Titel: | Ueber die Einwirkung der die Lichtbilder-Erzeugung beschleunigenden Substanzen; von den HHrn. Choiselat und Ratel. |
Fundstelle: | Band 89, Jahrgang 1843, Nr. XCI., S. 359 |
Download: | XML |
XCI.
Ueber die Einwirkung der die
Lichtbilder-Erzeugung beschleunigenden Substanzen; von den HHrn. Choiselat und Ratel.
Aus den Comptes rendus. Jul. 1843, Bd. XVII No.
4.
Choiselat und Ratel, über Lichtbilder-Erzeugung.
Aus dem Umstande, daß das Chlorsilber und Bromsilber für die Eindrüke des Lichts
empfänglicher sind als das Jodsilber, folgerte man, daß der Entstehung solcher
Silbersalze die Beschleunigung der Lichtbilder-Erzeugung zugeschrieben werden
müsse; mehrere Umstände veranlassen uns aber, diesen Gegenstand aus einem ganz
andern Gesichtspunkt zu betrachten; wir theilen dieselben so kurz als möglich
mit.
Die außerordentlich geringe Quantität der auf der Platte condensirten
beschleunigenden Substanzen im Verhältniß zu dem schon gebildeten Jodsilber kann
nicht genügen, um den ungeheuren Unterschied in der durch sie hervorgebrachten
Schnelligkeit zu erklären.
Das Brom oder Chlor können von der durch eine verhältnißmäßig sehr dike
Jodsilberschicht geschüzten Metalloberfläche nicht absorbirt werden; auch ist nicht
einzusehen, wie sie das Jodsilber zersezen könnten und jedenfalls müßte die im
Jodsilber eintretende Veränderung, da sie mit jener der Bromide etc. nicht
übereinstimmt, nothwendig eine große Störung im Processe herbeiführen. Ferner könnte
man die Wirkungen des Queksilberkastens nicht erklären, was, indem es unsere obigen
Ansichten bestärkt, vollkommen nachweist, warum es noch niemals gelungen ist ohne
Jodsilber, d. h. bloß mit Chlor oder Brom, Bilder zu erhalten.
Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, sind jene Substanzen sogar so schädlich daß,
wenn man die Zeit, welche vorgeschrieben ist, um die Platte ihren Dämpfen
auszusezen, nur um eine oder zwei Secunden überschreitet, gar keine Bilder zum
Vorschein kommen; indem sie nämlich dann bis zum Silber einzudringen vermögen,
erzeugen sie Brom- oder Chlorsilber, welche nicht geeignet sind, das Absezen
von Amalgamkügelchen hervorzurufen.
Wir theilen übrigens diese Betrachtungen, welche wir noch mit zahlreichen
Beobachtungen unterstüzen könnten, nur mit größter Zurükhaltung mit und wünschen
durch dieselben hauptsächlich die Aufmerksamkeit der Experimentatoren auf diesen
Gegenstand zu lenken.
In Erwägung wie äußerst dünn die empfindliche Schicht ist (Hr. Dumas schäzt ihre Dike auf einen Milliontheil Millimeter), betrachteten
wir sie als durchscheinend, also auch für die Sonnenstrahlen in ihrer ganzen Dike
durchdringlich; da überdieß nicht alles Jodsilber in Subjodid verwandelt werden
darf, um das bestmögliche Resultat zu erlangen, muß die photogenische Kraft der
Lichtstrahlen in einer so zu sagen unmeßbaren Zeit, vielleicht sogar augenbliklich
wirken. Das Bild ist daher in den ersten Augenbliken, wo die Platte der Camera
obscura ausgesezt wurde, schon auf ihr verzeichnet, und wenn zu dieser Zeit mit dem
Queksilber nichts zum Vorschein kömmt, so muß dieß seine besonderen Ursachen haben.
Aus der in einer frühern Abhandlung von uns aufgestellten Theorie geht hervor, daß
die verschiedenen Reactionen durch folgende Formeln ausgedrükt werden können.S. 311 im vorhergehenden Heft des polytechnischen Journals.A. d. R.
Die Reaction des Lichts auf das Jodsilber (A g I als
Formel des Subjodids angenommen):
5 A g I2 = 2 A g I + 3 A g I2 + 2 I;
die des Queksilbers auf das Jodsilber:
3 A g I2 + 6 H g = H g6
I6 + 3 A g;
die des Queksilberjodürs auf das Silbersubjodid:
2 A g I + 6H g I = H g4
I8 + 2 H g + 2 A g.
