Titel: | Ueber den Einfluß des Kochsalzes auf die Vegetation; von Heinrich Braconnot. |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. XXX., S. 131 |
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XXX.
Ueber den Einfluß des Kochsalzes auf die
Vegetation; von Heinrich
Braconnot.
Aus den Annales de Chimie, Jan. 1845, S.
115.
Braconnot, über den Einfluß des Kochsalzes auf die
Vegetation.
Viele Landwirthe sind der Ueberzeugung, daß das Kochsalz auf dem Erdreich
ausgebreitet, das Wachsthum befördert und größere Ernten bewirkt. Nachdem ein
solcher Anhänger des Kochsalzes mich versichert hatte, daß dessen Einwirkung auf die
Rapsaat (Rübsen) merkwürdig sey, suchte ich mich zu überzeugen, inwiefern dieß Grund
habe.
Ich versuchte zuvörderst Samenkörner auf Flanell mit Wasser zum Keimen zu bringen,
welches leztere Kochsalz in verschiedenen Verhältnissen enthielt, um zu sehen, in
welcher Quantität es mit einiger Hoffnung auf Erfolg anzuwenden sey; denn
bekanntlich waren die Alten der Meinung, daß das Salz auf die Vegetation nachtheilig
einwirke, indem die Bibel sagt, daß Abimelech Salz auf die Ruinen von Sichem
streute, damit dieser Boden nichts mehr hervorbringe. Ueberzeugt, daß Versuche im
Kleinen oft entscheidender sind als in großem Maaßstabe angestellte, wobei so
verschiedene, schwer vorauszusehende Umstände einen Einfluß üben, begnügte ich mich
mit folgendem Versuche.
Am 13. Sept. nahm ich drei gewöhnliche Blumentöpfe, die ich 1, 2, 3 nummerirte, in
deren jeden ich 7 Hectogramme (23 1/5 Unzen) Erde brachte, welche ich von einem
Felde genommen und vorher gut ausgetroknet hatte; in jeden Topf säete ich 12
Rapsaatkörner und 5 Körner der wohlriechenden Platterbse (Lathyrus odoratus), die ich eben zur Hand hatte.
Nr. 1 wurde mit 2 Decilitern Regenwasser begossen, in welchem 2 Gramme Salz aufgelöst
worden waren; Nr. 2 mit eben so viel Wasser, das aber nur 1 Gramm Salz enthielt; Nr.
3 endlich mit derselben Quantität Wasser ohne Salz. Alle drei Töpfe wurden in einem
Zimmer gleicher Lage ausgesezt.
Am 20. Sept. verglich ich meine drei Saaten mit einander:
Nr. 1 hatte nur bei zwei Rapsaatkörnern Zeichen der Keimung gegeben und diese zwei
Pflänzchen hatten kaum 2 Millimeter Höhe; Nr. 2 zeigte acht Rapsaatpflänzchen, die
10–12 Millimeter hoch waren; in Nr. 3 hingegen hatten alle zwölf
Rapsaatkörner gekeimt und 30 Millimeter hohe Pflanzen getrieben. Die
Platterbsenkörner hatten alle 20 Millimeter hohe Stengel getrieben, während jene von
Nr. 1 und 2 noch keine Zeichen der Keimung gegeben hatten. Am 9. Okt. bedurften
meine Pflanzen der Befeuchtung; ich ließ daher jeden der drei Töpfe, wie dieß die
Gärtner bei zarten Pflanzen zu thun pflegen, von unten hinauf 1 Deciliter Wasser
ohne alles Salz aufsaugen. In folgendem Zustande fand ich sie zu jener Zeit: Nr. 1,
von den zwölf gesäeten Rapsaatkörnern waren sechs gar nicht aufgegangen; die
aufgegangenen gaben 4 Centimeter hohe Pflänzchen, welche troz der geringen
Entwiklung doch kräftig waren; das einzige Platterbsenkorn, das aufgegangen war, gab
eine magere, nur 5 Centimeter hohe Pflanze. Nr. 2, drei Rapsaatkörner hatten nicht
gekeimt, die neun andern gaben wohl beschaffene, 7–8 Centimeter hohe
Pflanzen; drei Platterbsenkörner waren zum Keimen gekommen und gaben 12 Centimeter
hohe Pflanzen. Nr. 3, alle zwölf Rapsaatpflanzen hatten eine Höhe von 12–13
Centimetern erreicht und die fünf Platterbsen waren 22–23 Centimeter hoch
gewachsen.
