Titel: | Neues Verfahren zur Vertilgung der Blattwikler-Raupen an dem Weinstok; von Hrn. Raclet. |
Fundstelle: | Band 95, Jahrgang 1845, Nr. XLXLX., S. 146 |
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XLXLX.
Neues Verfahren zur Vertilgung der
Blattwikler-Raupen an dem Weinstok; von Hrn. Raclet.
Aus dem Moniteur industriel, 1844, Nr.
873.
Raclet's Verfahren zur Vertilgung der
Blattwikler-Raupen.
Wir entnehmen Folgendes auszugsweise einem der königlichen
Landwirthschafts-Gesellschaft zu Lyon von Hrn. Sauzey erstatteten Bericht:
Das von Hrn. Raclet schon vor zehn Jahren entdekte aber
erst neulich mitgetheilte Verfahren, die Blattwiklerraupe zu vertilgen, beruht auf
der von ihm gemachten Erfahrung, daß siedendes Wasser, auf den Weinstok gegossen,
unter der Rinde in das Seidennez eindringt, in welchem das Insect eingehüllt ist und
es augenbliklich tödtet. Die Commission der Landwirthschafts-Gesellschaft zu
Mâcon überzeugte sich nicht nur von der Wirksamkeit dieses Mittels, sondern
auch davon, daß die Weinstöke dabei nicht den geringsten Schaden leiden und im
darauf folgenden Jahre kräftigst fortwuchsen. Vor den Commissionen dreier
landwirtschaftlichen Gesellschaften stellte Hr. Raclet
seinen Versuch im Großen in einem Weingarten von 180 Ares in der Nähe von
Romanèche im Winter an und die Folgen desselben wurden das ganze Jahr
hindurch auf das Sorgfältigste beobachtet. Sein Verfahren dabei ist folgendes:
Er gießt siedendes Wasser auf jede Gabel des Stoks, fängt aber unterhalb der
Schoßreben (courson) an, um den treibenden Knospen
leinen Nachtheil zuzufügen. Das Wasser wurde zu diesem Zwek abwechselnd in zwei
Kesseln erhizt, wovon jeder auf einem besondern Ofen stand, und der eine Kessel
geheizt, während aus dem andern geschöpft wurde. Zum Ausschöpfen benuzte er eine
Kaffeekanne von 1 Liter Inhalt, die mit Saalbändern von Wollentuch umwikelt war,
damit keine Wärme verloren ging. Das Wasser wurde von Unten anfangend gegen Oben auf
die Stöke gegossen mit einer Geschwindigkeit, die darnach berechnet war, daß es
nicht aus dem Sieden kam und doch Zeit hatte, allmählich bis auf die lezte Rinde
einzudringen. Zu den 180 Ares wurden 12 Tage lang zwei Arbeiter gebraucht. Obwohl
diese Operation noch sehr mangelhaft vorgenommen wurde, zeichnete sich der
Weingarten bei dem zweiten Besuch, im Mai, doch höchst vortheilhaft durch die Fülle,
in welcher er dastand, gegen die ihn umgebenden aus. Auch zur Zeit der Fruchtbildung
wurden die übrigen Weingärten von demjenigen des Hrn. Raclet bei weitem übertroffen; bei lezterem war das Holz lang und stark,
die Trauben hatten die Blüthe bald überstanden, und ließen in voller Entwiklung eine
reiche Ernte hoffen. Dessenungeachtet waren noch Raupen zurükgeblieben, welche aber
die Vegetation nicht beeinträchtigten. Ein paar Tage fortgeseztes Abraupen im
Frühjahr hätte hingereicht um diejenigen verschwinden zu machen, welche der
Ausbrühung im Winter entgingen. Bei der Weinlese erhielt Hr. Raclet, obgleich der Hagelschlag in der Zwischenzeit über die Hälfte der
Trauben vernichtet hatte, doch noch 46 Hektoliter Wein, während seine Nachbarn auf
noch einmal so großem Flächenraum davon nur 8 oder 10 erhielten; der gebrühte
Weingarten lieferte somit den zehnfachen Ertrag.
Es war folglich dargethan, daß die Brühung im Großen anwendbar sey, daß sie viel
wohlfeiler zu stehen kommt, als jedes andere Abraupungsverfahren; daß sie weit
entfernt, dem Wachsthum zu schaden, es noch befördert, indem sie den Saft in die
Schoßreben zurüktreibt; endlich daß sie sehr wirksam ist, weil durch eine einzige
Operation, wenn auch nicht alle, doch bei weitem der größte Theil nicht nur der
Blattwikler, sondern auch alle andern Insecten, welche sich den Winter über in die
Rinde des Weinstoks verkriechen, dadurch vernichtet wird. Die sonst gegen alle
Abraupungsmethoden höchst mißtrauischen Bauern nehmen dieses Verfahren willig an,
mehr als 200 brachten es schon in Anwendung. – Zwei Arbeiter reichen
nöthigenfalls zu dieser Arbeit hin, einer der den Kessel heizt und kaltes Wasser
zuträgt, und einer der die Weinstöke mit dem siedenden Wasser begießt. Die Kosten
sind in verschiedenen Gegenden je nach dem Taglohn, dem Preise des Brennmaterials,
je nachdem Weinpfähle gebräuchlich sind oder nicht (indem diese auch durch siedendes
Wasser von den in ihren Sprüngen sich verkriechenden Raupen gereinigt werden müssen)
verschieden; jedenfalls aber lohnt der Erfolg die Einführung dieses Verfahrens, welches folgende
Vorstelle gewährt:
1) es ist bis jezt das wohlfeilste;
2) es muß zu einer Zeit ausgeführt werden, wo die jungen Blattwikleraupen und andere
dem Weinstok schädliche Insecten sich beisammen aufhalten und daher leichter auf
einmal zu tödten sind, und zwar zu einer Zeit, wo die Arbeiter leicht zu haben sind
und der Taglohn geringer ist;
3) es ist einfach, denn es bedarf keiner andern Vorsicht, als das Rebholz da nicht zu
brühen, wo es zunächst geschnitten werden soll, und da dieß am Ende der Zweige ist,
so wird die Operation nicht schwierig. Andererseits bringt das Brühen des alten
Holzes, wie es scheint, mehr Vortheile als Uebelstände, indem es der Entwiklung der
nachtreibenden Knospen Einhalt thut, dadurch das Auspuzen im Frühjahr vereinfacht
und die Kraft der beim Schneiden stehen gelassenen Schoßreben vermehrt.
Vorzüglich eignet sich dieses Verfahren für ausgezeichnete Weingegenden, deren
werthvolleres Product die Kosten leichter ertragen kann. Wir bemerken noch, daß eine
bedeutende Autorität, Hr. Graf v. Gasparin, dieses Verfahren ebenfalls anwandte und den erwünschtesten
Erfolg davon wahrnahm.