Titel: | Ueber eine doppeltwirkende Turbine; von den HHrn. André Köchlin und Comp. in Mülhausen (Oberrhein). |
Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. XX., S. 118 |
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XX.
Ueber eine doppeltwirkende Turbine; von den HHrn.
André
Köchlin und Comp. in Mülhausen (Oberrhein).
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhouse, 1844, No. 38.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Köchlin, über eine doppeltwirkende Turbine.
Seit mehreren Jahren ist die Aufmerksamkeit der Mechaniker, Ingenieure und überhaupt
der Industriellen vorzüglich auf die Wasserräder mit verticalen Achsen, welche unter
dem Namen Turbinen bekannt sind, gerichtet. Es ist
anerkannt, daß diese Räder in vielen Fällen große Vortheile vor den älteren Rädern
gewähren können. Die Turbinen können unter verschiedenem Druk arbeiten und liefern
selbst dann noch einen verhältnißmäßig bedeutenden Nuzeffect, wenn das Hinterwasser
bis zu einer Höhe gestiegen ist, wobei die gewöhnlichen Räder nicht mehr arbeiten
könnten. Sie können bei niedrigen Gefällen große Wassermassen aufnehmen, ohne daß
man genöthigt wäre die Canäle übermäßig breit zu machen; eben so können durch die
Turbinen sehr hohe Gefälle benüzt werden, welche man mit gewöhnlichen Rädern nicht
mehr gehörig zu benüzen im Stande wäre. Da endlich ihre eigene Geschwindigkeit sehr
groß ist, so nähert sie sich schon viel mehr derjenigen, welche für die meisten
Maschinen erforderlich ist, wodurch die Kosten für die erste Transmission vermieden
werden; daß diese Kosten sehr beträchtlich sind, ist leicht einzusehen, wenn man
bedenkt, daß die gewöhnlichen Motoren in der Minute meistens nicht mehr als drei
oder vier Umdrehungen machen.
Es blieben jedoch bei den bis jezt construirten Turbinen noch gewisse Lüken
auszufüllen, sowohl hinsichtlich der Einfachheit in der Construction, der
Herstellungs- und Aufstellungskosten der einzelnen Theile des Apparats, als
auch hinsichtlich der leichten Ueberwachung und Unterhaltung
desselben-Bedingungen, welche häufig Kunstarbeiten und schwierige Fundamente
unter dem Hinterwasser nothwendig machten. Leztere schienen bei dem System der
Turbinen unvermeidlich zu seyn, weil sie immer unter den Hinterwasserspiegel gesezt
wurden, und folglich nur durch Ausschöpfen oder Auspumpen troken gelegt werden
konnten. Bei allen uns bekannten Turbinen ist dieß der Fall; denn bei ihrer
Anwendung ging man bisher immer von dem Grundsaz aus daß, um den ganzen Nuzeffect
eines Gefälles zu erhalten, es nothwendig sey, die Turbine an der tiefsten Stelle
des Gefälles, d.h. an dem Punkt aufzustellen, wo der Wasserstrahl die ganze
Geschwindigkeit erlangt hat, welche aus der Fallhöhe hervorgeht.
Bei der Construction des Rädersystems, welches wir uns patentiren ließen, und dessen
Beschreibung nachfolgt, sind wir von einem Princip ausgegangen, welches bisher noch
nicht angewandt wurde und einfach in Folgendem besteht: „sezt man zwei
Gerinne, d.h. Aufschlagwasser und Unterwasser durch eine Röhre in Verbindung,
deren Querschnitt an irgend einer Stelle ihrer Höhe trichterförmig verengert
wird, so ist die Geschwindigkeit des Wassers an der verengerten Stelle
diejenige, welche aus der ganzen Gefällhöhe hervorgeht.“
Man begreift also, daß diese trichterförmige Verengerung bei gehöriger Anordnung im
Stande ist, die ganze Wirkung, welche aus der ihr durch das Durchströmen des Wassers
mitgetheilten Geschwindigkeit hervorgeht, weiter fortzupflanzen.
