Titel: | Analyse des Mistes; von Heinrich Braconnot. |
Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. XLVII., S. 228 |
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XLVII.
Analyse des Mistes; von Heinrich
Braconnot.
Aus den Annales de Chimie et de Physique, Okt. 1844, S.
212.
Braconnot's Analyse des Mistes.
Hr. v. Dombasle mit allen Landwirthen die Ansicht
theilend, daß der Mist das Brod der Pflanzen sey, äußerte gegen mich öfters den
Wunsch, die Bestandtheile dieses Düngers genau zu kennen, um sich über ihren Einfluß
auf die Beförderung und Ernährung der Vegetation Rechenschaft geben zu können. Kurz
vor seinem Tode ersuchte er mich, die Analyse des durch eine vorgeschrittene Gährung
zu einer teigigen, schwärzlich-braunen Masse gewordenen Mistes vorzunehmen,
welchen die Landwirthe braune Butter (beurre noir) nennen und dem sie eine große
fruchtbarmachende Einwirkung auf leichten Boden zuschreiben. Diesem Wunsche
nachzukommen, unternahm ich folgende Versuche.
Ich rührte diesen Mist, den ich von einem Pachthof erhielt, mit der gehörigen Menge
reinen Wassers in einer gläsernen Reibschale an und filtrirte, um die in Wasser
löslichen Theile von den unlöslichen zu trennen; eine dunkelbraune Flüssigkeit lief
langsam durch das Filter; ich werde sie im Folgenden Mistbrühe nennen. Sie enthält eine wandelbare Quantität kohlensaures
Ammoniak, welches man durch Destillation daraus erhalten kann. Säuren bringen in der
Brühe reichliche braune Niederschläge hervor, während die davon sich abscheidende
Flüssigkeit beinahe gänzlich entfärbt ist.
Ich goß Salpetersäure in schwachem Ueberschuß in Mistbrühe, und nachdem ich den
gefärbten Bodensaz von der beinahe farblosen Flüssigkeit durch das Filter getrennt
hatte, wurde leztere mit Reagentien geprüft; durch oralsaures Ammoniak und
Chlorbaryum wurde sie kaum getrübt; salpetersaures Silber aber bildete einen
Niederschlag von Chlorsilber. Kalkwasser in Ueberschuß erzeugte einen leichten
flokigen Niederschlag, den ich als phosphorsauren Kalk erkannte. Eine Portion
derselben, beinahe farblosen Flüssigkeit gab beim Abdampfen Krystalle von
salpetersaurem Kali, vermengt mit salpetersaurem Ammoniak. Die Mistbrühe, durch
Weinsteinsäure gefällt und filtrirt, liefert während des Fortschreitens der
Abdampfung eine beträchtliche Menge doppelt-weinsteinsauren Kalis, vermengt
mit doppelt-weinsteinsaurem Ammoniak.
Um die in der Mistbrühe enthaltenen Substanzen von einander zu trennen, dampfte ich
sie bis zur Honigconsistenz ab und behandelte sie dann mit Alkohol von 32° Baumé, welcher
nur eine lichtgelbe Farbe annahm, während eine reichlich vorhandene schwarze Materie
der Auflösung widerstand. Von dieser lezteren spreche ich bald. Die geistige
Flüssigkeit, durch Erwärmen zur Syrupsdike concentrirt, lieferte durch freiwillige
Verdunstung Krystalle von Chlorkalium und eine stark (wie eine Seifenauflösung durch
das Einblasen mit einer Röhre) schäumende bräunliche Mutterlauge. Diese stark
alkalische Mutterlauge enthielt eine wahrhafte Seife mit Ueberschuß von Kali und
Ammoniak, zum Theil mit Kohlensäure verbunden. Verdünnte Schwefelsäure brachte darin
ein sehr lebhaftes Aufbrausen hervor und schlug eine sehr fein zertheilte, gelbliche
Fettsubstanz daraus nieder, welche, gesammelt und ausgewaschen, wachsähnlich war.
Ich komme nun auf die schwarze Substanz der abgedampften Mistbrühe zurük, welche
sich nicht in Alkohol auflöste. Sie enthielt fast alle auflöslichen Bestandtheile
des Mistes.
