Titel: | Untersuchung einer aus Indien kommenden, Purree genannten, gelben Substanz, aus welcher das Indischgelb bereitet wird; von John Stenhouse. |
Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. CI., S. 430 |
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CI.
Untersuchung einer aus Indien kommenden, Purree genannten, gelben Substanz, aus welcher das Indischgelb bereitet wird; von John Stenhouse.
Aus dem Philosophical Magazine, Nov. 1844, S.
321.
Stenhouse, Untersuchung des Purree.
Das Purree, die Substanz woraus man den bekannten
Farbstoff, das Indischgelb bereitet, wird aus verschiedenen Theilen Indiens und
China's in großer Menge in Großbritannien eingeführt. Gewöhnlich kömmt das Purree im
Handel in 3 bis 4 Unzen schweren Kugeln von äußerlich dunkelbrauner, gebrochen aber
innerlich tief orangegelber Farbe vor; unter dem Mikroskop betrachtet, bestehen
dieselben deutlich aus kleinen nadelförmigen Krystallen. Das Purree hat einen
eigenthümlichen, dem des Bibergeils sehr ähnlichen Geruch; dieß führte auf den
Glauben, daß es eine animalische Substanz sey und man nimmt vielseitig an, es
bestehe aus Bezoaren (Bezoarsteinen) von den Gallenblasen verschiedener Thiere, wie
des Kameels, des Elephanten, des Büffels etc. Eine andere vorwiegende Meinung ist,
daß es eine Ablagerung aus dem Harne einiger dieser Thiere sey. Aus Gründen, welche
einleuchten werden, halte ich das Purree für vegetabilischen, und nicht animalischen
Ursprungs. Meine Aufmerksamkeit wurde zuerst von Dr. Pereira darauf gelenkt, und durch die Güte der HHrn.
Warrington und de la Rue wurde ich in Stand gesezt,
mir eine Quantität davon behufs der Untersuchung zu verschaffen.
Das Purree ist weder in Wasser noch in Weingeist sehr löslich; die wässerige Lösung
desselben ist blaßgelb und völlig neutral. Auch Aether löst etwas davon auf und beim
Abdampfen der Lösung sezt sich eine glänzend gelbe krystallinische Substanz ab, die
sich schwach sauer verhält. Aezende Alkalien lösen einen Theil desselben auf; diese
Lösungen haben eine schöne satte gelbe Farbe, aber sogar beim Kochen mit Alkalien
entwikelt sich keine Spur Ammoniak aus dem Purree. Beim Verbrennen liefert das
Purree eine bedeutende Menge Asche, die hauptsächlich aus Talkerde besteht. Auch
enthält die Asche etwas Kali im kohlensauren Zustand und etwas Kalk, aber keine
Phosphorsäure. In den Säuren löst sich das Purree sehr schnell auf. Ich benuzte hiezu
gewöhnlich Essigsäure, worin es sich mittelst Erwärmen ungemein leicht auflöst. Die
Lösung ist von dunkler röthlichbrauner Farbe; beim Abkühlen sezt sie dunkelbraune
Floken ab, und wenn sie ein paar Tage lang stehen bleibt, zeigen sich sternförmig
gruppirte dunkelgelbe Krystalle in der Flüssigkeit, welche sehr widerlich schmeken.
Das beste Verfahren, um diese Krystalle in reinem Zustand zu erhalten, ist
folgendes:
Man löst das in kleine Stüke zerschnittene Purree in siedendem Wasser auf, welches
eine beträchtliche Menge Essigsäure enthält und filtrirt die Flüssigkeit, um die
unlösliche Materie abzusondern, welche hauptsächlich aus dunkelbraunen Floken und
einigen andern Unreinigkeiten besteht. Die klare Flüssigkeit wird so lange mit einer
Lösung von essigsaurem Blei behandelt, als dieselbe einen Niederschlag erzeugt, der
sehr voluminös und bräunlichgelb ist. Dieser Niederschlag wird gesammelt, mit kaltem
Wasser ausgewaschen und hierauf mittelst Schwefelwasserstoffs zersezt; er wird dann
wiederholt mit Weingeist gekocht, worin die Krystalle vollkommen auflöslich sind.
Beim Abkühlen der Flüssigkeit sezen sich die Krystalle in großer Menge ab; sie
bilden lange, flache, zu Sternen gruppirte Nadeln von dunkelgelber Farbe und starkem
Glanz. Lakmus wird sehr stark von ihnen geröthet; sie bestehen aus einer
Pflanzensäure, welche in der rohen Substanz (dem Purree) mit Talkerde verbunden ist.
