Titel: | Ueber Messung der Lichtstärke, behufs photographischer Versuche; von Dr. Heeren. |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. IX., S. 26 |
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IX.
Ueber Messung der Lichtstaͤrke, behufs
photographischer Versuche; von Dr. Heeren.
Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, 1845. Nr.
2.
Heeren, über Messung der Lichtstärke behufs photographischer
Versuche.
In einem kurzen Aufsaze, überschrieben „für Photographen,“ der
zuerst im hannover'schen Gewerbeblatt erschienen, und von da in mehrere
Zeitschriften, so auch in Dingler's polyt. Journ. Bd. XCIII S. 47 übergegangen, ist von mir ein
Verfahren beschrieben, die Färbung des Chlorsilbers am Tageslicht zur Messung der
Lichtstärke zu benuzen. Es besteht darin, weißes Schreibpapier mit Chlorsilber zu
imprägniren, und ein Stük desselben, auf einer grau gemalten Unterlage liegend, dem
Lichte so lange auszusezen, bis die entstehende, graue Farbe mit der der
Unterlage übereinstimmt. Je nachdem nun bis zum Eintritt dieses sehr genau
erkennbaren Punktes eine kürzere oder längere Zeit verstreicht, läßt sich auch die
zur Erzeugung eines Lichtbildes erforderliche Zeitdauer bestimmen.
In diesem Aufsaze erkühnte ich mich, gegen ein kurz vorher in Poggendorff's Annalen Bd. LXI S. 140, von Hrn. Lipowitz bekannt gemachtes photometrisches Verfahren mich folgendermaßen
auszusprechen: „allein schon bei jenen Helligkeitsgraden, welche dem
Photographen am bequemsten sind, ist der Durchmesser der Pupille eines gesunden
Auges so klein, daß eine auch nur annähernd genaue Messung, wenigstens auf die
angegebene Art mittelst des Spiegels, wie sich ein jeder durch einen Versuch
überzeugen wird, fast zu den Unmöglichkeiten gehört.“
Ein nicht ohne sichtbare Leidenschaftlichkeit verfaßter Aufsaz des Hrn. Lipowitz erschien nun in Poggendorff's Annalen Bd. LXIII S. 348 (polytechnisches Journal Bd. XCV S. 139) gegen mich, und bietet etwa
den folgenden Ideengang dar: zuerst heißt es, mein Verfahren sey weder neu noch
probat, „denn dasselbe ist erfolglos von mehreren und auch von mir (Hrn.
L.) versucht worden.“ Sodann geht er an eigenthümliche Verarbeitung
meines so eben citirten Sazes. Meine Worte, daß ich eine genaue Messung der Pupille
nach dem Lipowitz'schen Verfahren für eine Unmöglichkeit
halte, werden dahin verdreht, daß ich die Pupille ihrer Kleinheit wegen nicht sehen könne („denn meine [des Hrn. L.] Bilder
zeigen im verjüngten Maaßstabe, was Hr. Dr. Heeren im natürlichen nicht sehen
konnte“). Daraus folgert man dann, daß ich nur beim grellsten Lichte
arbeiten könne, daß ich folglich ein Anfänger oder Dilettant sey („wohl
nur ein Anfänger oder Dilettant braucht ein so scharfes Licht“), der
sich zu einem wahren Daguerreotypisten (natürlich Hrn. L.) verhalte, wie ein
Anstreicher zu einem Künstler. („Nicht jeder Maler ist ein Künstler, und
nicht jeder, der Farben präparirt, kann malen.“) – Solch
absurde Ergießungen beleidigter Eitelkeit, in welchen der Zorn die Stelle der Logik
vertritt, sprechen sich selbst das Urtheil, und würden meinerseits ganz
unbeantwortet bleiben, wenn nicht der Gegenstand auch einiges wissenschaftliche
Interesse darböte, und es mir angemessen schiene, die Gründe etwas ausführlicher
darzulegen, die sich dem Lipowitz'schen Verfahren der
Pupillenmessung entgegenstellen.
Die Neuheit des von mir angegebenen Photometers anlangend, so habe ich in keinem der
mir zu Gebote stehenden physikalischen Werke ein solches beschrieben gefunden, und
die nachträgliche Behauptung des Hrn. L., daß auch er ein
solches versucht habe, kann offenbar nicht gegen die Neuheit zeugen. Daß sich das
Chlorsilber am Lichte schwärzt, ist lange bekannt; aber als Photometer hat es, so
weit sich aus veröffentlichten Nachweisungen ergibt, nicht gedient. Erst die
Anwendung einer zur Vergleichung dienenden grauen Unterlage machte es möglich, einen
bestimmten Grad der Schwärzung des Chlorsilbers genau zu erkennen, und gerade hierin
liegt das Wesentliche meines Verfahrens.