Diese Substanz ist getroknet, schwarz, zerbrechlich und verändert sich nicht an der
Luft. Kaltes Wasser löst sie leicht auf und gibt damit eine dunkelbraune
Flüssigkeit, welche geröthetes Lakmuspapier wieder bläut und von Kalkwasser,
Barytwasser und den löslichen Erd- und Metallsalzen gefällt wird.
Dieselbe Substanz, in einem Tiegel zum Rothglühen gebracht, hinterläßt eine schwer
verbrennende Kohle. Zulezt bleibt eine geschmolzene Masse zurük, welche die
Eigenschaften des kohlensauren Kalis besizt.
Mit Aezkali behandelt gibt sie einen ammoniakalischen Geruch von sich. Aus dem
Bisherigen geht schon hervor, daß die in Alkohol unauflösliche, schwärzliche
Substanz der Mistbrühe eine Verbindung von Kali und etwas Ammoniak mit einer braunen
Säure ist. Folgendes sind die Eigenschaften dieser lezteren: aus der erwähnten
Verbindung oder der Mistbrühe mittelst einer Säure niedergeschlagen und gut
ausgewaschen, röthet sie das Lakmus. Getroknet ist sie schwarz, spröde und hat
Achatglanz; in diesem Zustand hat das Wasser gar keine Wirkung darauf, im
Hydratzustand aber ertheilt sie dem Wasser eine hellbräunliche Farbe. Alkohol zeigt
gar keine Neigung sie aufzulösen; nur entzieht er ihr, wenn sie eben frisch aus
Mistbrühe gefällt wurde, ein wenig Fettsubstanz. Auf einem Silberblech erwärmt,
schwärzt sie dasselbe durch einen kleinen Schwefelgehalt, verbrennt mit Flamme und
hinterläßt eine okergelbe Asche. In verdünnten Alkalien löst sie sich ungemein
leicht auf und neutralisirt sie. Auch löst sie sich in Kali-Bicarbonat auf,
welches sie zersezt. Die Auflösung dieser Säure in überschüssigem Ammoniak lieferte
mir, zur Trokne abgedampft, eine ammoniakalische Verbindung mit vorherrschender Säure, welche in
kaltem Wasser sehr auflöslich war, blaues Lakmuspapier röthete, und woraus Kali
Ammoniak entwikelte. Dieselbe Säure ist auch, vorzüglich mit Hülfe der Wärme, in
Essigsäure löslich. In der Kälte löst sie sich in Salpetersäure auf, welche sie
dunkelbraun färbt. Wasser bringt in dieser Flüssigkeit einen kermesrothen
Niederschlag hervor. Wird die salpetersaure Lösung erhizt, so erzeugt sich
Welter'sches Bitter, welches den Fischseim schwach fällt. Die braune Säure des Mists
liefert bei der Destillation ein in Alkalien lösliches braunes brandiges Oehl und
eine alkalische wässerige Flüssigkeit, welche mit Säuren braust und kohlensaures
Ammoniak enthält.
Der kohlige Rükstand von dieser Destillation, mit Kali gehörig geglüht und dann mit
Wasser behandelt, gab eine Lauge, aus welcher Salzsäure etwas Schwefelwasserstoff
entwikelte; schwefelsaures Eisenoxyd brachte hierauf einen Niederschlag von
Berlinerblau darin hervor. Aus diesen Eigenschaften der braunen Säure des Mistes
ersieht man, daß sie sich von der Ulminsäure (Ulmin, Humussäure) unterscheidet, da
sie viel Stikstoff zu enthalten scheint, und überdieß in Alkohol völlig unauflöslich
ist; ich kann sie nur mit Boullay's Azulminsäure
vergleichen, welche übrigens nicht immer identisch ist mit der durch freiwillige
Veränderung der Blausäure entstehenden schwärzlichen Substanz, deren saure
Eigenschaften von Thenard bestritten wurden. Jedoch
möchte ich nicht behaupten, daß die braune Säure des Mistes nicht auch etwas
Ulminsäure enthalte.
Ich habe nun noch den in Wasser unlöslichen Theil des Buttermistes zu untersuchen.
