Titel: | Verfahren Cyankalium oder Blutlaugensalz zu bereiten, worauf sich Alfred Vincent Newton in London, am 13. Dec. 1843 ein Patent ertheilen ließ. |
Fundstelle: | Band 95, Jahrgang 1845, Nr. LXXVI., S. 293 |
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LXXVI.
Verfahren Cyankalium oder Blutlaugensalz zu
bereiten, worauf sich Alfred
Vincent Newton in London, am 13. Dec.
1843 ein Patent ertheilen ließ.
Aus dem London Journal of arts, Jan. 1845, S.
380.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Newton's Verfahren Cyankalium oder Blutlaugensalz zu
bereiten.
Diese Erfindung, welche dem Patentträger aus dem AuslandeWie es scheint aus Frankreich. A. d. R. mitgetheilt wurde, besteht in der Anwendung von Stikgas zur Bereitung von
Cyanverbindungen; das Stikgas erhält man durch Zersezung von atmosphärischer Luft
oder mittelst der aus den Bleikammern der Schwefelsäurefabriken entweichenden Gase.
Das neue Verfahren ist scheinbar einfach, wenn es aber vollkommen gelingen soll,
müssen nothwendig mehrere Bedingungen dabei erfüllt werden. Durch die vom Erfinder
angenommenen Methoden sind alle Schwierigkeiten beseitigt, welche bisher die
Anwendung des Stikstoffs der atmosphärischen Luft zur fabrikmäßigen Bereitung von
Cyankalium verhinderten.
Die verschiedenen Materialien, welche man bei dem Verfahren benuzt, sind:
1) Stikstoff. Es ist ganz gleichgültig, auf welche Weise
man sich das Stikgas verschaffte, wenn ihm nur keine oxydirenden Substanzen
beigemischt sind. Uebrigens braucht das Stikgas nicht vollkommen rein zu seyn; es
kann mit Kohlenoxyd, Wasserstoff Kohlenwasserstoff und anderen Gasen gemischt seyn;
die Gegenwart von Sauerstoff, so wie aller Substanzen welche solchen liefern können,
muß aber sorgfältig vermieden werden, weil derselbe das Cyan eben so schnell wieder
zerstören würde, als es sich gebildet hat. Dieser wesentlichen Bedingung läßt sich
auf eine ökonomische Weise durch Anwendung atmosphärischer Luft entsprechen, deren
Sauerstoff man in Kohlenoxyd verwandelt, bevor man sie mit dem schon gebildeten
Cyankalium in Berührung kommen läßt. Auf welche Weise dieß bewirkt wird, soll später
erklärt werden. Eine andere Stikstoffquelle bilden die aus den Bleikammern der
Schwefelsäure-Fabriken entweichenden Gase, nachdem man sie in einer Auflösung
von Eisenvitriol und von Kalkmilch gewaschen hat, um ihnen das Salpetergas und das
schwefligsaure Gas zu entziehen. Das so gewonnene Stikgas wird gerade so wie das
mittelst atmosphärischer Luft bereitete angewandt.
2) Kohle. Man hat bei dem neuen Verfahren sowohl mit
Holzkohle als Kohks, Steinkohlen, Torf etc. günstige Resultate erhalten. Holzkohle
in Stüken von der Größe einer Haselnuß ist jedoch das zwekmäßigste und geeignetste
Material.
