Titel: | Ueber die Ursache der Dampf-Elektricität; von G. A. Rowell. |
Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. LXXXV., S. 366 |
Download: | XML |
LXXXV.
Ueber die Ursache der Dampf-Elektricität;
von G. A.
Rowell.
Aus dem Edinburgh new philosophical Journal, Julius
– Oktober 1844, S. 347.
Rowell, über die Ursache der Dampf-Elektricität.
Nachdem die Ursache des Regens, der Verdampfung und Luft-Elektricität meine
Aufmerksamkeit jahrelang in Anspruch genommen hatten, suchte ich in zwei
Abhandlungen zu zeigen, daß die Verdampfung durch die Zunahme der Oberfläche der
Wassertheilchen in Folge der Expansion erzeugt wird, daß sie, indem sie so eine
größere Capacität für Elektricität erhalten, durch ihre elektrische Belegung (coating) schwebend erhalten werden, wie eine
Flintenkugel durch einen Korküberzug in Wasser schwimmend erhalten werden kann, und
daß bei niedrigen Temperaturen ohne Elektricität keine
Verdampfung stattfinden kann; daß der so in die Luft erhobene Dunst, wenn
er condensirt wird, mit Elektricität überladen und so schwebend erhalten wird, bis
die Ueberlast entweder als Bliz, oder auch unsichtbar zur Erde entweicht, wo dann
die zurükbleibende elektrische Belegung nicht mehr hinreicht, die Dunsttheilchen
schwebend zu erhalten und sie als Regen etc. niederfallen; und daß es möglich ist,
nach Belieben Regen hervorzubringen durch Emporbringen elektrischer Leiter an die
Wolken mittelst Luftballons, wodurch der Elektricitäts-Ueberschuß in den
Wolken in den Stand gesezt wird, zur Erde zu entweichen.
Die Entdekung der Dampf-Elektricität betrachtete ich als eine starke Stüze für
diese Ansichten; da aber seitdem Hr. Faraday
Polytechn. Journal Bd. LXXXVIII S.
226. eine Theorie derselben aufstellte, wonach die Dampf-Elektricität
durch die Reibung der Wassertheilchen verursacht werden soll, welche von dem an den
Seiten der Auslaßöffnung sich reibenden Dampf mit fortgeführt werden, so versuche
ich im Folgenden zu zeigen, daß die Dampf-Elektricität nicht durch Reibung,
sondern durch die Ausdehnung des Dampfs bei seinem Austritt aus dem Kessel erzeugt
wird, wobei derselbe Elektricität fortschafft und den Dampfkessel (wenn er isolirt
ist) negativ macht; der Dampf gibt bei seiner Condensation seine positive Elektricität
wieder ab. Die Erscheinungen bei Dr. Faraday's Versuchen stehen mit
dieser Hypothese nicht in Widerspruch.
Ein Versuch, welcher, wie ich glaube, gegen die Reibungstheorie spricht, ist
folgender: ein isolirter Draht wurde in den aus einer Glas- oder Metallröhre
tretenden Dampfstrom, einen halben Zoll von der Mündung der Röhre entfernt, gehalten
und blieb unerregt; in einer Richtung etwas weiter weg bewegt,
wurde er positiv, in der andern Richtung, der Röhre
näher gebracht, wurde er negativ. Auch fanden die HHrn. Armstrong und Pattison
Polytechn. Journal Bd. LXXIX S. 20,
25, 200, 205, 414; Bd. LXXXIII S. 271; Bd. LXXXVII S. 459; Bd. XC S. 175. bei ihren Versuchen die größte Elektricitäts-Entwikelung in einem
gewissen Abstand vom Kessel, in einigen Fällen 5 bis 6 Fuß davon entfernt.
Ich sehe nicht ein, wie diese Erscheinung stattfinden könnte, wenn die Erregung von
der Reibung der Wassertheilchen in der Röhre herrührte, da in diesem Falle die
stärkste Elektricitäts-Entwikelung an der Mündung der Röhre oder des Kessels
seyn müßte; mit der Hypothese aber, daß diese Erscheinung durch die Expansion und
Contraction der Dampftheilchen verursacht wird, stimmt sie ganz überein.
Alle über diesen Gegenstand angestellten Versuche zeigen, daß der Dampf innerhalb des
Kessels nicht elektrisch gemacht wird und die Elektricitäts-Entwikelung erst
bei seinem Austreten aus der Mündung der Röhre stattfindet. Hier tritt eine ungemein
starke Expansion des Dampfes ein; dabei nimmt er, im Verhältniß zur Ausdehnung
seiner Oberfläche, im selben Verhältniß wie der elektrische Zustand des Kessels,
oder vielmehr der Austrittsröhre, sein Maaß Elektricität auf. Ist der Kessel oder
die Röhre isolirt, so werden sie negativ; der Dampf ist es zu dieser Zeit auch; da
er sich aber sogleich condensirt, so wird er auf eine kurze Zeit neutral; bei
weiterer Condensirung aber und der daraus folgenden Abnahme seiner Oberfläche wird
der Dampf positiv elektrisch.
