Titel: | Ueber die Reinigung des Trinkwassers; von Hrn. Bouchardat. |
Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. XXVI., S. 151 |
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XXVI.
Ueber die Reinigung des Trinkwassers; von Hrn.
Bouchardat.
Aus den Comptes rendus, Jul. 1844, Nr.
4.
Bouchardat, über die Reinigung des Trinkwassers.
Hallé und Vauquelin
bemerkten in ihrem Bericht über die desinficirende Eigenschaft der Kohlenfilter, daß
faules Wasser, welches beim Filtriren durch Kohle und Sand seinen Geruch und
Geschmak gänzlich verloren halte, deßwegen doch nicht von aller darin enthaltenen
organischen Materie befreit war und nach einigen Tagen wieder in Fäulniß
überging.
Ich stellte über die Reinigung des übelriechenden Wassers Versuche an, deren
Resultate mittheilenswerth zu seyn scheinen.
Im Jahr 1839 sing ich behufs der mit Hrn. Dr. Ducommun anzustellenden Versuche Wasser von der Gosse
Saint-Jacques (zu Paris) auf; der Geruch desselben war stinkend, der Geschmak
abscheulich; es wurde durch ein gewöhnliches Filter von Sand und Kohle filtrirt; das
Wasser verlor seinen faulen Geruch und Geschmak, allein bei sorgfältiger
Untersuchung entdekte man in demselben noch einige Floken darin schwimmender
organischer Materie. Nach zwölf Stunden begann es sich zu trüben; nach 24 Stunden
hatte es seinen Geruch und Geschmak großentheils wieder angenommen. Bei einem
zweiten Versuch wurde das Wasser mittelst eines fast einen Meter hoch mit
filtrirenden Substanzen beschikten Filters gereinigt; es wurde von dem faulen Geruch
und Geschmak vollkommen befreit und war vollkommen durchsichtig. Nach 12tägiger
Aufbewahrung in einer Flasche mit eingeriebenem Stöpsel, bei einer zwischen 12 und
18° R. wechselnder Temperatur, wurde es wieder untersucht, war aber nicht
getrübt und hatte den frühern Geschmak und Geruch nicht wieder angenommen;
dessenungeachtet enthielt es noch viel organische Materie aufgelöst, deren Gegenwart
man mittelst einer Lösung von Gerbestoff oder Queksilberchlorid (Sublimat) leicht
entdeken konnte.
Ich werde auf dieses Wasser, welches ich nun seit fünf Jahren sorgfältig beobachtete,
bald wieder zurükkommen; muß aber zuvörderst auf eine aus der Vergleichung dieser
beiden Beobachtungen hervorgehende merkwürdige Thatsache hinweisen, welche meine
Untersuchung der weinigen Fermente als eine allgemeinere herausstellte.
Bei den zwei erwähnten Versuchen hatte ich es mit demselben Wasser zu thun; in beiden
Fällen wurde der faule Geruch und Geschmak durch das Kohlenfilter entfernt; in
beiden Fällen enthielt das Wasser noch eine sehr beträchtliche Menge
stikstoffhaltiger organischer Materie aufgelöst, und doch verdarb das eine sehr schnell
wieder, während das andere keine Veränderung erlitt. Der einzige Unterschied hatte
stattgefunden, daß das Wasser, welches gut blieb, vollkommen klar war; die
Substanzen des Filters hatten alle darin suspendirten Substanzen mechanisch
zurükbehalten; das wieder in Fäulniß gerathene Wasser hingegen enthielt noch Floken
organischer Materie schwebend, welche als wahrhafte Fäulniß-Fermente
wirkten.
Folgender Versuch beweist ebenfalls den Einfluß der unlöslichen organischen
Materien.
Ich ließ thierische Substanzen im Wasser in Fäulniß übergehen; nachdem dieses Wasser
einen stinkenden Geruch und abscheulichen Geschmak angenommen hatte, ließ ich es
durch ein mit der größten Sorgfalt vorgerichtetes Kohlenfilter laufen und vertheilte
es dann in zwei Flaschen. In die eine brachte ich das Wasser für sich allein,
welches sich darin erhielt, ohne zu verderben; dem Wasser in der andern sezte ich
eine Gerbstoffauflösung zu und nach 48 Stunden hatte dasselbe dann seinen übeln
Geruch wieder angenommen. Der Gerbestoff hatte, durch seine Reaction auf die
aufgelösten thierischen Stoffe einen Niederschlag erzeugt, welcher sich wie ein
wahres Fäulniß-Ferment verhielt.
