Titel: | Ueber Einführung der Cochenille in Algier; Beschreibung, Zucht und Fortpflanzung dieses Insects; von Hrn. Simounet, Apotheker in Algier. |
Fundstelle: | Band 92, Jahrgang 1844, Nr. XX., S. 67 |
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XX.
Ueber Einfuͤhrung der Cochenille in
Algier; Beschreibung, Zucht und Fortpflanzung dieses Insects; von Hrn. Simounet, Apotheker in
Algier.
Aus dem Journal de Pharmacie, Febr. 1844, S.
145.
Simounet, über Einführung der Cochenille in Algier.
Frankreich zahlt jährlich 9 bis 10 Millionen Francs für Cochenille an das Ausland.
Hr. Simounet, welcher sich ein Jahr lang in Spanien in
der Gegend von Valencia aufgehalten hatte, versuchte deßhalb seine über
Cochenille-Zucht dort gemachten Erfahrungen nach den französischen Besizungen
in Afrika zu verpflanzen, wo das Klima eben so günstig für dieses Insect zu seyn
versprach wie in Spanien, welches Land übrigens die Todesstrafe auf dessen
Ausführung sezt. Seine ersten Versuche fielen zwar nicht glüklich aus; durch
Beharrlichkeit aber besiegte er alle Schwierigkeiten und gewann im Jahre 1840 500
Gramme der schönsten Cochenille. Auf seine Veranlassung beschäftigten sich mehrere
algierische Agronomen mit der Cochenille-Cultur und in dem botanischen Garten
wurde von dessen Director, Hrn. Hardy, eine
Muster-Fakeldistelpflanzung (Nopalerie) angelegt.
Die Regierung scheint sich für diese Unternehmungen zu interessiren und die
Möglichkeit der Acclimatisirung der Cochenille in Algier ist keine Frage mehr.
Folgendes ist ein Auszug einer von ihm darüber herausgegebenen Broschüre.
Beschreibung der Cochenille.
§. 1. Physische Eigenschaften
der männlichen Cochenille.
Die männliche Cochenille ist von der weiblichen völlig verschieden. Sie ist
zweiflügelig, mit zwei durchsichtigen Flügeln; sie hat sechs Füße, wovon jeder
mit einem kleinen, sehr spizigen Nagel endigt; zwei Fühlhörner, welche aus
neun Gliedern bestehen und mit einem seidenartigen Flaum bedekt sind; endlich
zwei schwarze unbewegliche Augen. Der rothe Körper ist von einem weißen Staube
überzogen; der Hinterleib endigt mit zwei seidenartigen weißen Fäden. Vom Kopfe
bis zum hintern Ende ist das Thierchen einen Millimeter lang und hat die Dike
einer länglichen Laus. Das Wachsthum des Männchens ist verschieden von dem des
Weibchens. Es haftet zwar, wie dieses, an der Fakeldistel, sein Körper entwikelt
sich aber nicht so stark. Statt zu wachsen, bedekt es sich durch Ausschwizung
mit einem Flaum, welcher sich in anderthalb Monaten zu einem Cocon ausbildet.
Die beiden am Hintertheil befindlichen Fäden haben keinen andern Zwek, als den
Cocon beständig offen zu erhalten; zur Zeit der Begattung, 1 1/2 Monate nach der
Geburt, schlüpft es rükwärts aus seiner Hülle, fliegt von einem Weibchen zum
andern, stirbt dann und verschwindet.
§. 2. Physische Eigenschaften
der weiblichen Cochenille.
Das Weibchen sieht aus wie eine Erbse von elliptischer Form. Sein Körper besteht
aus einer unbestimmten Zahl Ringe, was ihm das Ansehen eines in sich selbst
zurükgezogenen Ringelwurms gibt. Von Farbe ist es dunkelschwarz. Der Körper ist
von einem weißen pulverigen Flaum umgeben, welcher ihm durch seine
wasserabhaltende Kraft zum Schuze gegen die Einflüsse der Witterung dient. Es
hat sechs Füße, deren jeder aus zwei Gliedern besteht und mit einem spizigen
Nagel endigt. Ferner hat es zwei cylindrische Fühlhörner, welche aus drei
Gliedern bestehen, deren leztes etwas verlängert ist. Zwischen den zwei
vordersten Füßen befinden sich die Ernährungswerkzeuge. Diese Organe bestehen
aus einer kleinen Drüse, auf welcher sich ein Canal von dem Durchmesser eines
Haares, von rother Farbe, eine Art Rüssel, befindet, welchen es in das
Zellgewebe der es ernährenden Pflanze stekt. – Es wollten einige
beobachtet haben, daß die Cochenille erst nach dem Tode ihrer Mutter zur Welt
komme und der Körper dieser leztern einer Menge von Eiern, die nach ihrem Tode
erst auszukriechen beginnen, nur als Hülle diene. Dieß ist aber nicht der Fall.