Dieß gestattet uns unsere trichterförmige Verengerung oder unsere Turbine an irgend
einem Punkt in der Gefällhöhe nach Gutdünken anzubringen; denn die Wassersäule
unterhalb der Turbine kann nach Willkür verlängert werden, nur darf sie nicht höher
werden, als daß ihr der Druk der Atmosphäre noch das Gleichgewicht halten kann. Auf
diese Weise ist die Wirkung des Wassers zusammengesezt aus dem Druk der Wassersäule,
welche sich über dem Motor befindet, und aus der Anziehung der Wassersäule unterhalb
desselben; wegen dieses Zusammenwirkens der beiden Wassersäulen nun nennen wir
unsern Motor: „doppeltwirkende Turbine.“
Dieses Constructionssystem bietet Vortheile, welche alle diejenigen zu schäzen
vermögen, die wissen, von welchem Belang gewöhnlich die Fundamentirungsarbeiten
sind, deren Kosten oft bedeutender ausfallen, als die Ausgaben für den Motor
selbst.
Für unsere Turbinen ist es hinreichend, die Ablaufröhre, an deren Ende sich die
Stellfalle oder Schüze befindet, unter das Unterwasser zu versenken, in derselben
die Pfanne, worin sich der Zapfen der verticalen Achse dreht, zu befestigen, und
zwar an der passendsten Stelle zwischen Aufschlagwasser und Unterwasser, so daß es
immer leicht ist, das Rad plözlich troken zu legen, um es jeden Augenblik
untersuchen zu können.
Bei dieser Anordnung der Turbine bewegt sich die Wassersäule vertical und geht in
gerader Linie durch dieselbe, was eine große Einfachheit der Construction zur Folge
hat. Dieser Anordnung verdanken mir den bedeutenden Nuzeffect, welchen wir bei allen
Versuchen, die bis jezt angestellt wurden, erhielten; wir theilen die Resultate,
welche wir mit dem Prony'schen Zaume bei den Versuchen
mit sämmtlichen von
uns im Jahr 1843 construirten Rädern erhielten, in drei Tabellen mit.
Die I. Tabelle enthält zwei Reihen von Versuchen, welche mit der Turbine zu
Aspach-le-pont im August von unseren Ingenieuren angestellt wurden, im
Beiseyn zweier Bergingenieure, welche den Auftrag hatten die Resultate zu
bestätigen.
Die II. Tabelle enthält die Versuche, welchen eine Commission der Société industrielle beiwohnte. Man wird
bemerken, daß die mit der großen Turbine erhaltenen Resultate bedeutend von
denjenigen abweichen, welche wir selbst früher erhielten, und von denjenigen, welche
(in der zweiten Reihe) von der Commission mit der mittelgroßen Turbine erhalten
wurden. Diesen Kraftverlust schreiben wir (und alle anwesenden Personen haben sich
selbst davon überzeugt) einer Reibung zu, welche zwischen den Schaufeln der Turbine
und den Leitcurven des feststehenden Conus (der nicht gehörig aufgestellt war, als
die Versuche mit der benannten Turbine angestellt wurden) statt fand. Am Ende
derselben Tabelle haben wir in Kilogrammen den Werth der Reibungen durch die
Winkelräder, die verticale Turbinenachse, die horizontale Achse, worauf sich der
Zaum befand, nebst deren Vermehrung durch den Zaum selbst angegeben.
Die II. Tabelle enthält die Resultate unserer Versuche mit der Turbine, welche für
eine der mechanischen Webereien der HHrn. Geigy in
Steinen construirt wurde. Sie arbeitet bei einem Totalgefälle von 1,95 Met. und
befindet sich 0,80 Met. unter dem Aufschlagwasser; sie hat bei einem Durchmesser von
0,95 Meter eine Höhe von 0,20 Meter; sie macht 92 Umdrehungen in der Minute und
wurde construirt, um 650 bis 700 Liter in der Secunde zu absorbiren; wir haben 70
bis 75 Proc. Nuzeffect bei einer Geschwindigkeit von 90 Umdrehungen garantirt.
