Titel: | Ueber die Patentschwanzschraube mit besonderm Bezug auf die Büchse. |
Autor: | Schmeling Diringshofen |
Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. LX., S. 264 |
Download: | XML |
LX.
Ueber die Patentschwanzschraube mit besonderm
Bezug auf die Büchse.
Ueber die Patentschwanzschraube mit besonderm Bezug auf die
Büchse.
Wenn gleich die Büchse bisher, sowohl als Jagd- wie als Kriegswaffe, in ihren
Leistungen jedes andere Handfeuergewehr übertroffen hat, so drohen die
Zündnadel-Einrichtungen ihr doch beinahe diesen ersten Plaz streitig zu
machen, indem namentlich für den Krieg ein Zündnadelgewehr – wenn auch mit
Aufopferung einer größern Menge Munition – in derselben Zeit dieselbe,
vielleicht eine größere Wirkung als die Percussions büchse hervorbringen wird. Es liegt aber in der Theorie der
Büchsenconstruction, daß jeder einzelne Schuß sicherer als aus dem glatten Gewehr
ausfallen muß; und die Idee liegt sehr nahe diesen Vortheil so zu benuzen, daß die
Büchse auch im Ganzen ihr Uebergewicht über das
Zündnadelgewehr behaupten möchte.
Die einfachste Einrichtung wäre, die Büchsen auch zur Zündnadelzündung einzurichten,
welches aber nur durch Laben von hinten einen wirklichen Vortheil geben könnte, der
eben im schnellern Laden bestände. Alle bisherigen Erfindungen für diese Ladeart,
wenn sie zu Anfang auch noch so praktisch erscheinen, leiden aber sämmtlich an
demselben Fehler, daß nämlich der hintere Verschluß des Rohrs nach einiger Zeit
wandelbar werden muß, welcher Umstand auch wohl schwerlich durch irgend eine
Erfindung, die die nöthige Einfachheit besizt, beseitigt werden wird.
Es sind zwar ebenfalls Erfindungen gemacht worden, welche auf das schnellere Laden
der Büchse von vorn hinzielen: die Kugel nämlich mit Spielraum zu laden, so daß das
ganze Laden so schnell wie beim Infanteriegewehr von Statten geht. Einige Erfinder
haben nicht versäumt hierüber eine Theorie aufzustellen, die Sache mit einem Nymbus von
Gelehrsamkeit und Gründlichkeit zu umgeben; sie auf mathematische Grundsäze
zurükzuführen, sie mit mathematischer Genauigkeit darzuthun, so daß derjenige, der
mathematische Säze nicht versteht, davon vollständig geblendet werden muß. Prüft man
die Sache genauer, so erstaunt man über den Unsinn, der in die Welt geschikt wird,
und doch fürchten muß von Männern geprüft zu werden, die doch etwas, wenn auch nur
die ersten Grundsäze der Mathematik, verstehen.
Wenn man nun bedenkt, daß troz dieses Unsinns von niedergesezten Commissionen, solche Erfindungen als vortrefflich
anerkannt wurden, wenn man ferner bedenkt, wie häufig solche Prüfungen ohne
Vergleich angestellt werden, so begreift man allerdings wie oft Dinge, die keinen
haltbaren Grund haben, sich lange Zeit erhalten können oder von andern ohne weitere
Prüfung geglaubt werden. Selbst das gründliche und so vortreffliche Werk von Glünder spricht sich deutlich für den Kriegsgebrauch bei
Büchsen, für Kugeln mit Spielraum aus, weil unglüklicherweise bei den vergleichenden
Versuchen, auf die sich dort bezogen wird, die Büchsen fest eingespannt waren, auf
welche Weise es gar kein Wunder wäre, wenn die paffenden gepflasterten Büchsenkugeln
geradezu ein schlechteres Resultat als die Kugeln mit Spielraum gegeben hätten,
indem der beim festen Einspannen durchaus gehinderte Rükstoß eine Vibration im Rohr
hervorbringt, die auf die streng passende Kugel einen nachtheiligern Einfluß, als
auf diejenige mit Spielraum üben muß.
Es liegt in der Natur der Dinge, daß eine von den Zügen und Balken (Feldern) streng
geführte Kugel im gewöhnlichen Gebrauch einen sicherern Gang haben muß, als eine,
welche im Rohr Spielraum hat. Ein Pflaster, welches ein leichteres Laden gestattet,
kann der Kugel die Führung nicht geben, als führten Züge
und Balken die Kugel selbst.
