Titel: | Ueber die Mittel umgeschlagenen, langgewordenen Wein wieder ganz herzustellen; von H. Imhof, Conditor. |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. XXXIII., S. 142 |
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XXXIII.
Ueber die Mittel umgeschlagenen, langgewordenen
Wein wieder ganz herzustellen; von H. Imhof, Conditor.
Imhof, über die Mittel umgeschlagenen Wein wieder
herzustellen.
Das Umschlagen oder Langwerden ist eine bekannte Krankheit der Weine vieler Gegenden,
besonders aber der Weine geringerer Qualität, die, wenn sie in stärkerem Grade
auftritt, oft völliges Unbrauchbarwerden desselben zur Folge hat. Die äußere
Erscheinung besteht bekanntlich darin, daß der Wein beim Ausfließen nicht mehr
perlt, sondern öhlartig und fadenziehend läuft, und beim Fortschreiten des Uebels
oft außerordentlich zähe wie eine Schleimauflösung wird; der geistige Gehalt nimmt
dabei bedeutend ab, wogegen im umgekehrten Verhältniß der Wein sauer wird.
Geringere Grade des Umschlagens besserer Weine lassen sich oft durch das einfache
Mittel des Umfüllens in Flaschen heben; bei großen Quantitäten geringerer Weine
hingegen besteht die übliche empirische Verfahrungsart darin, daß die kranke
Flüssigkeit in ein offenes Gefäß gebracht, in kleinen Quantitäten zumal mit einem
Besen anhaltend durchgeschlagen, wieder aufs Lager gebracht und auf gewöhnliche
Weise mit Eiweiß oder Hausenblase geschönt wird, wodurch bei nicht sehr
vorgeschrittenem Uebel demselben Einhalt gethan und der Wein nach der Klärung wieder
perlend wird. Die Erfahrung hat aber auch gezeigt, daß diese Behandlung, wenn man
nicht ein sehr starkes und folglich der Gesundheit nachtheiliges Einbrennen der
Fässer mit Schwefel damit verbindet, keine dauernde und sichere Abhülfe gewährt, so
daß auf diese Art behandelte Weine meistentheils nach einiger Zeit wieder
zurükfallen und abermals behandelt werden müssen.
Es ist eine längst bekannte Ansicht, daß die Ursache des Umschlagens der Weine in
demjenigen Klebergehalt des Traubensaftes zu finden sey, welcher sich bei der
Gährung nicht als Hefe ausscheidet, sondern im gebildeten Wein aufgelöst
zurükbleibt, wodurch sich die Erscheinung erklärt, daß süße sowohl als rothe
adstringirende Weine niemals lang werden; erstere deßhalb nicht, weil aller Kleber
durch den überschüssigen
Zukergehalt ausgeschieden wird; leztere verdanken ihre Erhaltung dem zufälligen
Umstande, daß der Traubensaft vor dem Keltern mehrere Tage an den Trestern liegen
bleibt, wobei er Gerbestoff aus denselben aufnimmt, welcher, mit dem überschüssigen
Kleber eine unlösliche Verbindung eingehend, denselben ebenfalls abscheidet. Es lag
daher der Gedanke nahe, einem in Umschlagung begriffenen Weine Gerbestoff zuzusezen,
um die verändernde Ursache, den Kleber, abzuscheiden, und man versuchte deßhalb die
Extracte und Säfte von Galläpfeln und andern gerbstoffhaltigen Pflanzenproducten,
wodurch allerdings der beabsichtigte Zwek vollkommen erreicht, zugleich aber dem
Wein der zusammenziehende und widrige Geschmak dieser verschiedenen Substanzen
ertheilt wurde.
Vor längerer Zeit war ich im Besiz mehrerer Saum Wein aus dem badischen Oberlande,
welcher anfing lang zu werden, und schon sehr merkbar sauer geworden war. In der
Absicht, die Uebelstände aller bisherigen Behandlungsarten zu vermeiden, durchging
ich die Reihe der gerbstoffhaltigen Pflanzen, um wo möglich eine derselben zu
finden, welche den bekannten herben Beigeschmak nicht besäße, und es schien mir der
chinesische Thee diese Bedingung zu erfüllen, den ich somit zu Wiederherstellung
besagten Weines anwandte.
Das Verfahren war folgendes:
Auf den Saum (100 Maaß) Wein wurde 1/4 Pfd. chinesischer Thee geringer Sorte während
1/8 Stunde mit 1 1/2 Maaß Wasser abgekocht, nach dem Erkalten abgeseiht, und die
erhaltene dunkelbraune, fast undurchsichtige Flüssigkeit mit dem Wein vermischt.
Nach Verlauf von 48 Stunden hatte sich derselbe stark getrübt, und das Aussehen von
frischem trübem Moste erhalten, was die Verbindung des Gerbestoffes mit dem Kleber
voraussezen ließ. In fernerem Verlauf von mehreren Wochen klärte er sich durch
ruhiges Lagern und ohne Schönung vollkommen ab, war hellperlend und hatte sein
ursprüngliches Weinbouquet vollkommen erhalten, wobei er nur etwas dunkler in Farbe
geworden war. Im Verlaufe eines halben Jahres, während welcher Zeit er weggebraucht
wurde, ließ sich keine fernere Veränderung daran wahrnehmen.
Obschon dieser Versuch als vollkommen gelungen zu betrachten, so ist doch zu warnen,
daß, wie es bei bloßen Empirikern meist vorkommt, sie mit einem gegebenen und nur
für einen Fall passenden Mittel Alles und Jedes heilen wollen, und aufmerksam zu
machen, daß gegebene Vorschrift nur einzig und allein für gegebenen Fall paßt und
bei jeder andern Art Weinabsterbens oder Verderbniß nichts helfen und mehr schaden
würde, z.B. beim Bitterwerden oder Rahnigwerden u.s.w.; sowie, daß obige
Verhältnisse von Thee und Wein auch nicht constant seyn können, sondern sich nach
der Qualität richten müssen, und daß im Allgemeinen, je geringer, d.h. je weniger
geistig der Wein, eine desto größere Quantität Thee angewendet werden müsse. Seitdem
habe ich den Zusaz von Theeabkochung auch vorbeugungsweise angewendet, und beim
Einkeltern von frischem Most geringer Qualität, namentlich in Jahren, wo die Trauben
nicht zu vollständiger Reife kamen, demselben sogleich eine Theeabkochung zugesezt,
und bin insofern mit dem Erfolge zufrieden gewesen, als ich dadurch immer einen sehr
gut abgeklärten Wein erhielt, an dem sich keine Neigung zum Fadenziehen zeigte.
(Schweizer
Gewerbebl.)