Titel: | Verfahren natürliche und der Verfälschung verdächtige Weine zu analysiren. |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. LV., S. 230 |
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LV.
Verfahren natuͤrliche und der
Verfaͤlschung verdaͤchtige Weine zu analysiren.
Aus dem Journal de Chimie médicale, März 1845,
S. 124.
Verfahren natürliche und der Verfälschung verdächtige Weine zu
analysiren.
Die seit einiger Zeit (in Frankreich) sehr häufig vorkommenden Verfälschungen der
Weine veranlaßten viele chemische Untersuchungen derselben; wir stellen im Folgenden
die Methoden zusammen, welche von den HHrn. Payen, Chevallier,
Cottereau, Labarraque, Lecanu und Lassaigne
dabei angewandt wurden.
Da die Weine nach dem Klima, der Zeit der Lese, nach der Art, wie der Most gegohren
etc. verschieden sind, so kann man füglich annehmen, daß Weine von demselben Gewächs, die zur gleichen Zeit und auf dieselbe Art bereitet
wurden, auch eine gewisse Aehnlichkeit in der Zusammensezung hinsichtlich
ihres Gehalts an Alkohol und fixen Bestandtheilen besizen müssen. Dadurch, daß man
sich natürliche Weine aus sicherer Quelle verschaffte und deren Eigenschaften
studirte, war man daher oft in den Stand gesezt, sich von der Reinheit der in den
Handel übergegangenen, oder von deren Vermischung mit Wasser und Alkohol zu
überzeugen.
Die Vergleichung eines Weins mit einem andern von demselben Gewächs ist nur durch
Untersuchung zweier Proben möglich, deren Gehalt an Wasser,
absolutem Alkohol, Extract, Weinstein und anorganischen oder mineralischen
Salzen man zu diesem Zwek bestimmen muß. So kann man, wenn auch keine
vollkommene Lösung der Frage, doch ein sicheres Resultat hinsichtlich der Identität
dieser Weine oder ihrer Verschiedenheit erhalten.
Allen dießfallsigen chemischen Versuchen muß die Ausmittelung der physischen
Eigenschaften der Weine vorausgehen, nämlich ihrer Farbe,
ihres Geruchs, Geschmaks und ihrer Dichtigkeit; leztere wird bei gleicher Temperatur mittelst eines
empfindlichen Aräometers bestimmt. Die relative Intensität ihrer Farbe läßt sich
mittelst des Colorimeters von Collardeau (polytechnisches
Journal Bd. LXIX S. 41) ermitteln.
Die chemische Untersuchung zerfällt in folgende Operationen:
1) Alkohol. Die Destillation eines bestimmten Volums Wein
ist das gewöhnliche Verfahren zur Bestimmung des Alkoholgehalts. Das Volum der
überdestillirten Flüssigkeit muß ein Drittheil des Weins betragen, und ehe man den
Grad derselben mittelst des Gay-Lussac'schen
Alkoholometers ermittelt, muß man ihre Temperatur mit dem Thermometer ausmitteln, um
sie, wenn sie über + 15° C. (12° R.) beträgt, darauf zurük-,
wenn darunter, auf diesen Grad zu bringen. Mittelst eines Bades von kaltem oder
lauwarmem Wasser ist beides leicht zu bewerkstelligen. Die Zahl, welche den Grad des
von dem Wein abgeschiedenen Alkohols ausdrükt, muß dann mit 3 dividirt werden, um
das wirkliche Volum des in 100 Volumen Weins enthaltenen absoluten Alkohols zu
erhalten.
2) Wasser. Die Quantität dieses Bestandtheils läßt sich
nicht direct bestimmen; wenn man aber die Menge der fixen Bestandtheile, welche nach
der Verdampfung eines gewissen Volums Wein zurükbleiben, ausgemittelt hat, so
braucht man nur von dem bekannten Gewicht der flüchtigen Bestandtheile (Wasser und
Alkohol) den im ersten Versuche mittelst des Alkoholometers bei + 15° C.
gefundenen Alkoholgehalt abzuziehen; der Gewichtsunterschied entspricht dem
Wassergehalt des Weins.
3) Farbstoff des Weins. Der Farbstoff des rothen Weins
gehört nicht eigenthümlich der Traube an, sondern ist auch in einer großen Anzahl
anderer Früchte verbreitet; obwohl es daher nicht immer möglich ist auszumitteln, ob
der Farbstoff eines Weins derselbe ist, welcher sich in dem Traubenbalg befand, so
kann doch durch gewisse Reactionen ermittelt werden, ob dem Wein fremdartige Farbstoffe zugesezt wurden.
Die Reaction des Kalis und Ammoniaks auf die rothen Weine, welche deren natürliche rothe Farbe in eine bräunlich‐ oder bläulich‐grüne verwandeln, und die des basisch‐essigsauren Bleies, welches den Wein ganz entfärbt und seinen Farbstoff als lasurblauen, ins Grauliche stechenden Lak niederschlägt, genügen in den meisten Fällen zur Ermittelung seiner Identität. Kaltwasser,
den rothen Weinen in Ueberschuß zugesezt, verwandelt ihre Farbe in Gelblichbraun, indem es einen reichlichen flokigen Niederschlag
von derselben Farbe hervorbringt, über welchem eine fahlgelbe Flüssigkeit schwimmt.