Da nun, diesen Formeln zufolge, in den Lichtern das Subjodid sich zum Jodid verhält
wie 2 : 3, so ist die Vermuthung nicht zu verwerfen, daß dieses Verhältniß sich sehr
schnell bildet und daß die wahre Ursache der Verzögerung in dem durch das Licht in
Freiheit gesezten Jod liege; denn dieses wird der Schnelligkeit durch sein Streben,
entweder auf Kosten des Subjodids oder der Platte wieder Jodid zu bilden, ein
doppeltes Hinderniß; und gerade dann liegt der Grund der Schnelligkeit des
Processes; denn wenn man die zur Erzeugung eines Bildes nöthige Zeit als
hauptsächlich aus zwei Elementen bestehend betrachtet, wovon das eine zur Zersezung
des Jodids, das andere zur Absorption des Jods verwendet wird, und das erstere wegen
seines geringen Werths gleich Null annimmt, so drükt das zweite offenbar die zur
Erzeugung des Bildes erforderliche Zeit aus.
Um die Wirkung des Lichtes zu beschleunigen, müßte also die zur Absorption des Jods
erforderliche Zeit möglichst abgekürzt werden, und dieß ist, wie uns scheint, die
Rolle der beschleunigenden Substanzen, deren Kraft drei Ursachen zuzuschreiben ist:
ihrer innigen Mischung
mit dem Jod, ihrer Verwandtschaft zum Jod, und endlich dem status nascens, in welchem sich lezteres befindet.
Wie kömmt aber das Brom zum Adhäriren an der Platte und in welchem Zustande befindet
es sich daran? Wir sahen, daß eine jodirte Platte immer als etwas freies Jod
zurükhaltend betrachtet werden kann; daraus ist leicht einzusehen, was vorgehen muß;
eben dieses freie Jod nämlich ist sehr wohl fähig, Chlor oder Brom zurükzuhalten,
sich mit deren Dämpfen zu sättigen, welche so auf der Platte zurükbleiben, sich mit
dem Jodid innig mischen und um so wirksamer werden können, eine je an Brom oder
Chlor reichere Verbindung sie bilden.
Daraus geht hervor, daß je weniger freies Jod auf einer Platte ist, desto weniger
Brom absorbirt wird; die Erfahrung bestätigt diesen Schluß. Eine Platte, welche im
Normalzustand den Bromdämpfen 18 Secunden lang ausgesezt werden kann, ist, wenn man
sie so viel möglich ihres freien Jods beraubt, schon nach 3 Secunden damit
gesättigt.
Eine andere Folgerung aus dem Vorausgehenden, welche, indem sie ihre praktische Seite
hat, sehr wichtig ist, besteht darin, daß eine Substanz mit dem Silber nicht
nothwendig eine afficirbare Verbindung bilden muß, um zur Beschleunigung der
photographischen Wirkung beizutragen; im Gegentheil ist es von Nuzen und besser,
wenn diese Substanz zu diesem Metall gar keine Verwandtschaft hat. Das Feld der
Forschung wird dadurch sehr erweitert und man hat sich nicht mehr auf den engen
Kreis des Brom oder Chlor zu beschränken, wenn man sich mit den Mitteln, diesen
Proceß zu beschleunigen, beschäftigen will.
Gleichwohl erfüllt das Brom seinen Zwek sehr wohl; man wird aber leicht einsehen, daß
die gebildete Verbindung keine so beständige ist, daß die zwei Körper, aus welchen
sie besteht, nicht noch darnach streben könnten, sich mit dem Silber zu verbinden,
was das Erscheinen des Bildes nothwendig etwas aufhalten muß; wir dachten daher, daß
die Schnelligkeit zunehmen müsse, wenn man die Verbindung fixer machen und der
Platte auf indirecte Weise eine größere Dosis Brom oder Chlor zuführen könnte.
Die Mittel, deren wir uns hiezu bedienen, bestehen darin, gewisse noch anzugebende
Substanzen auf die Platte gelangen zu lassen; für sich allein wirken dieselben
größtentheils nur schwach, ihre höchste Kraft erhalten sie erst, wenn sie mit dem
Brom oder Chlor gemischt werden; und dieß ist begreiflich, denn wir haben gesehen,
daß ein Körper schon im Voraus auf der Platte seyn muß, um die beschleunigenden
Substanzen zurükzuhalten; nun können die von uns angewandten Verbindungen, da sie nicht
genug Verwandtschaft zum Jod besizen, sich nicht direct mit ihm verbinden; man muß
sich daher des Brom oder Chlor als Vehikel bedienen; von diesen werden sie mit
hingerissen, sie bleiben auf der Platte, wo sie später, wie wir schon gesagt, wirken
und zwar ohne Zweifel auch durch doppelte Zersezung.