Es war schon weit länger bekannt, daß sich die Pupille am Lichte verkleinert, und
wohl mancher schon mag daran gedacht haben, darnach die Helligkeit zu bestimmen.
Wird sich darum Hr. L. die Neuheit seiner Erfindung rauben lassen?
Hr. L. behauptet, die Schwärzung des Chlorsilbers gehe zu langsam von Statten, als
daß sich in der kurzen Zeit, die zur Hervorbringung eines Lichtbildes hinreicht,
schon eine bemerkbare Aenderung der Farbe erkennen lasse. – Freilich
pechschwarz wird es so bald nicht, aber gerade mein Verfahren gestattet schon sehr
kleine Aenderungen der Farbe mit Leichtigkeit zu erkennen. Außerdem ist es gar nicht
nothwendig, daß schon während der Zeitdauer einer Sizung die Farbe des Chlorsilbers
sich sehr bedeutend ändere. Denn gesezt, das Papier brauche, um die Farbe der
Unterlage anzunehmen, das Dreifache der zur Hervorbringung eines Lichtbildes
erforderlichen Zeit, so würde man, wenn dieses einmal festgestellt ist, beim
Operiren allemal ein Drittheil der Zeit nehmen, welche das Papier anzeigt. Natürlich
muß in diesem Fall das Papier nicht während, sondern
unmittelbar vor der Sizung dem Lichte dargeboten werden.
An diese Art verursacht die Langsamkeit der Schwärzung gar kein Hinderniß, und man
kann selbst beim Arbeiten in Bruchtheilen einer Secunde mit derselben Sicherheit die
nöthige Zeitdauer ermitteln, wie bei längeren Zeiten.Es mag hier gelegentlich erwähnt werden, daß die Empfindlichkeit des
Chlorsilberpapiers merklich zunimmt, wenn man es mit geschmolzenem Wallrath
tränkt, von welchem jedoch jeder Ueberschuß zu vermeiden ist. Es wird
nämlich das Papier dadurch, wie beim Tränken mit Oehl durchsichtiger
gemacht, woraus sich der dreifache Vortheil ergibt, daß 1) dem Lichte die
Einwirkung auf des im Inneren des Papiers enthaltene Chlorsilber
erleichtert, 2) die Schwärzung auch dieser inneren Theile dem Auge sichtbar
gemacht, und 3) eine gleichförmiger Färbung des Papiers herbeigeführt
wird.
Wir wenden uns nunmehr zu dem Pupillen-Photometer des Hrn. Lipowitz. Es besteht in einem Planspiegel, auf welchen
ein Papierstreif geklebt ist, der in einer Reihe acht schwarze Punkte von
verschiedener Größe enthält (von 1–5 Millimeter Durchmesser). Man nimmt den
Spiegel vor sich, betrachtet das Bild der eigenen Pupille darin, und sucht in der
Reihe der Punkte denjenigen auf, dessen Größe mit der der Pupille am nächsten übereinkommt.
Jeder Punkt entspricht einer gewissen Zeitdauer der Sizung.
Auf dieses Meßverfahren nun bezieht sich das oben citirte corpus delicti der gegenwärtigen Polemik, meine Aeußerung nämlich, daß es
leine einigermaßen genaue Messung zulasse.