Der Zaum wurde auf die liegende Achse befestigt, welche ihre Bewegung von der
Turbinenachse mittelst zweier conischen Räder, deren Verhältniß wie 60 : 70 ist,
erhielt. Die Wassermenge wurde auf einer sehr gut angeordneten Schüze gemessen und
nach dem Contractions-Coefficienten von Poncelet
berechnet.
Man wird bemerken, daß die von dem Rade absorbirten Wassermassen bis zu 1/4 von der
Normal-Wassermasse abwichen, und daß dabei doch der Nuzeffect nur von 89 bis
68 Proc. variirte, und dieß ohne daß die Räder gewechselt oder ausgehoben
wurden.
Beschreibung der doppeltwirkenden
Turbine zu Aspach-le-pont.
Fig. 1 ist die
Ansicht derselben von vorn.
Fig. 2 der
Längendurchschnitt.
Fig. 3 ein
Durchschnitt des Grundrisses.
C der Canal für das Aufschlagwasser; c, c der Canal für das Unterwasser.
A, A Röhre von Gußeisen oder Blech; oben an derselben
ist der Spurtopfträger befestigt, dann der doppelte Conus (welcher an der Stelle, wo
die Achse hindurchgeht, ausgebohrt ist) und unten an dieser Röhre ist die Schüze
angebracht.
a bewegliche, mit Schaufeln umgebene Turbine;
b die feste Krone mit den Leitcurven;
d Zapfenträger.
B hölzerner Schwimmer.
V Schüze, um die Turbine troken zu legen.
D, D gußeisernes Gestell, welches das Lager der
aufrechtstehenden, und der horizontalliegenden Achse trägt.
Bei großen Turbinen, welche eine große Menge Wasser absorbiren sollen, ersezen wir
die Röhre A, A durch solides Mauerwerk, welches am
besten aus Quadersteinen aufgeführt wird. In diesem Falle besteht bloß der doppelte
Conus, in welchem sich die feste Krone befindet, das eigentliche Rad und die
Regulirschüze V aus Gußeisen; leztere wird dann
besonders an dem Fundamente befestigt.
I. Tabelle.
Vergleichende Tabelleüber die Versuche mit dem Prony'schen Zaum an der Turbine der
HHrn. Gebrüder Kunemann in Pont d'Aspach.
Textabbildung Bd. 94, S. 122–123
Nummer der Versuches; Radius des
Zaumes; Umfang des Zaumes; Anzahl der Umdrehungen der Achse, worauf der Zaum
befestigt war, per Minute; Peripherie-Geschwindikeit des Zaumes;
Belastung des Zaumes; Nuzeffectt per Secunde durch den Zaum gemessen; In Kilogr.
1 Met. hoch gehoben in 1 Sec.; In Pferdekräften zu 75 Kilogr.; Breite der
Stellfalle oder Schütze des Canals; Höhe des Wassers über der Schüze, bei
geöffneter Schüze der Turbine; Querschnitt des Wassers; R; C = 2πR; n;
v'' = c × n/60; P; E = V'' × P; E = V' × P/75; L; H; S =
LH; Geschwindikeit des Wassers, welche der Höhe H entspricht;
Contractions-Coefficient; Gesammtmenge des verbrauchten Wassers;
Wassermenge, welche durch die offene Schüze der Turbine abfloß, wobei der
Wasserverlust abgezogen ist, welche bei geschlossener Schüze stattfand und der
für jeden Versuch auf 40 Kilogr. geschätzt wurde; Entfernung der beiden
Wasserspiegel, oder ganz Gefällhöhe; Größe der Wirkung in einer Secunde; In Kil.
