Titel: | Anleitung zur Berechnung der Kraft von Expansions-Dampfmaschinen. |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. LXXXVI., S. 358 |
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LXXXVI.
Anleitung zur Berechnung der Kraft von
Expansions-Dampfmaschinen.Aus der Publication
industrielle des machines, outils etc. par Mr. Armengaud
durch die Verhandlungen des Gewerbvereins für das Großherzogthum Hessen
1844 S. 102.
Anleitung zur Berechnung der Kraft von
Expansions-Dampfmaschinen.
Man fertigt heutzutage, mit Ausnahme bei Schiffsmaschinen, nur selten noch Maschinen
mit Niederdruk; auch die Maschinen mit Mitteldruk und Condensation, obgleich sie in
Bezug auf Brennstoffverbrauch Vorzüge vor jenen besizen, werden jezt weniger
verlangt; dagegen sind die Maschinen mit Hochdruk und mit Anwendung von Expansion
die verbreitetsten geworden, weil sie unstreitig die einfachsten sind und deren
Anschaffung mit dem geringsten Kostenaufwand verbunden ist. Durch Anwendung der
Expansion wird überdieß eine namhafte Ersparniß an Brennmaterial bewirkt, welche um
so beträchtlicher ist, in je höherem Grad die Expansion angewendet wird. Zur
Bewirkung der Expansion hat man eine Menge, zum Theil sehr sinnreicher Vorrichtungen
erdacht und ausgeführt, um entweder eine sich gleichbleibende (expansion fixe) oder eine veränderliche (expansion variable) Expansion zu bezweken, welch'
leztere den Vorzug gewährt, daß man, je nach der Anstrengung, welche die Maschine in
den einzelnen Momenten der Arbeit aufzuwenden hat, den Grad der Expansion beliebig
verändern kann, so daß man also im Stande ist, bei geringer Anstrengung die
Expansion in größtmöglichem Umfang, mithin für den Brennstoffverbrauch möglichst
vortheilhaft, dagegen bei momentan größerer Kraftüberwindung den Dampf während des
ganzen Kolbenlaufs mit gleichbleibendem Druk wirken zu lassen. Immer aber besteht
der Zwek der Expansionsvorrichtung darin, daß der Dampf, wenn er die Bewegung des
Kolbens während eines Theils seines Hubes bewirkt hat, durch die von der Maschine
selbst bewegte Vorrichtung abgesperrt, d.h. die Einströmungsöffnung des Dampfs in
den Cylinder verdekt, und daß die Weiterbewegung des Kolbens nur durch die dem
eingeströmten Dampf noch innewohnende Expansionskraft bewerkstelligt wird.
Kraftberechnung der Maschine.
Es sey
l die Länge des Kolbenlaufs in Fußen;
s die Oberfläche des Kolbens in Quadratfußen;
n die Anzahl der Doppelhübe per Minute.
Der Druk des dem Cylinder zuströmenden Dampfs betrage a
Atmosphären und die Absperrung desselben durch den Expansionsschieber geschehe,
nachdem der Kolben den mten Theil seines Laufs
zurükgelegt hat, so daß also der Dampf während des übrigen Theils des Kolbenlaufs =
l – 1/m 1 = (m
– 1)/m . l mit
Expansion arbeitet.
Der Dampfdruk beträgt von einer Atmosphäre auf den Gr. Hess. Quadratzoll 12,9 Pfd.
oder den Quadratfuß 1290 Pfd., also der Druk von a
Atmosphären auf die Kolbenfläche (s) = 1290 as, welche Größe wir mit P bezeichnen wollen.
Vor der Absperrung legt der Kolben unter diesem Druk l/m Fuß zurük; seine Wirkung bis dahin wird
also durch 1290 as. l/m = l/m P Fußpfund ausgedrükt
werden. (I)
Theilt man nun den noch übrigen Theil des Hubes in eine gerade Anzahl gleicher
Theile, z.B. in vier, so wird jeder dieser Theile eine Länge = (m – 1)/4m . l Fußen haben.
