Titel: | Ueber Brodbäkerei; von Dr. Ure. |
Fundstelle: | Band 95, Jahrgang 1845, Nr. CXV., S. 470 |
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CXV.
Ueber Brodbaͤkerei; von Dr. Ure.
Aus dem Supplement to Dr.
Ure's
Dictionary of arts, manufactures and mines, London 1844, p. 35.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Ure, über Brodbäkerei.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Brod-, Pasteten- und Zukerbäkerei
in Paris auf einen Grad der Vollkommenheit gebracht worden ist, welchen sie in
London niemals erreichte. Ich habe in London niemals Brod gesehen, welches in
Wohlgeschmak, Farbe und Textur mit dem französischen pain de
gruau den Vergleich aushielt; unsere Korn-Monopolgeseze sind die Ursache, daß wir
uns den geeigneten Weizen nicht verschaffen können, um zu mäßigem Preise die ächte
semoule (das fein gekörnte Weizenmehl) zu bereiten,
woraus jenes Brod gebaken wird. Deßhalb kann der plebejische bourgeois täglich seine Tafel mit einem schöneren Stük Brod zieren als der
reichste englische Edelmann. Das französische Verfahren beim Brodbaken ist kürzlich
von Dumas (in seinem Traité
de Chimie appliquée aux arts T. VI p.
409) ziemlich ausführlich beschrieben worden und verdient allgemeiner bekannt zu
werden.
Bei jeder Operation gibt der Kneter in den Baktrog den von einer früheren Operation
aufbewahrten Sauerteig; alsdann gießt er so viel Wasser darauf, als er aus Uebung
für nothwendig erachtet, und zertheilt den Sauerteig mit den Händen; hierauf
schüttet er in die flüssige Masse die zum Formen des Teiges bestimmte Menge Mehl.
Dieses Mehl fällt in den Trog von einer oberen Kammer mittelst eines leinenen
Schlauchs, welchen man umschlagt, wenn man den Mehlstrom aufhalten will.
Ist der Sauerteig angerührt, so gibt der Kneter allmählich das Mehl hinzu, indem er
von der Rechten zur Linken des Baktroges dasselbe vertheilt und vermengt. Hat er
nach und nach die ganze Masse durchgearbeitet, so beginnt er dieselbe Arbeit wieder
von der Linken zur Rechten. Diese Operationen nennt man frasage und contrefrasage. Hierauf unterwirft
der Arbeiter den Teig drei verschiedenen Bewegungen: er durchknetet ihn, um die
einzelnen Theile so genau als möglich zu vermengen und sezt dabei die noch nöthige
Menge Mehls hinzu; er theilt denselben in sechs oder sieben Stüke, die er nach und
nach auf dieselbe Weise durcharbeitet. Er nimmt ihn hierauf stükweise heraus und
durcharbeitet davon nur eine solche Menge, die er zwischen den Händen halten kann.
Hat er diese verschiedenen Theile geknetet, so vereinigt er sie wieder zu einer
einzigen Masse, die er mehrmals auf sie selbst umschlagt. Endlich hebt er sie zu
wiederholtenmalen empor, wirft sie mit Gewalt in den Trog und vereinigt sie an einem
der Enden, gewöhnlich an der linken Seite des Baktrogs.
Der Zwek dieser Operationen ist, ein inniges Gemenge des Mehls, Wassers und
Sauerteiges zu bewirken. Man muß es vermeiden daß irgend ein Theil des Mehls als
trokenes Pulver (sogenannte Klumpen, marrons) im Teig
zurükbleibt.
Der Kneter hat nun seine Arbeit an der Teigmasse beendigt und muß diese jezt zu Brod
formen. Er läßt sie einige Zeit ruhen und wirkt sie dann aus. Er breitet nämlich den
Teig auf einer Tafel zu Stüken von gehörigem Gewicht aus, rollt diese und bestreut
sie mit ein wenig
Mehl. Er wirkt alsdann jedes Stük noch einmal und legt es auf Bretter oder in
geflochtene Formen (pannetons), um es aufgehen zu
lassen. Ist das Mehl gut, der Teig gut gemacht und die Temperatur auf dem gehörigen
Grad, so heben sich die Teigkuchen beträchtlich und gleichförmig. Senkt sich aber
die Oberfläche, nachdem sie aufgegangen, auf einem großen Theil ihres Umfanges
wieder, so ist das Mehl von schlechter Qualität, oder es enthält
Kartoffelstärkmehl.
