Titel: | Ueber einen Apparat zur Messung der Geschwindigkeit eines Geschosses in verschiedenen Punkten seiner Bahn; von Hrn. L. Breguet. |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. XLV., S. 201 |
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XLV.
Ueber einen Apparat zur Messung der
Geschwindigkeit eines Geschosses in verschiedenen Punkten seiner Bahn; von Hrn.
L.
Breguet.
Aus den Comptes rendus, 1845, 1er Sem. Nr. 3
durch Poggendorff's
Annalen, 1845 Nr. 3.
Breguet, über einen Apparat zur Messung der Geschwindigkeit eines
Geschosses.
Der Aufsaz, den neulich Hr. Pouillet in der Akademie über
die Anwendung der Elektricität als Mittel zur Bestimmung äußerst kurzer Zeiten
gelesen, sezt mich in die Nothwendigkeit eine Notiz zu veröffentlichen, betreffend
ein Instrument zu ähnlichem Zwek, welches ich, gemeinschaftlich mit Hrn. Konstantinoff, einem sehr ausgezeichneten
Artillerie-Officier, für die russische Regierung angefertigt habe.
Hr. Konstantinoff kam von England. Als er mich sprach,
hatte er bereits die Idee eines Instruments zum Messen der Geschwindigkeit eines
Geschosses, sowohl zu Anfange als in verschiedenen Punkten seiner Bahn. Er hatte
Hrn. Wheatstone's Bekanntschaft gemacht, mit ihm sich
mehrmals über diesen Gegenstand unterhalten, und bei demselben einen Apparat
gesehen, mittelst dessen, durch Unterbrechung und Wiederherstellung elektrischer
Ströme, die Entzündungszeit von Schießpulver mit großer Genauigkeit gemessen werden
konnte. Hr. Konstantinoff glaubte indeß durch eine andere
Einrichtung eine noch größere Genauigkeit erreichen und noch viel kürzere Zeiten
messen zu können. Er befragte mich über dieses Project, und, da wir die Lösung der
gestekten Aufgabe für möglich hielten, begannen wir im März 1843 gemeinschaftlich
die Arbeit.
Die Aufgabe war die: ein Instrument herzustellen, welches von einem mehr oder weniger
von seinem Aufstellungsorte entfernten Vorgang, dreißig- oder vierzigmal nach
einander innerhalb seht kurzer Zeiträume, Anzeige machen und festhalten könnte. Wir
verfielen natürlich darauf, hiezu Elektricität anzuwenden.
Zu diesem physischen Theil kam noch der mechanische, welcher etwas complicirt seyn
konnte, es jedoch nicht so sehr war, als es die gesuchte Lösung vermuthen lassen
mochte.
Besondere Gründe haben mich verhindert diese Maschine bekannt zu machen; da aber dem
jezt nichts mehr entgegensteht, so will ich versuchen, eine so richtige Idee von
derselben zu geben, als ohne Figuren möglich ist. Die HHrn. Arago, Regnault und Morin haben übrigens
dieselbe gesehen, und nöthigenfalls würde deren Autorität bestätigen, was ich
angebe. Vorzüglich hat Hr. Regnault fast allen
Probeversuchen, durch welche die Principien des Instruments geprüft wurden,
beigewohnt, und sie gleichsam durch alle ihre Phasen verfolgt.
Wir dachten einen Apparat mit umlaufender Scheibe, ähnlich dem des Hrn. Morin, anzuwenden, und da wir mehrerer successiven, von
einander getrennten Angaben bedurften, so vermeinten wir den Stift verschiebbar zu
machen, ab und zu dem Mittelpunkt bei jeder neuen Angabe; allein dieses Mittel
schien uns ungenügend, insofern die Marken am Mittelpunkt nicht innerhalb derselben
Fehlergränzen lägen wie die am Umfang; denn je kleiner der Radius des vom Stift
beschriebenen Bogens ist, desto größer die Möglichkeit eines Fehlers.
