Titel: | Ueber die Art, wie sich die Baumwolle mit Farbstoffen vereinigt (Theorie der Färbekunst); von Walter Crum. |
Fundstelle: | Band 92, Jahrgang 1844, Nr. XXXVII., S. 130 |
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XXXVII.
Ueber die Art, wie sich die Baumwolle mit
Farbstoffen vereinigt (Theorie der Faͤrbekunst); von Walter Crum.Der Verfasser ist einer der bedeutendsten Kattundruk-Fabrikanten
Schottlands und als wissenschaftlicher Chemiker durch seine Untersuchungen über
den Indigo bekannt. A. d. R.
Aus dem Philosophical Magazine. April 1844, S.
241.
Crum, über die Art, wie sich die Baumwolle mit Farbstoffen
vereinigt.
Die Eigenschaft poröser Körper, Verbindungen und Zersezungen, unabhängig von
chemischer Verwandtschaft, zu bewirken, hat in den lezten Jahren viele
Aufmerksamkeit erregt.
Untersuchen wir, sagt Prof. Mitscherlich, ein Stük
Buchsbaumholz mit dem Mikroskop, so finden wir, daß es aus Zellen von beiläufig
1/2400 Zoll Durchmesser besteht. Sezt man es der Rothglühhize aus, so verändert sich
die Form dieser Zellen keineswegs, denn die Theilchen, woraus sie bestehen, können
nicht zusammenschmelzen. Läßt man einen Kubikzoll Buchsbaumholz-Kohle einige
Zeit in kochendem Wasser, so absorbirt sie fünf Achtel ihres Volums von dieser
Flüssigkeit; daraus und aus anderen Daten wurde berechnet, daß die Oberfläche ihrer
Poren 73 Quadratfuß beträgt.
Saussure fand daß ein Kubikzoll
Buchsbaumholz-Kohle 35 Kubikzolle Kohlensäure absorbirt; da nun der feste
Theil dieser Kohle drei Achtel ihres Volums bildet, so müssen diese 35 Zoll Gas
unter dem gewöhnlichen Luftdruk auf fünf Achtel eines Zolles verdichtet worden seyn,
oder 56 Kubikzolle auf einen. Die Kohlensäure wird aber unter einem Druk von 36,7
Atmosphären flüssig und daher mußte durch eine 56 Atmosphären entsprechende
Verdichtungskraft, welche die Holzkohle bei Saussure's
Versuch ausübte, wenigstens ein Drittel des Gases innerhalb ihrer Poren den
flüssigen Zustand angenommen haben.
Jeder andere poröse Körper hat dieselbe Eigenschaft wie Holzkohle. Rohseide, das
getroknete Holz der Haselstaude und des Maulbeerbaums, verdichten zwar nur eine
geringe Menge Kohlensäure, nehmen aber ihr 70–100faches Volum Ammoniakgas auf
und der Hydrophan, welcher fast reine (amorphe) Kieselerde ist, absorbirt davon sein
64faches Volum. Die Gase gehen mit dem festen Körper, welcher sie absorbirt, keine
Verbindung ein, denn die Vereinigung wird unter der Luftpumpe aufgehoben.
Die Gase werden von der Oberfläche fester Körper auf ähnliche Weise angezogen, wie
diese auch auf in Wasser gelöste Substanzen wirken. So wird die Knochenkohle längst
angewandt, um braunen Auflösungen von Weinsteinsäure, dem Zukersyrup und einer Menge
anderer Flüssigkeiten ihren Farbstoff zu entziehen; der so angezogene Farbstoff
bleibt auf der Oberfläche der Kohle haftend, ohne darauf irgend eine Veränderung
hervorzubringen. In der Knochenkohle ist der Kohlenstoff mit seinem zehnfachen
Gewicht phosphorsaurem Kalk gemengt und wenn man lezteren durch eine Säure auszieht,
hat die zurükbleibende Kohle fast die doppelte Entfärbungskraft eines gleichen
Gewichts Elfenbeinschwarz. Bussy, welcher über die
Wirkung dieser Kohlenarten viele Versuche anstellte, sagt, daß wenn
Elfenbeinschwarz, nachdem man seine Knochenerde durch eine Säure ausgezogen hat, mit
Aezkali calcinirt und lezteres nachher ausgewaschen wird; oder wenn Blut als solches
mit kohlensaurem Kali calcinirt und ausgewaschen wird, die zurükbleibende Kohle
zwanzigmal so viel Syrup zu entfärben vermag, als die ursprüngliche Knochenkohle.
Thierische Kohle zieht auch den Kalk aus Kalkwasser, Jod aus einer Auflösung von
Jodkalium und Metalloxyde aus ihren Auflösungen in Aezammoniak und Aezkali an.