Sobald der Ofen warm und der Teig gehörig zugerichtet ist, schießt man diesen in den
Ofen ein. In den gewöhnlichen Baköfen kann die Temperatur nicht durchaus
gleichförmig seyn oder wenigstens die Gleichförmigkeit der Wärme nicht beibehalten
werden; denn während die Thür zum Einschießen geöffnet ist, kühlt sich der vordere
Theil ab und gerade auf diesem Theil bleibt das Brod eine kürzere Zeit. Dieser
Ursache sind nach Dumas viele von den Fehlern des
gewöhnlichen Brodes zuzuschreiben, welche durch die in der Musterbäkerei der
Gebrüder Mouchot
gebräuchlichen Oefen vermieden werden.
Fig. 54 ist
ein Haupt-Grundriß der vervollkommneten Bäkerei; die Speicher sind in den
oberen Stokwerken und man sieht sie hier nicht. b, b
sind die Baköfen (mit erhizter Luft); c die
Knetmaschine; d Plaz der Maschine, um das gebakene Brod
in ein oberes Magazin zu bringen; e gemeinschaftlicher
Raum für zwei Baköfen, auf welchem der Zugang zu den Herden ist; f Plaz des durch Hunde getriebenen Rades, welches die
Knetmaschine bewegt.
Fig. 55 ist
ein Längendurchschnitt des Bakofens mit erhizter Luft (four
aérotherme); A der Herd (Rost), worauf
man Kohks und selbst Steinkohlen brennen kann; B, B
gewölbter leerer Raum um den Herd, in welchem sich die Luft erwärmt, ohne mit den
Verbrennungsproducten in Berührung zu kommen. c, c
Canäle, in welche die Verbrennungsproducte (der Rauch) beim Austritt aus dem Herd
gelangen. D welches man in Fig. 56 sieht, ist der
Kamin, worin sich der Rauch sammelt, nachdem er in den Canälen c, c circulirt hat; E, E
freier Raum unmittelbar über den Canälen c, c und unter
dem Boden F, F des Bakofens. Durch diese Vorrichtung
erhält die schon erwärmte Luft, welche vom Raume B durch
die Züge c, c anlangt, noch die Wärme der Flamme, welche
in den inneren Canälen c, c circulirt; nachdem sich die
Luft im Raum E, E von Neuem erwärmt hat, steigt sie
durch die Züge empor und gelangt in den Bakofen F, F,
auf dessen Sohle die zu bakenden Brode gelegt werden. Die heiße Luft gelangt in den
Bakofen einerseits durch die Canäle a, a unmittelbar von
den Räumen (Reservoirs) B, B, B aus, andererseits durch
die Züge d, d von den Räumen E,
E aus. Der Boden (die Sohle) wird ebenfalls erwärmt durch Berührung mit der im Raum E, E enthaltenen heißen Luft, weil sich dieser Raum
unmittelbar darunter befindet. Die mit Feuchtigkeit gesättigte heiße Luft tritt aus
dem Ofen durch den Zug b, b und kehrt unmittelbar in den
Raum B, B zurük. G, G ist
ein verschlossener Raum gerade über dem Ofen, welcher einen Verlust an Wärme
verhindert; g Gewölbe der Feuerstelle.
Fig. 56 ist
ein Querdurchschnitt durch die Mitte des Ofens.
Fig. 57 ist
die Abbildung der Knetmaschine und zwar ein Längendurchschnitt durch die Achse
derselben. P, P ist der hölzerne, gut zusammengefügte in
drei Fächer getheilte Cylinder; in diese Fächer kommt der Teig oder der Sauerteig.
Im Innern der Fächer befinden sich hölzerne Stangen o,
o, welche den Teig zertheilen, wenn sich der Cylinder dreht. Ein Theil D des Cylinders kann sich an einem Scharnier öffnen, so
daß also Mehl eingetragen und der Teig herausgenommen werden kann. A, B, C Fächer der Maschine, wovon zwei bestimmt sind
das Mehl aufzunehmen und zu kneten, während im dritten der Sauerteig gemacht wird.
a, a Rolle welche ihre Bewegung vom angewandten
Motor erhält und sie mittelst des Getriebes b, und des
eingreifenden Rades c dem Cylinder mittheilt; d, d Schwungrad, um die Bewegung zu reguliren; g Bremse, um mittelst des Hebels h auf das Schwungrad zu wirken. i Träger des
Schwungrades. Es ist ein Gesperr vorhanden (welches man in der Abbildung nicht
sieht), um die Umläufe der Knetmaschine anzugeben; n
Querhölzer, welche leicht weggenommen werden können, wenn der Cylinder geöffnet ist;
sie dienen zum Zertheilen des Teigs, wenn die Maschine in Gang ist.
