Titel: | Ueber die Blutlaugensalz-Fabrication; von J. G. Gentele. |
Autor: | Johan G. Gentele [GND] |
Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. XXXVIII., S. 197 |
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XXXVIII.
Ueber die Blutlaugensalz-Fabrication; von
J. G.
Gentele.
Gentele, über die Blutlaugensalz-Fabrication.
Einige chemische Industriezweige, z.B. die Seifensiederei, erfreuen sich schon längst
aller Aufklärungen der Wissenschaft, um sie in jeder Beziehung mit Sicherheit
betreiben zu können. Die Fabrication des eisenblausauren Kalis hingegen, deren
Wichtigkeit sehr groß ist, indem viele thierische Abgänge durch sie einen
beträchtlichen Werth erhalten, entbehrt noch immer einer hinreichenden Untersuchung
sowohl hinsichtlich der anzuwendenden Materialien, als bezüglich des
Fabricationsverfahrens selbst. Ich schrieb früher zwei Aufsäze darüber (polytechn.
Journal Bd. LXI S. 289 und Bd. LXXVI S. 352), theils um das übliche
Fabricationsverfahren bekannter zu machen, theils um zu veranlassen, daß die Theorie
der Erzeugung des Blutlaugensalzes gründlich ermittelt werden möchte. Seitdem
erschien die schäzbare Abhandlung von Prof. Liebig
(polytechnisches Journal Bd. LXXXII S. 346),
wodurch wir über die Theorie der Blutlaugensalz-Fabrication vollkommen
aufgeklärt worden sind; dessen ungeachtet bleibt uns hinsichtlich der Materialien,
die dem Geschäfte als Rohstoffe dienen, noch Manches zu wissen übrig, um die
Fabrication jenes Salzes auf sicheren Grundlagen betreiben zu können.
A.Ueber
die Versuche, welche bezüglich der Rohstoffe, die zur Fabrication angewendet
werden, anzustellen sind.
I. Wie viel thierische Kohle geben folgende thierische Stoffe in wohl getroknetem
frischem Zustande, jeder für sich verkohlt:
a) Klauen,
b) Horn,
c) Häute,
d) Fleisch, welches entfettet ist,
e) rohes Fleisch,
f) Blut im getrokneten Zustande,
g) gegerbtes altes gebrauchtes Leder?
Es ist insbesondere auch zu untersuchen, ob diese Theile je nach den verschiedenen
Thiergattungen, von welchen man sie in beträchtlichen Quantitäten erhalten kann,
nicht verschiedene Resultate liefern; unter diese Thiere gehören Pferde, Ochsen,
Schafe und Schweine.
II. Wie viel Ammoniak liefern alle diese einzelnen thierischen Theile, je nachdem sie
stark oder schwächer verkohlt werden (bis zum graphitähnlichen Ansehen der Kohle
oder bloß bis zur braunen schwammigen Kohle)?
III. Wie viel Thieröhl wird von einem jeden nebenbei erhalten, und
IV. an wie viel Wasser ist das ganze Destillationsproduct gebunden?
V. Es sollte jede der einzelnen Kohlen einer chemischen Analyse unterworfen
werden.
VI. Endlich sollte jede der einzelnen Kohlen mit gleicher Menge sowohl von reinem
kohlensaurem Kali als von Potasche von bekannter Zusammensezung, mit und ohne Zusaz
von Holzkohle, auf gleiche Art und gerade so wie bei der Fabrication im Großen
geschmolzen und ermittelt werden, wie viel blausaures Kali, Schwefelkalium,
kieselsaures Kali, schwefelsaures Kali etc. gebildet wurde.
VII. Auf gleiche Art wie die Kohlen sollten dieselben Rohstoffe, wovon die Kohlen
gewonnen wurden, mit kohlensaurem Kali etc. verschmolzen werden.
VIII. Bei der Fabrication erleidet man immer einen Verlust von Kali durch Bildung von
Schwefelkalium. Wie ist dieser zu vermeiden? Ein Zusaz von Kalk, um Schwefelcalcium
statt Schwefelkalium zu erzeugen, erschwert das Schmelzen; was gibt es für ein
anderes wohlfeiles Mittel?
IX. Der Fabrikant könnte oft über die Ergiebigkeit verschiedener Verfahrungsarten
wichtige Versuche anstellen, wenn er ein Mittel besäße, um wie z.B. bei der Soda
durch den Descroizilles'schen Alkalimeter, den Gehalt seiner Schmelzmasse an
Cyankalium schnell und sicher zu bestimmen. Er hätte dann nicht nöthig erst das
Resultat im Großen abzuwarten, sondern könnte während eines Schmelzenganges (einer
Campagne) sein Verfahren bis zum vortheilhafteren Erfolge abändern.