Durch schnelles Laden von vorn wird die Sicherheit des Büchsenschusses verringert,
und es werden höchstens in derselben Zeit dieselbe Menge
Treffer erreicht, als mit der gehörig passenden Pflasterkugel. Ein Vortheil wird
daher gar nicht erreicht; nur dasselbe Resultat durch Aufopferung einer größern
Menge Munition – das Resultat wird theurer. Dann wird der Schüze durch das
Bewußtseyn schneller laden zu können, seinen Schuß nur zu leicht unvorsichtiger,
selbst weniger genau zielend, abgeben, als wenn er mit größerer Sicherheit auf
seinen Schuß zählen kann, von dem er weiß, daß er ihn schwieriger ersezen kann.
Somit wird durch die schwache Kugel das Resultat noch geringer und theurer. –
Die Wild'sche Büchse, das hannover'sche Schüzenrohr und ähnliche
Erfindungen schlagen in dieß Gebiet.
Andere haben einen anderen Weg zur Erhöhung des Resultats der Büchse eingeschlagen,
der, so lange leine praktische Ladung von hinten vorhanden ist, wohl der beste seyn
mag, indem sie die Sicherheit des Treffens der Büchse bis auf weitere Distancen zu
erhöhen suchten; wodurch der Büchsenschüze sein Feuer früher wirksam beginnen kann,
und die größere Sicherheit des Treffens kleinerer Punkte, als Köpfe u. dgl., sich
sehr natürlich für die nähern Distancen von 2–300 Schritt von selbst ergibt.
Es ist natürlich, daß die Einrichtung einer Büchse, die auf 2–300 Schritt
noch eine größere Wahrscheinlichkeit des Treffens solcher kleinern Punkte gibt, eine
noch größere Wahrscheinlichkeit für die gewöhnlichen Jagd- und
Scheibenentfernungen von 80–200 Schritten geben muß, so daß solche
Einrichtungen nicht nur für den Krieger, sondern auch für den Jäger und
Scheibenschüzen von Interesse sind. Hieher gehören die Versuche mit ovalen und
spizen Geschossen (denn Kugeln kann man sie nicht mehr nennen).
Es liegt in der Natur der Sache, daß solche Geschosse mit derselben
Anfangsgeschwindigkeit wie Kugeln abgeschossen, weiter
als diese fliegen können, daher auf gleich weite Distancen noch eine größere Kraft
als Kugeln zeigen. Es ist aber kein Grund vorhanden, welcher ihre Trefffähigkeit
erhöhen sollte. Im Gegentheil sprechen die Gründe für das Gegentheil, indem der
Schwerpunkt nun nie von jedem äußern Punkt gleich weit entfernt seyn, mithin kein
räumlicher Mittelpunkt existiren, ein solcher also nie mit dem Schwerpunkt
zusammenfallen kann, denn dieß kann nur bei der Kugelgestalt geschehen. Gegossene
Kugeln, wie jede aus Blei gegossene etwas compacte Gestalt, haben zwar stets einen
etwas hohlen Raum, dessen ungeachtet ist dieser bei vorsichtig gegossenen Kugeln vom
wenigst erheblichem Einfluß, indem der Schwerpunkt bei dieser Gestalt am nächsten
mit dem, oder überhaupt einem Mittelpunkt zusammenfallen kann. Die Erfindung der
erst gegossenen, dann gepreßten Kugeln erhöht diesen Vortheil noch, indem der hohle
Raum der Kugel sehr verringert, selbst auch aufgehoben wird, so daß Mittel-
und Schwerpunkt fast oder ganz zusammenfallen. Die Lage des Schwerpunkts hat bei
Geschossen aus glatten Gewehren aber aus höchst einfachen Gründen einen sehr großen
Einfluß auf die größere oder geringere Wahrscheinlichkeit des Treffens, und auch das
Büchsengeschoß wird – namentlich sehr bemerkbar auf weitere Distancen hin
– desto sicherer die gegebene Bahn verfolgen, je mehr Mittel- und
Schwerpunkt in einen Punkt zusammenfallen; denn je langsamer die Kugel ihre regelmäßige
Spiraldrehung vollführt, die Anfangs jede Unregelmäßigkeit der Kugel fast aufhebt,
um so mehr äußert jede der Unregelmäßigkeiten, also auch der verlegte Schwerpunkt
seine nachtheilige Wirkung. Dieses sind Gründe, welche sich stets der Einführung von
Geschossen, welche die Kugel ersezen sollen, entgegenstellen werden. Hieher gehört
die Beurtheilung derjenigen Versuche, wo Behufs des schnellern Ladens eine schwache
Kugel, oder sonst wie geformtes Geschoß geladen wurde, das man unten durch festes
Aufsezen mit dem Ladestok in die Züge drängte.