Die Cochenille bringt ganz bestimmt lebendige Junge zur Welt und ist, wenn sie
ihre kleine Familie gebiert (deren Anzahl ich nicht, wie es ein spanischer Autor
thut, auf 632777, sondern auf etwa nur 300 Individuen berechne), noch am Leben.
– Das Cochenille-Weibchen allein ist es, welches uns hier
beschäftigen wird, weil es allein das so beliebte rothe Farbmaterial liefert.
Aus ihm bereitet man den Carmit, die rothen, rosenrothen etc. Lake.
Zucht und Fortpflanzung der Cochenille.
§. 1. Auswahl der
Fakeldistel- (Cactus-) Arten.
Die Cochenille gedeiht nur auf der Cochenille-Fakeldistel (Nopalpflanze)
ganz gut und zwar aus mehreren Gründen. Erstens erleichtert die sammetartige
Oberfläche dieser Pflanze das Herumkriechen des schwachen, neugebornen Insects.
Rührt sich nur ein Wind, so klammern sich nicht nur die Füße des Insects in
diese Art Flaums ein, sondern sein mit einer Menge Spizen besezter Körper hängt
sich ebenfalls mit aller Kraft an das sammetartige Gewebe der Pflanze und hält
sich so fest. Die afrikanischen Cactus-Arten eignen sich, wie die
Erfahrung lehrt, ebenfalls für die Cochenille, aber bei weitem nicht so gut,
weil der geringste Wind das Insect fortreißen kann. Ferner trägt die
Cochenille-Fakeldistel eine stets purpurrothe Frucht, welche nach einer
Analyse von Pelletier den Farbstoff des Carmins
enthält und nach der Ansicht dieses Chemikers schöpft das Insect daraus diese
kostbare Farbe; doch erhielt ich auch sehr schöne Cochenille auf dem
afrikanischen Cactus.
§. 2. Anlage einer
Fakeldistel-Pflanzung.
Um eine Fakeldistel-Pflanzung anzulegen, muß ein vor dem Nordwind
möglichst geschüztes Erdreich gefurcht und alles Unkraut sorgfältig ausgejätet
werden. Vorher versieht man sich mit den Cactus-Ablegern und sezt
dieselben einige Tage der Luft aus, um die durch den frischen Schnitt
entstandene Narbe austroknen zu lassen. Die zwekmäßigste Jahreszeit zum Sezen
dieser Pflanzen ist der Sommer. Man zieht zuerst mit der Schnur eine Linie und
sezt nach derselben die Ableger einen Meter aus einander. Die zweite Reihe muß
zwei Meter weit von der ersten entfernt seyn u.s.f., um das Erntegeschäft zu
erleichtern. Um die Nopalpflanze gehörig aufzuziehen, muß man 1) die Pflanzen im
Sommer alle 14 Tage begießen; 2) die Erde einmal jährlich mit der Hake oder dem
Pfluge umarbeiten; 3) die Früchte, sobald sie sich zeigen, abschütteln, damit
der Körper der Pflanze nicht leide; 4) die Pflanzen nur 1 1/2 Meter hoch wachsen
lassen und ihnen die Gestalt eines zu 2/3 geöffneten Fächers geben. Zu diesem
Behufe müssen ihnen, wenn sie treiben, die Zweige genommen werden, welche sich
durch ihr Gewicht gegen den Boden neigen, oder sich zu sehr in horizontaler
Richtung ausbreiten. Wenn sie die gehörige Höhe erreicht haben und gut genährt
sind, können sie dann zur Fortpflanzung der Cochenille dienen.
§. 3. Aufsezen der
Cochenillen auf die Cactuspflanzen.