Man hat bis jezt noch keine genügende Erklärung dieser merkwürdigen Thatsachen. Mitscherlich nennt die Kraft, welche sie hervorbringt,
Contact-Wirkung und berechnet, wie wir gesehen haben, die Ausdehnung der
Oberfläche im Verhältniß zur Masse als das Maaß der Kraft, welche sie ausübt.
Andererseits bemerkt Saussure
in seiner schäzbaren
Abhandlung über die Absorption von Gasen, daß Kohle von Buchsbaumholz im festen
Zustande zweimal so viel atmosphärische Luft absorbirt, als wenn sie in Pulver
verwandelt ist. Nun wird aber durch das Pulverisiren die Ausdehnung der Oberflächen
sicher nicht vermindert. Saussure hat eine Erklärung
dieser Wirkungen aufgestellt, welche wenigstens auf viele Thatsachen paßt; die
Verdichtung von Gasen in der festen Holzkohle erfolgt nach seiner Ansicht in den
engen Zellen, woraus sie besteht und ist dem Aufsteigen von Flüssigkeiten in
Haarröhrchen analog. In beiden Fällen, sagt er, scheint die Kraft sich umgekehrt zu
verhalten wie die Größe der inneren Durchmesser der Poren oder Röhren der
absorbirenden Körper. Pulverisiren wir einen Körper, welcher solche Zellen enthält,
so erweitern, öffnen und zerstören wir sie. Kohle von Föhrenholz, deren Zellen weit
sind, absorbirt 4 1/2 mal ihr Volum atmosphärische Luft und Kohle von Buchsbaumholz
mit kleineren Poren das 7 1/2 fache. Kohle von Kork, deren specifisches Gewicht nur
0,1 beträgt, absorbirt davon ganz wenig.
Es scheint mir daß viele Färbeoperationen auf diesem Einfluß der Oberfläche oder der
Haarröhrchen-Wirkung beruhen.
Nach der mikroskopischen Untersuchung von Thomson und Bauer
Polytechnisches Journal Bd. LVI S.
154 und Bd. LVIII S.
157. bestehen die Baumwollfasern aus durchscheinenden glasartigen Röhren, welche
im unreifen Zustande cylindrisch sind, im reifen dagegen in der Mitte einsinken, so
daß sie an beiden Seiten eine Halbröhre oder ein Band mit erweiterten Rändern
bilden.
Beim Färben und Druken der Kattune wird die mineralische Basis der Farbe sehr häufig
als essigsaures Salz angewandt, also in einer flüchtigen Säure aufgelöst. Diese
Auflösung läßt man auf dem Zeug eintroknen und in kurzer Zeit ist das Salz zersezt,
gerade so wie unter ähnlichen Umständen ohne Dazwischenkunft von Baumwolle. Während
der Zersezung dieses Salzes entweicht seine Säure und das Metalloxyd haftet auf der
Faser so fest, daß es der Wirkung des Wassers sehr gut widersteht. Dieß ist bei der
essigsauren Thonerde und ebenso bei essigsaurem Eisen der Fall. Die Wirkung kann
hier auf Seite der Baumwolle nur eine mechanische seyn und die Adhärenz ist, wie ich
zu zeigen suchen werde, auf das Innere der Röhren beschränkt, woraus die Baumwolle
besteht. Das Metalloxyd durchdringt diese Röhren im aufgelösten Zustand und nur
dadurch, daß sein Salz in denselben zersezt, das Oxyd niedergeschlagen und in ein
unauflösliches Pulver verwandelt wird, kann es nicht mehr aus dem feinen Filter
herausdringen, in welchem es nun eingeschlossen ist.
Wenn der Baumwollzeug (welcher nach dieser Ansicht aus Säken besteht, die inwendig
mit einem Metalloxyd überzogen sind) hernach mit Krapp oder Blauholz gefärbt und
dadurch roth oder schwarz wird, so ist die Wirkung rein eine chemische Anziehung
zwischen dem Metalloxyd im Zeug und dem Pigment in der Färbeflotte. Das Aussieden
und Reinigen des mit den verschiedenen Mordants bedrukten Kattuns vor dem Färben in
Krapp hat zum Zwek, diejenigen Antheile des Metalloxyds zu entfernen, welche auf der
Außenseite der Fasern zurükblieben oder sich zwischen dieselben eingelegt und durch
das angewandte Verdikungsmittel mehr oder weniger befestigt haben.