Es wurde z.B. der Franzose Gustav Delvigne mit seinem
spizen Geschoß in Berlin mit förmlichem Enthusiasmus aufgenommen, und die Zeitungen
verkündeten, welche Revolte dieß Geschoß mit der Waffe des Hrn. Delvigne wo möglich in der ganzen Kriegführung
hervorbringen würde. Es erhob sich in den Zeitungen ein Streit, wo die Delvigne'sche Partei das lezte Wort behielt, weil die Spener'sche Zeitung die lezte
Erwiederung der Gegner nicht aufnahm, also Partei genommen hatte. Die Sache war dann
zulezt die, daß die Resultate, die das Delvigne'sche
Geschoß und Gewehr gab, von der längst bestehenden preußischen Jägerbüchse erreicht
werden können und werden; wobei bemerkt werden muß, daß die Delvigne'sche Waffe viel länger als die genannte Büchse ist und mehr
Pulver bekommt; Umstände, durch welche die Resultate der preußischen Büchse schon
allein erhöht würden. In den Zeitungen wurde u.a. behauptet, daß mit der Delvigne'schen Büchse auf 1500
Schritt mit Sicherheit ein Pulverwagen in die Luft
gesprengt werden könne. Wenn nun an und für sich schon viele günstige
Umstände zusammentreffen müßten, wenn eine Bleikugel
Ein Anderer wendete eine Bleikugel mit stählerner Spize an. einen Pulverwagen in die Luft sprengen soll, so fragt es sich auf der andern
Seite, was mit dem Ausdruk: „mit einiger
Sicherheit“ gemeint sey. Es möchte die Behauptung: daß
überhaupt kein Feldhandfeuergewehr construirt werden kann, mit welchem man auf 1500
Schritt noch auf irgend einen sichern Schuß – Cavalleriemassen vielleicht
ausgenommen – rechnen kann, weniger unsinnig seyn, als mit Sicherheit auf
diese Distance einen Pulverwagen in die Luft sprengen zu wollen! Man hat alle diese
neuen Erfindungen probirt, sich aber nicht bewogen gefühlt, die bisherige Büchse
dafür wegzugeben, wie denn auch Delvigne aus Berlin
verschwand, ohne jenen Pulverwagen in die Luft gesprengt zu haben, ohne überhaupt
das zu erfüllen, was man von seiner Waffe ausposaunt hatte.
Indessen hatte das Delvigne'sche Gewehr eine Einrichtung,
die da zeigte, daß ihr Erfinder die Patentschwanzschraube zu benuzen verstand, indem er die ganze Pulverladung hineinthat. Es ist in
der That eigenthümlich, wie ewig lange man sich hiergegen gesträubt hat, wie noch
immer diejenigen Büchsen zu den Seltenheiten gehören, deren Kammer das ganze Pulver
faßt. Ohne eine solche Einrichtung gibt man einen großen Vortheil, den die
Patentschraube bietet, aus der Hand. Nur durch eine solche Einrichtung wird es
möglich, daß die Kugel beim Laden stets ohne Schwierigkeit an dieselbe Stelle
gebracht werden kann, wodurch sie stets einen gleichen
Raum zu durchlaufen hat. Ebenso kann es nur auf diese Weise bewirkt werden, daß das
Pulver nie mehr oder weniger zusammengedrükt wird, sondern daß es stets auf dieselbe
Weise liege. Hiedurch aber wird durchaus eine sich gleich bleibendere Verbrennung
herbeigeführt, wodurch ebenfalls ein gleichmäßigeres Resultat erzielt werden muß. Es
gibt so manche Umstände, welche dennoch ein verschiedenes Resultat hervorbringen,
über welche der Mensch nicht Herr ist, so daß die irgend zu beseitigenden störenden
Umstände gebannt werden müssen.
