Titel: | Ueber den Oenometer (Wein-Gährungsmesser) des Hrn. Vergnette de la Motte; ein dem landwirthschaftlichen Centralcomité des Departements der Goldküste von Hrn. Delarue erstatteter Bericht. |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. LVI., S. 234 |
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LVI.
Ueber den Oenometer
(Wein-Gaͤhrungsmesser) des Hrn. Vergnette de la Motte; ein dem
landwirthschaftlichen Centralcomité des Departements der
Goldkuͤste von Hrn. Delarue erstatteter Bericht.
Aus dem Moniteur industriel, 1845 Nr. 895 und
896.
Delarue, über den Oenometer des Hrn. Vergnette.
Hr. Vergnette de la Motte construirte ein Instrument,
womit Jedermann leicht und schnell den Zeitpunkt für das Ablassen des fertig
gegohrenen Mosts oder Weins aus der Gährkufe oder Bütte bestimmen kann. Diese
wichtige Operation war bisher der Willkür und Routine überlassen, und man konnte
sich höchstens nach den Angaben eines unvollkommenen, umständlich zu behandelnden
Instruments, der Most- oder Weinwaage richten. Wir theilen im Folgenden die
Beschreibung des neuen höchst einfachen, ganz verläßlichen und wohlfeilen
Instruments mit, lassen aber die interessanten Versuche des Erfinders
vorausgehen.
Die anfängliche Temperatur des Mosts ist von entschiedenem Einfluß auf die
Schnelligkeit der Gährung; gleichwohl trat im Jahr 1837 (Temperatur 11° C.)
die Gährung schneller ein als im Jahr 1838 (Temperatur 13° C.). Sie beginnt
in der Kufe an unregelmäßig in der Masse zerstreuten Mittelpunkten. Ist dieser erste
Gährungsact einmal entwikelt, so steigt die Temperatur rasch auf
23–25° C.; jedem Jahr entspricht ein anderer Grad dieser anfänglichen
Temperatur; im Jahr 1842 erreichte sie ihr Maximum bei 33° C.
Beim Durchlesen meiner Notizen, fährt Hr. Vergnette fort,
fand ich daß im Jahr 1841 eine Kufe, in welcher man, um sie bald ablassen zu können,
das Treten beschleunigte, als der Wein 1,03 Dichtigkeit zeigte, für dieses Jahr nun
die höchste Temperatur hatte, ohne daß ein anderer Grund dafür angegeben werden
kann, als die angewandte Behandlung. Mitten in der stärksten Gährung bei 1,03
Dichtigkeit getreten, wurde sie 12 Stunden darauf bei 0,99 Dichtigkeit abgelassen
und lieferte einen für dieses Jahr merkwürdig guten Wein. Im Jahr 1842 wiederholte
ich dieses Verfahren mit mehreren Kufen; es trat wieder dieselbe
Temperatur-Erhöhung ein, als man das Treten bei einer größeren Dichtigkeit
als sie üblich ist, vornahm. Seitdem verfuhr ich beständig auf gleiche Weise und mit
bestem Erfolg.
Da es aber doch ziemlich lang dauert, um bei jeder Kufe zu verschiedenenmalen die
Dichtigkeit der Flüssigkeit zu ermitteln, so kam ich auf die Idee, eine Kugel
verfertigen zu lassen, welche in einer Flüssigkeit von 1,04 Dichtigkeit obenauf
schwimmt, in einer Flüssigkeit von 1,03 Dichtigkeit aber einsinkt; der mittelst
dieser Kugel geprüfte Wein mußte getreten werden, wenn sie untersank, und noch
stehen bleiben, wenn sie obenauf schwamm. Das Problem war aber damit noch nicht
völlig gelöst; ich hatte wohl eine obere, aber keine untere Gränze für die
Dichtigkeit der zu prüfenden Flüssigkeit; ich benuzte daher noch eine Kugel, die in
einer Flüssigkeit von 1,03 Dichtigkeit oben aufschwamm, in einer Flüssigkeit von
1,02 Dichtigkeit aber untersank. Beide Kugeln miteinander machten die Probe leicht
und vollständig; waren beide unter der Flüssigkeit, so hatte die Flüssigkeit 12
Stunden nach dem Treten gewöhnlich 1,00 Dichtigkeit; es war dieß der rechte
Augenblik zum Ablassen. Zwei Jahre lang hatte ich mich dieses
Wein-Gährungsmessers (dieser Weinwaage) bedient, als competente Weinkenner
mich bestimmten, ihn der Oeffentlichkeit zu übergeben und zwar aus folgendem Grunde:
ich gab im Jahr 1823 dieses Instrument einem Winzer, der, da er nicht lesen konnte,
sich der gewöhnlichen Mostwaage nicht zu bedienen wußte, überdieß sich auch auf das
Weinkosten nicht verstand, daher er völlig außer Stand war die Kufenbehandlung zu
leiten; ich erklärte ihm meinen Weinmesser und es gelang ihm nun das Abziehen wie
dem besten Weinkenner.
Kurz zusammengefaßt rathe ich meinen Weingährungsmesser wie folgt anzuwenden:
Treten. – Alle Weine sollen, wenn die eine Kugel
unter der Flüssigkeit bleibt, die andere obenaufschwimmt, getreten werden.
Ablassen. – 1) Die sehr feinen Weine werden 12
Stunden nach dem Treten abgelassen, ob beide Kugeln unter die Flüssigkeit tauchen,
oder nur eine einzige.
2) Weine, welche hart (ferme) verlangt werden, läßt man,
wenn beide Kugeln untertauchen, 24 Stunden nach dem ersten Treten ab, nachdem man
zuvor nach Verlauf der ersten 12 Stunden ein zweites oder Zwischentreten vorgenommen
hat.
3) Von Natur oder in Folge von Zusäzen an Zukerstoff sehr reiche Weine werden 24
Stunden nach dem Treten abgelassen, wenn auch die eine der beiden Kugeln immer
obenaufschwämme.
4) Geringe Weine (vins gamets) endlich werden 36 Stunden
nach dem ersten Treten, und nachdem man ein zweites nach 24 stunden Zwischenzeit
vorgenommen hat, abgelassen.
Die Versuche des Hrn. Vergnette wurden von dem
Berichterstatter wiederholt und gaben folgende Resultate.
Als die Mostwaage 1° unter 0 zeigte, wurde getreten; die eine Kugel senkte
sich damals ein, die andere schwamm obenauf; 14 Stunden nach dem Treten wurde
abgelassen; die Mostwaage zeigte dann 1/2° unter 0; die beiden Kugeln sanken
unter. Die Kufe, auf welche sich diese Operation bezog, enthielt 22 Hektoliter und
die Gährung war in Folge eingetretener Zufälle etwa 20 Stunden unterbrochen.
Die zweite Operation wurde mit einer Kufe von 40 Hektoliter angestellt, deren Gährung
ihren Verlauf auf das Beste gemacht hatte; bei 2° unter 0 der Mostwaage
zeigten die Kugeln an, daß daß Treten vorzunehmen sey; 13 Stunden nachher und als
die Mostwage 1/2° unter 0 zeigte, sanken beide Kugeln ein, es wurde
abgelassen und der Wein hatte alle wünschbaren Eigenschaften.
Die von Hrn. Vergnette angegebenen Thatsachen wiederholten
sich also constant.