Sie sind bei weitem noch nicht rein, sondern enthalten noch viel Talkerde, von
welcher sie sehr schwer zu befreien sind. Die Krystalle müssen nun in einer heißen
Lösung von kohlensaurem Natron aufgelöst und filtrirt werden. Wird diese Lösung mit
Salzsäure neutralisirt, so sezen sie sich beim Abkühlen der Flüssigkeit wieder ab.
Sie werden gesammelt, mit kaltem Wasser, in welchem sie nur sehr schwach löslich
sind, ausgewaschen, um die anhängende Salzsäure zu entfernen und durch Auspressen
getroknet. Nun müssen sie noch einmal in heißem Wasser gelöst und mittelst
essigsauren Bleies gefällt werden. Das Bleisalz wird durch Schwefelwasserstoff
zersezt und die Krystalle in heißem Weingeist aufgelöst. Die Krystalle sind nun bloß
noch schwachgelb und müssen durch fünf- bis sechsmaliges Krystallisiren aus
der geistigen Lösung weiter gereinigt werden. Sie sind dann beinahe ganz rein,
obwohl sie beim Verbrennen auf einem Platinblech noch eine Spur Talkerde
hinterlassen. Diese kleine Menge Talkerde vermochte ich sogar durch wiederholtes
Krystallisirenlassen dieser Säure aus dem Aether nicht zu entfernen.
Die Analyse dieser Substanz ergab im Mittel folgende Elementarbestandtheile:
Kohlenstoff
20 Atome
=
1500
55,30 Procente
Wasserstoff
9 –
=
112
4,20
–
Sauerstoff
11 –
=
1100
40,50 –
–––––––––––
2712
100,00 Procente.
C²⁰H⁹O¹¹ ist sonach die Formel für diese Säure,
welche ich vorläufig Purreinsäure nenne. In kaltem Wasser
ist sie nur wenig, in kochendem aber sehr leicht löslich und sezt sich aus lezterm
in langen dünnen seidenartigen Nadeln von blaßgelber Farbe ab. Alkalien, besonders
Ammoniak, ändern die Farbe dieser Lösung sogleich in ein schönes tiefes Gelb um. Die
Säure ist äußerst leicht löslich in heißem Weingeist, ihrem besten Lösungsmittel.
Wird dieser Lösung Wasser zugesezt, so fällt der größte Theil der Säure sogleich in
kleinen Krystallen nieder. Auch in Aether löst sie sich in Menge auf und sezt sich
bei der Verdampfung desselben in zu Sternen geordneten Nadeln ab. Der Geschmak
derselben ist anfangs süßlich und dann schwach bitter. Im äußern Ansehen hat sie
viel Aehnlichkeit mit dem Berberin, ist aber eher etwas blaßer von Farbe. Das rohe
Purree enthält viel von dieser Säure, beinahe die Hälfte seines Gewichts. Die
Purreinsäure wurde von mir auch sorgfältig auf Stikstoff untersucht; ich konnte aber
keine Spur davon entdeken. Diese Säure fällt nicht die Salze des Silbers, des Kalks,
des Baryts, Strontians oder der Talkerde, gibt aber einen intensivgelben
Niederschlag mit dem essigsauren Blei. Ihre Verbindungen mit den Alkalien sind sehr
löslich und schwach krystallinisch. Die Sättigungscapacität derselben ist sehr
gering, indem schon ein paar Tropfen eines Alkali's einer concentrirten Lösung der
Säure hinzugesezt, ihr eine alkalische Reaction ertheilen. Wird die Purreinsäure mit
einem Alkali neutralisirt, so gibt sie glänzendgelbe Niederschläge mit den Lösungen
der meisten Basen, z.B. des Silbers, Kalks, Baryts, der Talkerde etc.; mit
schwefelsaurem Eisenoxydul gibt sie einen dunkelgrünen Niederschlag; diese
Niederschläge sind alle sehr flokig und ziemlich löslich, so daß sie schwierig von
gleichförmiger Beschaffenheit erhalten werden können. Das Salz, dessen ich mich zur
Bestimmung des Atomgewichts bediente, war das Bleisalz, und selbst mit diesem war es
mir sehr schwierig, befriedigende Resultate zu erhalten. Das Bleisalz wurde durch
Vermischen einer Auflösung von essigsaurem Blei in Weingeist mit einer geistigen
Lösung der Säure erhalten. Das Salz fällt als ein orangegelber, etwas gallertartiger
Präcipitat nieder. Derselbe wurde wiederholt mit Weingeist gekocht, worin er beinahe
unauflöslich ist, und mit heißem Alkohol gewaschen, bis aller Ueberschuß von
essigsaurem Blei entfernt war. Stark erhizt schmilzt das Salz und gibt Dämpfe von
sich, welche sich am Rande des Tiegels in langen glänzenden gelben Krystallen verdichten. Diese
Krystalle gaben bei den Analysen im Mittel folgende Resultate:
C
20
Atome
=
1500
36,5
Procente
Kohlenstoff
H
9
–
=
112
2,7
–
Wasserstoff
O
11
–
=
1100
26,8
–
Sauerstoff
PbO
1
–
=
1394
34,0
–
Bleioxyd
–––––––––––––
4106
100
Aus diesen Analysen gebt hervor, daß das Bleioxyd sich mit der Säure verband, ohne
ein Atom Wasser zu verdrängen. Das erechnete Atomgewicht der Säure dieses Salzes ist
2712, die gefundene Zahl ist 2662. Die Purreinsäure bildet nur ein einziges Salz mit
dem Blei und dasselbe Salz wurde auch mit basisch essigaurem Blei erhalten.
