Titel: | Karl v. Neander und Einiges von seinen Erfindungen und gemeinnüzigen Leistungen; mitgetheilt von L. v. Malinowsky I. |
Autor: | Louis Malinowsky [GND] |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. LIX., S. 242 |
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LIX.
Karl v. Neander und Einiges von seinen
Erfindungen und gemeinnuͤzigen Leistungen; mitgetheilt von L. v. Malinowsky I.
Ueber K. v. Neander, Erfindungen und gemeinnüzigen
Leistungen.
Karl v. Neander, geboren zu Labes in Pommern am 25.
December 1762, gestorben am 30. April 1842 in Berlin, war Hauptmann in der
preußischen Artillerie, und erwarb sich während seiner 33jährigen Dienstzeit den Ruf
eines talentvollen, thätigen und umsichtigen Officiers, der sich zugleich durch
mancherlei nüzliche Erfindungen und seine dem Gemeinwohl gewidmeten Bestrebungen ein
bleibendes Andenken gestiftet hat. Während seine Erfindungen im Felde der
Militär-Technik größtentheils schon anderweitig (zum Theil auch durch den
Verf. dieser Zeilen in der Geschichte der preußischen Artillerie) ihre Würdigung
gefunden haben, sind manche von seinen übrigen durchdachten und theilweise praktisch
erprobten Ideen noch wenig bekannt geworden, und es dürfte daher hier der Ort seyn,
Einiges über den rastlosen Eifer dieses verdienten Mannes und über seine in das
bürgerliche Leben eingreifenden Erfindungen mitzutheilen, was wir der Güte seiner
nächsten Angehörigen verdanken.
Er entwarf zuerst den Plan zur regelmäßigen Numerirung der
Häuser Berlins und der Namenbezeichnung an den
Straßeneken; eben so die erste regelmäßige Erleuchtung
der Stadt, wie sie bis zur Einführung der Gaserleuchtung bestand und durch
militärisch eingerichtete Erleuchtungs-Compagnien ausgeführt wurde. 1801 ließ
er ganz Berlin (damals 13 Meilen) vermessen und gab eine statistische Tabelle der Stadt heraus, welche eine anschauliche Uebersicht
der einzelnen Straßen mit den Nummern der Häuser und den Namen ihrer Eigenthümer
gewährte, und die Grundlage des spätern Wohnungsanzeigers für die Residenz ward.
Ferner errichtete er 1806 die ersten Milchbureaux zum
Besten des Friedrichsstiftes, dessen Gründer er in dieser
Zeit wurde, und führte das erste kleingeschlagene
Verkaufsholz ein, wodurch er eine Anstalt für freiwillige Beschäftigung
verarmter Familienväter begründete.
Zu seinen vielen nüzlichen Erfindungen gehört zunächst ein sehr praktischer Milchmesser (Lactimeter), dessen Hermbstädt in seinen Annalen als des besten dieser Art gedenkt; ferner
verbesserte Hufeisen, besonders zum Gebrauch beim
Glatteise, von denen noch Proben vorhanden sind; damascirte
Achsen, welche eine größere Haltbarkeit gewähren sollen; gebogene Radfelgen, welche Leichtigkeit mit ungemeiner
Dauerhaftigkeit und Wohlfeilheit verbinden; eine Rund- oder Circularsäge; die noch jezt
in Gebrauch stehenden, zwischen zwei Rädern schwebenden Wasserkufen zum Feuerlöschen oder auch zum Gartengebrauch; ein sehr
einfacher und höchst brauchbarer großer und kleiner Höhenmesser für Forstleute und Gutsbesizer, vom verstorbenen
Ober-Landforstmeister Hartig als der beste
anerkannt; Portativ-Buhnen zum Wegräumen der
Versandungen in schiffbaren Flüssen, wovon noch gedrukte Abhandlungen existiren; ein
verbessertes Straßenpflaster, und ein erprobtes Steingeleise für Lastwagen im Sande, wovon ebenfalls noch
die Beschreibung vorhanden ist; Schwimmbüchsen
zur Sicherung gegen die
Gefahr des Ertrinkens; die ersten transportabeln
Kachelöfen zum Heizen und Kochen; die Aqua-pressa
, mit außerordentlicher Kraft und Leichtigkeit wirkender
Brunnen etc. etc.