B.Resultate, welche sich bei der Blutlaugensalz-Fabrication im Großen
ergaben.
1) Ich habe, um das vortheilhafteste Verhältniß zwischen Kohle
und Kali zu ermitteln, eine große Anzahl von Schmelzungen und zwar in
verschiedenen Schmelzcampagnen gemacht, wobei sich als das beste herausstellte
a) bei Anwendung von Thierkohle:
5000° Potasche: 65 Thierkohle;
b) bei Anwendung thierischer
Rohstoffe:
5000° Potasche: 100 thierische Stoffe.
Unter der Zahl 5000° verstehe ich Potasche von 50° Descroizilles
multiplicirt mit ihrem Gewichte = 100 Pfd. (100 × 50° = 5000°).
Hat man stärkere Potasche zu verarbeiten, so muß man natürlich verhältnißmäßig
weniger davon anwenden, und man findet immer ihr Gewicht, wenn man mit den
Descroizilles'schen Graden der Potasche in 5000 dividirt.
Das Maximum von Blutlaugensalz, welches ich bei diesen Verhältnissen während einer
Reihe von Schmelzungen nacheinander, zu gewinnen
vermochte, war
von 100 Pfd. Thierkohle 32 Pfd. Blutlaugensalz,
– 100 Pfd. thierischen Stoffen 16
Pfd. desselben.
Die Mutterlaugen des Blutlaugensalzes muß man wie die Potasche nach ihren
alkalimetrischen Graden anwenden; dabei muß man aber, um das richtige Verhältniß
herzustellen, die Grade des Schwefelkaliums von den alkalimetrischen Graden der
Mutterlauge vorher subtrahiren. Angenommen man wolle z.B. 60 Pfd. trokene
Mutterlauge von 45° verwenden; diese betragen 2700°; es fehlen nun
noch 2300°, welche gleich 2300/50 = 47,5 Pfd. Potasche à 50° sind, die man noch hinzuzufügen hat, um in der
Schmelzmasse 5000° zu haben.
Wenn man während einer Campagne von Schmelzungen die alkalimetrischen Grade der
angewandten Potasche und Mutterlauge ausgemittelt hat und dann die alkalimetrischen
Grade der wiedergewonnenen Mutterlauge von jenen abzieht, so ergibt sich wie viel
Kali theils verschwand um Blutlaugensalz und Schwefelkalium zu bilden, theils
verflüchtigt und bei den Arbeiten verschleudert wurde. Dabei habe ich gefunden, daß
man um 100 Blutlaugensalz zu gewinnen, 125 Pfd. Potasche à 50° Descroizilles nöthig hat; vergleicht man diesen
Aufwand von 125 Potasche à 50° Dec. = 83,4
kohlensaurem Kali = 56,8
reinem Kali, mit dem in 100 Pfd. Blutlaugensalz enthaltenen Kali = 44,87, so ersieht
man daß für je 100 Pfd. Blutlaugensalz 11,93 Pfd. reines Kali = 26,1 Pfd. Potasche
à 50° Dec. verloren gehen.
Der Fabrikant kann nur richtig calculiren, wenn er die Berechnung auf die angegebene
Weise macht, nachdem seine Schmelzcampagne beendet ist. Würde er vollends weder die
Potasche vor der Anwendung, noch sein Blausalz, d.h. die eingedampfte Mutterlauge
Probiren, so wäre er gar nicht sicher, ein richtiges Verhältniß zwischen Kali und
Kohle zu haben.
Beim Probiren der Mutterlaugen würde man, wie gesagt, bedeutend fehlen, wenn man die
alkalimetrischen Grade, welche durch Schwefelkalium angedeutet werden, nicht
subtrahiren würde. Man erhält sogleich die reinen Grade des trokenen Blausalzes,
wenn man die Auflösung der 5 Gramme desselben mit Bleizukerlösung fällt, bis ein
weißes mit Bleizukerlösung getränktes Papierchen nicht mehr gebräunt wird (dabei muß
man jedoch sorgfältig vermeiden einen Ueberschuß des Bleisalzes zuzusezen); und dann
die alkalimetrische Prüfung wie gewöhnlich vornimmt, wobei es ganz gleichgültig ist,
ob man vor dem Zutröpfeln der Probesäure das Schwefelblei abfiltrirt oder nicht.
Um die oben angegebenen Resultate mittelst Thierkohlen und rohen thierischen Stoffen
zu erzielen, ist weder sehr reine Potasche noch sehr reine eingetroknete Mutterlauge
erforderlich; nur muß die vorgeschriebene Quantität Kali nach Abzug des als
Schwefelkalium vorhandenen angewandt werden.