Die Substanzen, welche uns die Schnelligkeit am meisten zu vermehren schienen, sind
der Wasserstoff, der Phosphor, vorzüglich aber der Kohlenstoff.
Von der Wirkung des Wasserstoffs kann man sich mit einer bloßen Mischung von Brom und
Bromwasserstoffsäure überzeugen; von der des Kohlenstoffs, indem man 10 Grammen Brom
portionenweise ungefähr 39 Gramme zweifachgekohlten Bromwasserstoff oder
Bromwasserstoffäther zusezt; es versteht sich, daß diese beiden Körper von einer
großen Reihe organischer Substanzen ersezt werden können; alle Kohlenwasserstoffe
erfüllen denselben Zwek; die Harze, die meisten wesentlichen Oehle, das Eupion und
beinahe alle Producte der Destillation vegetabilischer Körper etc. können dem Brom
mit größtem Vortheil zugesezt werden; allein es bildet sich dann
Bromwasserstoffsäure, welche zwar nicht schadet, deren sehr reichliche weiße Dämpfe
aber unangenehm werden könnten. Diesem Uebelstand begegnet man, indem man dem Brom
reinen Bromkohlenstoff zusezt, oder in 5 Gram. Brom 2 Gramme Jodoform bringt; es
bilden sich Bromkohlenstoff und Jodbromid im geeigneten Verhältnisse. Ein anderes
Mittel ist in Bromal aufgelöstes Brom; ohne sich erst reines Bromal verschaffen zu
müssen, erreicht man denselben Zwek, wenn man in 5 Grammen Brom einige Tropfen
wasserfreien Alkohols bringt; es bildet sich Bromal und Bromalkoholöhl mit dem
nöthigen freien Brom. Der Alkohol kann auch hier durch eine Menge anderer Substanzen
ersezt werden; wir führen nur die fetten und troknenden Oehle, die meisten Fette,
den Holzgeist an, zu welchen sich ohne Zweifel noch die zahlreichen
Methylen-Verbindungen, der Brenzessiggeist etc. gesellen. Endlich bewirkt
auch das Cyan eine etwas größere Schnelligkeit.
Es wurden auch mit Gemengen mehrerer dieser Substanzen befriedigende Resultate
erhalten und die Gegenwart von Sauerstoff in der Verbindung einiger derselben schien
die Reaction eher zu begünstigen als zu verzögern. Es scheint schon von mehreren
Personen bemerkt worden zu seyn, daß bei der Anwendung des Brom bisweilen
Unregelmäßigkeiten eintreten; sollten diese nicht durch die zufällige Bildung von
Bromwasserstoffsäure oder Bromal veranlaßt worden seyn?
Was die Anwendung dieser Verbindungen anbelangt, so ist es wahrscheinlich, daß sie auf
gewöhnliche Weise, nämlich in Wasser oder Alkohol aufgelöst, benuzt werden können;
wir haben dieß nicht versucht. Am besten schien es uns, die beschleunigenden
Substanzen im Gaszustand anzuwenden. Man bedarf dazu nur einer kleinen graduirten
Pumpe von 0,01 Liter Capacität, die in ein Haarröhrchen ausgeht, und einer Flasche
von 0,02 Liter, in welche man ein für allemal 20 bis 25 Gramme der gewählten
Substanz bringt. Will man eine Ansicht aufnehmen, so stekt man bloß das Haarröhrchen
der Pipette in die Flasche und pumpt ungefähr einen halben Centiliter des in der
Flasche verbreiteten Dunstes aus, welchen man dann durch eine kleine, nachher zu
verschließende Oeffnung in den Bromkasten injicirt. Der von Hrn. Foucault zur Anwendung des Bromwassers erfundene Kasten
ist hiezu ganz tauglich. Die zum Jodiren der Platte nöthige Zeit ist dann
hinreichend, um die Vermischung des Gases mit der Atmosphäre des Kastens vollkommen
zu bewerkstelligen und man zählt dann auf gewöhnliche Weise. Diese Einrichtung macht
einen vielen Raum einnehmenden Apparat unnöthig und die Flüssigkeit in der Flasche
kann immerfort benuzt werden.