine mit den
Intensitäten in geradem Verhältnisse, stehende Veränderung. Wo das Licht am
stärksten ist, erzeugt sich reichlich Silbersubjodid und es wird Jod ausgeschieden,
welches die Platte wieder aufnimmt; da wo Mitteltinten erscheinen, geht die Bildung
des Silbersubjodids in geradem Verhältniß mit der Lichtverminderung um so langsamer
vor sich; in den dunkelsten Schatten endlich wird das Subjodid nur sehr wenig
angegriffen, indem der Mangel an Strahlung kein so gänzlicher seyn kann, daß gar
keine verändernde Einwirkung auf das Jodid Plaz greifen könnte.
Was geschieht nun, wenn eine Platte, welche diese Einwirkung erlitt, den
Queksilberdämpfen ausgesezt wird?
Das Queksilber wirkt auf alles Silberjodid ein, welches es auf der Platte vorfindet.
Dieses Jodid ist, wie wir so eben gesehen, in den dunkeln Stellen vollkommen
erhalten; allein auch die Lichtstellen enthalten davon noch eine gewisse, wiewohl
viel geringere Quantität; in der That ist die Güte eines Lichtbildes davon bedingt,
daß es nicht ganz zersezt worden ist. Es erzeugt sich sonach in den erstern viel, in
den leztern nur wenig Queksilberjodür und metallisches Silber. Die dunkeln Stellen
betreffend bleibt die Wirkung hierbei stehen; nicht so aber bei den Lichtstellen, da
das Queksilberjodür hier mit dem Silbersubjodid in Berührung kommend, eine doppelte
Zersezung veranlassen muß; das Silbersubjodid wird reducirt und das Queksilberjodür
zerfällt in zwei Theile: einer geht in Jodid über, der andere wirb reducirt, zur
wahren Quelle des Queksilbers, welches sich unstreitig mit dem frei gewordenen
Silber verbindet und auf die Platte absezt, ohne sich aber auf ihr zu amalgamiren.
Durch die lichtesten Stellen also kömmt das Bild zuerst zum Vorschein; sie
absorbiren um so mehr Queksilber, als sie, einem lebhaftern Lichte ausgesezt,
reicher an Silbersubjodid sind. Bei den intensivsten Schatten hingegen, welche der
Einwirkung des Queksilbers nur Silberjodid darbieten, kann dieses nur einen mehr
oder weniger dunkeln Flor von grünem Queksilberjodür, vermengt mit metallischem
Silber erzeugen, welches Metall in seiner äußerst feinen Zertheilung schwarz
erscheint; lezteres bleibt also in Reserve, um später die dunkeln Stellen des Bildes
zu bilden. Zwischen diesen beiden Extremen aber, zwischen den stärksten Schatten und
reinsten weißen Stellen müssen sich wunderbar getreue Mitteltinten finden als
nothwendige Folge der mehr oder weniger starken Einwirkung des Lichts; dieselben
fallen heller oder
dunkler aus, je nachdem die Schicht von Silbersubjodid stark oder schwach ist.
In der That erscheint auch nach dieser Operation die Platte schwarz oder grünlich in
den Schatten, wo nämlich das Queksilberjodür nicht zersezt wurde, während sie
rosenroth, oft sogar lebhaft roth an den intensivsten Lichtstellen erscheint, welche
nur mehr aus einem mit einer Schicht Queksilberjodid bedekten Silberamalgam in
unsichtbaren Tröpfchen bestehen.
Wäscht man hierauf diese Platte in einer Lösung von unterschwefligsaurem Natron, so
löst sich das rothe Queksilberjodid auf; auch das grüne Jodür erleidet hier eine
Veränderung; es zerfällt in Jodid, welches verschwindet und in metallisches
Queksilber, welches auf der Platte zurükbleibt.
Kurz gesagt, werden also die weißen Stellen von dem sehr zarten Staub eines auf die
Platte sich ablagernden Silberamalgams gebildet und sind um so lebhafter, je
reichlicher derselbe niederfällt und je silberhaltiger er ist; die dunkeln Stellen
aber sind das Resultat des Absezens sehr fein zertheilten Silbers, welches
mechanisch mit einer sehr kleinen Menge bei dem Waschen sich erzeugenden Queksilbers
gemengt ist.
Wir hoffen, daß diese Auseinandersezung viele bisher noch nicht gelöste Fragen
erledigen und unendlich viele Mittel an die Hand geben werde, schöne Lichtbilder zu
erzeugen; denn wenn es seine Richtigkeit hat, daß die Schönheit des Resultats von
der gehörigen Vertheilung des Silbersubjodids und Silberjodids abhängt, so kann man
in Folge der bloßen Besichtigung eines noch nicht gewaschenen Lichtbildes seine
ganze Operationsmethode abändern. Hat die Platte beim Herausnehmen aus dem
Queksilberkasten ein mattes oder grünliches Ansehen, so beweist dieß, daß sich auf
den Lichtstellen Queksilberjodür befindet, daß folglich die unerläßliche Bildung des
Queksilberjodids durch irgend eine Ursache fehlgeschlagen hat, kurz daß das Bild arm
an Queksilber und folglich mißlungen ist.
Nun ist unter allen der Bildung der photographischen Zeichnung entgegentretenden
Hindernissen das allgemeinste und zugleich unangenehmste, nach unserm Bedünken, das
Vorhandenseyn einer zu großen Quantität freien Jods auf der Platte. Es ist auch
leicht zu begreifen, daß die Metallfläche, der Jodausdünstung ausgesezt, dasselbe
nicht gänzlich absorbirt, das gebildete Jodid aber einen Antheil desselben in
ungebundenem Zustande eingeschlossen enthält. — Wie wirkt aber das freie Job?
Offenbar widersezt es sich in doppelter Weise der Erzeugung des Bildes: einmal in
der Camera obscura, indem es Alles, was das Licht zu Silbersubjodid macht, in
Silberjodid umwandelt;
bann im Queksilberkasten, indem es sich mit diesem Metall verbindet und so einen
Flor von grünem Queksilberjodür bildet, und vorzüglich hierdurch sich der Einwirkung
der Queksilberdämpfe auf die untern Schichten widersezt. Auch kann man es als ein
Haupthinderniß in der Schnelligkeit der Erzeugung des Lichtbildes betrachten, weil
es das Product der Lichteinwirkung beständig zu zerstören sucht. Um allen diesen
Uebelständen vorzubeugen, braucht man nur an einem gehörig lichtreichen Orte zu jodiren; es bildet sich sodann ein
Silbersubjodid, welches der Platte den Ueberschuß an freiem Jod entzieht, um sich
wieder in Jodid umzubilden; da nun den darauffolgenden Reactionen nichts mehr
entgegenwirkt, so ist der Erfolg, so zu sagen, gesichert.
Man ersieht daraus, wie nöthig es ist, die Ränder des Rahmens mit plattirten Streifen
zu belegen, um sie gegen die Joddämpfe zu schüzen; die später von denselben
erfolgende Ausdünstung wäre dem Bilde nachtheilig; denn wie natürlich, würde das Jod
das Silbersubjodid in dem Maaße als es sich erzeugt, zerstören und sich später auch
der Einwirkung der Queksilberdämpfe widersezen, indem es ein unnüzes Jodür
erzeugte.
Es erklärt sich hierdurch auch warum man gut thut, die Platte kurz nach dem
Herausnehmen aus der Camera obscura dem Queksilber auszusezen, indem das etwa noch
in freiem Zustande darauf befindliche Jod sonst nothwendig den vom Licht
hervorgebrachten Eindruk wieder beeinträchtigen müßte.