In Spanien verfertigt man hiezu kleine cylindrische Büchschen oder Futterale von
6 Centimeter Länge und 2 Centimeter Weite, welche an einem Ende offen sind. Man
bedient sich hiezu des Palmbaumblatts in der Weise, daß das Gewebe dieser
Blätter bei jeder Vereinigung des Einschlags eine kleine Oeffnung läßt, aus
welcher das Insect ausschlüpfen kann. In ein solches Büchschen bringt man ein
Duzend Cochenille-Weibchen. Man richtet 15 solche Büchschen her, welche
mittelst kleiner Dornen von der wilden Fakeldistel (C.
ferox) befestigt werden. – Man erkennt die Zeit, wann die
Cochenille sich fortzupflanzen im Begriff ist, an einem Tröpfchen einer
gefärbten Substanz, die am Hintertheil des Insects sichtbar wird. Es ist dieß
auch die Zeit der Ernte.
§. 4. Einsammeln der
Cochenille.
Die Cochenille wird wie folgt eingesammelt. Man macht mittelst Messern aus
Schilfrohr eine Quantität zur Reproduction bestimmter Cochenillen (welche mit
den damit zu besezenden Cactuspflanzen in Verhältniß stehen muß) mit größter
Sorgfalt los und schafft sie in den erwähnten Büchschen bei Seite, um sie dann
später auf die gehörig abgewaschene und gebürstete Nopalpflanze anzuheften. Wenn
dieß geschehen, breitet man unter den Cactusstauden Betttücher aus und kehrt mit
einem kleinen Palmbesen alle auf den Pflanzen bleibenden Insecten herunter.
Diese sind das Product. Man kann drei Cochenille-Ernten im Jahr machen,
im Mai, Julius und Oktober. Nach jeder Ernte ist es höchst nothwendig, die
Pflanzen mit Bürsten reinigen und sogar waschen zu lassen, um alle von den
vorhergehenden Cochenillen abgesezte weiße Substanz zu entfernen. Wenn man
hierauf bei jeder Ernte bedacht ist, können die Stauden 5 bis 6 Jahre zur
Fortpflanzung des Insects dienen.
§. 5. Erstiken der
Cochenille.
In Spanien bedient man sich hiezu siedenden Wassers; auch wurden das bloße
Aussezen der Sonne und die Austroknung in Oefen auf Platten angerathen. Aber
alle diese Verfahrungsweisen leiden an demselben Fehler, daß sie nämlich der
Qualität des Farbstoffs bedeutenden Eintrag thun. Ich empfehle daher folgendes
Verfahren, welches mir in allen Beziehungen das beste zu seyn scheint und darin
besteht, sie im Wasserbade zu erstiken und im Schatten bei hoher Temperatur zu
troknen. Die Qualität, welche man auf diese Weise erhält, entspricht der
schönsten und im Handel geschäztesten, der sogenanten geflekten (Cochenille mestéque oder
jaspée).
Feinde der Cochenille.
Feinde der Cochenille sind erstens die kleinen Kegelschneken, welche sich auf der
Nopalpflanze festsezen, aber mittelst alle acht Tage wiederholten Durchsuchens der
Pflanzung leicht zu vertilgen sind. Eben so verhält es sich mit einem kleinen
Sonnenkäfer, welchen die Spanier Pintillos nennen;
dieses Insect ist sehr gefährlich, denn es stellt große Verheerungen an und die
größte Arbeit in einer Nopalpflanzung macht die sorgfältige Vernichtung desselben.
Die die Larve dieses Käfers hervorbringenden Eier – denn die Larve ist es,
welche der Cochenille so schädlich ist – befinden sich in der Regel am Fuße
der Staude. – Noch ein Insect gibt es, welches ich übrigens nur in Afrika
beobachtete und gegen das man sich ganz besonders schüzen muß; dieses ist der
sogenannte Ohrwurm; derselbe dringt in die kleinen Körbchen (Büchschen), in welche
man die zur Bevölkerung der Pflanzen bestimmten Cochenille-Weibchen brachte,
und verzehrt sie. Um dieß zu verhindern, versperrt man die Oeffnung der Büchschen,
nachdem die Thierchen hineingebracht sind, mit etwas Musselin. – Die gute
Erhaltung einer Nopalpflanzung hängt sonach von der Wachsamkeit eines geübten Auges
ab.