Titel: | Ueber Schützenbach's neueste Verbesserung in der Zukerfabrication; von Dumas. |
Fundstelle: | Band 92, Jahrgang 1844, Nr. LXXV., S. 291 |
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LXXV.
Ueber Schuͤtzenbach's neueste Verbesserung in
der Zukerfabrication; von Dumas.
Aus den Comptes rendus, April 1844, Nr.
15.
Dumas, über Zukerfabrication.
Seit einiger Zeit spricht man viel von einer neuen Verbesserung des Hrn. Schützenbach in der Rübenzuker-Fabrication, welche
in einigen Siedereien des Nord-Departements bereits eingeführt wurde. Um mich
von ihrem Erfolge zu überzeugen, begab ich mich nach Valenciennes, wo ich bei den
HHrn. Harpignies, Blanquet und Comp., die, wo es solche
Verbesserungen gilt, sich immer in den ersten Reihen finden lassen, das Schützenbach'sche Verfahren in großem Maaßstabe ausführen
sah.
Durch die daselbst erhaltenen genauen Aufschlüsse und überdieß eine vollständige Beschreibung
des neuen Verfahrens, welche mir Hr. Schützenbach
anvertraute, vermochte ich mir eine Meinung über den Werth desselben zu bilden,
welche ich hiemit der Akademie vorlege.
Es gelang nämlich Hrn. Schützenbach in Folge seiner sehr
genauen Beobachtungen über die Ursachen der Veränderungen, welche die Lösungen des
Zukers in Wasser erleiden, ein sehr einfaches Verfahren zu entdeken, welches allen
in einer Lösung enthaltenen krystallisirbaren Zuker, bis auf etwa ein Procent, in
Krystallform daraus wieder zu gewinnen gestattet.
Nachdem der Zuker in Krystallen gewonnen ist, braucht man, um ihn zu entfärben, nur
das systematische Auswaschen desselben mit kalt bereiteten Zukerlösungen mittelst
der von Hrn. Schützenbach erfundenen Vorrichtungen
vorzunehmen; diese Auswaschungen gehen sehr leicht von statten, und weit entfernt
abzunehmen, nimmt das Gewicht des ausgewaschenen Zukers dabei bedeutend zu.
Endlich wandelt Hr. Schützenbach sämmtlichen so
gereinigten Zuker durch nun sehr leicht ausführbare Lösung und Krystallisation in
Königszuker (feinsten Hutzuker) um.
Auf diese Weise gewinnt derselbe aus der bonne
quatriéme genannten Sorte Rohzuker 80, manchmal sogar 90 Proc.
Königszuker (feinsten Hutzuker). Die Mitglieder der von dem Hrn. Handelsminister vor
einigen Jahren zur Fixirung der Ausbeute beim Zukerraffiniren ernannten Commission,
vorzüglich aber Hr. Thenard, hatten also vollkommen
Recht, wenn sie, gegen die Behauptung unserer Raffineurs, darauf bestanden daß, wenn
gut gearbeitet würde, aus 100 Kilogr. Rohzuker wenigstens 75 Kilogr. raffinirter
Zuker gewonnen werden müßten.
Dieses Raffinirverfahren wird schon in ziemlich vielen Raffinerien angewandt.
Andererseits hat Hr. Schützenbach gefunden, daß der einmal
auf 30° Baumé gebrachte Runkelrübensaft nach seinem Verfahren im
Großen genau so viel krystallisirbaren Zuker liefert, als man durch die
sorgfältigste chemische Analyse daraus zieht.
Das neue Verfahren wurde während der lezten Campagne in großem Maaßstabe angewandt in
der Fabrik zu Tirlemont in Belgien, und in Ermangelung der erforderlichen Apparate
mit Modificationen in den Siedereien der HHrn. Harpignies,
Blanquetu. Comp., Harpignies, Delaunay u. Comp.,
Leroi, Hamoir etc. Der Erfolg war überall um so
vollkommener, je mehr man sich dem Schützenbach'schen
Verfahren nähern konnte. In Tirlemont z.B., wo man 10 Millionen Pfd. Runkelrüben in
Arbeit nahm, wurden ungefähr 5,5 Königszuker aus 100 Runkelrüben gewonnen. Man gibt zu daß, nach den
in diesem Jahre nicht sehr günstigen Umständen, sonst nicht mehr Rohzuker gewonnen
worden wäre; dabei sind die Fabricationskosten dieselben geblieben wie früher.