Zur Erreichung der oben angeführten Vortheile gehört allerdings, daß die Kammer an
ihrer Mündung einen etwas kleinern Durchmesser (etwa 0,06 Zoll) habe, als die Seele
des Rohrs (der runde Raum, den die Balken einschließen, so daß die Kammerwände oben
um 0,03 Zoll vor die Balken treten). Hierdurch wird die Kugel aufgehalten, und man
hat durch das Gefühl eine sichere Marke, wenn sie an ihrem Plaz angekommen ist; nur
ein ganz unvorsichtiges unsinniges Laden treibt die Kugel in die Kammer und hebt
jeden Vortheil auf. Kammern, deren Mündung nicht kleiner als das Kaliber des Rohrs
sind, bieten diesen Vortheil eben so wenig, indem die genaue und leicht erkennbare
Marke fehlt, wenn die Kugel sizt; eben so wenig ist diese vorhanden, wenn das Pulver
aus der Mündung hervorragt. Die beiden lezterwähnten Kammerarten geben deßhalb,
namentlich wenn die Büchse unreiner wird, welcher Umstand gleich näher erörtert
werden soll, bedeutendere Höhenabweichungen, da die Wirkung des Pulvers eine andere
wird, wenn es verschieden zusammengepreßt ist.
Eine Kammerform wie die oben beschriebene, mit den vorstehenden Wänden, bietet in der
angedeuteten Einfachheit für wenige, etwa 10–15, bei schwacher Pulverladung
vielleicht für mehr Schüsse eine große Sicherheit des Treffens, bald tritt aber ein
bedeutenderes oder geringeres Schwanken ein, und mit einigen 20–30 Schüssen
hört die Sicherheit des Treffens selbst schon für nähere Distancen größtentheils auf. Untersuchungen
ergaben, daß der Pulverschmuz, der durch die Kugel heruntergeschoben wurde, sich in
den Zügen, selbst vor den Balken so gehäuft hatte und verhärtet war, daß das Rohr
unten ein vollkommen glatter Lauf ohne Züge geworden war. Das Eisen der
Patentschraube verschloß die Züge und machte das Herabschieben des Pulverschmuzes
unmöglich. Etwas ähnliches passirt bei den Kammern, wo Pulver noch außerhalb
derselben im Lauf liegt; die Schraube verschließt die Züge wenigstens fast stets,
und es verlängert sich daher die Schmuzsäule in den Zügen. Bis dahin, wo die Kugel
kommt, wird dieser Schmuz unterhalb derselben nie weggeschoben und verhärtet sehr
bald, und immer weiter verschließen sich die Züge, sobald nur einmal die Kugel nicht
genau bis zu ihrer richtigen Stelle gebracht ist und nicht gleich auf den Brand
geladen wurde. Aus diesen Umständen ergibt sich die so häufig angewendete Regel:
nach mehreren Schüssen den Ladestok etwas weiter als die Marke angibt, aus dem Lauf
hervorstehen zu lassen, weil so viel Schmuz vorhanden sey, daß der Raum, den die
überstehende Marke des Ladestoks angibt, zwischen Kugel und Pulver von Schmu;
angefüllt sey. Dieß ist aber ein Irrthum, denn der in den Zügen sizende, verhärtete
Schmuz ist es nur, der die Kugel verhindert, weiter herab zu gleiten. Der
herabgeschobene Schmuz bildet unter der Kugel gewöhnlich einen Kranz. Es bleibt
hierbei jederzeit ein Luftraum zwischen Kugel und Pulver, und jedenfalls wird die
Gleichmäßigkeit des Schusses hierdurch gestört, die durch den wechselnden Raum, das
weniger oder mehr Festsizen der Kugel noch vergrößert wird. Man merkt dieß auf nahen
Distancen, wo es auch nicht auf möglichst genaues Schießen ankommt, weniger auf
weiteren, z.B. schon 200 Schritt bedeutend.
Jene Kammer mit den vorstehenden Wänden, gab bei den ersten Schüssen aber eine solche
Genauigkeit, daß man versuchte, sie auch auf viele Schüsse auszudehnen. Verschiedene
Einrichtungen wurden deßhalb erprobt, aber keine gab selbst die Vortheile, welche
die oben erwähnte bot, indem alle diese Einrichtungen auf Kosten der stets genau
gleichen Lage des Pulvers geschehen, so daß es leicht mehr oder weniger
zusammengedrükt werden konnte. Das Hauptaugenmerk war auf Fortschaffung des Schmuzes
durch das Laden gerichtet, das auch so vollständig geschah, daß ein Zusammenpressen
des Pulvers um so leichter wurde. Man kam endlich auf den Einfall, die oben erwähnte
Einrichtung ganz beizubehalten, um die Züge Anfangs in ihrer ganzen Tiefe sich in
die Kammer fortsezen, und sich hier etwa auf 1/4–1/2 Zoll auf die innere Wand
verlaufen zu lassen, und außerdem den scharfen Rand der Kammer oben convex ohne Kanten kurz
abzurunden (wie die Züge an der Mündung auszubrechen).