Bei jedem Messen ist erste Bedingung, daß beide Theile, der zu messende Gegenstand,
so wie das Maaß, deutlich und gleichzeitig unmittelbar neben einander erblikt werden. Eine große Menge
der verschiedenartigsten physikalischen, astronomischen und anderer Meßvorrichtungen
zielen vornehmlich dahin, dieser Bedingung Genüge zu leisten. Wie könnte auch das
Auge eine Vergleichung der Größe zweier Dinge vornehmen, von denen es nur den einen
deutlich, d.h. mit scharf begränzten Umrissen erblikt, oder die es zwar deutlich,
aber nicht zu gleicher Zeit sehen kann? Daß aber das Lipowitz'sche Meßverfahren dieser Anforderung nicht entspricht, ergibt
sich aus den ersten Elementen der Optik. Der Spiegel soll in 8 Zoll Entfernung vor
dem Auge gehalten werden; mithin erbliken wir das Bild der Pupille, nach der
bekannten, mathematisch erweislichen Wirkung der Planspiegel, in der doppelten
Entfernung = 16 Zoll. Das Maaß aber, die Reihe der Normalpunkte ist auf der
Spiegelfläche selbst angebracht, also 8 Zoll vom Auge entfernt. Du nun das Auge, um
deutlich zu sehen, sich für jede Entfernung des Objectes besonders accommodiren muß,
so kann es unmöglich zwei Gegenstände, deren einer 8, der andere 16 Zoll entfernt
ist, gleichzeitig deutlich sehen. Blikt es nach dem entfernteren, so erscheint
nochwendig der nähere mit verwaschenen, also nicht bestimmt erkennbaren Rändern, und
umgekehrt. Daß sich aber das Spiegelbild der Pupille, um deutlich gesehen zu werden,
gerade so verhält, als befände sich an seiner Stelle die Pupille selbst, bedarf wohl
nicht erst eines Beweises. Man sehe aus einer Entfernung von 16 Zoll irgend einen
Gegenstand, z.B. den Druk eines Buches, scharf an, und bringe einen anderen, z.B.
einen Finger, in die Mitte zwischen Auge und Buch. Der Finger wird dann, so lange
das Auge nach dem Buche blikt, ohne scharf begränzte Ränder erscheinen. Auf diesem
Wege ist daher die bezwekte Messung nicht ausführbar.
Es bleibt kein anderes Auskunftsmittel, als erst das 16 Zoll entfernte Bild der
Pupille, und darauf, nachdem sich das Auge für 8 Zoll
accommodirt hat, die Normalpunkte zu betrachten. Aber dann wird gegen die Regel der
gleichzeitigen Betrachtung von Gegenstand und Maaß um so mehr verstoßen, als das
Auge inzwischen durch Aenderung seiner Focalstellung einem störenden Vorgange
unterliegt.
Wenn schon diese Gründe dem Lipowitz'schen Verfahren der
Pupillenmessung entgegentreten, so gesellen sich dazu noch andere Schwierigkeiten.
Die Pupille erscheint als schwarzer Punkt in mehr oder weniger dunkelgrauer oder
brauner Umgebung der Iris, welche noch dazu an dem inneren, die Pupille begränzenden
Rande so sein und durchsichtig ausläuft, daß eine scharfe Gränze beider sich kaum
erkennen läßt. Endlich verursacht auch der Lichtpunkt des Auges, nämlich das auf der
convexen Hornhaut entstehende verkleinerte Spiegelbild des hellen Himmels, die große
Unbequemlichkeit, daß er bei horizontaler Richtung der Augenachse die obere Hälfte
der Pupille bedekt und unsichtbar macht. Eine andere als die horizontale Richtung
des Auges ist aber nicht zulässig, weil bei aufwärts gekehrter der Lichtpunkt noch
größer wird, und leicht die ganze Pupille bedekt, bei abwärts gekehrter aber das
Auge nicht die volle Beleuchtung empfängt, die es doch messen soll.
Man denke sich nun ein Auge, dessen zur Hälfte von dem Lichtpunkt bedekte, also nur
zur Hälfte sichtbare Pupille von 1 Millimeter Durchmesser (denn Hr. L. arbeitet,
nach seiner eigenen Angabe, bei dieser Größe der Pupille), in der dunklen Umgebung
der Regenbogenhaut auf 16 Zoll Entfernung mit einem Maaßstabe verglichen werden
soll, den man nicht einmal gleichzeitig deutlich sehen kann; man vergegenwärtige
sich die Kleinheit eines Halbkreises von 1 Millimeter Durchmesser (beistehendes
Pünktchen ist, so genau die typographische Ausführung es gestattet, ein
solcher Halbkreis), und man wird zugeben, daß bei einem so mangelhaften
Meßverfahren, und unter so großen äußeren Schwierigkeiten es nicht möglich seyn
kann, mit einiger Sicherheit zu erkennen, ob ein so kleines Pünktchen um ein Haar
breit größer oder kleiner sey.
