Titel: | Lipscombe's patentirter Apparat zur Verminderung der Vibration und des Gerassels der Eisenbahnräder. |
Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. XVI., S. 81 |
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XVI.
Lipscombe's patentirter Apparat zur
Verminderung der Vibration und des Gerassels der Eisenbahnräder.
Aus dem Mechanics' Magazine. Jul. 1844, S.
57.
Mit einer Abbildung auf Tab. II.
Lipscombe's Apparat zur Verminderung der Vibration und des
Gerassels der Eisenbahnräder.
Es ist bekannt, daß Eisenbahnräder und Achsen hauptsächlich in Folge der heftigen
Schwingung, welcher sie unterliegen, so bald ihre Stärke einbüßen. Wenn man den
Lagerhals einer alten Eisenbahnachse den Schlägen eines Schmiedehammers aussezt, so
bricht derselbe öfters mit einem einzigen Schlage entzwei, wobei er an der
Bruchstelle ein schwaches brüchiges Aussehen darbietet, wogegen der Lagerhals einer
neuen Achse mehrere hundert Schläge aushält, ehe er bricht, und an der Bruchstelle
ein durchaus faseriges Gefüge zeigt.
Da bei einem in Bewegung befindlichen Rade der Druk des Gewichts stets von einer
Stelle des Radkranzes nach der andern übergeht, so werden bei jeder Umdrehung die
Theilchen, woraus das Rad besteht, der Reihe nach eingebogen. Die Folge hievon ist,
daß die abgebogenen Theilchen, sobald der Druk des Gewichts nachläßt, zu schwingen
anfangen, und die Schwingungen fortsezen, bis das Rad still steht; und hieraus
ergibt sich als Folge, daß entweder die Speichen loker werden und dadurch das Rad
unbrauchbar machen, oder daß die mit einander verkeilten und in einander gefügten
Theile des Rades durch diese schwingende Bewegung so loker und spröde werden, daß
sie innerhalb weniger Jahre das Rad unsicher, mithin unbrauchbar machen, wenn auch
die Quantität des Metalls an dem Rade dieselbe geblieben ist.
Dieselben Bemerkungen sind auch auf Eisenbahnachsen anwendbar. Die bei einem Rade
stattfindende Vibration wird von den vibrirenden Theilchen der Achse mitgetheilt.
Daß dieser Umstand auf Räder und Achsen außerordentlich nachtheilig einwirkt,
bestätigt sich zur Genüge durch die bedeutende Abnahme ihrer Stärke und den aus
dieser Ursache sich ergebenden pecuniären Verlust aller Eisenbahncompagnien, so wie
auch durch die Achsenbrüche.
Durch eine Reihe von Versuchen hat Hr. Lipscombe die
Thatsache constatirt, daß jeder metallische Körper einfach dadurch zu schwingen oder
zu vibriren gehindert werden kann, daß man eine Quantität Sägemehl mit demselben in
Contact preßt, so daß die durch ein Gewicht aus ihrer Lage gebogenen Theilchen nach Beseitigung des Gewichts
ihre Elasticität dazu verwenden, das Sägemehl zurükzudrängen, während sie in ihre
ursprüngliche Lage zurükgehen.
Es wurde ein derartiger Apparat construirt und versuchsweise an den Rädern eines
Ballastwagens angebracht. Das Resultat des Versuchs fiel über alle Erwartung günstig
aus; denn der Apparat beseitigte die Vibrationen vollständig, nicht nur an den
Rädern, sondern auch an den Achsen. Das Geräusch der Räder zeigte sich sehr
unbedeutend und zwar hauptsächlich nur beim Wegrollen über lokere oder eingesunkene
Fugen.
Der Patentträger erhielt nach diesen Versuchen auf die Empfehlung des Hrn. Robert Stephenson hin von den Directoren der
London-Birmingham Eisenbahn die Erlaubniß, seinen Apparat an einem Wagen
erster Classe anzubringen. Ehe man die Räder unter den Wagen brachte, wurde ein
paar, an dem der Apparat angebracht war, an einem Seil in die Höhe gehoben, und an
verschiedenen Stellen der Achse und der Räder angeschlagen, ohne daß die geringste
Erzitterung entdekt werden konnte. Als hierauf ein anderes Räderpaar ohne Apparat
auf ähnliche Weise aufgehißt und angeschlagen wurde, gab dasselbe einen lauten und
lange nachhallenden Glokenton von sich. Der Wagen ist ungefähr seit neun Wochen
täglich in Betrieb und das Publicum bedient sich desselben wegen seiner
eigenthümlich sanften und verhältnißmäßig geräuschlosen Bewegung vorzugsweise
gern.
