Titel: | Legendre's und Avery's oscillirende Dampfmaschine. |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. LXI., S. 258 |
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LXI.
Legendre's und
Avery's
oscillirende Dampfmaschine.
Aus dem Civil Engineer and Architects' Journal, Febr.
1845, S. 57.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
[Legendre's und Avery's oscillirende Dampfmaschine.]
Diese Maschine, welche auf der lezten Pariser Industrie-Ausstellung zu sehen
war, weicht von den bekannten derartigen wesentlich ab; anstatt nämlich den Cylinder
oscilliren zu lassen, geben die Erfinder bloß der Kolbenstange eine oscillirende
Bewegung, und diese Anordnung vereinfacht die beweglichen Theile der Maschine
bedeutend. Im Jahr 1836 wandte Hr. Francis Humphrey in
England eine oscillirende Kolbenstange an, welche sich in einer Röhre bewegte, die
auf dem Obertheil des Kolbens befestigt war und durch eine Stopfbüchse in dem
Cylinderdekel ging.
Diese Construction wurde bei dem Dartford Dampfboote angewandt. Ein großer Nachtheil
dieses Systems besteht aber darin, daß, da durch die Röhre ein großer Theil der
oberen Kolbenfläche als unwirksam verloren geht und folglich der Dampfdruk auf die
untere Kolbenfläche größer ist als auf die obere, die Maschine eine unregelmäßige
Bewegung erhält.
Bei der Maschine von Legendre ist das eine Ende der
Kolbenstange mit dem Krummzapfen verbunden, und das andere durch ein Scharnier mit
dem Kolben, so daß durch dieselbe die Bewegung des Kolbens unmittelbar dem
Krummzapfen mitgetheilt wird. Auf dem Cylinderdekel ist eine Oeffnung oder ein
Schliz, welcher groß genug ist, um der Kolbenstange freie Bewegung zu gestatten.
Dieser Schliz ist jedoch durch eine Schieberplatte verschlossen, welche eine
Stopfbüchse mit Kugelgelenk trägt und sich in Nuthen oder Bahnen in dem
Cylinderdekel selbst verschiebt. Die radiale Bewegung der Kolbenstange ist durch die
Kugelstopfbüchse gesichert, welche durch zwei kleine stählerne Achsen mit dem
Schieberstüke verbunden ist. Liese Vorrichtung gibt nun der Kolbenstange Spiel
genug, so daß sie unmittelbar den Krummzapfen bewegen kann.
Eine solche Maschine wurde im Jahr 1843 erbaut, und gewiß ist, daß nicht die
geringste Dampfentweichung stattfand, weder an dem Schieberstük, noch an der
Kugelgelenk-Stopfbüchse, obgleich der Dampfdruk von einer Atmosphäre bis auf
fünf gesteigert wurde. Wenn das Vacuum unter dem Kolben hergestellt wurde, so war der Dampfdruk gegen die
Schieberplatte hinreichend, dieselbe vollkommen schließend zu machen, und wenn das
Vacuum oder dem Kolben statt fand, hielt die Verpakung in der Stopfbüchse die
Schieberplatte in vollkommener Berührung mit dem Untertheil des Dekels.
Fig. 32 und
33
stellen eine Maschine von 10–12 Pferdekräften vor, an welcher dieses System
angewandt ist. Diese Art von Maschinen ist für Dampfboote sehr geeignet, und erst
kürzlich wurde ein Boot mit solchen Maschinen von 200 Pferdekräften für den König
von Neapel gebaut. Hr. Legendre nahm im Jahr 1842 in
Frankreich ein Patent auf diese Maschine, und in Folge späterer Verbesserungen ein
zweites im Jahr 1844. John Harvey nahm darauf ein Patent
in England und Parkyn ein solches in Amerika.
a ist die Kolbenstange. b
die Stopfbüchse mit Kugelgelenk. c Platte unter dem
Dekel, welche sich in einer Nuth i, i' verschiebt. c, c' dünne Platten von Glokenmetall, welche die
Oeffnung in dem Dekel bedeken, um zu verhüten, daß Staub oder Schmuz in dieselbe
fallen kann. h, h Kolben mit Metallliederung. J Dampfkammer, l
Schieberventil.