Titel: | Ueber das sogenannte Anti-Chlor und dessen Anwendung in der Papierfabrication; von Dr. Kunheim. |
Autor: | E. D. |
Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. LXVIII., S. 314 |
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LXVIII.
Ueber das sogenannte Anti-Chlor und dessen
Anwendung in der Papierfabrication; von Dr. Kunheim.
Ueber das Anti-Chlor und dessen Anwendung in der
Papierfabrication.
Bekanntlich ist eine der Hauptoperationen bei der Fabrication des Schreib- und
Drukpapiers das Bleichen der Papiermasse im Holländer. Von dem Bleichen hängt die
Weiße des Papiers ab, an welche Eigenschaft in der jezigen Zeit der technischen
Fortschritte sehr große Ansprüche gemacht werden.
Die Chorbleiche bietet das Mittel dar, diesen Ansprüchen zu genügen, aber je
kräftiger die Wirkung des Chlors ist, um so sorgfältiger muß das überschüssige
Chlor, so wie die durch dasselbe gebildete Salzsäure aus der Papiermasse wieder
entfernt werden, damit man sicher seyn könne, daß das Papier nach Jahren nicht an
Haltbarkeit, noch der Druk oder die Schrift an Deutlichkeit verlieren.
So mannichfache Wege schon eingeschlagen worden sind, um dieses Ziel zu erreichen, so
viele Mittel zu dem erwähnten Zwek in Vorschlag gebracht und ausgeführt worden sind,
so hat sich doch keines als praktisch bewährt, und man ist immer wieder darauf
zurükgekommen, die oben erwähnten, dem Papier schädlichen Stoffe, das Chlor und die
Salzsäure bloß durch wiederholtes hinreichendes Auswaschen zu entfernen. Dieses
Auswaschen führt aber den Nachtheil mit sich, daß das dabei
angewendete Wasser bei der Wiederholung jeder Operation einen kleinen Theil
Papiermasse mit aufnimmt und fortspült; darum wenden allzusparsame
Fabrikanten leicht zu wenig Wasser an.
Diesem Uebelstand ist jezt durch die Einführung des sogenannten Anti-Chlors
abgeholfen, von welchem Präparat auf der deutschen Gewerbe-Ausstellung zu
Berlin Muster in Krystallform von der chemischen Productenfabrik der HHrn. Kunheim und Comp. in Berlin ausgestellt waren.
Das Anti-Chlor besteht aus einfach-schwefligsaurem Natron, und sein
technischer Name Anti-Chlor zeigt gleich seine Bestimmung an. Ein sehr
geringer Zusaz des aufgelösten Salzes zur Papiermasse im Holländer reicht hin, um
das in derselben enthaltene schädliche freie Chlor zu binden und in unschädliches
Kochsalz zu verwandeln, wobei es selbst durch Zerlegung seiner Bestandtheile zu
einem eben so unschädlichen Salz, zu Glaubersalz wird.
Beide leicht löslichen Salze bedürfen nur eines sehr geringen Auswaschens, so daß die
Erfahrungen, welche bis jezt gemacht sind, dieses Verfahren als praktisch
beurkunden. (Berl. Gewerbe-, Indr. und Handelsblatt 1844, Bd. XIII S.
50.)
Zusaz.
Das Quantum Anti-Chlor, welches erforderlich ist, um das in der Papiermasse
enthaltene Chlor unschädlich zu machen, hängt natürlich ab:
1) von der Menge des zu bleichenden Stoffes,
2) von der Menge des angewandten Chlorkalks,
3) von der Zeit, während welcher der Stoff der Chlorkalk-Auflösung ausgesezt
war.
Wenn sogenannter Halbzeug gebleicht wird, jeder Holländer 60 bis 70 Pfd. Papierstoff
enthält und die angewandte Chlorkalk-Auflösung 4° Baumé hat,
sind auf jedes Pfund Chlorkalk-Auflösung an Antichlor-Auflösung von
21° Baumé erforderlich:
nach
1stündiger
Wirkung
auf den Stoff,
1/2
Pfund
Antichlor-Auflösung
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2 –
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1/4
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3 –
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1/5
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4 –
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1/6
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5 –
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1/7
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6 –
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1/8
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–
Dieses Verhältniß gilt nicht nur beim Bleichen in den Holländern, sondern auch wenn
man den Stoff in Bütten längere Zeit dem Chlorkalk-Bade aussezt.
Da die Wirkung des Anti-Chlors fast augenbliklich erfolgt, so ist es
vortheilhaft dasselbe so spät als möglich anzuwenden, also etwa 3/4 Stunden bevor
der Stoff fein genug gemahlen ist.
Auf folgende Weise kann man sich überzeugen, ob jede Spur von
Chlor aus dem gebleichten Stoff durch das Anti-Chlor entfernt worden
ist: man rührt 1/2 Loth Stärke mit einigen Lothen kaltem Wasser an, und gießt dann noch 1
Pfund heißes Wasser dazu; nachdem diese Stärke-Auflösung etwas erkaltet ist,
versezt man sie mit 1/2 Quentchen Jodkalium (Kali
hydriodicum). Mit dieser Auflösung von Stärke und Jodkalium betupft man den
zu untersuchenden Stoff; enthält er noch eine Spur Chlor, so entsteht eine
dunkelviolette Färbung, außerdem zeigt sich keine Veränderung. Die Erscheinung der
blauen Farbe ist also ein Beweis, daß der Papiermasse noch
Antichlor-Auflösung zugesezt werden muß.
Im Handel kommt jezt wasserfreies Antichlor vor; man
erhält solches (auf ähnliche Weise wie man Natron-Bicarbonat mittelst
kohlensaurem Gas und noch 1 Atom Wasser enthaltendem einfach-kohlensaurem
Natron bereitet), wenn man 1 Pfd. Sägespäne mit 3 Pfd. Schwefelsäure von 66°
Baumé in einem Glaskolben allmählich bis zum gelinden Kochen erhizt, das sich
entwikelnde Gas behufs seiner Abkühlung zuerst durch eine mit wenig Wasser versehene
Woulfe'sche Flasche und dann in den Raum zwischen dem eigentlichen und einem zweiten
durchlöcherten Boden eines cylindrischen Behälters leitet, worin 4 Pfd. wasserfreies einfach-kohlensaures Natron, etwa auf
mit Leinwand überspannten Eisenringen, schichtenweise übereinander ausgebreitet
sind.
E. D.