2) Für eine Schmelze in den oben angegebenen Verhältnissen erhielt ich folgende Daten
als mittleres Resultat von 50–60 Schmelzen während mehrerer gleichartigen
Campagnen.
Bei einem auf neue Art mit gehörigem Zug construirten
Schmelzofen schmilzt der Eintrag von eingetrokneter Mutterlauge und Potasche zu
5000° im Durchschnitt in 1 Stunde und 3 Minuten. Arbeitet man mit Rohstoffen,
so dauert der Eintrag 1 Stunde 20,4 Minuten; die ganze Dauer ist mithin 2 Stunden
23,4 Minuten; arbeitet man aber mit Thierkohle, so ist die Dauer des Eintrags 55,4
Minuten, mithin die ganze Dauer 1 Stunde 58,4 Minuten. Im ersten Falle werden 77, im
zweiten 78 Pfd. Buchenholz für 1 Schmelze, d.h. in diesem Zeitraume verbraucht. Die
Schmelze von 100 Pfd. Rohstoffen wiegt um 7,2 Pfd. mehr als die angewandte Potasche;
von 65 Pfd. Kohle wiegt sie nur um 1,9 Pfd. mehr.
Ist das Buchenholz nicht ganz troken, so kann es kommen, daß man dem Maaß nach um 1/3 mehr
verbraucht, obgleich es nur um 5–6 Proc. dem Kubikgehalt nach schwindet.
Aus diesen Angaben ersieht man, wie sehr die Blutlaugensalz-Fabrication in der
lezten Zeit verbessert worden ist. Indem man statt der Birnen jezt Schmelzschalen mit unterschlächtigem sowohl als
überschlächtigem Feuer anwendet, erspart man die Hälfte der Zeit und des
Brennmaterials für eine Schmelzung.
3) Seitdem ich mich von meinem früheren Irrthum überzeugt habe, daß blausaures Kali
beim Kochen der Schmelzkuchen zerstört wird, lauge ich dieselben nicht mehr heiß ab,
sondern koche sie einigemal nacheinander aus. Alsdann erst bringe ich sie auf
hölzerne Standen mit einem mit Tuch belegten Senkboden und rühre die Masse mit
Wasser auf; einen Theil der Lauge lasse ich nun unter dem Senkboden ablaufen, den
andern ziehe ich oben hell ab, und wenn auf diese Art die Stande von Flüssigkeit
frei ist, so wiederhole ich diese Arbeit wieder. Es zeigt sich dabei jedesmal troz
alles Umrührens, daß die Lauge oben schwach ist, während sie unten noch sehr stark
abläuft; man darf sich daher nicht tauschen lassen und die Rükstände ohne gehöriges
Ablaugen wegwerfen. Alle schwachen Laugen werden anstatt Wasser zum Abkochen und die
noch schwächern zum ersten Ablaugen verwendet; die schwachen Laugen enthalten mehr
eisenblausaures Kali und weniger kohlensaures Kali, die stärkern mehr von lezterm.
Durch das Auskochen erreiche ich den Vortheil stärkere Laugen zu gewinnen; ich
brauche verhältnißmäßig wenig Flüssigkeit kochend zu machen, um sie von hoher
Grädigkeit zu erhalten, während ich sonst eine große Masse kalter Lauge nicht nur
zum Sieden erhizen, sondern auch abdampfen müßte, um sie auf dieselbe Concentration
zu bringen.
Das Auskochen geschieht in gußeisernen Kesseln, worin die Masse in Stüke zerschlagen,
mit kalter Lauge oder Wasser während des Erhizens mit eisernen Stangen gerührt wird,
bis keine Stufe mehr auf dem Boden wahrnehmbar sind. Dann läßt man das Feuer
ausgeben und in 4–5 Stunden kann man die Lauge mit einem Heber hell abziehen;
der Saz auf dem Boden des Kessels wird, so lange er noch starke Laugen liefert,
wiederholt ausgekocht. Am geeignetsten zum Auskochen sind solche Kessel, welche man
aus einer Brille über dem Feuerherd, worauf sie sizen, durch Krähne ausheben und bei
Seite sezen kann; denn in diesen kann sich die Lange ungehindert klären, sie kann
abgezogen und dann später der Kessel zum zweiten und dritten etc. Auskochen wieder
eingehängt werden, während indessen das Auskochen über demselben Feuer durch andere
derartige Kessel fortgesezt wird, so daß kein Erkalten des Feuerraums und nuzloses Abbrennen des
Feuers wie in feststehenden Kesseln stattfindet.