Durch diese Einrichtung wurde die zuerst erwähnte Sicherheit beibehalten. Die in die
Kammer fortgesezten Züge, wie das Abgerundete des Kammerrandes, gestatteten beim
jedesmaligen Laden (natürlich auf den Brand) den Schmuz bis genau hinter das
Kugellager zurükzuschieben. Die Form der Kammer, eine conische, gestattete dem
Feuerstrom nebenbei sich nach der Mündung der Kammer zu auszudehnen, wodurch der in
die Kammer geschobene, etwas vorstehende Pulverschmuz größtentheils mit
herausgeschleudert wurde, so daß die Kammerzüge sehr lange Zeit zur Aufnahme des
neuen Pulverschmuzes genügend offen blieben. Geschahen mit diesem Rohr über 100
Schüsse, und man schob die gepflasterte Kugel alsdann ohne Pulver zu laben,
herunter, nahm die Schwanzschraube heraus, so sah man wie sich der Schmuz hinter der
Kugel in den Zügen der Kammer gesammelt hatte; stieß man die Kugel heraus, so war
das Pflaster kaum schmuziger, als sey ein einziger Schuß aus dem Rohr gefallen, und
eben so rein zeigte sich das Rohr, man erblikte bis unten herab nirgend festgesezten
oder gar verhärteten Pulverschmuz. Diese stete gleichmäßige Reinheit des Rohrs,
ferner daß die Kugel stets genau an derselben Stelle lag, endlich daß die
Verbrennung des Pulvers stets möglichst gleichmäßig war, bewirkten nun eben die
lange anhaltende Sicherheit des Schusses.
Rohre, die früher mit einer gewöhnlichen Kammer, die etwa die Hälfte des
Pulverschusses aufnahm, nach einigen 20 Schüssen auf 200 Schritt durchaus kein sicheres Resultat ergaben, indem die weitesten
Abstände der Abweichungen 3 1/2 Fuß von einander standen, schossen mit der erwähnten
Einrichtung, nachdem schon 75 Schüsse hintereinander aus denselben gefallen waren,
noch durchaus mit derselben Sicherheit, als im reinen Zustande, so daß die von
einander entferntesten Abweichungen 18 Zoll aus einander standen.
Einige, und zwar die an den lezten Tagen gezogenen Resultate sind folgende:
Bemerkt muß werden, daß es bei den verschiedenen Schrauben dasselbe Rohr blieb, daß
so lange am lezten Tage mit jeder Schraube geschossen wurde, bis kein einigermaßen
nach dem Abkommen vorausgesagtes Resultat mehr erfolgte, worauf das Rohr für die
neue Schraube gereinigt wurde. Dieß unsichere Resultat trat mit der gewöhnlichen
Patentschraube mit einigen 30, mit der oben beschriebenen mit dem 116ten Schusse
ein, wo, nachdem vom Lösten bis 106sten Schuß auf 600 Schritt geschossen war, wieder
auf 300 Schritt geschossen wurde.
Angabe der durchschnittlichen Ringzahl ist zu berüksichtigen, daß 12 Ringe auf der
Scheibe waren, wovon der mittelste, 12 : 4 Zoll im Durchmesser hatte und daß jeder
folgende Ring um 2 Zoll im Radius größer wurde. Einmal ward überhaupt nur auf 100
Schritt geschossen; hier saßen bei der gewöhnlichen Patentschraube unter 17 Schüssen
die weitesten Entfernungen 18 Zoll auseinander, worunter allerdings ein ungewöhnlich
schlechter Schuß; bei den übrigen betrugen diese Entfernungen 12 Zoll. Die obige
Patentschraube warf 20 Kugeln auf den Raum eines Handtellers. Erstere Kammer gab
ohne jenen schlechten Schuß im Durchschnitt 8 mal 11 und 8 mal 10; die leztere im
Durchschnitt 3 mal 12 und 17 mal 11.
Schießen an den beiden
lezten Tagen.
