Titel: | Ueber die Fabrication des grünen Eisenvitriols mittelst Schwefelkies. |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. XCVI., S. 381 |
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XCVI.
Ueber die Fabrication des gruͤnen
Eisenvitriols mittelst Schwefelkies.
Aus dem Moniteur industriel, 1845, No. 921, 922 u.
923.
Ueber die Fabrication des grünen Eisenvitriols mittelst
Schwefelkies.
Um Eisenvitriol aus Schwefelkies zu bereiten, sind vier Hauptoperationen
erforderlich, nämlich 1) das Destilliren und Rösten; 2) das Auslaugen; 3) das
Abdampfen und 4) das Krystallisiren.
Destilliren.
Apparat. – Derselbe besteht aus zwölf feuerfesten,
irdenen Retorten oder Cylindern, welche in zwei horizontalen Reihen liegen, wovon
die zweite oberhalb der zwischen den Retorten der ersten Reihe gelassenen
Zwischenräume läuft; der Ofen besteht bloß aus zwei Mauern, welche in dem Abstand
der Retortenlänge von einander entfernt stehen und in welchen leztere mit ihren
Enden aufliegen.
Heizung. – Diese Retorten werden durch drei unten
im Ofen angebrachte Feuerräume erhizt; ein Feuerraum dient für je zwei untere und
zwei obere Retorten. Die so den Ofen bildenden zwei Mauern werden mit einem Gewölbe überdekt und die
Flamme entweicht durch den Kamin.
Ueber diesem Gewölbe befinden sich noch drei andere kleine Oefen, welche nur durch
das Feuer der eben erwähnten Feuerräume erhizt werden; die Hize derselben ist nicht
sehr groß, aber hinreichend zu dem Zwek, wozu sie bestimmt sind, von welchem wir
unten sprechen werden.
Dimensionen. – Die Retorten haben 0,20 Meter
Durchmesser und 0,90 Meter Länge; ihre Mündungen auf der einen Seite sind mit
feuerfesten, irdenen Einsezdekeln versehen, welche hermetisch schließen. Auf dieser
Seite werden sie beschikt; auf der andern sezt man ein anderes Stük ein, welches mit
einer 0,10 Meter langen Tubulatur versehen ist, der man wieder eine irdene Tubulatur
anpaßt, die in einen, auf den Boden stehenden Bleikasten, von etwa 0,60 Meter Breite
und 0,75 Meter Höhe, taucht.
Anordnung des Apparats. – Der Bleikasten ist mit
Wasser gefüllt und auch mit Blei genau zugedekt; auf dem Dekel ist er mit einer
Röhre versehen, welche in einen Canal aus Mauerwerk einmündet, der beinahe durch das
ganze Local läuft und dann in einen Kamin ausmündet. Dieser Canal ist mit Flächen
Steinen bedekt, welche man von Hand wegnimmt; er ist 0,40 Meter weit und 0,70 Meter
hoch.
Jede Retorte wird mit 30 Kilogr. Schwefelkies beschikt und das Erhizen 6 Stunden lang
fortgesezt. (Ein Fabrikant, welcher den Kies vor dem Destilliren pochen ließ,
erhielt in kürzerer Zeit viel mehr Schwefel.)
Der Schwefel entweicht in Dampfform und gelangt durch die Tubulaturen oder
Leitungsrohren in den Bleikasten, wo er sich zum Theil condensirt.
Die Röhren oder Tubulaturen reichen bis auf den Boden des Kastens, so daß die Dämpft
die ganze Wasserhöhe durchstreichen müssen; die nicht verdichteten gelangen in den
gemauerten Canal, und verdichten sich auf dem langen Wege allmählich zu
Schwefelblumen.
Aller Schwefel verdichtet sich jedoch nicht, sondern ein Theil davon entweicht als
schweflige Säure durch den Kamin und zerstört die Vegetation in der ganzen
Umgebung.
Producte. – Die 30 Kilogr. Schwefelkies in jeder
Retorte hinterlassen 10–12 Proc. Rükstand (Abbrände).
Schwefel. – Der in dem Bleikasten condensirte
Schwefel beträgt 10 Proc. vom angewandten Schwefelkies; dieser Kasten wird alle 6
Stunden, d.h. nach jeder Destillation gereinigt.
Schwefelblumen. – Der große gemauerte Canal wird
nur alle 10 Tage gereinigt; er ist dann bis zum Rande voll und enthält 1400 Kilogr.
Schwefelblumen, d.h. etwa 9 Procent.
Der aus dem Bleikasten genommene Schwefel wird in Stangen oder Brode gegossen, zu
welchem Zwek man ihn bloß in einem Kessel schmelzen läßt; die Schwefelblumen werden
so, wie sie herauskommen, verkauft.
Rükstand des Schwefelkieses. – Der Rükstand in den
Retorten wird herausgenommen und in die erwähnten obern kleinen Oefen gebracht, bis
der ganze Rükstand auf einmal behufs des zweiten Röstens wegtransportirt werden
kann. Diese kleinen Oefen dienen nur zur einstweiligen gemeinschaftlichen
Aufbewahrung der Abbrände aus allen Retorten.