3) Kohlensaures Kali oder Potasche. Die mehr oder weniger
innige Vermischung des Alkalis mit der Holzkohle, so wie die Verhältnisse beider,
haben einen großen Einfluß auf das Resultat. Am zwekmäßigsten ist es behufs der
Vermischung die Holzkohle mit einer concentrirten Auflösung von Potasche zu tränken
und dann zu troknen; das Gemenge darf jedenfalls nur in vollkommen trokenem Zustand
in die Retorten gebracht werden. In dem Verhältniß zwischen Alkali und Holzkohle
darf man eine gewisse Gränze nicht überschreiten; bei einem Ueberschuß von Alkali
bleiben die chemischen Zersezungen unvollständig und ein zu geringer Antheil
desselben ist in ökonomischer Hinsicht unzwekmäßig; je nach der verschiedenen
Dichtigkeit der Holzkohle kann man 25–100 Theile kohlensaures Kali auf 100
Theile Kohle anwenden. Benuzt man harte Holzkohle, so ist das geeignetste Verhältniß
30–50 Theile kohlensaures Kali auf 100 Theile Kohle, je nach der Intensität
der Hize in der Retorte. Das Stikgas muß immer in Ueberschuß angewandt werden, um
die Operation zu beschleunigen; doch muß man einen zu raschen Gasstrom vermeiden,
weil er einen Theil der schon gebildeten Cyanverbindungen, so wie auch einen Antheil
unreducirten Alkalis mit sich reißen und dieselben außer der Wirkungssphäre wieder
absezen würde. Am schnellsten und vollständigsten wird die Vereinigung des
Stikstoffs mit dem Alkali bewirkt, wenn man das Gas durch eine lange Säule
alkalisirter Kohle bei einem hohen Hizgrad und unter einem gewissen Druk treibt und
wenn dasselbe nur schwierig und mit beträchtlicher Reibung durch die Poren der
Holzkohle und die Zwischenräume ihrer einzelnen Stüke dringen kann; allen diesen
Bedingungen ist bei dem unten beschriebenen Apparat vollkommen Genüge geleistet.
Wir gehen nun auf die Construction und Behandlung des Apparats über. Dabei sind
besonders folgende Punkte zu beachten:
a) das Gemenge von Holzkohle und kohlensaurem Kali (oder
Natron) muß auf den möglich höchsten Hizgrad gebracht werden und zwar ganz
gleichförmig; ferner ist dafür zu sorgen, daß die mit den entweichenden Gasen
abziehenden Kaliumdämpfe nicht verloren gehen;
b) der Strom von Stikgas, welchen man durch die Poren
und Zwischenräume der alkalisirten Holzkohle treibt, muß ein stetiger seyn;
c) die Kohle darf während der Dauer des Erhizens und
ihres Abkühlens durchaus nicht mit Sauerstoff in Berührung kommen;
d) die Blutlaugensalz-Fabrication nach diesem
Verfahren muß ohne Unterbrechung fortbetrieben werden, nicht nur um an
Brennmaterial, Zeit und Arbeitskosten zu sparen, sondern auch weil die Ausdehnungen
und Zusammenziehungen des Apparats in Folge von Unterbrechungen der Arbeit, dessen
schnelle Zerstörung verursachen würden.
Fig. 32 und
33
stellen den Apparat in seiner einfachsten Form dar, mit einer einzigen Retorte. Fig. 32 ist
ein senkrechter Durchschnitt desselben durch die Mitte der Retorte und in der
punktirten Linie 1, 2 von Fig. 33; Fig. 33 ist ein
Querdurchschnitt desselben nach der punktirten Linie 3, 4 von Fig. 32. A, A ist das Mauerwerk des Ofens, wovon der Theil a, a stark und so regelmäßig als möglich erhizt wird.
B, B ist eine Retorte von feuerfestem Thon, welche
die Weißglühhize aushalten kann; an ihrem oberen Ende C
und am unteren C' ist sie offen; die beste Form für
dieselbe ist die elliptische, welche man aus Fig. 33 ersieht. Das
untere Ende C' der Retorte steht auf und wird durch den
Vorsprung einer zweiten ähnlich geformten gußeisernen Retorte (eines Refrigerators)
D, D gestüzt. Am Boden dieser lezteren ist ein
Extractor E auf geeigneten Lagern angebracht, welcher
von Zeit zu Zeit durch einen Arbeiter in Thätigkeit gesezt wird, um die cyanhaltige
Kohle in das Löschrohr zu schaffen, dessen Mündung in die Salzlösung taucht, welche als hydraulisches
Ventil wirkt und den Apparat vollkommen absperrt. F, F
ist das Rohr, welches die entweichenden Gase und Dämpfe in das Reservoir oder die
hydraulische Sperrvorrichtung G, G leitet; das untere
Ende des Rohrs F taucht in Wasser oder die Auflösung
eines Eisensalzes. H ist ein Rohr, aus welchem die
unverdichtbaren Gase mittelst einer Saugpumpe abgezogen werden.