Wir haben darauf die Anzeigen unter einerlei Umständen versezt, indem wir einen
Cylinder anfertigten, von solcher Länge, daß 40 bis 50 gesonderte Beobachtungen
gemacht werden konnten, alle bei einem und demselben Radius. Im Junius 1843 begannen
wir unsere Maschine, vollendeten sie aber erst am 29. Mai 1844.
Ihre Einrichtung ist folgende. Sie ruht auf einem gußeisernen Gestelle, und besteht
aus sechs Theilen:
1) Einem System von gezähnten Rädern, beweglich durch eine Schnur, die um einen
Cylinder läuft, und an welcher das bewegende Gewicht hängt
2) Einem Cylinder von 1 Meter Umfang und 0,36 Meter Länge, getheilt auf seiner
Oberfläche in 1000 Theile, die demnach Millimeter sind. Um die Reibung auf den
Zapfen zu vermindern, wird er durch ein System von Rollen getragen. Auf seiner Achse
ist ein Getriebe, in
welches das erwähnte Räderwerk greift; an einem Ende sizt ein Windfang mit vier
Flügeln, und am andern eine Scheibe von gleichem Durchmesser mit dem Cylinder.
3) Einem kleinen Schienenweg, parallel der Achse des Cylinders; die beiden
Metallschienen, die diesen Weg bilden, sind durch Elfenbein von einander
isolirt.
4) Einem kleinen Wagen mit drei kupfernen Rädern, die auf den Schienen laufen; er
trägt drei Elektromagnete und zwei Stifte, die von einander unabhängig sind, aber
jeder von einem dieser Magnete abhängen. Der dritte Elektromagnet befindet sich
unter dem Wagen, und dient dazu, lezteren festzuhalten, bis man will daß er
fortgehe.
5) Einer Ankerhemmung, deren gußeiserne Arme zwischen zwei Elektromagneten
oscilliren, und bald rechts, bald links gezogen werden, sobald ein Strom um den
rechts oder links befindlichen Magnet läuft. Vermöge dieses Hin- und
-Her entweicht jedesmal ein Zahn des Rades, auf dessen Achse eine kleine
Winde sizt mit einem Seidenfaden, der an dem von einem Gewichte gezogenen Wagen
befestigt ist. Der Uebergang des Stroms von einem Elektromagnet zum andern geschieht
bei jeder halben Drehung des Cylinders mittelst eines unter dessen Achse gestellten
Commutators. Auf diese Weise rükt der Wagen bei jeder halben Drehung vor, und zwar
mit einer Geschwindigkeit, die der des Cylinders proportional ist.
6) Endlich einer besonderen Vorrichtung, um, unabhängig von jedem chronometrischen
Apparat, sich der Gleichförmigkeit der Bewegung zu versichern und die Fehlergränze
der Endresultate zu bestimmen.
Der chronometrische Apparat beruht also auf dem Princip, dessen sich Hr. Morin zu seinen drehenden Scheiben bediente, mit dem
Unterschiede jedoch, daß die Scheibe durch einen Cylinder ersezt ist, und daß der
Windfang Flügel trägt, die Theile von Spiralen sind, deren Tangente 45° gegen
den Radiusvektor neigt, was uns, um rascher die gleichförmige Bewegung zu erhalten,
das Beste zu seyn schien, weil solchergestalt die Luft einen größeren Widerstand
darbietet als bei ebenen Flügeln. Die Lage der Schnur, welche das bewegende Gewicht
trägt, wird constant erhalten, indem sie über eine Rolle geht, die sich auf einer
starken Leiste verschiebt; in dem Maaße als sie sich abwikelt, wird sie auf zwei
conische Rollen aufgewikelt; sie kann von zwei oder sechs Fäden seyn. Endlich ist
der Apparat, obwohl stark gebaut, doch mit all der Sorgfalt ausgeführt, die wir auf
unsere feinsten Arbeiten verwenden.
Wir haben mehrere solcher kleinen Mechanismen construirt, neben einander, doch von
einander getrennt, und jeden in eine kleine numerirte Büchse eingeschlossen; sie
dienen dazu, die Kette für ein Gitter (cible) zu
schließen, wenn das vordere durchschossen ist. Diese Büchsen enthielten ein
elfenbeinernes Sperrrad mit einem metallenen Zahn; auf seiner Achse war eine Palette
von Eisen, die einen in die Zähne des Rades greifenden Schnepper hatte. Ein anderer,
von diesem unabhängiger Schnepper, ein Sperrschnepper, schloß die Volta'sche Kette,
so wie er mit dem metallenen Zahn in Berührung kam.