1 Meter hoch gehoben in 1 Sec.; In Pferdekräften zu 75 Kilog.; Verhältniß der
absoluten Kraft zum Nuzeffect; Bemerkungen; v = √(2 gH); m; q = VSm; Q =
q – q'; N; NQ; NQ/75; E/NQ; Meter; nach Poncelet; Mittelgroße Turbine;
Große Turbine
II. Tabelle.
Vergleichende Tabelleüber die Versuche mit dem Prony'schen Zaume, welche von einem
Ausschuß der Mülhauser Industrie-Gesellschaft angestellt wurden.
Textabbildung Bd. 94, S. 124–125
Diese Reibungen sind:
Kilogr.
1) Zwischen dem Getriebe und conischen Rade
(proportional zum
Druke) nach
Morin 8/100 =
27,91
2) Im Lager der liegenden Achse auf der Seite der
Räder
12,00
3) Im Lager derselben Achse auf der Seite des
Zaumes
12,94
4) Im oberen Lager der Turbinenachse
11,01
––––––
Summa
63,86
Für die zweite Reihe der Versuche fand man
54,77.
R; 2πR = C; P; n; E =
2πrnP/60; f; E' = E + F; L; h; s = Lh; v; Nummer der Versuche; Radius des
Zaumes; Peripherie des Zaumes; Belastung des Zaumes; Anzahl der Umdrehungen der
Achse worauf der Zaum befestigt war, per Minute; Nuzeffect oder Leistung in
einer Secun (mit dem Zaum gemessen.); In Kil. 1 Meter hoch in 1'' gehoben; In
Pferdekräften zu 75 Kilogr.; Reibung der Lager, Getriebe etc. vom Rade an bis zu
der Stelle, wo der Zaum angebracht war. In Kilogr. per Secunde; Nuzeffect per
Secunde mit Rüksicht auf die Reibungen; Breite der Canalschüze; Wasserhöhe über
der Schüze, wenn das Schuzbrett der Turbine geschlossen war; Querschnitt des
ablaufenden Wassers; Meter; in Mittel; Kubmet.; Geschwind. des ablauf. Wassers
welches von der Höhe H herabkam; Contractions-Coefficient des ablaufenden
Wassers; Wassermenge, welche durch das geschlossene Schuzvrett der Turbine
geöffnet war; Querschnitt des Wassers; Geschwindigkeit des von der Höhe H
herabfallenden Wassers; Contractions-Coefficient; Menge des verbrauchten
Wassers; Wassermenge, welche durch die Schüzenoffnung der Turbine abfloß;
Gefällhöhe; Größe der Wirkung per Secunde, oder absolute Kraft des Motors; In
Kilog. 1 Met. hoch gehoben in 1''; In Pferdekräften zu 75 Kil.; Verhältniß der
absoluten Kraft zum Nuzeffect mit Rüksicht auf die Reibungen
III. Tabelle.
Vergleichende Tabelleüber die Versuche mit dem Prony'schen Zaum an der Turbine der
HHrn. Geigy in Steinen.
Textabbildung Bd. 94, S. 126
Nummer der Versuche; Höhe des
Wasserstrahles; Entsprechende theoretische Geschwindigkeit; Breite des
Wasserstrahles; Absorbirte Wassermasse. NB. 0,40; Ganzes Gefälle; Rohe Kraft in
Pferden ausgedrükt; Umfang des Zaumes; Anzahl der Umdrehungen per Minute;
Umfangsgeschwindikeit des Zaumes per Secunde; Durch den Zaum gehobenes Gewicht;
Anzahl der Pferdekräfte, durch den Zaum bestimmt; Nuzeffect; Bemerkungen; H; V;
L; M = VHL × 0,40; F; M × F/75 Q; C = 16m,026; N; V'' = C × N/60; P; Q =
V'' × P/75; q/Q; Meter; Pferde; NB. Der mittlere Coefficient 0,40 ist der
von Ponceletangegebene. NB. Da bei den lezten zwei Versuchen die Schüzen
weggenom. waren, so konnte die Wassermasse nicht bestimmt werden.