Die Ursache der Zunahme der Dampf-Elektricität durch Reibung liegt
wahrscheinlich darin, daß durch sie eine größere Quantität Dampf in Berührung mit
der Austrittsröhre gebracht wird; es wird dadurch ein größerer Antheil Dampf in den
Stand gesezt, seine elektrische Ladung aufzunehmen, als es der Fall seyn könnte,
wenn er aus einer runden glatten Oeffnung entwiche, wobei wegen der
Nichtleitungsfähigkeit des Hochdruk-Dampfes nur
die äußersten Theilchen der Dampfsäule ihre volle elektrische Ladung annehmen
können.
Die Gegenwart von Wasser in der Röhre kann die Elektricitäts-Entwikelung
erhöhen, da es die Verbindungs- und Austrittsröhre zu einem bessern Leiter
der Elektricität (von dem Kessel zur Mündung der Austrittsröhre) macht.
Daß die Austrittsröhre nothwendig ein guter Leiter seyn müsse, geht aus Dr. Faraday's Versuchen hervor, indem er sagt: „Wenn man eine
Metall-, Glas- oder eine in destillirtes Wasser gut eingeweichte
Buchsbaumröhre zum Auslassen des Dampfes benuzte, so wurde der Kessel gut
negativ und der Dampf stark positiv elektrisch; bediente man sich aber eines
Federkiels oder einer elfenbeinernen Röhre, so erlitt der Kessel kaum eine Veränderung und der Dampfstrom bleibt
ebenfalls neutral.“
Dieß muß der verschiedenen Leitungsfähigkeit der angewandten Röhren, nicht aber der
Verschiedenheit der von ihnen verursachten Reibung zugeschrieben werden, indem
Metall, Holz, wenn es gut in Wasser eingeweicht wird, und Glas nach seiner
Befeuchtung durch den Dampf gute Leiter werden und folglich den entweichenden Dampf
mit Elektricität speisen, Federkiele aber und Elfenbein Nichtleiter sind, und da sie
nicht gerne Feuchtigkeit annehmen, den Dampf nicht hinlänglich mit Elektricität
speisen.
Jede isolirte Substanz, in den aus Elfenbeinröhren oder Kielen tretenden Dampfstrom
gehalten, wurde negativ geladen, indem der Dampf sie eines Theils ihrer Elektricität
beraubte.
Daß aus einem Strom von Niederdruk-Dampf keine Elektricität erhalten werden
kann, ist der größern Leitungsfähigkeit des Dampfes in diesem Zustande zugeschrieben
worden, wodurch jede Elektricitäts-Entwikelung in dem condensirten Dampf
verhindert wird, indem die Elektricität, sobald einige Anhäufung derselben
stattfindet, wieder in den Kessel zurükgeleitet wird; sogar der Zusaz irgend einer
salzigen (oder sonst die Leitungsfähigkeit des Wassers verstärkenden) Substanz zu
Hochdruk-Dampf verhinderte die
Elektricitäts-Entwikelung.
Die Abwesenheit von Elektricität (bei Dr. Faraday's Versuchen), wenn das
Kessel-Ventil abgehoben war, ist schwer zu erklären, da die HHrn. Armstrong und Pattison die meisten ihrer früheren Versuche an
den Sicherheitsventilen mehrerer Dampfkessel anstellten und, wie Hr. Armstrong berichtet, einmal
„die Locomotive intensiv negativ wurde
durch reichliches Auslassen von Dampf aus dem Ventil.“ Vielleicht war
der geringe Druk in dem von Dr. Faraday angewandten Kessel daran Schuld.
Die Ursache, warum Terpenthinöhl, Olivenöhl etc. den Dampf negativ machen, kann ich
mir nicht erklären, glaube aber, daß jede Substanz, welche die Leitungskraft vom Kessel zur
Röhrenmündung bedeutend verringert, den Dampfstrom negativ macht, indem sie die
Dampftheilchen verhindert, ihre elektrische Ladung zu erhalten.
Die Zunahme der Elektricität mit der Zunahme des Druks im Kessel läßt sich erklären,
indem die Expansion des Dampfs bei seinem Austreten aus dem Kessel ebenfalls mit dem
Druke zunimmt.