Die von mir aufgestellte Ansicht nähert sich der von Macquer,
Hellot und Le Pileur d'Apligny vor Bergmann's Zeit angenommenen Theorie der Färbekunst. d'Apligny, obgleich er mit dem mikroskopischen Aussehen
der Baumwolle unbekannt war, folgerte, daß die Baumwollfasern innen hohl seyn
müssen, aus dem Umstand, daß keine Pflanze einen Saft aufnehmen kann, ohne geeignete
Gefäße für dessen Circulation; und von der Wolle sagt er, daß die Seiten der Röhren
durch ihre ganze Länge Siebe seyn müssen, mit einer unendlichen Zahl seitlicher
Poren. Nach seinen Ansichten besteht das Färben darin, daß eine in den Poren der
Wolle enthaltene markige Substanz daraus entfernt und hernach Theilchen eines
fremden Farbstoffs in ihnen abgelagert werden. Bergmann
endlich verwarf in seiner Abhandlung über den Indigo im Jahr 1776 alles dieses und
schrieb der Baumwolle eine Wahlverwandtschaft zu, wodurch die Färbekunst auf rein
chemische Grundsäze zurükgeführt wurde. Macquer nahm bald
die chemische Theorie an, welche besonders von Berthollet
kühn vertheidigt wurde. Meines Wissens sind alle Chemiker, welche seitdem über den
Gegenstand schrieben, Berthollet's Ansichten gefolgt,
obgleich für dieselben alle Beweise fehlen. Bedenkt man nur, daß die chemische
Anziehung nothwendig eine Verbindung von Atom mit Atom und folglich die
Desorganisation aller vegetabilischen Structur bedingt; daß hingegen die Baumwolle
ohne Verlezung ihrer Faser gefärbt werden kann und daß diese Faser unversehrt
zurükbleibt, wenn ihr durch chemische Mittel ihre Farbe wieder entzogen wird, so
kommt man zur Ueberzeugung, daß die Vereinigung der Baumwolle mit ihrem Farbstoff
anders als durch chemische Verwandtschaft erklärt werden muß. In besonderen Fällen
findet, wie wir später sehen werden, ohne Zweifel eine Anziehung statt; diese hängt
aber mit der Structur zusammen und ist daher mehr eine mechanische als eine
chemische.
Untersuchen wir mit einem kräftigen Mikroskop eine Baumwollfaser, welche entweder mit
Indigo, oder mit Eisenoxyd, chromsaurem Blei oder wie gewöhnlich krapproth gefärbt
ist, so erscheint die Farbe so gleichförmig über die ganze Faser verbreitet, daß wir
nicht entscheiden können, ob die Seiten der Röhre durchaus gefärbt sind, oder ob der
Farbstoff nur ihre innere Oberfläche überzieht. Dagegen zeigt das Mikroskop, daß das
Zusammengefallene, welches man bei roher und gebleichter Baumwolle beobachtet, bei
der gefärbten beträchtlich vermindert ist.
Die größere Anzahl der Proben von türkischrother Baumwolle, welche ich untersuchte,
zeigte dieselbe Gleichförmigkeit der Farbe; nicht selten aber bemerkt man kleine
längliche Ballen längs der Innenseite der Röhre, während die Röhre selbst farblos
ist. Diese rundlichen Massen kommen bei starkem Gewebe vor, welches im Stük gefärbt
ist; mehrere meiner Freunde, welche in mikroskopischen Untersuchungen geübt sind,
haben diese Beobachtung bestätigt; übrigens hoffe ich sie bald mit einem
vollkommeneren Instrument wieder aufnehmen zu können.
Als eine bedeutende Stüze meiner Ansicht betrachte ich das analoge Vorkommen des
Farbstoffs in den Pflanzen. „Das Zellengewebe, sagt Dr. Lindley (in seiner Einleitung zur
Botanik) besteht in der Regel aus Bläschen von verschiedenen Formen, welche in
Massen zusammenhängen. Es ist durchscheinend und in den meisten Fällen farblos;
erscheint es aber gefärbt, so ist eine in ihm eingeschlossene Materie die
Ursache seiner Farbe....“
„Die Bläschen des Zellengewebes haben, soweit wir sehen können, durchaus
keine Löcher oder Oeffnungen, da sie aber Flüssigkeiten rasch filtriren können,
so müssen sie natürlich eine Menge unsichtbarer Poren haben....“
„Die glänzenden Farben der Pflanzen, das Weiß, Blau, Gelb, Scharlach etc.
der Blumenkrone und das Grün der Rinde und Blätter, rühren nicht von irgend
einem Unterschied in der Farbe der Zellen her, sondern von den
verschiedenartigen Farbstoffen, welche sie enthalten. Der seidenartige Glanz
vieler reich gefärbten Blumen beruht gerade auf der Farblosigkeit des
Zellengewebes. So sind die Blumen des Thysanotus
fascicularis dunkelviolett mit einem merkwürdigen Seidenglanz, was
daher rührt, daß jede besondere Zelle einen einzelnen Tropfen gefärbter
Flüssigkeit enthält, welche durch die weiß scheinende Haut des Zellengewebes
funkelt und so den flatternden Glanz hervorbringt.“ Die Baumwolle ist
selbst ein Zellengewebe und die holzige Basis aller Formen dieser Gefäße hat
dieselbe chemische Zusammensezung.
