Titel: | Ueber ein neues Verfahren Kalkstein, Marmor etc. mittelst Schießpulver aus den Steinbrüchen auszusprengen; von Hrn. Courberaisse, Brüken- und Straßenbau-Ingenieur. |
Fundstelle: | Band 94, Jahrgang 1844, Nr. CII., S. 434 |
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CII.
Ueber ein neues Verfahren Kalkstein, Marmor etc.
mittelst Schießpulver aus den Steinbrüchen auszusprengen; von Hrn. Courberaisse, Brüken-
und Straßenbau-Ingenieur.
Aus den Comptes rendus, Okt. 1844, Nr.
17.
Verfahren Marmor etc. mittelst Schießpulver
auszusprengen.
Das neue Verfahren die Felsblöke auszusprengen besteht darin, die gewöhnlichen
kleinen Minenlöcher, welche cylindrisch sind und deren Dimensionen nur innerhalb
enger Glänzen verschieden seyn konnten, durch in Tiefe und Rauminhalt veränderliche,
beliebig große und der beabsichtigten Wirkung angepaßte Minen zu ersezen.
Ein erfahrner Minirer muß nach dem Volum, der Gestalt und der Natur der zu
gewinnenden Felsmasse die passendste Stelle und Größe der Minen zu bestimmen wissen,
welche die Hinwegräumung bewirken sollen.
Sind diese beiden Elemente bestimmt, so bohrt man zuvörderst an der für jede Mine
gewählten Stelle ein verticales oder geneigtes cylindrisches Minenloch, was auf die
gewöhnliche Weise durch Einschlagen immer längerer Minenstangen geschieht, und macht am Ende
dieses Loches eine beliebige Höhlung, entweder mittelst chemischer Agentien welche
das Gestein zerstören, oder durch mechanische Mittel.
Welchen Mittels man sich aber auch bedienen mag, so ist gewiß, daß man durch eine
große Quantität Schießpulver, welche man darin unterbringen kann, den Zwek auf eine
wohlfeilere Weise erreicht, als mittelst der kleinen cylindrischen Löcher, und dabei
weniger Unkosten für das Laden und Entzünden hat, als für eben so viel Pulver, wenn
es in kleine Löcher gebracht würde. Auch muß das Pulver in großer Masse, unter
ungeheurem Druk, besser brennen, mehr Hize erzeugen und bei gleichem Gewichte mehr
Kraft entwikeln.
Die Versuche, welche ich anstellte, haben meine Voraussicht mehr als gerechtfertigt.
Ich stellte dieselben in einem Kalkfelsen an, wo ich den Pulverraum mittelst eines
chemischen Agens (Salzsäure) erzeugte und die Einsezung des Pulvers kam bei weitem
nicht so hoch zu stehen, als mit kleinen Löchern.
Ich fand, daß die großen Minen die zwekmäßige Zertheilung des Gesteins nicht
überschreiten, welche sie vielmehr kaum erreichen, und daß sie zu dieser Zertheilung
alle natürlichen Spaltungen des auszubeutenden Felsens benüzen.
Die losgetrennten Massen, welche in größerm Verhältniß zunehmen, als die Kraft und
das Volum des Pulvers, werden nicht mehr weit weggeschleudert, sondern nur auf einen
kleinen Abstand geworfen.
Da die Gase des Schießpulvers außen erst anlangen, nachdem sie innen ihre ganze
Expansion erreicht haben, so bewirken sie keine Detonation.
Es wird sonach, bei gleichem Gewichte, das Pulver mit weniger
Unkosten eingesezt und mehr Kraft erzielt; ferner findet keine unnüze
Zertheilung des Gesteins, kein Umherschleudern und keine Detonation statt und es
geht folglich auch keine Arbeit dabei verloren; diese Vortheile waren es,
die ich von den großen Minen voraussah und nachher durch die Erfahrung bestätigt
fand.
Mechanischer Mittel habe ich mich zum Erweitern des untern Theils meiner Minenlöcher
bisher noch nicht bedient. Bei Kalkfelsen aber benuzte ich chemische Agentien mit
gutem Erfolg.
Das beste Agens, um Kalkfelsen anzugreifen, ist die Salzsäure, wegen ihres niedrigen
Preises und der großen Auflöslichkeit des Productes ihrer Einwirkung.