Zweites Rösten. – Dasselbe wird an freier Luft
vorgenommen.
Zurichtung. – Man macht einen Haufen von einem
Schubkarren voll des Rükstandes von der Destillation, einem Schubkarren voll des
zweiten, sogleich zu besprechenden Rükstandes und mengt etwas Holz darunter, welches
man unten in Schichten legt, um die Verbrennung zu beginnen. Man macht so einen
beliebig großen Haufen und läßt ihn ein Jahr lang der Luft ausgesezt.
Chemischer Proceß. – Was unter diesen Umständen
vorgeht, gleicht der Erscheinung bei dem sogenannten Lemery'schen Vulcan, oder wenn man Schwefelblumen und Eisenfeile zu
gleichen Theilen vermengt, befeuchtet, wo in Folge der durch die Bildung
schwefelsauren Eisens entwikelten Wärme eine Explosion entsteht. Der Rükstand aus
den Retorten ist ein minder geschwefeltes Schwefeleisen, dem vielleicht etwas
Schwefel und Eisenoxydul beigemengt ist. Der zugesezte (zweite) Rükstand enthält,
wie wir sehen werden, viel Eisenoxyd und Schwefelsäure. Beim Zutritt der Luft bilden
der Schwefel, das Eisenoxyd und das Schwefeleisen Eisenvitriol; endlich bildet sich
dieses Salz noch durch die Schwefelsäure und das Eisenoxyd. Die entwikelte Wärme ist
beträchtlich; man braucht die Oberfläche des Berges nur ein wenig aufzurühren, so
entweicht augenbliklich ein weißer Dampf von schwefliger Säure. Damit der ganze Berg
sich in Eisenvitriol verwandle, ist ein Jahr erforderlich. Die verschiedenen
schwefelsauren Eisensalze, welche sich erzeugen, fangen von unten an, wo das Holz
angezündet wurde; es entsteht nämlich neutrales schwefelsaures Eisen, basisches
schwefelsaures Eisen und saures schwefelsaures Eisen; die basischen und sauren Salze
können sich in diesem Zustand nicht vermischen und gegenseitig zersezen, sondern
thun dieß erst bei den folgenden Operationen.
Auslaugen.
Dieß geschieht ganz einfach durch Einrühren des Products von dem zweiten Rösten in
Wasser; man bringt diesen Rükstand in große Pfannen, füllt sie mit Wasser an und
rührt um, damit sich alle gebildeten Salze auflösen. Abgegossen wird die Lösung bei
einer Dichtigkeit von 18–21° Baumé; man läßt sie nun in einen
besonderen Behälter abfließen, worin sich ein neuer Bodensaz bildet und aus welchem
man diese Lauge holt, um sie weiter zu behandeln. Das zur Auflösung der Salze oder
zum Auslaugen eingeschlagene Verfahren ist gar nicht gleichgültig; man bediente sich
anfangs eiserner Spateln mit eisernen Handheben, diese wurden aber von der in der
Lösung enthaltenen freien Säure bald zerfressen; nach 14 Tagen war eine solche
Spatel, welche 6 Frcs. kostete, schon ganz unbrauchbar; man ersezte sie hierauf
durch gußeiserne Spateln, welche von der überschüssigen Säure weniger angegriffen
werden, 14 Tage länger, also einen Monat und darüber ausdauern und nur 1 Frc. 59
Cent. kosten. Alles kann sich wie gesagt, in der Flüssigkeit nicht auflösen, sondern
es bleibt eine große Menge Eisenoxyd und Thonerde als eine rothe pulverige Masse
zurük und diese bildet den Rükstand, welchen wir bei Gelegenheit des zweiten Röstens
erwähnten und der zu gleichen Theilen mit dem Rükstand von der ersten Destillation
gemengt wird. – Alle derartigen Rükstände werden indessen nicht so verwendet;
der größte Theil davon wird vielmehr zur Bereitung von Englischroth verkauft.
Abdampfen.
Die Flüssigkeit wird, nachdem sich der Bodensaz abgelagert hat, mittelst Pumpen und
hölzerner Röhren in das Abdampflocal geleitet. Die Kessel oder Pfannen in lezterem
sind von Gußeisen, cylindrisch und am Boden halbkugelförmig. Sie sind 1 Meter hoch,
haben 1,20 Meter Durchmesser, wiegen 5–600 Kil. und sind 2 Centimeter dik;
sie dauern 26 Tage aus und verlieren während dieser Zeit ungefähr 150–200
Kilogr. an Gewicht. Ehedem benuzte man bleierne Kessel, welche ein Jahr lang
aushielten und 7–800 Kilogr. wogen. Ungeachtet dieses ungeheuren Verbrauchs
gußeiserner Kessel fand man die Anwendung derselben doch sehr vortheilhaft; der in
der Flüssigkeit enthaltene Säureüberschuß zerfrißt den Kessel und bildet
schwefelsaures Eisen; bei einem bedeutenden Säureüberschuß legt man noch altes
Eisenwerk in den Kessel.
