Titel: | Kollmann's Verbesserungen an den Locomotiven und Eisenbahnen. |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. LXXXIV., S. 339 |
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LXXXIV.
Kollmann's
Verbesserungen an den Locomotiven und Eisenbahnen.
Aus dem Civil Engineer and Architects' Journal, März
1845, S. 72.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Kollmann's Verbesserungen an den Locomotiven und
Eisenbahnen.
Ob die bekannten Mängel unseres gegenwärtigen Eisenbahnsystems durch die Anwendung
von Kollmann's (in England patentirten) Verbesserungen so
vollständig beseitigt werden, wie derselbe glaubt, ist eine Frage, welche durch
wirkliche Versuche bald beantwortet werden wird, indem eine Compagnie bereits
hinreichende Capitalien zu diesem Zwek gezeichnet hat und Verhandlungen wegen der
Ausführung dieses Systems auf einer neuen Bahnlinie angeknüpft wurden.
Die Nachtheile, welche Hr. Kollmann an dem gegenwärtigen
Eisenbahnsystem beseitigen will, sind:
1) Die Unbequemlichkeit, daß die Centrumslinie der Radachsen genau senkrecht auf das
Maschinen- oder Wagengestelle erhalten werden muß. 2) Die Nothwendigkeit die
Räder so zu verkuppeln, daß bei Curven sich keines ohne das andere drehen kann. 3)
Die Nothwendigkeit Spurkränze an den Rädern haben zu müssen, was die Anwendung von
wohlfeilerem Materiale als die Schienen, wenn es nöthig wäre, ausschließt. 4) Die
fehlerhafte Wirkung der conischen Räder, wie sie gegenwärtig überall angewandt
werden. 5) Der Mangel an Mitteln zum Ersteigen schiefer Ebenen ohne Anwendung stationärer
Dampfmaschinen. 6) Die große Gefahr des Abspringens der Waggons von den Schienen
(aus obigen Gründen) bei großen Geschwindigkeiten, und die Schwierigkeit, den
Schwerpunkt so weit als möglich herunter zu bringen. Hr. Kollmann glaubt bei seinem nun zu beschreibenden Plane alle diese
Nachtheile vermieden zu haben.
1ster und 2ter Fehler. Es ist offenbar daß, wenn die
Radachsen genau rechtwinkelig zu den Wagengestellen erhalten werden, beim Befahren
von Curven eine gleitende Bewegung der Räder stattfinden muß, welche von dem
größeren Wege, den die äußeren Räder durchlaufen müssen, herkommt. Die dadurch
entstehende Reibung bewirkt Kraftverlust, beschädigt die Schienen, Räder und
Maschinerie, und ist die Ursache, daß man diese Theile stärker und schwerer machen
muß als es nothwendig ist. Dieser Uebelstand wird um so größer, je kleiner der
Halbmesser der Curve wird, und große Schwierigkeiten waren oft schon deßhalb zu
überwinden, weil man her Umgehung besonderer Localitäten wegen oft die Bahnlinie
verändern mußte. Bei Hrn. Kollmann's Maschine drehen sich
die Räder alle um besondere Achsen und jedes Räderpaar ist durch einen besonderen
Rahmen a, a,
Fig. 9 und
10,
gehalten, welcher sich um die zwei Zapfen oder Drehplatten f drehen läßt; der vordere und hintere Rahmen ist durch die Stangen G, g mit einander verbunden; am unteren Theile der
Rahmenachsen sind die Träger der horizontalen Leiträder b, b,
b, b befestigt, welche, wie man aus der Zeichnung sieht, mit einer
mittleren oder Leitschiene in Berührung sind und so auf die Stellung der Treibräder
wirken, daß ihre Achsen immer nach dem Mittelpunkte der Curve gerichtet sind. Diese
Anordnung beseitigt auch den 3ten Fehler, indem sie
gestattet, cylindrische Räder anzuwenden, welche auf irgend einem geeigneten
Materiale, wie Holz oder Stein, laufen können.
4ter Fehler. Es kann leicht nachgewiesen werden, daß die
Anwendung conischer Räder großen Kraftverlust, Abnuzung und Verderben der
Maschinerie und Gefahr bei großer Geschwindigkeit veranlaßt. Werden conische Räder
angewandt, so müssen die Schienen gegen die Mitte der Bahn geneigt gelegt werden,
damit die Räder ganz aufliegen; denn sonst würden die Räder nur an einem Punkte
tragen, was sehr bald sowohl sie als die Schienen ruinirt. Deßwegen geben auch
beinahe alle Ingenieure den Schienen eine Neigung, wodurch aber der Nachtheil
entsteht daß, da alle Theile des Conus, welche mit den Schienen in Berührung sind,
eine verschiedene Geschwindigkeit haben, nur ein Kreis
auf dem Rade eine wirklich rollende Bewegung haben kann; die übrigen aber müssen
eine beständige abreibende Wirkung gegen die Schienen äußern und verursachen Kraftverlust,
ungleiche Bewegung etc., wie dieß Lecount (Treatise on Railways, Encycl. Britt.) zeigte, welcher,
nach Bestimmung der Größe des Kraftverlusts, beweist, daß je sorgfältiger das
Princip ausgeführt ist, desto größere Reibung stattfindet. Eine andere Ursache der
Abnuzung der Maschinerie und der ungleichen Bewegung ist die unvermeidliche
Veränderung in der Schräge der gegenüberliegenden Schienen, welche von verschiedenen
Ursachen herrührt, und Schuld ist, daß die conischen Räder nicht immer auf gleich
großen Kreisen laufen, wovon das beständige Hin- und Herwerfen der Wagen von
einer Seite auf die andere, welches sich mit der Geschwindigkeit vermehrt und
bedeutende Reibung verursacht, die Folge ist. Dieß wird durch die Anwendung
horizontaler Leiträder und cylindrischer Treibräder, welche erstere nur sehr wenig
Spiel haben, gänzlich vermieden.
5ter Fehler. Durch Anwendung der kleinen Treibräder e, welche auf die Achsen der großen d festgekeilt sind, und durch das Legen einer zweiten
Schiene bei schiefen Ebenen, wie es die punktirte Linie in Fig. 10 anzeigt, ist die
Maschine im Stande, bedeutende Steigungen zu überwinden, ohne dabei ihre
Geschwindigkeit auf ebenen Streken zu verlieren.
6ter Fehler. Es ist offenbar, daß durch die besondere
Anordnung der Rahmenachsen der Schwerpunkt der Maschinen und Wagen viel tiefer als
bei dem jezigen Systeme zu liegen kommt, und dadurch wird der Wechsel des Drukes
vermindert, welchem die Schienen unterworfen sind.
Hr. Kollmann glaubt, daß durch die Annahme seines System
die Kosten der Anlage und Unterhaltung einer Eisenbahn wenigstens auf die Hälfte
vermindert würden.