Am 19. Okt. erhielten Nr. 1, 2 und 3 jedes eine Befeuchtung von unten mit 1 Deciliter
Regenwasser. Als ich endlich am 25. Okt. diese Pflanzen wieder unter sich verglich,
fand ich, daß die Hälfte der Rapsaatkörner, welche in Nr. 1 aufgegangen waren,
starke, aber kurze und untersezte Pflanzen gegeben hatten.Diese Pflanzen, wohl abgewaschen, hatten einen salzigen Geschmak; es hatte
sich wirklich in ihrem Saft eine bedeutende Menge Salz angehäuft, wie ich
mich durch ihre Einäscherung überzeugte, während eine gleiche Menge
derselben Pflanzen, die sich ohne Salz entwikelt hatten, nur einen
unbedeutenden salzigen Rükstand lieferte. Das einzige Platterbsenkorn, welches dem Salze widerstanden hatte, gab nur ein
schwaches, niederes Pflänzchen.
Die Pflanzen von Nr. 2 waren zwar kräftig fortgewachsen, wurden aber offenbar in der
Entwiklung von jenen von Nr. 3 übertroffen. Ich bemerkte, daß die in diesem leztern
Topfe enthaltene Erde ihre Feuchtigkeit leichter abgab als die von Nr. 1 und 2; was
ich, zum großen Theil wenigstens, der reichlichern Absorption und Transspiration der
ohne Zutritt von Kochsalz vegetirenden Pflanzen beimesse.
Einige Akerbauverständige behaupten, daß mit Kalk gemengtes Kochsalz die Vegetation
noch auffallender begünstigt, als unvermengtes, weil, wie sie sagen, kohlensaures
Natron erzeugt wird, welches eine sehr große befruchtende Kraft zeigt. Ich säete
Rapsaat und Platterbsenkörner und begoß sie mit Wasser, welches etwas kohlensaures
Kali oder Natron aufgelöst enthielt, aber kaum das geröthete Lakmuspapier wieder
blau macht; die Pflanzen schienen mir aber dadurch nicht höher und kräftiger
gewachsen zu seyn, als mit reinem Wasser begossene. Man wird zwar entgegnen, daß
diese Versuche weder hinlänglich vervielfältigt noch fortgesezt worden seyen, um die
in vielen Ländern bei der Landwirthschaft im Großen gemachten Erfahrungen
hinsichtlich des Salzes entkräftigen zu können; aber man wird auch zugeben müssen,
daß die auf seine Wirkung im Großen bezüglichen Thatsachen in der Regel so in Dunkel
gehüllt sind, daß sie von Theoretikern kaum besser werden erklärt werden können, als
von den bloßen Praktikern. So viel scheint gewiß zu seyn, daß wenn die Quantität des
angewandten Salzes gewisse Gränzen nur um etwas überschreitet, es die Keimung
verhindert oder doch bedeutend aufhält, indem dann zwerghafte Individuen erzeugt
werden, welche mit jungen Thieren verglichen werden könnten, deren Wachsthum durch
geistige Getränke Einhalt gethan wurde. Außerdem stimmen die hier mitgetheilten
Thatsachen ganz überein mit den Erscheinungen auf den Salzsümpfen, wo gewisse
Landgewächse, die darauf fortkommen, einen so außergewöhnlichen Wuchs annehmen, daß
Botaniker besondere Species daraus machten. So gedeiht, um nur ein Beispiel
anzuführen, die ausgebreitete Melde (Atriplex patula),
entfernt von dem salzigem Boden zu Dieuze, Vic und Marsa mit bedeutender Entwiklung,
während sie auf dem leztern so klein und untersezt ausfällt, daß sie als besondere
Species die Benennung salzige Melde (Atr. salina)
erhielt.
Ich suchte auch den Einfluß salzigen Wassers auf abgeschnittene Zweige zu ermitteln.