Jede der drei Abtheilungen der Knetmaschine Fig. 57 wird nach
Belieben mit zwei befestigten Querstangen versehen, die man aber leicht hinwegnehmen
kann, sobald der Cylinder geöffnet ist. Diese zwei hölzernen Stäbe bilden das
einzige Agens zum Durcharbeiten des Teiges.
Bei ununterbrochener Arbeit bereitet man im Fache A
beständig den Sauerteig; zu diesem Zwek gibt man hinein:
125 Kilogr.
gewöhnlichen Sauerteig,
67 –
Mehl,
33 –
Wasser,
––––––––
225 Kilogr.
Der bei der Knetmaschine angestellte Arbeiter schließt den Dekel derselben und sezt
sie in Bewegung; nach Verlauf von beiläufig sieben Minuten zeigt die Gloke einer
Zählmaschinerie an, daß die Zahl der Umdrehungen so weit ist, daß die Consistenz des
Teiges besichtigt werden
kann. Man öffnet zu diesem Behuf die Knetmaschine, und nachdem man sich von der
guten Beschaffenheit des Teiges überzeugt, oder noch Wasser oder Mehl hinzugethan
hat, wenn er weicher oder härter werden soll, so schließt man den Dekel wieder und
sezt wie das erstemal den Cylinder in Bewegung. Zehn Minuten nachher klingelt der
Zähler zum zweitenmal, und das Kneten ist beendigt. Die aus den beiden Fächern
erhaltenen 450 Kilogr. Sauerteig sind hinreichend um so viel Teig anzumachen, daß
damit abwechselnd jeder der beiden Oefen gespeist werden kann. Man nimmt hiezu 75
Kilogr. Sauerteig aus jedem der Fächer A und C und wirft ihn in das Mittelfach B. Die ganze Menge des Sauerteiges ist also 75 + 75 = 150 Kilogr.; dazu
fügt man 100 Kil. Mehl und 50 Kilogr. Wasser = 150, so daß das Fach B ein Gemeng von 300 Kilogr. bekommt. In jedem der
Fächer A und C wird die
frühere Menge wieder hergestellt, indem man 50 Kilogr. Mehl und 25 Kilogr. Wasser =
75 zusezt.
Alsdann sezt man den Cylinder in Bewegung und nach der Einrichtung des Apparats
begreift man, daß zu gleicher Zeit sowohl der Sauerteig in A und C, als auch der Teig in B geknetet wird; den lezteren besichtigt man nach
Verlauf von 7 Minuten gleichfalls, und endiget nach 17 Minuten beim zweiten
Glokenschlag des Zählers.
Man öffnet den Cylinder und streicht mit einer Kelle den Teig von den Wandungen und
den Stangen ab. Der ganze Teig wird hierauf aus dem Fache B herausgenommen; auch aus den Fächern des Sauerteiges nimmt man 150
Kilogr., zu welchen man 150 Kil. Mehl und Wasser sezt, um wieder 300 Kilogr. Teig
für den Ofen Nr. 2 anzumachen. Andererseits werden die von jedem Sauerteig
hinweggenommenen 75 Kilogr. wie das erstemal wieder ersezt u.s.f.
Das für jede Operation angewandte Wasser wird auf die gehörige Temperatur, d.h. auf
20 bis 24° R. in der kältesten und ungefähr auf 16° R. während der
heißen Jahreszeit gebracht, indem man zu gewöhnlichem Wasser die nöthige Menge
Wasser von 56 bis 60° R. aus dem über den Oefen angebrachten Behälter
mischt.