4) Da 100 Pfd. Thierkohle im Maximum 32 Pfd. Blutlaugensalz liefern, so würden 42
Pfd. Thierkohle 13,44 Pfd. geben; diese 42 Pfd. Kohle werden durchschnittlich aus
100 Pfd. rohen thierischen Stoffen durch sorgfällige langsame Verkohlung derselben
gewonnen. An und für sich liefern aber 100 Pfd. thierischer Stoffe roh angewendet schon 16 Pfd. Blutlaugensalz; man gewinnt
also von 100 Pfd. Rohstoffen 2,56 Pfd. Blutlaugensalz weniger, wenn man sie verkohlt zur Blutlaugensalz-Fabrication anwendet,
anstatt sie sogleich roh zu verschmelzen. Dieser Unterschied gründet sich nach
meiner Ansicht auf eine mechanische Ursache; die Thierkohle als solche muß nämlich
gepulvert angewendet werden und daher verstaubt davon eine ziemliche Quantität beim
Eintragen und Rühren. Wendet man dagegen die rohen Stoffe an, so verschmelzen sie in
die Masse und die Kohle bildet sich also in derselben fein zertheilt ohne
Verstäubung. Um den Schmelzproceß ohne viel Brennmaterial und in kurzer Zeit
durchzuführen, müssen übrigens die Rohstoffe, damit die Masse durch das zu
verdampfende Wasser, welches um mehrere Procente mehr oder weniger ertragen kann,
nicht zu sehr erkaltet, gehörig ausgetroknet werden.
C.Ueber
die Verkohlung der thierischen Stoffe.
In meinem früheren Aufsaze über die Blutlaugensalz-Fabrication
(polytechnisches Journal Bd. LXI S. 292)
habe ich bereits bemerkt, daß eine langsame Verkohlung derselben am
vortheilhaftesten ist. Dem Blutlaugensalz-Fabrikant bieten die
Destillations-Producte der thierischen Rohstoffe keinen genügenden Ersaz für
die geringere Ausbeute an blausaurem Kali, welche das Verschmelzen von Thierkohle
zur Folge hat. Für diejenigen, welche dessen ungeachtet lezteres Verfahren anwenden
wollen, bemerke ich, daß man die Condensatoren so einrichten kann, daß sie das
Thieröhl, das flüssige und feste Ammoniak, ein jedes vom andern getrennt liefern.
Leitet man die Dämpfe aus den Verkohlungskesseln zuerst in einen kleinen eisernen
Cylinder oder Kessel, so sezt sich darin fast bloß das Thieröhl ab, welches man
daraus für sich abzapfen kann. In einem zweiten steinernen oder aus Sandsteinplatten
zusammengefügten Condensator, wohin eine Röhre aus dem ersten Condensator führt,
sezt sich das meiste Ammoniak ohne Thieröhl flüssig ab, und man kann es am Boden
desselben abziehen; an die Seitenwände desselben legt sich nur wenig festes
kohlensaures Ammoniak an, welches erst nach einigen Jahren ununterbrochener Arbeit herausgenommen zu
werden braucht. Aus lezterem Condensator leitet man die Dämpfe in einen dritten,
welcher aus einem wenigstens 50 Fuß langen, aus
Sandsteinplatten zusammengefügten, etwas aufsteigenden Canale besteht, der am Ende
offen ist. Derselbe belegt sich nach und nach seiner ganzen ausgedehnten Länge nach
mit einem sehr diken Ansaze festen kohlensauren Ammoniaks, welches herausgenommen
wird, nachdem seine Dike 3–4 Zoll beträgt.
Von der Verkohlung mit Benuzung der entweichenden Gase zur Feuerung unter den
Verkohlungskesseln ist man abgekommen; denn man verliert dabei zu viel festes
kohlensaures Ammoniak, welches mit den Gasen in den Feuerraum gelangt, weil die
Condensatoren in der Regel nicht ausgedehnt genug angelegt werden können.
Die Verkohlungsproducte von 100 Pfd. rohen mittelmäßig trokenen thierischen Stoffen
der oben genannten Art, als Horn, Klauen, Hufe etc. bestehen aus:
42 Pfd. thierischer Kohle,
36 Pfd. flüssigem Ammoniak von 14° Baumé,
2 Pfd. festem kohlensaurem Ammoniak und
2 Pfd. Thieröhl.
Man erhält also 82 Pfd. durchschnittliche Ausbeute; die zur Ergänzung auf 100
fehlenden 18 Pfd. entsprechen den entwichenen nicht verdichteten Gasen, wovon
vielleicht nur die Hälfte brennbare sind, da sie ziemlich viel Kohlensäure
enthalten. Der Brennmaterial-Gewinn durch ihre Verbrennung kann also offenbar
nicht groß seyn; auch ist es wegen der öfters vorkommenden Explosionen nicht
rathsam, sie als Brennstoff zu benuzen.