Mit der erhaltenen Flüssigkeit werden mehrere Operationen vorgenommen; zuerst leitet
man sie in den sogenannten Vorbereitungskessel, worin sie eine Stunde lang
erhizt wird. Dieser Kessel hat, wie alle andern, 1,33 Kubikmeter Rauminhalt. Die
erste Erhizung hat eine neue Fällung fester Substanzen aus der Flüssigkeit, folglich
eine Klärung derselben zum Zwek. Man läßt dann die Flüssigkeit in Fässer ab, worin
man sie abkühlen und sich absezen läßt und aus welchen man sie herauszieht, wenn sie
wieder in Kessel behufs der lezten Operation kommen soll. Drei solche Fässer sind
erforderlich, um einen Kessel anzufüllen. Alle Morgen um 6 Uhr füllt man nämlich
vier Kessel mit dem Wasser an, welches man in den Fässern sich absezen ließ und
erhizt es darin bis gegen 10 Uhr; die Flüssigkeit füllt zu dieser Zeit den Kessel
ungefähr noch bis zur halben Höhe des Kessels und hat sich also ziemlich
concentrirt; man füllt denselben dann neuerdings mit gleicher Flüssigkeit an und bis
gegen 2 Uhr hat sie wieder um die Hälfte abgenommen; hierauf füllt man den Kessel
mit kalter Mutterlauge voll und vermindert das Feuer; gegen 10 Uhr Abends hat sich
die Flüssigkeit im Kessel ungefähr um 1/4 vermindert, wo sie dann mit warmer
Mutterlauge aufgefüllt wird. Nun nimmt die Flüssigkeit durch eine sehr langsame
Verdampfung allmählich ab bis 5 Uhr Morgens, wo man sie abzieht und mittelst einer
hölzernen Röhrenleitung in das Krystallisirgefäß schafft; sie hat dann beiläufig
41° Baumé. Die Art der Erhizung ist durchaus nicht gleichgültig; sie
darf weder zu stark noch zu schnell seyn, weil sich sonst die Lösung zersezt und
viel Eisenoxyd absezt. Wird die Erhizung gut geleitet, so erhält man ungefähr 22
Kilogr. Eisenvitriol von einem Krystallisirgerippe (manne de
crist.); bei minder guter Führung derselben aber nur 15–16 Kilogr.;
derselbe Unterschied findet auch statt, je nachdem man bleierne oder eiserne Kessel
anwendet.
Krystallisiren.
Das Krystallisiren geschieht in Kästen von etwa 1 Meter Tiefe, 0,70 Meter Breite und
beliebiger Länge, welche in den Boden gesezt sind; man füllt sie Abends, damit die
Abkühlung der Flüssigkeit langsamer vor sich geht, aus welchem Grund Fässer
vorzuziehen wären, Um die Krystallisation zu befördern, legt man Krystallisirgerippe
(mannes) oder kleine hölzerne Leitern in die
Flüssigkeit, an deren horizontalen Stäben das Salz krystallisirt; man legt deren
sechs auf ein Querholz und fünf Querhölzer in einen Kasten (bassin), so daß ungefähr dreißig solche Gerippe sich in einem Kasten
befinden. Die Krystallisation dauert sechs Tage. Um eine zu schnelle Abkühlung zu
verhüten, bedekt man die Kästen mit Strohmatten. Ein voll krystallisirtes Gerippe
wiegt in der Regel 22 Kilogr.
Die zurükbleibende, noch weiter krystallisirbare Flüssigkeit, die Mutterlauge, wird in einen
besondern Kasten in der Mitte des Krystallisirlocals übergeschöpft und aus diesem
durch Leitungen in die Kessel gepumpt, wo man sie zu erwähntem Zwek erhizt.
Die Krystalle werden zerstoßen und in Sieben ausgewaschen, um die unauflöslichen
Theile abzusondern, welche sich während der Krystallisation der Flüssigkeit
niederschlugen.
Die zerstoßenen und abgewaschenen Krystalle werden dann in Fäßchen verpakt, welche
370–380 Kilogr. grünen Vitriol enthalten.
Der so bereitete grüne Vitriol kömmt auf 6 Frcs. per 100
Kil. zu stehen und wird zu 11 Frcs. 50 Cent. verkauft.
Bekommt ein Kessel ein Loch, so wird mittelst einer Pumpe sein ganzer Inhalt
ausgeschöpft, der Ofen abgetragen, der Kessel herausgenommen, ein anderer eingesezt,
der Ofen aus einfachen Steinen, welche auf die Kante gesezt werden, neu aufgebaut
und das Feuer sogleich wieder angemacht; dieß ist das Werk von einer Stunde.
Der Dienst bei den Kesseln und den Mutterlaugen-Pumpen erfordert bei dieser
Fabrication die größte Aufmerksamkeit.