Ich habe oben auf eine Classe von Färbeprocessen angespielt, wobei die Wirkung
wirklich durch chemische Verwandtschaft hervorgebracht zu werden scheint; ich meine
damit die Fälle, wo reine Baumwolle durch bloßes Eintauchen in verschiedenen
Auflösungen denselben verschiedene Substanzen entzieht. Die Indigoküpe ist eine
bräunlichgelbe Auflösung des mit Kalk verbundenen desoxydirten Indigo's, welche
selten über 1/500 ihres Gewichts Farbstoff enthält. Beim bloßen Eintauchen von
Baumwollzeug in diese Flüssigkeit hängt sich der Indigo im gelben Zustande an ihn an
und zwar so ziemlich in desto größerer Menge, je länger der Zeug eingetaucht bleibt;
man braucht ihn dann bloß der Luft auszusezen, um ihn blau zu machen. Hier übt also
eine indifferente (inactive) schwammige Substanz eine
Kraft aus, welche die chemische Verwandtschaft überwältigt, aber die resultirende
Mischung von Baumwolle und Indigo besizt durchaus nicht die Eigenschaften einer
chemischen Verbindung. Wir vermögen in dieser Wirkung nur dieselbe Kraft zu
erkennen, welche die thierische Kohle in Stand sezt, ähnliche Flüssigkeiten zu
entfärben. Die Holzkohle zieht, wie wir gesehen haben, Metalloxyde aus ihrer
Auflösung in Alkalien an. Die Baumwolle besizt dasselbe Vermögen; versezt man z.B.
Bleizuker, welcher in vielem Wasser aufgelöst ist, mit Kalk in Ueberschuß, so löst
sich das anfangs niedergeschlagene Bleioxyd im Kalkwasser auf, es bildet eine
schwache Auflösung von bleisaurem Kalk; taucht man in leztere die Baumwolle, so
eignet sie sich das Bleioxyd an und wenn man sie dann auswascht und durch eine
Auflösung von saurem chromsaurem Kali nimmt, so bildet sich chromsaures Blei.
Dieselbe Kraft sezt auch die Baumwolle in Stand, basische Salze von Eisen und Zinn
einzusaugen, wenn man sie in gewisse Auflösungen dieser Metalle taucht, und die
Färbekunst liefert überhaupt viele Beispiele, wo durch die katalytische Kraft der
Baumwolle schwache Verbindungen zersezt werden.
Durch die Güte des Professors Balfour, welcher die Fasern
verschiedener Baumwollsorten mit großer Sorgfalt gemessen hat, bin ich in Stand
gesezt folgende Daten mitzutheilen, welche einen Vergleich der Baumwolle mit der
Holzkohle bezüglich ihrer Flächenwirkung gestatten. Die Faser der
New-Orleans-Baumwolle variirt gewöhnlich von 1/1500 bis 1/2000 eines
Zolls im Durchmesser. Beiläufig vierzig dieser Fasern oder Röhren bilden einen Faden
von Garn Nr. 38 (achtunddreißig Strähne auf das Pfund). Bei gewöhnlichem Kattun, wie
er (in England) zum Druken verwendet wird, beträgt im gebleichten Zustand die ganze
Länge der Faser 493 Fuß, was 10,6 Quadratzoll äußere Fasernoberfläche in einem
Quadratzoll beträgt, welcher beinahe einen Gran wiegt. Man kann leicht 210 Lagen
solchen Zeuges zur Dike eines Zolls zusammenpressen, wo dann sein spec. Gewicht 0,8
beträgt. In einem Kubikzoll beträgt die ganze Länge der Röhre 94,16 Fuß und ihre
äußere Oberfläche 16,8 Fuß; oder wenn wir die innere Oberfläche hinzurechnen,
erhalten wir 30 Quadratfuß Faseroberfläche in einem Kubikzoll zusammengepreßten
Kattuns. Die Kohle von Buchsbaumholz hat, wie wir gesehen haben, 73 Quadratfuß
Oberfläche auf den Zoll, bei 0,6 spec. Gewicht.