Ich rührte eine bestimmte Quantität desselben mit Wasser an; es schied sich
zuvörderst grober Quarzsand ab. Das in einem Tuch ausgepreßte Gemenge ließ mehr oder
weniger veränderte Strohhalme zurük; gut ausgewaschen, waren dieselben von
dunkelbrauner Farbe und hatten die Eigenschaften des Torfs; sie gaben nämlich, mit
schwacher Kalilösung behandelt, eine braune Flüssigkeit, aus welcher Säuren
Ulminsäure fällten. Das Product ihrer Destillation war sauer und enthielt wenig
Ammoniak. Die beim Auspressen durch das Tuch gegangene trübe Flüssigkeit sezte,
einige Tagelang sich überlassen, einen erdigen Bodensaz ab, klärte sich aber
durchaus nicht; es war darin eine dunkelbraune, sehr fein zertheilte, torfartige
Materie suspendirt, welche durch das Filter, das sehr bald davon verstopft wird, nur
sehr schwierig davon getrennt werden kann. Diese Substanz, welche nach dem Troknen
glänzend erscheint, unterscheidet sich von den erwähnten, in Torf umgewandelten
Fasern nur durch ihre außerordentliche Zartheit. Sie löst sich in Kali theilweise
auf, wobei man
Ulminsäure erhält und gibt auch bei der Destillation ein saures Product.
100 Theile braunen Buttermistes enthalten nach meiner Analyse folgende
Bestandtheile:
1. Wasser
72,20
2. kohlensaures Ammoniak, wandelbare Menge,
unbestimmt.
3. azulminsaures Kali, mit etwas
azulminsaurem Ammoniak
1,15
4. wachsähnliche Fettsubstanz verbunden mit
Ammoniak undKali
0,08
5. kohlensaures Kali
0,06
6. Chlorkalium
0,21
7. in Torf umgewandelte Strohhalme
12,40
8. der vorigen ähnliche, höchst fein
zertheilte Torfsubstanz
3,63
9. kohlensauren Kalk
3,30
10. phosphorsauren Kalk
0,45
11. groben Quarzsand
3,00
12. unbestimmte erdartige Substanz
3,52
13. schwefelsaures Kali, phosphorsaures Kali, Spur.
––––––
100,00.
Hienach scheinen mir die zur Beförderung der Vegetation wesentlich beitragenden
Bestandtheile der sogenannten braunen Butter das azulminsaure
Kali und die in Torf umgewandelten Strohhalme zu seyn; da aber diese
Torfsubstanz sich so häufig vorfindet und meistens gar nicht benuzt wird, so ließe
sie sich mit großem Vortheil zur Bereitung gefaulten
Mistes (fumier consumé) verwenden, ohne
daß man zu dem Vieh seine Zuflucht zu nehmen braucht.
Das azulminsaure Kali anbelangend, bietet dessen Bereitung gar keine Schwierigkeit
dar, indem man nur in einem gußeisernen Gefäße eine concentrirte Kalilösung mit
irgend einer gehörig zertheilten animalischen Substanz, wie Fleisch, Leder, Horn
etc. kochen zu lassen, und dann unter beständigem Umrühren die Temperatur zu
steigern braucht, bis die geröstete Masse eine anfangende Schmelzung erfährt, wie
ich zur Umwandlung von Holzsägespänen in Ulmin angegeben habe.Annales de Chimie et de Physique, 2e série, t. XII, pag. 190. Da der analysirte Mist aber nur einen geringen Kaliüberschuß enthält, so muß
man darauf sehen, daß der künstlich zu bereitende nicht viel mehr enthalte; im
entgegengesezten Fall könnte man diesem Fehler vielleicht durch Gyps abhelfen; dieß
müßte jedoch mit Umsicht geschehen, weil das azulminsaure Kali von den erdigen und
Metallsalzen zersezt wird; man braucht nämlich in dasselbe nur eine wässerige Lösung
von schwefelsaurem Kalk zu schütten oder Gypspulver hineinzurühren, um eine
vollkommene Zersezung desselben zu bewirken. Diese Thatsache scheint mir die
Aufmerksamkeit der Landwirthe zu verdienen, weil sie beweist, daß der Gyps, in zu großer Menge angewandt, den Mist zersezt.