Von dem aufrichtigen Wunsche beseelt, zu erforschen, ob nicht mit Hülfe eines
besseren Meßverfahrens die Pupillengröße in der Photometrie dennoch nüzliche
Anwendung finden könne, habe ich die folgende Vorrichtung construirt: ein kleiner
Planspiegel, etwa 1/4 Zoll im Quadrat, ist in einer Art Brillengestell in 4 Zoll
Entfernung vor dem Auge angebracht, so daß das Bild der Pupille in der Entfernung
des deutlichen Sehens 8 Zoll vor dem Auge erscheint. Als Maaß dienen zwei verticale,
sehr dünne Stifte, welche mittelst einer Mikrometerschraube, ohne Störung des
Parallelismus, einander beliebig genähert werden können, und welche nicht auf der Spiegelfläche, sondern ganz nahe vor dem
Auge sich befinden, damit ihr Bild mit dem der Pupille möglichst in eine und
dieselbe Ebene falle, und also beide in dem Spiegel gleichzeitig deutlich gesehen
werden. Mittelst der Mikrometerschraube bringt man sie nun in solche Entfernung von einander, daß sie
genau um den Durchmesser der zwischen ihnen sichtbaren Pupille von einander
abstehen, und liest nachher auf einer unter den Stiften angebrachten Theilung ihre
Entfernung ab.
Vermittelst dieser Vorrichtung würde eine ziemlich genaue Messung mit Leichtigkeit
ausführbar seyn, wenn nicht die angegebenen Nebenumstände, besonders der Lichtpunkt,
die dunkle Umgebung, und die schwer erkennbare Gränze der Pupille, immer noch einige
Unsicherheit herbeiführten. Ich bekenne, daß mir, obwohl in feinen Messungen viel
geübt, kurz nach einander wiederholte Messungen der Pupille doch noch Unterschiede
von oft 1/8, mitunter selbst 1/4 Millimeter ergaben. Die Pupillengröße betrug dabei
zwischen 2 1/2 und 3 Millimeter.
Hr. L. führt in seiner Abhandlung an, daß die bei seinen Operationen erforderlichen
Sizungszeiten zwischen 10 und 40 Secunden variiren, und daß die erstere einer
Pupillengröße von 1, die leztere einer solchen von 2 1/2 Millimeter entspreche. Wenn
sich dieß wirklich so verhält, so muß die Pupille des Hrn. L. eine sehr große
Sensibilität besizen. Die Pupillen mehrerer Personen, die ich nebst den meinigen
untersucht habe, zeigten ungleich geringere Größenänderungen. Der mittlere
Pupillendurchmesser meiner vollkommen gesunden Augen, die unbewaffnet gleich gut in
Nähe und Ferne sehen, beträgt, bei gewöhnlicher Tageshelle im Freien gemessen, etwa
3 Millimeter (vorausgesezt, daß das nicht fungirende Auge geschlossen ist). Bei der
größten Helligkeit, die ich in dieser Zeit zu beobachten Gelegenheit hatte, directes
Sonnenlicht natürlich ausgeschlossen, zog sich die Pupille auf 2 1/4 Millimeter
zusammen; an einem sehr trüben Tage dagegen, kurz vor Sonnenuntergang, betrug ihr
Durchmesser 3 1/2 Millim. Zur Erzeugung eines Lichtbildes würde unter der lezteren
schwachen Beleuchtung etwa die 20fache Zeit von der, der ersteren Helligkeit
entsprechenden, erforderlich gewesen seyn, und doch beschränkte sich der Unterschied
der Pupillengröße auf nur 1 1/4 Millimeter. Läßt nun selbst mein verbessertes
Meßverfahren noch Fehler bis auf 1/4 Millimeter zu, so würde ein solcher Fehler dem
fünften Theil des ganzen Pupillenunterschieds entsprechen, und die Sizungszeit
fälschlich um das Drei- bis Vierfache ihrer richtigen Dauer verlängern
können. Für Augen also, gleich den von mir beobachteten, würde schon aus diesem
Grunde die Pupillenmessung ein durchaus ungenügendes Photometer abgeben.
Selbst vom physiologischen Gesichtspunkte aus stellen sich dem in Frage stehenden
photometrischen Verfahren Zweifel entgegen. Wie mancherlei Umstände influiren außer
der Helligkeit auf die Größe der Pupille und die Sensibilität der Iris? Schon die
Anstrengung des
Auges, welche mit der Meßoperation unzertrennlich verbunden ist, zeigt einen sehr
bemerklichen Einfluß, sofern beim Beginn der Messung die Pupille am größten ist, und
sich dann in Folge der Anstrengung allmählich verkleinert.
Mögen vielleicht andere in der Benuzung des Pupillenphotometers glüklicher seyn. Mir
hat es auch nicht im Entferntesten brauchbare Dienste geleistet, während ich mit
Hülfe des Chlorsilber-Photometers, unter schwierigen
Beleuchtungsverhältnissen, ziemlich mit derselben Sicherheit arbeite, als würde eine
Bleifederzeichnung auf Papier gemacht.