Erster Tag:
Zweiter
Tag:
Wetter dunkel, naß, neblig.
Wetter schön, sehr wenig windig.
Die neue Patentschraube.
Die neue Patentschraube.
Die alte Patentschraube.
200 Schritt: Scheibe
von 6' Höhe und 4' Breite. Die Mannsbreite 16 Zoll.
24 Schüsse. Die größten Abweichungen
16 Zoll auseinander. Alle in
der Mannsbreite.Im Durchschnitt:
17mal 9 und 7mal 10.
30 Schüsse. Die
größten Abweichungen 18
Zoll auseinander. Alle in
der Mannsbreite.Im Durchschnitt:
13mal 9 und 17mal 10.
28 Schüsse. Die
größten Abweichungen 3 1/2
Fuß von einander.
24 Mannsbreiten.Im Durchschnitt:
7mal 7 u. 21mal 8.
300 Schritt:
Scheibe 6' Höhe und 4' Breite. Die Mannsbreite 16 Zoll.
34 Schüsse. Die größten Abweichungen 4
1/2 Fuß von einander.
19 Mannsbreiten.Im Durchschnitt:
6.
29 Schüsse. Die
größten Abweichungen 3' 10''
von einander. 24
Mannsbreiten u. einmal vorbei.Im
Durchschnitt: 5.
10 Schüsse. Die
größten Abweichungen 5 1/2
Fuß von einander.
3 Mannsbreiten.Im Durchschnitt:
3.
400 Schritt:
Scheibe 6' Höhe und 8' Breite. Mannsbreite 16 Zoll.
30 Schüsse, darunter 27 Treffer mit 12
Mannsbreiten.Im Durchschnitt: 3.
30 Schüsse mit 27 Treffern mit
14 Mannsbreiten.Im Durchschnittt: 2 und 3.
600 Schrittt:
Scheibe 6' Höhe und 20' Breite.
30 Schüsse mit 26 Treffern, darunter
13 auf den mittlern Raum von 6'
Höhe und 4' Breite und 22
auf den mittlern Raum
der Front, den eine
Section Infanterie einnimmt.
Der Grund, weßhalb man sich häufig gegen die Kammern, welche das ganze Pulver fassen,
erklärt, ist der: daß wenn man weniger Pulver nähme, ein Raum zwischen Kugel und
Pulver bliebe, wenn man mehr nähme, doch das Pulver vor der Kammer läge. Diese
Einwände sind nun unbestritten richtig; allein von diesem sogenannten Vortheil des
Zusezens oder Abbrechens können weder der Krieger noch der Jäger Gebrauch machen,
indem sie nie vorher wissen können, auf welche Distance sie schießen werden.
Jedenfalls gibt ein wie allemal dieselbe Pulvermenge den regelmäßigsten Schuß, die
größte Vertrautheit mit der Büchse. Das Zusezen und Abbrechen von Pulver kann nur
für den Scheibenschüzen Interesse haben, der auf ihm bekannte Entfernungen schießt,
und der Visir und Korn nicht zu benuzen versteht, oder nicht benuzen will.
Es gibt allerdings einen unangenehmen Fall, wo ein Zusezen
oder Abbrechen des Pulvers nöthig oder angenehm erscheinen möchte; wenn nämlich eine
neue Pulversorte weniger oder mehr Kraft als dasjenige äußert, mit dem man sich
eingeschossen hatte. Ein Pulver, welches aber merklich mehr oder weniger Kraft als
das Normalpulver äußert, wird in Armeen nicht angenommen, nicht ausgegeben, und eben
so wenig sollte der Jäger und Scheibenschüze ein solches Pulver überhaupt annehmen,
wo er sich bei obiger Einrichtung immer noch durch höher oder kürzer Halten helfen
kann, welches bei nicht geradezu unbrauchbarem Pulver auf Pirschdistance höchstens 2
bis 3 Zoll betragen darf.