Der rothe Farbstoff scheint in gewissen Weinsorten die Rolle des Gerbestoffs zu spielen, weßhalb man annahm, daß lezterer
ein Bestandtheil dieser Weine sey; auch reagiren diese Weine auf die Leimauflosung, Auflösungen von schwefelsaurem Chinin,
Brechweinstein und Eisenoxydsalzen, wie eine schwache Gerbestofflösung. Durch übermäßigen Zusaz von Leim werden diese Weine
oft ganz entfärbt, was die Weinhändler schon oft erfahren haben.
Viele Weine haben auf leztere Reagentien gar leine, oder eine nur sehr schwache Wirkung, wodurch man in gewissen Fällen ihre
Verfälschung mit einem fremdartigen Gerbestoff zu erkennen im Stande ist.
Freie Säuren der Weine. Die natürliche Säure der Weine rührt von etwas Aepfelsäure, so wie von dem doppeltweinsteinsauren Kali (Weinstein) her,
welches er stets in wandelbarer, aber geringer Menge enthält. Das Vorhandenseyn von (freier) Weinsteinsäure in den Weinen
ist ein ausnahmsweiser Fall, wie dieß die Analyse von mehr als 50 französischen Weinsorten ergab. Ob ein Wein freie Weinsteinsäure
enthält, läßt sich auf die Art ausmitteln, daß man ihn mit seinem doppelten Volum einer gesättigten Auflösung von Chlorkalium
(salzsaurem Kali) versezt und die Mischung mit einem Glasstäbchen, welches man gegen die Wände des Glases andrükt, worin die
Reaction erfolgen soll, umrührt. Nach 8 bis 10 Minuten trübt sich der Wein, wenn ihm etwas Weinsteinsäure zugesezt worden
war und sezt doppeltweinsteinsaures Kali als krystallinisches weißes Pulver ab, welches durch Decantiren abgesondert werden
kann. Dieser Niederschlag, in einem Ueberschuß von destillirtem Wasser wieder aufgelöst, liefert eine Flüssigkeit, welche
durch Kalkwasser reichlich in weißen Floken gefällt wird, die sich in einer Lösung von salzsaurem Ammoniak in der Kälte wieder
auflösen.
Fixe organische und unorganische Salze. Die fixen salzigen Bestandtheile sind doppeltweinsteinsaures Kali, Chlorkalium, weinsteinsaurer Kalk, schwefelsaures Kali, schwefelsaurer Kalt und phosphorsaurer Kalk, wozu bei gewissen Weinen noch weinsteinsaures Thonerde‐Kali und weinsteinsaures Eisen kommen.
Um die Menge des Weinsteins zu bestimmen, behandelt man das beim Verdampfen eines gewissen Volums Wein erhaltene Extract mit
Weingeist von 40 Volumsprocenten, sammelt den darin unauflöslichen Theil und süßt ihn mit Weingeist gut aus; das erhaltene
Product aus rohem oder unreinem Weinstein bestehend, wird nach vollkommenem Austroknen gewogen und in einem Platinschälchen verkohlt. Hierauf behandelt man die erhaltene
Kohle mit heißem Wasser, welches das bei der Zersezung des Weinsteins erzeugte kohlensaure Kali auflöst; um lezteres Salz
quantitativ zu bestimmen, braucht die alkalische Lösung nur noch mit Schwefelsäure von bekanntem Gehalt neutralisirt zu werden.
Aus der verbrauchten Menge der alkalimetrischen Flüssigkeit ist die des Kalis und aus lezterer die entsprechende Quantität
doppeltweinsteinsauren Kalis zu berechnen. Bedient man sich einer alkalimetrischen Flüssigkeit, welche aus 900 Theilen destillirtem
Wasser und 100 Theilen Schwefelsäure von 1,842 specifischem Gewicht besteht, so sind 2,75 Kubikcentimeter davon erforderlich,
um das in einem Gramm verkohlten Weinsteins enthaltene Kali zu sättigen.
Die in Wasser unlöslichen Salze erhält man durch Einäschern der ausgelaugten Kohle; man löst die Asche in reiner Salzsäure
mittelst der Wärme auf und untersucht diese Flüssigkeit weiter. Um die Thonerde von dem phosphorsauren Kalk und dem Eisenoxyd
zu trennen, versezt man sie mit einem Ueberschuß von reinem Aezkali, filtrirt den entstandenen Niederschlag und übersättigt
die filtrirte alkalische Flüssigkeit mit einer Auflösung von Salmiak, welche das aufgelöste Thonerdesalz daraus abscheidet.
Der anfangs niedergeschlagene phosphorsaure Kalk nebst Eisenoxyd wird in ein wenig Salzsäure wieder aufgelöst, die Flüssigkeit
zur Trokne abgedampft und der Rükstand mit Weingeist behandelt, um das Eisenchlorid von dem phosphorsauren Kalk zu trennen.