Es ist klar, daß man die Strömung oder den Zug des Gases durch den Apparat, statt
durch Ansaugen oder Anziehen desselben, auch mittelst der Drukpumpe oder der
Compression des Gases bewirken kann; die beschriebene Methode erwies sich aber als
zwekmäßiger.
Fig. 34 und
35 sind
verschiedene Ansichten eines Apparats, welcher aus zehn Retorten besteht und mit
einer Luftpumpe und einer hydraulischen Sperrvorrichtung arbeitet. Fig. 34 ist ein
senkrechter und Fig. 35 ein horizontaler Durchschnitt des Apparats. I, I sind eiserne Pfannen oder Untersäze, in welche die
cyanhaltige Holzkohle geschafft wird: man hält dieselben beständig mit der Auflösung
eines Eisenoxydulsalzes oder mit Eisenoxydulhydrat, welches in Wasser zertheilt ist,
versehen, damit sich die einfache Cyanverbindung in dem Augenblik, wo sie in die
Flüssigkeit fällt, in eisenblausaures Salz verwandeln kann. Man kann auch ein Feuer
unter dieser Pfanne anschüren, um die Flüssigkeit zu erwärmen, wie aus Fig. 34
ersichtlich ist. J, J sind Feuerstellen oder Oefen, um
die Retorten B, B zu erhizen. Das Feuer muß mit großer
Aufmerksamkeit dirigirt werden; damit es nicht nachläßt und man folglich nicht der
Gefahr ausgesezt ist, daß die Retorten in Folge des Temperaturwechsels zerspringen,
hält man den selbstthätigen Speiseapparat J' des
Feuerraums beständig mit Brennmaterial gefüllt. Kohks sind als Brennmaterial den
Steinkohlen vorzuziehen, weil sie eine stärkere und gleichmäßigere Hize erzeugen.
K, K, K sind die Feuerzüge; M, M, M sind horizontale Züge, auf welchen die Pfannen P, P, P zum Troknen der alkalisirten Kohle angebracht
sind. Die aus den Retortenöfen entweichende Hize läßt sich auch noch benuzen, um die
Auflösungen des Blutlaugensalzes etc. abzudampfen. N, N
sind die Aschenräume der Feuerstellen. R ist das
Reservoir (mittelst der Rohre S mit der hydraulischen
Sperrvorrichtung verbunden) um die verdichteten Gase aufzunehmen.
Der Hergang im Apparat ist leicht zu verstehen. Die Retorte B erhält man beständig voll von alkalisirter Holzkohle und mittelst der
Luftpumpe L, Fig. 35, läßt man einen
stetigen Luftstrom durch die Materialien in der Retorte ziehen. Das anzuwendende Gas
kann entweder verbrannte
atmosphärische Luft (aus Stikstoff und Kohlenoxyd bestehend) oder gewöhnliche
atmosphärische Luft seyn, oder heiße atmosphärische Luft, wie man sie zum Speisen
der Hohöfen anwendet.
Bei den zwei beschriebenen Apparaten wird bloß atmosphärische Luft angewandt und der
in ihr enthaltene Sauerstoff durch die oberen Schichten alkalisirter Holzkohle in
Kohlenoxyd verwandelt. Da die Holzkohle aber in Ueberschuß ist, so veranlaßt dieß
keinen anderen Nachtheil, als einen entsprechenden Verlust von Holzkohle. Will man
denselben vermeiden, so muß man die atmosphärische Luft vorher durch eine Masse
brennender Steinkohlen oder Kohks leiten, so daß ihr der Sauerstoff entzogen wird,
ehe sie mit der alkalisirten Holzkohle in Berührung kommt.
Es wurde schon bemerkt, daß das Stikgas in Ueberschuß angewandt werden muß, um die
Operationen zu beschleunigen. Durch einen Apparat von den Dimensionen des in Fig. 32 und
33
abgebildeten werden per Minute 8–10 Kubikfuß Gas
gezogen. Wenn die Feuerung gleichmäßig und der Gasstrom regelmäßig ist, kann die
Retorte immer mit einem bestimmten Quantum alkalisirter Holzkohle in einer gewissen
Zeit beschikt werden. Sowohl der Beschikungs- als der
Herausschaffungs-Apparat (Extractor) lassen sich dann mittelst einer
Maschinerie treiben, wie man in Fig. 34 sieht, wo sich
eine lange Welle b längs des ganzen Apparats hinzieht
und mit Rollen c versehen ist, welche durch Riemen d, d getrieben werden, die über ähnliche Rollen e auf der Achse des Extractors E gehen. Will man den Beschikungs-Apparat selbstthätig machen, so
führt man einen Riemen von Rollen auf der langen Welle b,
b über ähnliche Rollen, welche mit dem Beschikungs-Apparat verbunden
sind.
