Titel: | Convergirende Achsen für Locomotiven und Waggons; von Sermet de Tournefort. |
Fundstelle: | Band 93, Jahrgang 1844, Nr. LXXXIV., S. 322 |
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LXXXIV.
Convergirende Achsen fuͤr Locomotiven und
Waggons; von Sermet de
Tournefort.
Aus dem Technologiste, Jul. 1844, S.
471.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Tournefort's convergirende Achsen für Locomotiven und
Waggons.
Es ist erwiesen, daß die Wagen auf gerader Eisenbahnstreke parallele Achsen besizen
und auf gleichen Radperipherien rollen, in Curven aber convergirende Achsen besizen
und auf ungleichen Radperipherien rollen sollten.
Diese Bedingungen liegen der von mir erfundenen Construction zu Grunde. Ihre
Haupttheile sind drei Achsen A, A', A''
Fig. 25 und
26, wovon
die mittlere A', oder die Treibachse direct mit dem
Rahmen verbunden ist. Die Treibachse ist wie bei gewöhnlichen Locomotiven
eingerichtet, die beiden andern Achsen A und A'' aber sind, anstatt direct an den Rahmen befestigt zu
seyn, in einem Theile Fig. 25, 26 und 27, den ich Achsenträger
nennen will, gelagert. Dieser Achsenträger selbst ist mit dem Nahmen an drei Stellen
D, E und F, Fig. 27,
verbunden und zwar bei D mittelst eines Schlußnagels und
bei E und F mittelst Nuthen,
in denen derselbe gleiten kann; Fig. 28 stellt die Nuthe
in der Seitenansicht, Fig. 29 im Grundrisse
dar.
Aus dem Vorhergehenden erhellt, daß die Achsen notwendiger Weise allen Bewegungen des
Achsenträgers folgen müssen; sie werden beweglich seyn, wenn er beweglich ist und
fest, wenn er fest ist. Durch den Achsenträger wird die Achse in dem geeigneten
Grade rechts oder links gewendet, damit sich die Räder genau nach der Biegung der
Schiene in den Curven stellen. Bei einem Wagen mit zwei Räderpaaren würde es
genügen, diesen Wendungspunkt in die Richtung der Achse zu legen, weil jede Curve
durch die beiden Berührungspunkte der Räder gehen müßte. Bei einem sechsräderigen
Wagen dagegen muß eine Verrükung der Achse von der Convergenz unabhängig seyn, damit
die Räder der Curve, welche sie zu durchlaufen haben, sich gehörig anschmiegen
können.
Unserer Construction zufolge lassen sich die Räderpaare eben so genau auf gerader
Streke als in Krümmungen adjustiren. Da es inzwischen nicht genügt ihnen diese
Eigenschaft zu ertheilen, und da diese Beweglichkeit der Räderpaare keine Garantie
gegen das Austreten aus
den Schienen gewähren dürfte, so gebe ich denselben mit Hülfe eines Riegels H, Fig. 25, 26 und 30, eine sichere Lage.
Dieser Riegel wird durch den Theil I gegen das Querstük
des Rahmens geschoben; er enthält zwei Arme, von denen der kürzere L in eine Oeffnung tritt, die sich in der Querstange M, Fig. 25 und 26, befindet,
unter welcher der Achsenträger hinweggeht. Wird dieser Arm in die mittlere der
Oeffnungen N eingefügt, so sind die Achsen parallel;
befindet er sich dagegen in einer der Oeffnungen zur Rechten oder zur Linken, so
convergiren die Achsen. Der zweite Arm O des Riegels H ist mit einer Rolle P
versehen. Diese Rolle ist dazu bestimmt, auf einer Leitschiene Q, Fig. 25, zu rollen, die
in der geeigneten Höhe angebracht ist und den Zwek hat, den Riegel um eben so viel
aufzuheben, als der andere Arm in den Achsenträger eingefügt ist. Diese Schiene
nimmt an der Stelle, wo die gerade Bahn in die Curve übergeht, eine Länge gleich dem
Dreifachen der Locomotive ein. Wenn nun auf diese Weise der Riegel in die Höhe
gehoben ist, so nehmen die von der Schiene frei gewordenen Räder die ihnen
zukommende Stellung an. Gleich bei seinem Hervortreten wird der Riegel mit Hülfe
einer Feder R, Fig. 31, geschlossen, und
alles befindet sich in einer festen dem Alignement angemessenen Lage. Die
Leitschiene geht an ihrem Anfang und an ihrem Ende in eine geneigte Ebene aus.
Wenn es sich bei der Ausführung zeigen sollte, daß das System im Augenblik der
Veränderung der Räderstellung nicht genau genug functionirt, so bietet die Mechanik
eine Menge Sicherheitsmittel während der Durchlaufung dieser kurzen Streke von
wenigen Metern dar.
Die Vortheile der von mir in Vorschlag gebrachten Anordnung scheinen mir folgende zu
seyn:
1) Erweiterung der Bahn, indem die Räder außerhalb des Rahmens liegen;
2) Unabhängigkeit der Räderpaare von einander, was eine Garantie für die Stabilität
auf den Schienen ist;
3) Tieferlegung des Schwerpunktes, weil man nicht nöthig hat, den Wagenkörper über
den Rädern anzuordnen;
4) Reduction des Halbmessers der Curven auf 100 Meter oder sogar noch weniger, ohne
Erhöhung der Reibung der Wagen;
5) Herstellung sechsräderiger Waggons;
6) Vermehrung der Durchmesser der Räder, was die Achsen weniger angreifen würde.