Wir wollen jezt auf die Untersuchung der verschiedenen Wasserproben zurük kommen,
welche ich seit dem 8. Okt. 1839 in Glasflaschen mit eingeriebenem Stöpsel
aufbewahrt hatte. 1) Ich hatte einerseits Wasser aus der Gosse von
Saint-Jacques, welches vor dem Filtriren durch Sand- und
Kohlenschichten einen ekelhaften Geschmak besaß; nach dieser Operation war es
vollkommen klar und sein Geschmak hatte durchaus nichts Unangenehmes; es war gutes
trinkbares Wasser, obwohl es noch viel organische Materie aufgelöst enthielt, und
erhielt sich über einen Monat, ohne seine Klarheit zu verlieren. Erst allmählich
zeigten sich in diesem Wasser einige Floken einer grünlichen Substanz, welche den
größten Theil der Flasche einnahmen und sich mit Gasblasen überzogen. Ich fand
seitdem, daß diese grünlichen Floken identisch waren mit den von den HHrn. August
und Charles Moren unter ähnlichen Umständen untersuchten;
sie hatten sich von dem Chlaemidonas pulvisculus (Ehrenb.), andern grünen mikroskopischen Thierchen und
symmetrisch angeordneten Algenstüken, auf welchen diese Thierchen ruhten, gebildet.
Ich überzeugte mich, daß das in diesem Wasser sich entwikelnde Gas 52 Proc.
Sauerstoff enthielt. Das Wasser ist heute noch so gut wie am ersten Tag nach seiner
Filtrirung.
2) Andererseits hatte ich Wasser, welches durch die Maceration gefaulten Fleisches
einen stinkenden Geruch angenommen hatte. Es wurde höchst sorgfältig durch das Sand- und
Kohlenpulver filtrirt, war vollkommen klar und sein Geschmak nicht unangenehm; die
ersten sechs Monate blieb es klar, obwohl es viel eiweißartige Materie aufgelöst
enthielt; nun bildeten sich allmählich auf seiner Oberfläche einige weißliche
Floken, welche sich zulezt zu einer halbdurchsichtigen schleimigen Membran
vereinigten, die aus mikroskopischen Algen, mit ebenfalls mikroskopischen Infusorien
vermengt, bestund. Heute noch, nach fünfjähriger Aufbewahrung, ist der Geruch dieses
Wassers nicht unangenehm.
3) Bei einer dritten Reihe von Versuchen ließ ich faules Fleisch und Eier in Wasser
maceriren. Das so entstandene stinkende Wasser wurde durch ein Sand- und
Kohlenfilter ganz rein filtrirt; es war völlig klar; aber nach zweimonatlicher
Aufbewahrung trübte es sich und es bildeten sich feine Membranen von brauner Farbe
in demselben. Dieses Wasser nahm einen sehr starken Geruch nach Schwefelwasserstoff
an und besizt ihn noch.
Die eben mitgetheilten Beobachtungen beweisen, daß wenn stinkendes Wasser durch ein
Kohlenfilter gereinigt wurde, die Filtrirung aber keine vollkommene war, und
zugleich mit der Auflösung organischer Materie andere Substanzen schwebend darin
verbleiben, es neuerdings sehr schnell wieder verdirbt. Ist hingegen die Filtrirung
eine vollkommene und bleibt nichts Organisches in dem Wasser suspendirt zurük, so
kann es, selbst wenn es organische Materie aufgelöst enthält, sich sehr lange
erhalten.
Die Veränderungen, welche diese organischen Materien mit der Zeit erleiden, können
von jenen im frühern Wasser völlig verschieden seyn; statt des
Fäulniß-Ferments können sich in diesem Wasser jene in den leztern Jahren
näher studirten Infusionsthierchen bilden, welche, weit entfernt, das Wasser zu
verderben, es vielmehr reinigen, indem sie beständig Sauerstoff liefern, welcher,
bei seiner Entwiklung alle übelriechenden wasserstoffhaltigen Substanzen
zerstört.
Das Endergebniß ist daß, wenn man gereinigtes Wasser aufbewahren will, es nothwendig
vollkommen rein filtrirt und von jeder darin suspendirten organischen Substanz frei
seyn muß.