Die Zeit, welche erforderlich ist, um das Alkali zu reduciren und in Cyankalium zu
verwandeln, steht in umgekehrtem Verhältniß mit der Intensität der Hize; bei einer
guten Weißglühhize sind zwei oder drei Stunden hinreichend, um fast alles Alkali in
Cyankalium zu verwandeln. Die Retorten mögen nun durch einen Mechanismus oder auf
andere Weise beschikt werden, so muß man darauf sehen, beständig voll zu erhalten je nach dem Gang des Extractors, welcher die
cyanhaltige Holzkohle in das Entleerungsrohr schafft, aus dem sie in die
darunter befindliche Salzlösung fällt; vorher kann man sie aber noch in der
eisernen Retorte abkühlen, indem man einen Theil derselben mit einer
Kaltwasser-Kammer Q umgibt, wie man
in Fig. 34
sieht. Die entweichenden Gase und Dämpfe werden mittelst der Luftpumpe L, Fig. 35, durch die Röhren
F, F
in die hydraulische
Sperrvorrichtung gezogen, wo sich die Dämpfe verdichten. Jede Röhre ist mit einem
Sperrhahn f versehen, um die Communication nöthigenfalls
abschneiden zu können.
Die Flüssigkeit im Untersaz oder der Pfanne (I, Fig. 34) muß
wie gesagt Eisenoxydulhydrat, in Wasser suspendirt, oder eine Auflösung von einem
Eisenoxydulsalz enthalten; lezteres kann schwefelsaures oder salzsaures etc. seyn,
je nach dem Kalisalz, welches man in Folge der Zersezung zu gewinnen vorzieht; das
Eisenoxydul oder dessen Salz muß aber im Verhältniß zum Cyankalium stets in
Ueberschuß vorhanden seyn, weil sich sonst lezteres schnell in ameisensaures Kali
und kohlensaures Ammoniak zersezen würde. Die Flüssigkeit in der Pfanne kann
übrigens warm oder kalt angewandt werden. Man kann sich leicht überzeugen ob sie
genug Eisen enthält: man tropft nämlich von der klaren Flüssigkeit eine Portion in
eine verdünnte Auflösung von Eisenvitriol; enthält sie genug Eisen, so entsteht ein
weißer Niederschlag ohne allen Stich in Roth; gibt hingegen die Flüssigkeit einen
braunrothen Niederschlag oder eine Mischung von Roth und Weiß, so fehlt es ihr an
Eisen. Nachdem man sich versichert hat, daß die Flüssigkeit einen schwachen
Ueberschuß von Eisen enthält, nimmt man die Holzkohle heraus, bringt sie in Bottiche
und laugt sie mit kaltem oder warmem Wasser vollkommen aus; die schwachen
Flüssigkeiten werden durch neue Holzkohle passirt, wodurch man sie leicht auf eine
Stärke von 20° Baumé bringt. Die Flüssigkeiten, welche diesen Grad
zeigen, können in die Abdampfpfannen gebracht und eingekocht werden, bis das
schwefelsaure Kali niederfällt; dasselbe wird dann wie gewöhnlich beseitigt und
ausgetroknet. Die zurükbleibende Flüssigkeit wird hierauf behufs der Krystallisation
in andere Gefäße abgezogen; anstatt sie abzuziehen, kann man aber auch das
Eindampfen noch weiter treiben, bis auch das Blutlaugensalz niederfällt und sich auf
ähnliche Weise absondert. Die kohlensaures Kali enthaltenden Mutterlaugen dienen zu
neuen Operationen. Die ersten rohen Blutlaugensalz-Krystalle werden
ausgewaschen und wie gewöhnlich umkrystallisirt.