Außerdem begeht man häufig den Fehler, die Büchsen mit viel zu schwacher Ladung
einzuschießen; denn ein starker Pulverschuß treibt die Kugel kräftiger, wodurch sie
alle störenden Einflüsse kräftiger und länger überwindet. Für die nähern Distancen
wird dadurch auch ein viel schwächerer Bogen erlangt, so daß der Visirschuß auf
gewöhnliche Pirschdistance gelegt werden kann, ohne daß das Ziel für kürzere
Entfernungen bedeutend anders bezielt werden müßte, um
getroffen zu werden. So wird bei einer gehörig starken Pulverladung noch annehmbar
verschiedenes Pulver, namentlich auf die nähern Distancen bis 100 und 120 Schritt,
eine weniger verschiedene Wirkung, als eine an und für sich schwache Pulverladung äußern. Es wird deßhalb
der ganze Vortheil dieser Kammer hauptsächlich bei den
Büchsen hervortreten, die naturgemäß für den möglich stärksten Pulverschuß
eingerichtet sind, wo ein Grad Pulver mehr oder weniger von Normalpulver überhaupt
kaum einen Unterschied im nicht zu entfernten Visirschuß hervorbringt, und die
überhaupt stets mit einer gleich bleibenden Ladung geladen werden müssen.
Was übrigens den mit Luft gefüllten Raum zwischen Kugel und Pulver betrifft, der bei
weniger Pulver entsteht, so wird dieser Raum in diesem
Fall über die Gebühr gefürchtet, wenn man auch nicht so weit, wie in der
neuern Zeit einige, gehen kann die da behaupten, der Zwischenraum zwischen Kugel und
Pulver schade überhaupt der Sicherheit des Rohrs nie. Diese lezte Behauptung ist
grundlos und unnatürlich, wo hingegen ein solcher Raum, der nur in der
Patentschraube vorhanden ist, bisher noch keinen Fall aufzuweisen hat, daß dadurch
dem Rohr irgend ein Schaden geschehen wäre. Das stärkere Eisen der Patentschraube,
ihr gehärteter Zustand, worin die Ausbreitung der Pulvergase sogleich im weitern
Rohr, sobald die Kugel gehoben ist, mögen vielleicht Gründe für diese Erscheinung
seyn. Die Delvigne'sche Kammer sollte einen Raum zwischen Kugel und Pulver lassen, der oft recht
beträchtlich war.
Man hört sehr häufig, daß Büchsen durch die Percussion den sichern Schuß verloren
haben, und diese Beschuldigung ist oft nicht in Abrede zu stellen, namentlich nicht,
wenn das Rohr einen starken (schnellen) Drall hat. Durch die Percussion ist die
Entzündung und somit auch die Verbrennung des ganzen Pulverschusses beschleunigt.
Die Kugel wird gleich von vornherein schneller vorwärts getrieben, und vermag
deßhalb dem starken Drall nicht gehörig zu folgen, und überspringt entweder die
Züge, oder wird doch so aus ihrer Bahn gerükt, daß andere Stellen als vorher von den
Balken geführt werden. Hiedurch wird die regelmäßige Drehung gestört und die Kugel
flattert.
Wie es nun überhaupt höchst wahrscheinlich ein ganz unrichtiges Bestreben ist, über
eine gewisse Gränze hinaus auf die möglichst schnelle Verbrennung des ganzen
Pulverschusses hinzuarbeiten, wie z.B. durch kugelförmige Kammern, Zündung in der
Mitte der Ladung etc., so ist dieß Bestreben bei der Percussionsbüchse geradezu ein
ganz verkehrtes, indem bei ihr nicht nur die (bis zur gewissen Gränze) größtmögliche
Anfangsgeschwindigkeit der Kugel, sondern auch die größtmögliche Sicherheit des
Treffens im Auge behalten werden muß, und dahin gehört ganz besonders, daß die Kugel genau
dem Spiralgang der Züge folge.
Es haben nun ebenfalls Versuche ergeben, daß hiezu eine lange, möglichst spize,
conische Kammer, wo die Entzündung ganz hinten stattfindet, ganz besondere Dienste
leiste. Die Kugel wird hiebei durch die möglich geringste Pulverkraft gehoben, und
schmiegt sich so genauer dem Gang der Züge an. Bei dem immer stärkern und schnellern
Verbrennen des Pulvers wächst auch die Schnelligkeit der Kugel, und folgt dann
gefügiger selbst dem schnellern Dralle. Mit solcher Kammer schossen Rohre auf 300
Schritt die Kugel so genau in die senkrechte Ebene der Seelenachse, daß das
Abweichen von einem 3 Zoll breiten senkrechten Strich nach dem Abkommen schon vor
dem Markiren angesagt werden konnte, während dieß bei Kammern, die ein schnelleres
Verbrennen zuließen, unmöglich war.