Vor der Palette war ein Elektromagnet, welcher sie anzog, so wie ihn der Strom
umkreiste, und welcher sie losließ, so wie ein Draht im Gitter durchschossen war.
Bei dieser Bewegung rükte das Elfenbeinrad vor, und näherte den Metallzahn dem
Sperrschnepper.
Nachdem von der Ladung ab eine Reihe von Abständen bestimmt worden, wurde ein Leiter
vor der Kugel vorübergeführt, ein anderer vor die Mündung der Kanone, und an den
übrigen Punkten wurden Gitter aufgestellt, deren Größe mit den Abständen zunahm.
Die Gitter (cibles) sind große Rahmen, deren Fläche der
Leitdraht der Elektricität in allen Richtungen durchläuft, so daß er ein Nez
darbietet, dessen Maschen kleiner sind als der Durchmesser des Geschosses, um sicher
zu seyn, daß der Draht irgendwo zerrissen worden, wenn jenes durch das Nez gegangen
ist. Der Strom, welcher in einem Gitter und zugleich um den Elektromagnet eines der
Stifte circulirt, unterhält durch die Magnetisirung diesen entfernt vom Cylinder,
woraus erhellt, daß, da im Moment der Durchschießung des Gitters der Strom
unterbrochen wird, der Stift niedersinkt und ein Zeichen auf dem Cylinder macht. Das
Geschoß, seine Bahn verfolgend durchfliegt nun ein anderes Gitter, welches, da es
mit dem zweiten Stift verknüpft ist, diesen ebenfalls fallen und auf dem Cylinder
eine Marke machen läßt. Aus dem Abstande zwischen diesen beiden Marken und der
bekannten Umlaufsgeschwindigkeit des Cylinders läßt sich dann berechnen, mit welcher
Geschwindigkeit das Geschoß sich von einem Gitter zum andern bewegt.
Man kann für jedes Gitter einen Strom und einen Stift anwenden; allein es ist
einfacher für jede beliebige Zahl von Gittern nicht mehr als zwei Ströme zu
gebrauchen, und dazu dienen die vorhin erwähnten kleinen Büchsen auf folgende
Weise.
Man stellt zwischen je zwei Gitter, vom zweiten ab, eine dieser Büchsen; hiedurch
wird, so wie das zweite Gitter durchschossen ist, der Strom für das dritte
hergestellt, und der erste Stift hebt sich; ist das dritte Gitter durchschossen, so
hebt sich der zweite Stift, der erste fällt, und der Strom durchläuft das dritte Gitter. Dieser
Vorgang wiederholt sich bis zum lezten.
Da jeder der beiden Stifte seinen eigenen Strom hat, und sie folglich unabhängig von
einander sind, so kann man unendlich kleine Räume messen, was nicht möglich wäre mit
einem einzigen Stift und einem einzigen Strom, den man unterbräche und wieder
herstellte.
Wir haben gesehen, daß der Umfang des Cylinders einen Meter beträgt und in 1000
Theile getheilt ist. Jeder Millimeter repräsentirt 1/1000 Secunde, wenn er einen
Umlauf in der Secunde macht, 1/2000 wenn er deren zwei macht, 1/3000 wenn er drei
macht u.s.w.
Gegen den Umfang des Cylinders und den der Scheibe die, wie man weiß, isolirt ist,
drüken Federn. Auf jeden dieser Umfänge ist ein Bogen von Elfenbein, um eine
Unterbrechung der elektrischen Strome zu bewirken, welche man durch die
Elektromagnete der Stifte gehen läßt. Diese Einrichtung ist bestimmt zur
Verification der Gleichförmigkeit der Bewegung und der Messung der Zeit, welche die
Stifte zum Fallen auf den Cylinder gebrauchen. Leztere Größe oder wenigstens die
Fehlergränzen, zwischen denen sie schwankt, muß man nothwendig kennen, um an der
Messung der Zahl von Abtheilungen zwischen zwei benachbarten Marken der Stifte,
welche die Geschwindigkeit des vom Geschosse durchlaufenen Raumes geben soll, die
nöthigen Berichtigungen zu machen.