Der kohlensaure Kalk, aus welchem die Kalkfelsen gebildet sind, erfordert nach seiner
chemischen Zusammensezung 72 Proc. seines Gewichtes Salzsäure zu seiner Zersezung;
bedient man sich daher der im Handel vorkommenden Salzsäure von 1,20 Dichtigkeit,
welche 40 Proc. wasserfreie Säure enthält, so bedarf jedes Kilogramm kohlensauren
Kalks zu seiner Zersezung 1,80 Kilogr. dieser käuflichen Säure.
Ich versuchte dieses Verfahren bei compacten Massen sehr harten und schweren Marmors
von 2,70 Dichtigkeit; da jedes Liter leeren Raums (Höhlung) 1 Kilogr. Schießpulver
aufnehmen kann, würde es zu seiner Erzeugung 2,70 × 1,80 Kilogr., oder 4,86
Kilogram. Säure erfordern; der Versuch ergab 6 Kilogr., in Folge der Verluste aller
Art. Die Salzsäure kostet an den Orten ihrer Fabrication 10 bis 12 Frcs. per 100 Kilogr.; angenommen nun, daß sie mit dem
Transport und der Verpakung sich im Durchschnitt auf 20 Fr. stellt, so würde die
Erzeugung 1 Liters leeren Raums nur auf 1 Fr. 20 Cent., und in der Nähe der
chemischen Fabriken bloß auf 70 bis 80 Cent. zu stehen kommen; die mechanische
Reduction von 1 Liter harten Kalksteins zu Staub mittelst Minenstangen kostet 1 1/2
bis 2 Fr.
Ich beute seit 8 Monaten diese Marmormassen aus, wobei ich 20 bis 40 Meter hohe
Gräben (tranchées) in einen Engpaß am Ufer des
Lot (-Flusses) machte; ich ließ mehr als 80 Minen mit 4 bis 70 Kilogr. Pulver
per Mine sprengen. Ich will nun mein Verfahren dabei
und die erhaltenen Resultate kurz beschreiben.
Ich bestimme die Stelle und die für jede Mine erforderliche Pulvermenge sorgfältig
nach der Gestalt, Beschaffenheit und Masse des auszubeutenden Steinbloks, seinen
Spalten, seinem Siz und dem Plaz, wo ich will, daß der Schutt hinfalle.
An der gewählten Stelle sezen wir mit einem cylindrischen, größtentheils senkrechten
Loche an, welches mittelst gewöhnlicher Minenstangen gebohrt wird, die nur immer
länger genommen und je nachdem das Loch tiefer geht, mit hölzernen Heften angesezt
werden; man bringt täglich mit vier Arbeitern ungefähr 1,50 Meter Loch fertig.
Ist man mit dem Bohren des cylindrischen Loches fertig, so muß am Untertheil
desselben eine zur Aufnahme der gehörigen Menge Pulvers hinreichende Höhlung erzeugt
werden. Wir beginnen nun mit der Anwendung der Säure; zuerst gießen wir, behufs der
Reinigung des Lochs, 1 Liter Säure und 2 Liter Wasser hinein; die Flüssigkeit steigt
beinahe gänzlich als Schaum wieder heraus, welchen man beseitigt; diese Operation
dauert eine halbe Stunde.
Man gießt nun 1 Liter reine (unverdünnte) Säure auf dreimal, von Viertelstunde zu
Viertelstunde, ein, indem man jedesmal eben so viel Wasser zusezt, läßt dieß zwei
Stunden lang wirken und räumt dann das Loch wieder aus; die ganze Operation dauert
drei Stunden.
Am ersten Tag wird diese Operation fünfmal gemacht; man verbraucht 6 Kilogr. Säure
und erzeugt 1 Liter Höhlung.
Die folgenden Tage fährt man eben so fort, indem man immer mehr Säure und Zeit zur
Operation verwendet, je größer die Höhlung wird.
Wenn man z.B. 30 Liter Höhlung hat, so schüttet man 2 Liter reine Säure hinein, eben
so viel Wasser darauf, eine Viertelstunde später 1 1/2 Liter Säure mit eben so viel
Wasser, eine Viertelstunde darauf wieder und so fort, bis zwei Drittheile der
Höhlung angefüllt sind; man läßt drei bis vier Stunden wirken und räumt dann aus;
die Operation dauert vier bis fünf Stunden und wiederholt sich täglich drei-
bis viermal; man braucht 40 Liter Säure und macht 7 bis 8 Liter Höhlung.