Dem bei jeder Operation zum Mehle im Fache B gesezten
Wasser werden vorher 200–250 Gramme frischer Oberhefe, wie man sie aus den
Brauereien erhält, beigemengt, nachdem man dieselbe gepreßt hat. Diese Menge ist
hinreichend, um die 300 Kilogr. Teig gehörig zum Aufgehen zu bringen. Sobald dieser
Teig, wie wir gesagt haben, aus dem Cylinder genommen ist, und während in demselben
die Arbeit fortgesezt wird, wiegt man die für jedes Brod bestimmte Menge ab und
wirkt sie auf der Tafel d aus, um ihr eine runde oder
längliche Form zu geben; mit dem Vorderarm oder mit einer Teigrolle wird die
Vertiefung eingedrükt, welche die aufgesprungenen Brode haben. Alle Teigstüke vom
Volumen der Brode zu 1 Kilogr., der sogenannten aufgesprungenen Brode (pains fendus), werden auf Leinwand gelegt, woran man
zwischen zwei Broden eine Falte emporrichtet; indem die Leinwand zuvor auf einem
Brette ausgebreitet worden ist, wird dieses auf solche Weise mit zehn bis fünfzehn
Broden beladen und auf Träger oder Stangen G, G welche
vor dem Ofen befestigt sind, gestellt. Alle diese Brode gehen mittelst der gelinden
Temperatur in dieser Bakstube leicht auf. Ist der Teig hinreichend aufgegangen, so
schreitet man zum Einschießen in den Bakofen (enfournement); diese Operation geschieht dadurch, daß man die Brode, eines
nach dem andern auf den hölzernen, mit Grieskleien, einem mit etwas feiner Kleie
vermengten Mehle, bestreuten Einschieber legt. Man reiht die Brode auf der Sohle des
Ofens so nahe als möglich aneinander, ohne daß sie sich berühren. Dieß ist sehr
leicht, indem man eine lange mit Gelenken und Brenner versehene Gasröhre in das
Innere des Ofens einführt, bei deren Licht man alle Theile desselben genau
besichtigen kann. Der Ofen wird zuerst auf mäßiger Hize erhalten, indem man die
Register verschließt; sobald aber der an ihm angebrachte Thermometer eine Temperatur
von 240–232° R. anzeigt, werden die Register geöffnet, um die
Temperatur auf ihren früheren Grad zu bringen, indem man die heiße Luft, welche von
den unteren Räumen aufsteigt, um die Feuerstelle herum in das Innere des Ofens
gelangen läßt. Ist das Baken beendigt, so bringt man neuerdings Gaslicht in den Ofen
und schreitet zum Herausnehmen (défournement).
Wurde die Temperatur ungefähr auf 240° R. erhalten, so wird das Baken von 300
Kilogr. Teig, den man zu Broden von 1 Kilogr. vertheilt hat, in 27 Minuten beendigt
seyn. Da das Einschießen 10 Minuten und das Herausholen ebenfalls 10 Minuten dauert,
so erfordert also jedes Baken 47 Minuten. Bringt man aber zufällige Verspätungen in
Anschlag, so kann man höchstens eine Stunde Dauer für jeden Ofen voll annehmen,
wobei man 260 Brode von 1 Kilogr. oder 6240 Kilogr. in 24 Stunden erzeugt.
Obgleich die äußeren Theile der Brode einer von den Wänden ausstrahlenden Wärme von
ungefähr 224–240° R. ausgesezt sind, wodurch sie jene Art
Caramelisirung (Röstung) erleiden, welche die Farbe, den Geschmak und die andern
specifischen Eigenschaften der Kruste hervorbringt, so erlangt doch die innere
Substanz der Brode, nämlich die Krume, niemals eine so hohe Temperatur; denn ein
Thermometer, dessen Kugel man in die Mitte eines Laibes stekt, zeigt nicht über
80° R. an.
Die Theorie des Brodbakens ist leicht zu verstehen. Das Weizenmehl verdankt seine
Vorzüglichkeit dem Kleber, welcher in so großer Menge in keinem anderen Getreide
vorkommt. Dieser Kleber bildet nicht, wie man bis zur lezteren Zeit angenommen hat,
die Häute des Gewebes der Getreidekeimhülle, sondern er ist in den Zellen dieses
Gewebes unter den oberen Schichten und bis zum Centrum des Korns eingeschlossen. In
dieser Beziehung ist der Kleber in einer dem Stärkmehl und den meisten unmittelbaren
Pflanzensubstanzen analogen Lage. Die anderen unmittelbaren Bestandtheile, welche
beim Brodbaken eine Rolle spielen, sind hauptsächlich das Stärkmehl und der Zuker;
sie wirken folgendermaßen zusammen:
Beim Anmachen des Mehls mit Wasser wird dieses vom Stärkmehl und Kleber chemisch
gebunden; der Zuker, das Albumin und einige andere lösliche Stoffe werden aufgelöst.