Wird Purreinsäure bedeutend über 212° F. (80° R.) erhizt, so schmilzt
sie, und wird die Hize noch verstärkt, so beginnt sie zu sublimiren. Das beste
Verfahren, diesen Sublimat in glänzendgelben Krystallen von 1 bis 1 1/2 Zoll Länge
zu erhalten, besteht darin, eine Quantität der unreinen Säure vorsichtig aber
ziemlich stark in Mohr's
Sublimirapparat zu erhizen. Ein großer Theil der Säure verkohlt zwar dabei, aber
eine Portion schöner großer Krystalle kann man leicht erhalten, welche sich
größtentheils an die untere Seite des Diaphragma's anlegt. Diese Krystalle sind
keine Purreinsäure, sondern ein neutraler Körper, welcher Lakmus nicht röthet.
Derselbe ist in sauren sowohl als alkalischen Flüssigkeiten nur schwach löslich, so
wie auch in Wasser, Alkohol und Aether. Seine geistige Lösung fällt das neutrale
essigsaure Blei, salpetersaure Silber und den salzsauren Kalk und Baryt nicht, gibt
aber mit dem basisch essigsauren Blei einen gelben schleimigen Niederschlag.
Die Analyse ergab folgende Zusammensezung:
C
13 Atome
=
975
68,42 Procente
Kohlenstoff
H
4 –
=
50
3,62 –
Wasserstoff
O
4 –
=
400
27,96 –
Sauerstoff
–––––––––––––
1425
100,00
Diese Substanz ist ziemlich schwer zu verbrennen; ich schlage den provisorischen
Namen Purrenon für dieselbe vor. Sie gleicht in der Art
ihrer Bildung einigermaßen dem Alizarin; beide sind neutral und werden durch
Sublimation schwach saurer Farbstoffe erhalten. Auch durch Sublimation des Bleisalz
kann das Purrenon dargestellt werden. Auf einem Platinblech verbrannt, hinterläßt es
keinen Rükstand.
Wird Purreinsäure mit Salpetersäure von gewöhnlicher Stärke kalt behandelt, so löst
sie sich ohne sichtbare Zersezung auf. Mit Beihülfe der Wärme aber wird sie unter reichlicher
Entbindung von Salpetergas schnell zersezt. Verjagt man die Salpetersäure durch
mäßiges Abdampfen zur Trokne im Wasserbade, so erhält man eine krystallinische
Säure, welche weit löslicher ist als die Purreinsäure und die Haut oder Papier
dunkelgelb färbt. Wird ihre concentrirte Lösung mit Kali neutralisirt, so fällt ein
röthlichgelbes Salz in ziemlich großen Nadeln krystallisirt nieder; beim Erwärmen
detonirt es und scheint daher Stikstoff zu enthalten. Ich besaß zu wenig von dieser
Substanz, um ihre Untersuchung fortsezen zu können.
Kocht man Purreinsäure mit Mangansuperoxyd, so findet keine Einwirkung statt, wird
aber Schwefelsäure zugesezt, so zersezt sie sich mit Bildung von Ameisensäure. Wird
Purreinsäure mit geschmolzenem Aezkali stark erhizt, so löst sie sich mit glänzend
scharlachrother Farbe auf; neutralisirt man mit einer Säure, so verschwindet die
Farbe und die Purreinsäure fällt in eine harzige Materie verwandelt nieder.
Ich schließe mit der Bemerkung, daß ungeachtet aller Berichte vom Gegentheil das
Purree höchst wahrscheinlich der Saft eines Baums oder einer Pflanze ist, welcher
nach dem Auspressen mit Talkerde gesättigt und zur Consistenz, wie wir es erhalten,
eingedikt wird.