Man sieht also, daß bei jedem Umgang oder jedesmal, wenn das Elfenbeinstük unter die
Feder tritt, der Strom unterbrochen wird, der Stift niedersinkt, dann am Ende des
isolirenden Bogens sich wieder hebt, um beim folgenden Umgang abermals zu
fallen.
Wenn man nun sorgfältig beobachtet, auf welchen Theilstrich des Cylinders der Stift
niedersinkt, wenn der Cylinder in Ruhe ist, und dann, auf welchen er fällt, wenn
derselbe sich bewegt, so hat man, da die Rotationsgeschwindigkeit des Cylinders
bekannt ist, leicht das Maaß der Zeit, welche der Styl gebraucht, um während des
oben gemessenen Bogens zu fallen. Macht z.B. der Cylinder dritthalb Umgänge in der
Secunde, und ist der gemessene Bogen 30 Millimeter, so gebraucht der Stift zum
Fallen auf den Cylinder 30/2500 = 0,012 Secunde.
Um zu beobachten, ob die Bewegung gleichförmig sey, läßt man den Cylinder sich
drehen, und wenn man glaubt, es geschehe recht gleichmäßig, schließt man die Kette.
Alsdann ist der Vorgang folgender.
Der Wagen, welcher die Elektromagnete und die Stifte trägt, sezt sich in Bewegung,
und bei jedem Umgang machen die Stifte ihr Zeichen auf dem Cylinder in horizontaler
Richtung, allein an verschiedenen Stellen.
Ist man am Ende des Cylinders angelangt und untersucht die Angaben, so muß man, falls
die Bewegung gleichförmig ist, alle Marken auf derselben Richtlinie finden, dagegen
auf einer Schnekenlinie, wenn sie beschleunigt oder verzögert ist, und auf einer
Schlangenlinie, wenn sie ungleich ist. Man hat solchergestalt einen wahr haft
chronometrischen Apparat, der sich selbst verificirt.
Wir beobachteten die Bewegung bei Geschwindigkeiten von drittehalb bis drei Umgängen
in der Secunde, und als wir den Stift fallen ließen, fanden wir alle Zeichen auf
einer und derselben Richtlinie; zuweilen ergaben sich Unterschiede von 1 Millimeter,
was für diesen Augenblik in der Bewegung eine Variation von 1/2500 = 0,0004 Secunde
anzeigt.
Um den Moment abzupassen, da die Geschwindigkeit gleichförmig geworden, beobachteten
wir die Umgänge der Achse unmittelbar vor dem Cylinder mit einem Zähler; allein um
dieser mehr oder weniger langweiligen Operation überhoben zu seyn, hatte ich die
Idee, einen Commutator auf der Achse anzubringen, und einen Zähler (dessen Zeiger
Punkte auf das Zifferblatt machte) mit einem System von Elektromagneten zu
verknüpfen.
Bei jedem Umgang der Achse schloß der Commutator einen elektrischen Strom, der durch
Umkreisung von Elektromagneten eine lebhafte Anziehung bewirkte, und das Ende eines
Hebels auf den Knopf des Zählers drükte. Die auf das Zifferblatt gemachten Punkte
zeigten eine große Regelmäßigkeit.
Dieß leztere Instrument könnte, wie uns scheint, mit Vortheil in Fabriken angewandt
werden; denn mittelst Leiter, die vom Zimmer des Directors ausgingen und mit dem
Regulator oder dem Cylinder einer Dampfmaschine verbunden wären, könnte man zu jeder
Tageszeit und ohne Störung die Geschwindigkeit des einen oder anderen erfahren. Zu
größerer Bequemlichkeit könnte man die Säule durch elektromagnetische Ströme
ersezen.
Auch könnte dieses Instrument bei Beobachtungen über die Geschwindigkeit von
Wasserrädern nüzlich seyn.