Das Kneten des Teiges bewirkt also, indem es diese Reactionen durch eine innigere
Mengung vervollständigt, die Gährung des Zukers, weil dadurch eine genaue Berührung
der Hefekügelchen mit der zukerigen Auflösung veranlaßt wird; die Dazwischenkunft
von Luft in Folge des Auswirkens trägt zur Begünstigung der Gährung, so wie auch zur
Vertheilung und Auflokerung des Teiges bei. Der abgetheilte und zu Broden geformte
Teig wird zwischen den Falten der Leinwand oder in bestreuten Bakschüsseln einer
gelinden Wärme in der Bakstube ausgesezt, und man begreift, daß diese Umstände die
Entwiklung der Gährung begünstigen. Dadurch nimmt besonders das Volumen aller
kleinen Teigmassen allmählich zu, denn in allen den Punkten, wo das gasförmige
Product der Zersezung des Zukers, die Kohlensäure nämlich, sich von einem zähen
Teig, worin der Kleber die verschiedenen Elemente mit einander verbindet, eingehüllt
befindet, bleibt jene eingeschlossen, häuft sich in den Höhlungen, wohin sie dringt,
an und vergrößert dieselben. Würde man diese Erscheinungen zu lange fortdauern
lassen, so würde der Ueberschuß des dazwischen gelagerten Gases die Consistenz des
Teiges zu sehr vermindern; man muß also den Zeitpunkt ergreifen, wo das Aufblähen
den gehörigen Grad erreicht hat, um das Auflokern des Teiges zu hemmen, indem man
ihn in den Ofen bringt. Sogleich nach dem Einschießen dehnt eine rasche Erhöhung der
Temperatur das eingeschlossene Gas aus und bringt einen Theil des Wassers zum
Verdampfen. Die Gährung wird dadurch aufgehalten und alle stärkmehlhaltige Substanz
zum Anschwellen gebracht.
Die Gährung einer kleinen Menge Zukers ist also bei der Bereitung des Brodes eine
nothwendige Erscheinung, aber diese Menge ist so gering, daß sie fast gar nicht
bestimmt werden kann. Man kann (nach Versuchen von Dumas) als Thatsache annehmen,
daß die bei der Gährung entwikelte Kohlensäure gänzlich im Brode bleibt und bei der
Temperatur des Bakens, d.h. bei 80° R., beinahe die Hälfte des Brodvolumens
selbst einnimmt. Daraus geht hervor, daß es nur 1/100 Zuker vom Gewicht des Mehls
bedarf, um die zur Bildung eines gut aufgegangenen Brodes nothwendige Kohlensäure
hervorzubringen. Welche Thorheit war es daher, als man vor zwölf Jahren in Chelsea
eine Bäkerei mit 20,000 Pfd. St. Unkosten errichtete, um den bei der Brodgährung
entwikelten Weingeist aufzufangen (Branntwein aus dem Brod zu gewinnen)!
Die nährende Kraft des guten Weizenmehls so wie auch des Brods steht in geradem
Verhältniß mit seinem Klebergehalt. Es ist daher sehr wichtig denselben bestimmen zu
können, was leicht und genau folgendermaßen geschehen kann: man läßt im Wasserbade
bei 60° R. 100 Gramme Brod (oder Weizenmehl) mit einem Aufguß von 100 Grammen
zerstoßener geleimter Gerste und 500 Grammen Wasser digeriren. Wenn das Jod die
Producte nicht mehr färbt (d.h. wenn alle Stärke in auflösliches Dextrin verwandelt
ist), sammelt man den Kleber auf Leinwand, wascht, troknet ihn bei 80° R. und
wiegt ihn. Farbe, Textur und Geschmak des Klebers müssen bei Beurtheilung des
Weizenmehls oder Brodes ebenfalls in Betracht gezogen werden.
Abgesehen von der Geschiklichkeit des Bäkers ist das Brod in seiner Güte auch je nach
seinem Wasser- und Klebergehalt verschieden. Vor wenigen Jahren wurde in
England ein Patent auf Brodbereitung (nach einer französischen oder deutschen
Erfindung) genommen, wonach man dünn gekochten Weizenmehl-Kleister anstatt
Wasser für die Vorläufige Teiggährung anwenden sollte. Durch diesen Kunstgriff
sollten aus einem Sak Mehl 104 Laibe, jeder zu 4 Pfd., gemacht werden können,
anstatt 94, welche man beim gewöhnlichen Verfahren erhält. Der gekochte Kleister
bewirkt nämlich, daß das Brod in diesem Verhältniß mehr Wasser zurükhält. Dieses
Brod mit gebundenem Wasser verdarb jedoch bei warmer Witterung sehr leicht, zum
Schaden der Bäker, welche sich auf diese Speculation einließen.