Nun weiß man, daß nach dem Mariotte'schen Gesez die Volumina, welche nach und nach
von derselben Menge Gas oder Dampf erfüllt werden, im umgekehrten Verhältniß zu der
Spannkraft des Dampfs stehen, vorausgesezt, daß lezterer seinen Zustand nicht
ändert. Dieser Grundsaz kann bei Dampfmaschinen als genau betrachtet werden, da bei
denselben die Ausdehnung nie zu weit getrieben wird, und der Cylinder durch die
immer neu hinzuströmenden Dämpfe eine Temperatur erlangt, welche nur wenig von
derjenigen abweicht, welche sie selbst besizen.
Textabbildung Bd. 96, S. 359
Bezeichnet man den Punkt, bei welchem die Expansion beginnt, mit 1, und die Punkte
der vier gleichen Theile des übrigen Kolbenlaufs der Reihenfolge nach mit 2, 3, 4
und 5, so sind die durchlaufenen körperlichen Räume bis zu den Punkten:
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oder
Textabbildung Bd. 96, S. 360
Die entsprechenden Spannungen des Dampfs sind also nach dem Mariotte'schen Gesez
Textabbildung Bd. 96, S. 360
Nach der Methode des englischen Ingenieurs Thomas Simpson
verfährt man folgendermaßen: man nimmt:
1) die Summe der äußersten Spannungen
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2) zweimal die mittlere Spannung
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3) viermal die Summe der beiden andern Glieder
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Nennt man die Summe dieser drei Ausdrüke P . S, nimmt den
dritten Theil derselben und multiplicirt mit (m –
1)/4m . l, so erhält man
den Effect, welcher während der Expansion hervorgebracht wurde
Textabbildung Bd. 96, S. 360
Fügt man dieser Arbeit die vor dem Beginn der Expansion aus, geübte dynamische Kraft
1/m P (Formel I) hinzu und zieht von dieser Summe
endlich den Widerstand von 1 Atmosphärendruk, welcher dem Kolben während seines
Laufes entgegengewirkt, nämlich 1290 sl = P/a . l ab, so erhält man den theoretischen Effect für den einfachen
Kolbenlauf
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und wenn der Kolben n Doppelhübe
in der Minute macht, den theoretischen Effect der Maschine per Minute, in Fußpfunden ausgedrükt:
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P = 1290 as
bezeichnet.
Die mit Anwendung dieser Formel berechneten Resultate sind endlich durch 60 . 600 =
36,000 zu dividiren, wenn man den theoretischen Effect
per Secunde und in Pferdekräften (à 600 Fußpfund Hess.) ausgedrükt haben will.
Das auf solche Weise erhaltene Resultat gibt den theoretischen
Effect der Maschine. Derselbe ist jedoch, weil die Reibung des Kolbens und
der übrigen beweglichen Maschinentheile überwunden, die Dampfverluste und die nicht
zu vermeidende Abkühlung des Dampfs compensirt werden muß, noch sehr von der effektiven Kraft der Maschine, welche an der
Schwungradwelle wirksam ist, entfernt. Nach Poncelet,
Morin und andern Ingenieurs kann man für Expansionsmaschinen von
4–10 Pferdekräften, welche mit Condensation arbeiten, im Durchschnitt nur auf
45–40 Proc. des theoretischen Effects rechnen, für Maschinen von 10–20
Pferden kann man 40–45 Proc. und bei noch kräftigeren Maschinen 50 Proc. von
dem theoretischen Effect durchschnittlich annehmen. Bei Hochdrukmaschinen ohne
Condensation ist der Verlust oft noch größer; die effective Kraft beträgt bei ihnen
in der Regel nur 40, 35 und sogar nur 30 Proc. des theoretischen Effects, je nach
der mehr oder weniger guten Ausführung und Unterhaltung der Maschine.