Titel: | Ueber das Kalken des Getreides; von Hrn. Roucaud. |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. XXXIV., S. 144 |
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XXXIV.
Ueber das Kalken des Getreides; von Hrn.
Roucaud.
Aus dem Journal de Chimie médicale, Febr. 1845,
S. 102.
Roucaud, über das Kalken des Getreides.
Man kann den Arsenik recht wohl zum Kalken des Getreides entbehren, indem man dieses
Gift durch verschiedene schwefelsaure Salze, wie Kupfer-, Eisen-
und Zinkvitriol ersezt, welche den Zwek vollkommen
erfüllen. In unserer Gegend (obere Pyrenäen), wo ich nun 22 Jahre wohne, werden
jährlich über 4000 Kilogr. Arsenik zum Kalken des Getreides verbraucht, und ich habe
ermittelt, daß von 100 Grundbesizern 60 Arsenik, 20 Kupfervitriol, 10 gelöschten
Kalk mit Urin versezt, und die 10 übrigen Eisen- oder Zinkvitriol oder
Holzasche anwenden. Die verschiedenen gebräuchlichen Vorschriften sind:
Erstes Verfahren.
Man nimmt gepulverten Arsenik
2 Loth,
läßt denselben in ungefähr 80 Theilen Wasser kochen und
besprengt damit mittelst eines kleinen Buchszweiges einen Hektoliter Getreide, Hafer
etc., welchen man auf dem Boden ausbreitet und schnell umrührt, damit er mit dem
Arsenikwasser gut imprägnirt wird.
Zweites Verfahren.
Man nimmt Kupfervitriol
6 1/2 Loth,
heißes Wasser
2000 –
und verfährt eben so wie beim Arsenik.
Drittes Verfahren.
Man nimmt Kupfer, Eisen- oder
Zinkvitriol,von irgend einem dieser Salze
16 1/2 Loth,
löst sie in ungefähr 100 Pfd. heißen Wassers auf, taucht dann
mittelst Sieben oder Körben die Saatkörner in die Lösung und säet. Gewöhnlich reicht diese Quantität
zum Kalken des Getreides eines kleinen Anwesens hin.
Viertes Verfahren. Dasselbe besteht bei einigen darin, von
diesen leztern Vitriolarten nur so viel wie oben vom Arsenik, nämlich 2 Loth oder 1
Theil, auf 80 Theile heißen Wassers zu nehmen.
Fünftes Verfahren.
Man nimmt gelöschten Kalk ungefähr
32 Loth,
Urin
2000 –
sezt das Ganze einem Hektoliter Getreide zu und säet.
Sechstes Verfahren. Es besteht darin, ungefähr 4 Pfd.
Holzasche einem Hektoliter Getreide zuzusezen und zu säen.
Alle diese Methoden haben den besten Erfolg. Ich machte auf meinem kleinen Anwesen
mit jeder einen Versuch und habe mich überzeugt, daß der Arsenik aufgegeben werden
kann. Alle Landwirthe, welche meinen Rath befolgten, waren sehr zufrieden und freuen
sich, der Gefahren, womit die Anwendung des Arseniks verbunden ist, enthoben zu
seyn. Leider aber finden solche Verbesserungen bei Landleuten nur schwer und langsam
Eingang, weil sie gegen jede Neuerung mißtrauisch sind.
Es ist zwar bis jezt kein Fall bekannt, daß mit Arsenik gekalktes Getreide dem
Säemann geschadet habe. Die Säke aber, welche zum Transport dieses Getreides
dienten, haben schon oft Unglüksfälle veranlaßt, indem man versäumte sie
auszuwaschen oder auszuklopfen, ehe man sich ihrer wieder zum Transport und zur
Aufbewahrung von Mehl bediente, indem sich viel Arsenik in die Leinwand hineinsezt
und folglich dem Mehle beimengt. Auf diese Weise, so wie durch die Leichtfertigkeit,
womit der Arsenik an die Landleute verkauft wird, welche damit ganz sorglos umgehen,
wird viel Unheil angerichtet. Es ist mir ein Beispiel bekannt, daß der Arsenik nach
dem Gottesdienst in Paketen zu 1 Unze zum Verkauf ausgeboten wurde, wo sich die
Bauern nach Belieben damit versehen konnten. Ist solchem Unfuge an und für sich
schon kräftigst zu steuern, so kann dieß jezt, wo der Arsenik zu besagtem Zwek
entbehrlich wird, um so leichter geschehen.