In Frankreich wird das Weizenmehl oft mit Kartoffelstärkmehl verfälscht. Diese
Verfälschung läßt sich durch das Mikroskop leicht entdeken wegen der eigenthümlichen
eiförmigen Gestalt und bedeutenden Größe der Kartoffelstärkmehl-Theilchen.
Durch das Mehl der weißen Feldbohnen bekommt das Brod eine rosenrothe Weinfarbe.
Verdorbenes Weizenmehl enthält oft gar keinen Kleber mehr, an dessen Stelle
Ammoniaksalze getreten sind; in diesem Falle entwikelt Kalk schon in der Kälte
Ammoniak aus dem Mehl. In schwach beschädigtem Weizenmehl oder Mehl, welches aus beschädigtem Weizen
gemahlen ist, hat der vorhandene Kleber keine Elasticität mehr und ist weicher als
im natürlichen Zustande. Deßhalb ist Boland's Kleberprobe schäzbar; sie besteht darin, daß man den Kleber
auf den Boden einer kupfernen Röhre legt, die man in den Bakofen (oder in ein
Oehlbad von 112° R. Temperatur) bringt. Die Länge des vom Aufblähen des
Klebers entstandenen Cylinders bestimmt die Güte desselben.
Ein französischer Sak Mehl, welcher 159 Kilogramme wiegt, liefert 102 bis 106 Laibe
von 2 Kilogrammen. Ein Pariser Laib Brod enthält mehr trokenes Mehl als ein Londoner
von demselben Gewicht, denn er hat wegen seiner Form und Textur mehr Kruste. Die
Krume verhält sich zur Kruste bei den Pariser langen Laiben (von 2 Kilogr. Gewicht)
wie 25 zu 75, oder 1 zu 3; bei den Londoner Laiben (von 4 Pfd. Gewicht) wie 18 oder
20 zu 100.
Dumas theilt folgende Tabelle mit:
Gewichteines
Sakes Mehl.
Zahlder
Brode.
Gewichtder Brode.
Gewichtszunahme, das Gewicht
des gewöhnlichen
Mehles = 1.
Verhältniß des
Gewichts destrokenem Mehls zum Gewicht des Brodes.
159 Kilogr.
102
202 Kilogr.
1,270
159
–
104
208 –
1,300
= 1 :
1,57
159
–
106
212 –
1,333
Man sieht also, daß der mittlere Ertrag vom Mehl für 100 Theile desselben 130
Kilogrammen Brod entspricht; und nimmt man an, daß gewöhnliches Weizenmehl 17 Proc.
Wasser enthält, so stellen sich 150 Brod als ein Aequivalent für 100 absolut
trokenes Weizenmehl heraus. Der ganze Laib enthält 66 Proc. trokene Substanz, und
die Krume nur 44.
––––––––––
[Von dem VIten Bd. des schäzbaren Traité de Chimie
appliquée aux arts par M.
Dumas (Handbuch der angewandten Chemie), nach
welchem Dr. Ure vorstehende
Abhandlung bearbeitet hat, ist bereits die deutsche Uebersezung mit Zusäzen und Anmerkungen von Dr. L. A. Buchner
jun. (Nürnberg bei J. L. Schrag) erschienen. In diesem Bande ist eine Anzahl der wichtigsten
Industriezweige, z.B. die Papierfabrication, Stärkmehl- und
Runkelrübenzuker-Fabrication, Zukerraffinerie, Bierbrauerei,
Branntweinbrennerei, Stearinkerzen- und Seifenfabrication abgehandelt, wozu die Apparate und
Maschinerien auf siebenundvierzig Kupfertafeln abgebildet
sind.
Die deutsche Literatur über Bäkerei ist in der lezten Zeit durch einen erfahrenen Praktiker mit folgendem Werke bereichert
worden: „Der praktische Bäker, oder
vollständige und faßliche Anweisung schmakhaftes und nahrhaftes Brod aus jeder
Fruchtgattung und mit jedem üblichen Gährungsmittel zu erzeugen; nebst einem
Aufsaze über Gemeindebäkereien, als ein Mittel
wodurch der Erzeugung eines schlechten und ungesunden Brodes auf dem Lande
vorgebeugt werden könnte; von S. Th. Frank, gewesenem
Bäkermeister in Wien. J. G. Cotta'scher Verlag,
1844.“
Die Redact. d. p. J.]