– Bei Hrn. Blanquet wurden dieses Jahr 30,000
Hüte, wie ich einen hier niederlegte, von sogenanntem Stampfzuker fabricirt, weil es
die Zeit nicht erlaubte, das nöthige Material in Formen von glasirtem Blech (tôle vernie) herzurichten.
Die Principien, auf welche Hr. Schützenbach sein neues
Verfahren gründete, bewähren sich demnach als vollkommen praktisch, während man
hätte befürchten können, daß dieser Gedanke noch lange Zeit bloß in dem Bereiche der
reinen Theorie heimisch bleiben möchte; denn es gehen gegenwärtig aus den nach
diesem Verfahren arbeitenden Fabriken nur zweierlei Producte hervor, nämlich:
vollkommen weißer Hutzuker und eine Melasse, welche so erschöpft ist, daß sie zu
nichts mehr taugt als zum Branntweinbrennen. Alle Zwischensorten sind verschwunden
und doch hat die Ausbeute, weit entfernt darunter zu leiden, sich bedeutend
erhöht.
Diese Resultate sind keineswegs durch das frühere Verfahren Schützenbachs die Runkelrüben auszutroknen, bedungen. Bei seinen
vieljährigen Beobachtungen fand derselbe, daß diese Austroknung nur bei Runkelrüben
aus sandigem, wenig fruchtbarem Boden mit gutem Erfolg anwendbar ist, welcher Boden
eine viel geringere Ernte gibt, als das reiche Erdreich z.B. des Norddepartements,
das hingegen eine Wurzel liefert, deren Saft so zu sagen nur ein leicht zu
verarbeitendes Zukerwasser ist. Solche ausgetroknete Runkelrüben lassen sich ohne zu
verderben aufbewahren.
Anders verhält es sich aber mit den Runkelrüben, welche in jenen Theilen Frankreichs
geerntet werden, die sich mit diesem Industriezweig vorzüglich beschäftigen.
Uebrigens gab mir Hr. Schützenbach alle Aufschlüsse
hinsichtlich des Austroknungsverfahrens, welches in vielen Fabriken des nördlichen
Europa's seit mehreren Jahren unausgesezt im Gange ist und in diesem Jahr z.B. in
einer einzigen ungarischen Fabrik bei 30 Millionen Pfd. Runkelrüben angewandt wurde,
in welcher Fabrik außerdem noch 30 Millionen Pfd. frische Runkelrüben nach dem
gewöhnlichen Verfahren behandelt wurden.
Durch das Schützenbach'sche Verfahren sind wir also in
Stand gesezt, allen in dem auf 30° Baumé gebrachten Runkelrübensaft
noch enthaltenen Zuker ohne irgend einen Verlust zu gewinnen. Wenn man also nur
5–6 Proc. Zuker aus Runkelrüben gewinnt, welche wirklich 8–10 Proc.
davon enthalten, so muß durch die vorausgegangenen Operationen der nicht wieder gewonnene
Zukerantheil zerstört oder verändert worden seyn.
Die Aufmerksamkeit der Chemiker hat sich demnach gänzlich auf die Veränderungen
hinzuwenden, welche der Saft beim Zerreiben und Troknen der Runkelrüben erleidet, so
wie auf die Mittel, der Thierkohle alle ihre Eigenschaften zu bewahren oder deren
Anwendung entbehrlich zu machen, indem sie durch die Unreinigkeiten welche sie in
sich aufnimmt, große Uebelstände herbeiführen muß.
Durch einige leicht mögliche Verbesserungen in diesem Theile der Arbeit wird die
Fabrication des Runkelrübenzukers sich auf den Rang eines der vollkommensten
chemischen Industriezweige schwingen; denn der ganze von Hrn. Schützenbach neu umgestaltete Theil der Arbeit ist ein Muster einer
sichern Anwendung der Wissenschaft auf die Praxis.
Es geht aus diesen neuen Thatsachen hervor, daß unsere Gesezgebung in Betreff des
Zukers große Lüken darbietet; denn nach der Grundlage für die Schäzung des Zukers
behufs des Steuererhebung sieht man sich leider in einer der vorzüglichsten Fabriken
des Nord-Departements, wo schöner weißer Zuker nach Schützenbach's Verfahren bereitet wird, gezwungen ihn wieder zu
zerstampfen und ihm 10 Proc. Melasse zuzusezen, um ihn auf den Typus der Sorte bonne quatrième zurükzubringen. Wenn man sich
dieses Kunstgriffs nicht bediente, so würde man durch die dem Fiscus entrichtete
höhere Steuer in Verlust kommen.