Folgendes ist ein annäherndes Verzeichniß des jeden Tag erzeugten leeren Raumes und
der Vergrößerung des (Pulver-) Saks. Es wurde nur am Tage an den Höhlungen
gearbeitet; man könnte die Operation viel schneller vor sich gehen lassen, wenn man
unausgesezt und auch während der Nacht fortarbeitete.
Leerer Raum des Lochs bei 1 Meter Höhe
3 Liter
Am
1sten
Tag
erzeugt
man
1
Liter
Höhlung
und
der Sak
hat
4,00 –
–
2ten
–
–
–
1,20
–
–
–
–
–
5,20 –
–
3ten
–
–
–
1,50
–
–
–
–
–
6,70 –
–
4ten
–
–
–
4,90
–
–
–
–
–
8,60 –
–
5ten
–
–
–
2,50
–
–
–
–
–
11,10 –
–
6ten
–
–
–
3,60
–
–
–
–
–
14,70 –
–
7ten
–
–
–
5,20
–
–
–
–
–
19,90 –
–
8ten
–
–
–
7,30
–
–
–
–
–
27,20 –
–
9ten
–
–
–
10,00
–
–
–
–
–
37,20 –
–
10ten
–
–
–
12,80
–
–
–
–
–
50,00 –
–
11ten
–
–
–
16,00
–
–
–
–
–
66,00 –
Beeilt man die Operation und arbeitet Tag und Nacht, so
nimmt sie folgenden Gang:
Leerer Raum des Lochs bei 1 Meter Höhe
3 Liter
Am
1sten
Tag
erzeugte
Höhlung
3 Liter;
sämmtlicher
leerer
Raum
6 –
–
2ten
–
–
–
8 –
–
–
–
14 –
–
3ten
–
–
–
20 –
–
–
–
34 –
–
4ten
–
–
–
40 –
–
–
–
74 –
Wir gießen die Säure in das Loch mittelst eines kupfernen Trichters von 2 bis 3 Meter
Länge; ausgeräumt wird das Loch mittelst kleiner mit Ventilen versehener kupferner
Eimerchen, welche den Durchmesser des Lochs haben, 12 bis 50 Centimeter hoch und an
Bindfaden befestigt sind; endlich mittelst Wergbüscheln.
Die Flüssigkeit darf erst herausgeschafft werden, nachdem sie zu wirken aufgehört
hat, was leicht daran zu erkennen ist, daß wenn man von der ausgeschöpften
Flüssigkeit auf das Gestein schüttet, sie kein Aufbrausen mehr erzeugt.
Es ist manchmal der Fall, daß die Höhlung durch Spaltungen in der Felsmasse
Flüssigkeit hindurchläßt, entweder schon anfangs oder während der Operation; da nun
die Chlorcalcium- (salzsaure Kalk-) Lösung, welche herausgeschöpft
wird, dem Volum der eingegossenen Flüssigkeit entsprechen soll, so schüttet man,
wenn man an der Abnahme dieses Volums merkt, daß die Höhlung Flüssigkeit durchläßt,
Gypswasser hinein, bis die Spalten durch den Gyps verstopft sind und keine
Flüssigkeit mehr durchlassen; es gelang uns auf diese Weise immer, solche Höhlungen,
welche durchließen, zu verstopfen.
Ist der Pulversak fertig, so wird er mittelst der Eimer ausgeleert und mittelst
Wergpäkchen, welche man hineinbringt und darin umkehrt, ausgetroknet; man zieht
leztere mittelst eines am Ende einer langen Stange befindlichen Kräzers wieder
heraus.
Um zu laden, schüttet man das Pulver, welches man mit einer hölzernen Stange
feststoßt, zu zwei Drittheilen ein; sezt nun die ZündwurstWir bedienen uns mit Vortheil der zu Resan, von den HHrn. Bickfort verfertigten
Zündwürste in Paketen von 10 Metern, das Paket zu 10 Fr.; es sind dieß
Schnüre, deren Kern ein ununterbrochener Pulverfaden ist, welcher mit einem
Band spiralförmig umwunden und mit Theer überzogen ist. Wir finden diese
Zündwürste sehr vortheilhaft, selbst für die gewöhnlichen kleinen
Minenlöcher. ein, schüttet das andere Drittheil des Pulvers darauf, füllt das Loch mit
Sand voll, welchen man mit einer kleinen Stange einstampft, und zündet dann an.