Dieser Apparat ist sehr einfach und besteht aus zwei zu beiden Seiten des Rades
angebrachten Zinkscheiben, welche den Zwek haben, das Sägemehl mit einem Theil des
Felgenkranzes und der Speichen in Berührung zu erhalten. An jede Scheibe sind zwei
hölzerne Ringe von ungleichen Durchmessern befestigt; der äußere Durchmesser des
kleineren und der innere Durchmesser des größeren Ringes sind in Fig. 39 durch punktirte
Kreise angedeutet; sie liegen mit den Kanten der Zinkscheiben in einer Flucht. Die
Ringe, deren summirte Diken der Breite des Felgenkranzes gleich sind, werden an
einander geschraubt; zur Aufnahme der Speichen besizen sie entsprechende
Vertiefungen. Die Enden der Speichen läßt man an der Nabe und am Felgenkranze frei,
um etwaige Schadhaftigkeiten an diesen Stellen bemerken zu können.
Der Apparat kann von dem Rad abgenommen werden, indem man einfach die Schrauben,
welche die correspondirenden Ringe zusammenhalten, losschraubt, und ist mit geringen
Modificationen bei allen
metallenen Rädern anwendbar. Die Kosten desselben belaufen sich auf 1 Pfd. St. per Rad.
Räder aus einer Verbindung von Holz und Eisen sind zwar auf einigen Eisenbahnen, um
den Lärmen und die Vibrationen zu vermindern, in Anwendung gekommen; allein der Zwek
derselben wurde nur auf eine sehr unvollkommene Weise erreicht. Ueberdieß überwiegen
die mit solchen Rädern verbundenen Nachtheile und Gefahren den Vortheil der geringen
durch sie bewirkten Verminderung der Vibration und des Geräusches. Es ist daher
außer allem Zweifel, daß ein gegen Erzitterungen gesichertes eisernes Rad das
sicherste, dauerhafteste und wohlfeilste, und daß seine Bewegung geräuschloser und
sanfter ist, als die einer jeden andern Radgattung.
Die Vortheile eiserner mit dem in Rede stehenden Apparate versehener Räder sind für
Passagiere und Eisenbahngesellschaften folgende:
Für Passagiere: 1) wenig Lärm, insbesondere beim Fahren
über Brüken, Viaducte und durch Tunnels;
2) Beseitigung der unangenehmen Empfindung, welche die von den Rädern auf den
Wagenkörper übertragenen Erzitterungen hervorrufen. Bei den Wagen erster Classe wird
dieser Uebelstand zum Theil durch die Polster aufgehoben;
3) verminderte Gefahr des Bruches von Achsen und Rädern, indem dieser Apparat als ein
Schuzmittel gegen die Schwächung des Metalls anzusehen ist;
4) sollte ein Passagier in einem nur an den Hauptstationen haltenden Zug plözlich
gefährlich erkranken, so könnte bei dem geringen Geräusch des Zuges der Conducteur
leicht durch Zurufen davon benachrichtigt werden und dieser könnte den
Locomotivführer veranlassen, des ärztlichen Beistands wegen, an der nächsten Station
zu halten.
Für Eisenbahngesellschaften. 5) Der Apparat bietet eine
große Ersparniß dar, indem er die Räder und Achsen gegen die Nachtheile der
Vibration sichert;
6) der Widerstand des Wagenzugs wird vermindert, indem die Speichen der Räder, da sie
eingeschlossen sind, der Luft keinen Widerstand darbieten. Außerdem ist es jedem
Ingenieur bekannt, daß ein nicht vibrirendes Rad eine geringere Triebkraft
erfordert, als ein solches, dessen Erzitterungen mit der Geschwindigkeit
zunehmen;
7) die Büchsen nüzen sich weniger ab, da weder im Rade noch in der Achse Schwingungen
stattfinden. Es ist einleuchtend, daß eine je größere reibende Oberfläche vibrirt,
desto größer ihre Reibung ist, indem die Fläche so lange als wellenförmig angesehen
werden muß, als die Schwingung dauert.