Zu diesem Behuf nahm ich zwei Champagnergläser, in deren eines ich 8 Centiliter
Regenwasser, in das andere eben so viel Wasser, welches nur 1 Proc. Kochsalz
enthielt, goß. In jedes dieser Gläser brachte ich ein gleiches Gewicht folgender
blühenden Zweige: Tausendschön (reine marguerite),
schönes Kreuzkraut (Senecio elegans), schöne Coreopsis
(coreopsis elegans), Escholzie, Flammenblume (phlox). Acht Tage darauf war der größte Theil dieser
Pflanzen verwelkt; noch weit mehr aber diejenigen im Salzwasser. Auffallend war mir,
daß diese leztern, als hätten sie einen entschiedenen Widerwillen gegen das
Salzwasser, es ungern aufsaugten, indem von diesem Wasser, troz der freiwilligen
Verdunstung, noch über 6 Centiliter vorhanden waren, und zwar von trüber und fauler
Beschaffenheit, während im andern Gefäße dieselben Pflanzen alles Regenwasser
aufgesaugt hatten, bis auf einen halben Centiliter, welcher mit den meisten
derselben nicht mehr in Berührung stund und ganz hell geblieben war. Was ist nun aus
diesem, so leicht zu bestätigenden Resultat zu schließen, welches mit andern
bekannten Thatsachen im Widerspruch steht? Soll man annehmen, daß die
abgeschnittenen Zweige durch eine Art Wahlanziehung das reine Wasser lieber
aufsaugen als das schwach gesalzene Wasser? Wir sahen aber schon, daß die
Samenkörner, welche mit diesem leztern zum Keimen kamen, zwar verkümmerte Pflanzen
hervorbrachten, die jedoch eine sehr beträchtliche Menge dieses Salzes absorbirt
hatten.
Es ist überdieß nachgewiesen, daß abgeschnittene Zweige die ihnen dargebotenen Gifte
ohne Wahl eben so gut aufsaugen, als die zu ihrer Ernährung dienlichen Stoffe. Beim
Vergleichen der erhaltenen Resultate fand ich bald die Ursache dieser anscheinenden
Anomalie. Sagte ich doch oben, daß der unbedeutende Rükstand von Regenwasser,
welches von den darin vegetirenden Pflanzen nicht absorbirt wurde, seine Klarheit
behalten hatte, während dieselben Pflanzen, in Salzwasser gestellt, dieses Wasser
nicht stark aufsaugten, welches sich vielmehr getrübt und unzweideutige Zeichen der
Fäulniß gegeben hatte. Auch bemerkte ich an den Zweigen, welche in dieses Wasser
getaucht waren, daß ihre Rinde in eine Art Fäulniß übergegangen war und der
Querschnitt der Holzsubstanz verstopft zu seyn schien, was die Absorption hindern
mußte, während bei denselben, in bloßem Regenwasser vegetirenden Pflanzen etwas
Aehnliches nicht vorkam. Ich glaube jedoch darauf aufmerksam machen zu müssen, daß
diese fäulnißerregende Eigenschaft des Kochsalzes bei kleiner Dosis, den alten
Chemikern nicht unbekannt war, indem Becher in seinen
Werken schon davon spricht. Auch Pringle stellte vor etwa
100 Jahren Versuche an, woraus hervorgeht, daß das Salz in kleiner Dosis die Fäulniß
beschleunigen kann, woraus er den Schluß zog, daß es durch seine Fäulniß erzeugende
Eigenschaft (vertu septique) die Verdauung befördere. Derselben
Eigenschaft, ist wie ich glaube, die Fäulniß zuzuschreiben, welche gewisses
Süßwasser bei seiner Vermischung mit Salzwasser erfährt, und nicht ohne Grund
schreibt der Landwirth Jeauffret, welchem Pringle's Erfahrungen gewiß nicht bekannt waren, bei der
Bereitung seiner künstlichen Dünger dieses Salz in kleiner Dosis vor. Auf diese
Weise ist die Wirkung, welche es zuweilen auf ein Erdreich haben kann, zu erklären.
Ich glaube, daß man sich desselben auch mit Nuzen zur Beschleunigung der Hanfröstung
bedienen könnte.