Die Explosion hat einige Minuten darauf stattDer Zwischenraum zwischen dem Anzünden und der
Explosion hängt von der Länge der Zündwurst ab. und zwar ohne Licht, ohne Knall und ohne Umherschleudern der Masse; man hört
nur ein dumpfes Geräusch, vom Krachen des Felsens herrührend, und sieht bloß eine
plözliche Erschütterung der Masse, welche mit einem Mal jedoch nicht sehr hoch
aufgehoben, nach allen Richtungen zerklüftet und aus ihrem Zusammenhang gerissen,
zurükfällt; manchmal stürzen die auf solche Weise losgetrennten Massen mit Getöse
den Felsen hinunter; bisweilen, wenn das Lager, worauf sie sizen, breit genug ist,
werden sie nur aus dem Zusammenhang gerissen, bleiben aber auf ihrem Plaze, etwa wie
eine große, durchaus rissige Mauer von trokenen Steinen, die man mittelst starker
Winden sehr leicht wegräumen kann.
Unter den in den Abgrund des Lot (-Flusses), welchen wir ausfüllen sollten,
hinuntergesprengten Massen befanden sich Blöke von 4 bis 500 Kubikmetern.
Mit der Tiefe unserer Minen wechselten wir von 2 oder 3 Metern bis 9 oder 10 Meter,
mit der Breite der Vorderseite von 3 oder 4 Metern bis 10 oder 12 Meter; die Wirkung
erstrekt sich auf jeder Seite ziemlich eben so weit, wie auf der Vorderseite, wo das
Loch geladen wird.
Der Kalkstein war so hart, daß bei dem gewöhnlichen Verfahren, wenn es noch so
sorgfältig und sparsam ausgeführt wurde, der Kubikmeter auf 3 bis 4 Fr. zu stehen
kam, und dabei ging die Hälfte der Masse durch Hinabschleuderung in den Lot, der am
Fuße des Engpasses vorbeifließt, verloren, während mittelst unserer großen Minen der
Kubikmeter nur auf ungefähr einen halben Franc zu stehen kommt.
Ich führe hier speciell die Kosten einer unserer großen Minen an, welche bei einer
Tiefe von 5 Metern und einer 7 bis 8 Meter breiten Vorderseite 50 Kilogr. Pulver
enthielt.
Bohrung eines 5 Meter tiefen Loches, per Meter
4 Fr.
20 Fr.
Fertigung des Pulversaks, 1/4 von 10 Taglöhnen oder 2 1/2
Taglöhne zu 1 Fr. 60 Cent.
4 –
282 Kilogr. Salzsäure zur Erzeugung von 47 Liter Höhlung, per Liter 6 Kilogr., 100
Kilogr. zu 20 Fr.
56,40 –
Unkosten aller Art, Gypswasser, Werg etc.
1,60 –
–––––––
Kosten des Pulversaks für 50 Kilogr. Pulver
82 Fr.
50 Kilogr. Pulver, der Centner zu 200 Fr.
100 –
Unkosten für Probiren und Eindrüken, 5 Meter Zündstrik à 0,10 Fr., Sand,
Werg etc.
1 –
––––––
Kosten der Mine
183 Fr.
Wegräumung der losgetrennten Massen, Zertheilung der zu
großen Blöke, 5 kleine Minenlöcher eines à 3 Fr.
15 –
10 Taglöhne für die Arbeiter á 1,50
Fr.
15 –
––––––
Summe
213 Fr.
In runder Zahl 220
Fr.
Nun räumt eine solche Mine eine Masse von 5 bis 6 Meter Tiefe, 7 bis 8 Meter Breite
und 14 bis 15 Meter Länge weg, was im Mittel 500 Kubikmeter ausmacht; dadurch kömmt
der Kubikmeter auf 0,44 Fr., oder ungefähr 1/7 dessen zu stehen, was er bei
Anwendung der gewöhnlichen Methode gekostet hätte.
Ich werde auch noch die mechanischen Mittel zur Erzeugung von Pulversäken versuchen, um
zwischen beiden Verfahrungsarten mit Sicherheit eine Vergleichung anstellen zu
können.Die chemische Erzeugung der Pulversäke anbelangend, dürfte wohl keine andere
Steinart so leicht aufzulösen seyn, als der Kalkstein, womit der Verf. seine
Versuche anstellte, und auch keine andere Säure so wohlfeil anzuschaffen
seyn, als die Salzsäure; sollte aber die Bildung der Pulversäke durch
chemische Mittel auch vorerst nur auf die Ausbringung von Marmor Anwendung
finden können, so wäre auch dieß schon für die Technik ein namhafter
Gewinn.– x.