Hienächst erwähnen wir noch zweier Erfindungen, von denen die eine in einem Feuer-Rettungs-Apparat, die andere in einer
Vorrichtung zur jähen Abspannung scheu gewordener Pferde
besteht. Der erstere Apparat, welcher neu angefertigt noch im Nachlasse des
Erfinders vorhanden ist, ohne neuerdings, wie es derselbe kurz vor seinem Tode
beabsichtigte, ins Leben getreten zu seyn, beruht auf einer ältern, bereits
publicirten, und später nur veränderten Idee, und besteht in einer sogenannten Nez-Saktreppe von 40 Fuß Länge, die in einem mäßig
großen Stubentische enthalten und bei Feuersgefahr in Verbindung mit diesem
unmittelbar zu gebrauchen ist. Erst im vorigen Jahre erwähnte das Blatt Nr. 18 der
„Beiträge zur Erleichterung des Gelingens der praktischen
Polizei“, herausgegeben vom königl. Polizeirath Merker, jener Erfindung, indem es erzählt: daß das Elberfelder Kreisblatt
einen Artikel mittheile, in welchem die königliche Regierung zu Minden die
Polizei-Behörden ihres Bezirks auf die Anschaffung eines Apparats (Saktreppe)
zur Rettung in Feuersgefahr aufmerksam mache, und denselben ganz so beschreibt, wie
ihn der Hauptmann v. Neander schon vor vielen Jahren
erfand, und öffentlich zum Besten des Friedrichsstiftes zu Berlin in dessen Locale
zeigen ließ; was also einen unzweideutigen Beweis von der praktischen Brauchbarkeit
der in Rede stehenden Vorrichtung geben dürfte. Der ganze Apparat, mit dem man sich
aus der vierten Etage eines Hauses in Feuersgefahr retten kann, kostet nebst Tisch
und Eisenbeschlag 20 Thaler, und ist zugleich ein solides Zimmermöbel, das nach
Belieben eleganter gefertigt werden kann.
Was den zweiten Apparat anbetrifft, so verspricht er in seiner Anlage einen so
günstigen Erfolg, daß er bei seiner augenscheinlichen Gemeinnüzigkeit in der That
unsere Aufmerksamkeit zu erregen geeignet ist, und allgemein bekannt zu werden
verdient, indem er jedes Fahrzeug, das mit demselben versehen ist, gegen die durch
das Scheuwerden der Pferde entstehenden Gefahren wirklich sichert, wie nicht allein
aus der Construction offenbar geschlossen werden muß, sondern auch durch vielfache
Proben außer Zweifel gesezt worden ist.
Schon vor mehr als 27 Jahren lenkte Neander seine
Aufmerksamkeit auf die Erfindung eines Apparats zur jähen Abspannung scheu
gewordener und durchgehender Wagenpferde, um den vielfach durch sie entstehenden
Unglüksfällen auf eine leichte Weise vorzubeugen; allein die Erfindung, bereits in
ihren Principien festgestellt, blieb damals, durch neue Ideen verdrängt, liegen, und
wurde erst in neuerer Zeit wieder von ihm aufgenommen und vervollkommnet, doch
verhinderte sein Tod die von ihm beabsichtigte Veröffentlichung der Sache. Die in
Rede stehende Vorrichtung, wie sie zulezt sich gestaltet hatte, ist nun im
Allgemeinen folgende.
Unter dem hintern Ende der Deichsel befindet sich eine um ihre Längenachse drehbare
Brake mit vier Haken, an welche die Stränge der Pferde, welche an ihren Enden mit
starken eisernen Ringen versehen seyn müssen, gehängt werden. Sie kann unter jedem
Wagen leicht befestigt werden, und eine kleine von ihr aus in den Wagen geleitete
Schnur sezt schon die schwächste Kraft einer in demselben sizenden Person in den
Stand, durch Anziehen derselben die wild gewordenen Pferde sogleich abzuspannen,
indem die dadurch veranlaßte Drehung der Brake die Haken nach Unterwärts stekt, und so die Ringe mit
den Strängen abwirft. So lange die Schnur lose hangen bleibt, ist ein Abspannen
durch sich selbst nicht möglich. Wilde Pferde ziehen straff an; die plözliche
Abspannung mitten im Laufe macht sie stuzig, und unwillkürlich drehen sie sich
seitwärts und sie müssen stillstehen, weil ihnen nichts zu ziehen bleibt, während
ein kurzer, doch hinlänglich starker Riemen an der vordern Deichselspize sie am
Kopfe fesselt. Dort haben sie keine Kraft zum Ziehen, sie fühlen sich unerwartet
gelähmt, und können auch nicht davonlaufen, was ebenfalls so oft noch Unglük
verursacht hat. Der ganze Apparat kostet etwa nur 7 Thaler; ein Modell 2 Thaler. Im
Nachlasse des Erfinders befinden sich noch mehrere dergleichen Vorrichtungen für
ein- und zweispännige Wagen, die sogleich anwendbar sind, deßgleichen einige
Modelle, von denen sich eines auf der vorjährigen Gewerbeausstellung in Berlin
befand, und die sämmtlich für den obigen Preis erlassen werden. – Wir
übergeben diese wenigen Nachrichten der Oeffentlichkeit mit dem Wunsch, daß sie der
verdienten Beachtung nicht entgehen mögen.