Man hat die Behauptung aufgestellt, daß solche Kammer nicht das ganze Pulver
kraftbringend verbrennen ließe, so daß die Kugel mit einer geringern
Anfangsgeschwindigkeit stiegen müsse. Dieß ist aber ein Irrthum, indem die Erfahrung
zeigt, daß dasselbe Pulver aus dieser Kammer die Kugel etwas höher, als aus einer
Kammer trieb, die ein schnelleres Verbrennen verursachte. Eine haltbare Theorie muß
hierüber aufgestellt werden können, doch daß bei der Menge unbewiesener
Pulverhypothesen die aufgefaßte gerade die richtige sey, möchte wohl ein Problem
seyn, weßhalb nur die Thatsachen angeführt werden sollen.
Ein Grund, den man häufig gegen die starken Ladungen anführt, ist der gefürchtete
starke Rükstoß; und da in einem Büchsenrohr die Kugel fester als in einem
Flintenrohr sizt, so äußert das wenigere Pulver im ersteren oft eine größere
Wirkung, als das mehrere in einem Flintenrohr, und man wagt selbst dem stärkeren
Büchsenrohr nicht die Pulvermenge wie dem schwächern Flintenrohr anzuvertrauen. Die
Benuzung der Vortheile, welche die Patentschraube bietet, gibt abermals die Mittel
in die Hand, der Büchse mehr Pulver zu geben, daß selbst der Rükstoß weniger fühlbar
wird, und dieß geschieht abermals durch die lange, möglichst spize Kammer. Hier
theilt sich der Rükstoß an den schrägen Flächen der Kammer in Rük- und
Seitenstoß: lezterer wird gegenseitig aufgehoben, und nur der verminderte Rükstoß
bleibt übrig.Ist allerdings auch nur eine Hypothese über die wirkliche Erscheinung. Jene früher erwähnten kugelförmigen und ähnliche Kammern sind nur erfunden,
um den Rükstoß zu vermehren, ohne die Schärfe des Schusses zu vergrößern. Jene
Fingerhutkammern, jene kammerartigen Aushöhlungen, die so sehr selten über die Hälfte
Pulverladung fassen, zeigen alle von unausgeführten Ideen, oder von Ideen, die nicht
ganz zur Reife gekommen sind.
Die hier näher behandelte lange spize Kammer, mit vor die Balken tretender Mündung,
deren Kante abgerundet ist, und worin sich die Züge Anfangs in ihrer ganzen Tiefe
fortsezen, und dann etwa auf 1/2 Zoll Länge in die innere Wand der Kammer verlaufen,
scheint sich durch sich selbst den Weg zur Aufnahme zu bahnen; es schreibt dieß
wenigstens der Büchsenmacher, der die Arbeiten bei dem Versuchen fertigte, indem er
von ganz unbekannten, fernen Leuten immer mehr Bestellungen für diese Kammer erhält.
Deßhalb glaubt der Entdeker derselben – denn Erfinder kann er sich nicht nennen, da er durch seine Versuche zulezt von
selbst auf diese Form gewiesen wurde – sie der Oeffentlichkeit übergeben zu
dürfen, ohne mehr zu versprechen, als was sich durch die Erfahrung ergab. Vielleicht
wäre i es der Mühe werth, ausgedehntere Versuche
anzustellen, wie sie vielleicht nur Staaten unternehmen können, die auch den meisten
Nuzen davon ziehen könnten, wenn ihre Büchsenschüzen nicht in Zukunft mit ihren
Resultaten hinter, etwa mit Zündnadelgewehren bewaffneter Infanterie zurükbleiben
sollen.
Der Deutsche würde so zu sagen ein angebornes Uebergewicht über Nachbarnationen aus
der Hand geben, wollte er gänzlich für den Kriegsgebrauch auf die Büchse Verzicht
leisten. Des Deutschen Sache ist es aber auch sie zu vervollkommnen und ihr das
Uebergewicht über andere Waffen zu erhalten.
Vorstehende Angaben und Versuche können sich nun bloß auf Umänderung bestehender
Büchsen erstreken, die mit Beibehaltung des Schaftes, Schlosses und Rohres, das nur
hinten etwas abgeschnitten wird, so eingerichtet werden können. Bei Anfertigung
neuer Büchsen dürften indeß mehrere Gegenstände, namentlich in der Construction des
Rohres zu berüksichtigen seyn, die von wesentlichem Einfluß auf das weitere und
sichere Treffen hinzielen, worüber zu sprechen ich das gewählte Thema überschreiten
würde.
von Schmeling
Diringshofen.