Titel: | Ueber anastatische Drukerei; von Professor Faraday. |
Fundstelle: | Band 96, Jahrgang 1845, Nr. CI., S. 401 |
Download: | XML |
CI.
Ueber anastatische Drukerei; von Professor
Faraday.
Aus dem Echo du monde savant 1845, No.
35.
Faraday, über anastatische Drukerei.
Prof. Faraday hat der Royal
Institution eine Abhandlung über die „anastatische
Drukerei“ übergeben, ein neues Verfahren um Copien von einem
bedrukten Papierblatt zu erhalten. Diese Copien lassen sich beinahe ins Unendliche
mittelst des Verfahrens darstellen, welches Faraday in
der erwähnten Abhandlung beschreibt und dessen Theorie er auseinandersezt. Die
Theorie des anastatischen Druks beruht auf einigen bekannten Eigenschaften der
Materialien, welche man dabei anwendet. So zieht das Wasser bekanntlich das Wasser
an, das Oehl zieht das Oehl an, während jede dieser Substanzen die andere abstoßt.
Die Metalle werden durch Oehl viel leichter befeuchtet als durch Wasser, aber sie
werden schneller befeuchtet durch eine schwache Gummiauflösung; endlich befeuchtet
sie noch viel leichter ein Wasser, worin PhosphorsäureWelche durch langsames Verbrennen von Phosphor in engen Röhren weitet und
folglich mit phosphoriger Säure gemischt ist. aufgelöst ist. Zu diesen Eigenschaften, welche das Oehl, das Wasser und die
Metalle besizen, kommt noch als ein Grundprincip der anastatischen Drukerei die
Leichtigkeit, womit die Schwärze eines frisch gedrukten Buches oder Kupferstichs
durch Pression auf eine andere ebene Fläche übertragen werden kann. Wenn man z.B.
ein Zeitungsblatt auf einen Bogen weißes Papier legt und dann stark darauf drükt
oder es mit einem Papiermesser reibt, so sieht man daß sich die Buchstaben deutlich auf das weiße
Blatt übertragen. Dieß ist allen Buchbindern bekannt und Jedermann hat wohl schon
beobachtet, daß Bücher, welche bald nach dem Druken gebunden wurden, ganz
verunstaltet worden sind, indem sich die Schwärze je einer Seite auf die daran
befindliche übertrug. Man kann sich hienach das anastatische Drukverfahren leicht
erklären. Das bedrukte Papier, es mag nun ein Letterndruk oder ein Stich seyn, wird
zuerst mit verdünnter Salpetersäure befeuchtet und hierauf mittelst einer Walze
stark auf eine ganz ebene Zinkplatte gedrükt. Dadurch wird jeder Punkt des
Papierbogens in unmittelbare Berührung mit dem Zinkblech gebracht. Die Säure, womit
die unbedrukten (weißen) Stellen des Papiers gesättigt sind, greift das Metall an
und die bedrukten Stellen werden zugleich übertragen, so daß das Zinkblech nach
dieser Operation die umgekehrte Copie des gedrukten Gegenstandes darbietet; nun
kommen die oben angegebenen Principien in Anwendung. Das so vorbereitete Zinkblech
wird mit einer Auflösung von Gummi in verdünnter Phosphorsäure begossen. Diese
Flüssigkeit wird von denjenigen Stellen der Zinkoberfläche, welche vorher durch die
Säure angegriffen wurden, angezogen und befeuchtet dieselben ohne Schwierigkeit,
während sie von dem in der Drukerschwärze enthaltenen Oehl abgestoßen wird. Man
überfährt sodann die Zinkplatte mit einer geschwärzten Walze (von Leder) und es wird
dadurch das umgekehrte Resultat hervorgebracht. Die Abstoßung zwischen dem Oehl der
Drukerschwärze und der feuchten Oberfläche, über welche die Walze passirt,
verhindert daß die Schwärze sich an diejenigen Stellen der Zinkplatte anhängt,
worauf sich kein Strich befindet, während die Anziehung des Oehls zum Oehl die
Schwärze auf den bedrukten Stellen zurükhält. Nun ist die anastatische Platte fertig
und man kann davon nach dem gewöhnlichen Verfahren der Lithographen Abdrüke
machen.
Faraday beschreibt schließlich das Verfahren, um alte
Originalien, deren Drukerschwärze sich durch Pression nicht übertragen würde,
mittelst des anastatischen Drukverfahrens nachzubilden: man legt das bedrukte Papier
zuerst in eine Auflösung von Kali und hernach in eine Auflösung von Weinsteinsäure;
in Folge hievon werden alle unbedrukten Stellen des Papiers mit kleinen
Weinstein-Krystallen durchdrungen. Da dieses Salz das Oehl abstoßt, so kann
man die Oberfläche des Papiers mit der Walze überfahren, ohne daß sich die Schwärze
anderswo als an den bedrukten Stellen anhängt. Man wascht sodann den Weinstein weg
und kann nun die Operationen auf oben angegebene Weise beginnen, indem man zuerst
mit verdünnter Salpetersäure befeuchtet.
Zusaz.
Das Februarheft des Londoner Art-Union Journal
enthält über die anastatische Drukerei einen Aufsaz, woraus Dr. Gambihler im Korrespondent von und für
Deutschland Nr. 134 Folgendes mittheilt.
„Eine Gesellschaft hat für England und andere Länder auf diese neue
Erfindung ein Patent genommen. Der Proceß wird ausgeübt (noch im Kleinen) in der
Drukerei von Joseph Woods, 3 Bargeyard Chambers,
Bucklersbury, London. In Zukunft wird die Erfindung mit Dampfpressen ausgeübt
werden. Die nachzubildenden Druke dürfen sehr alt seyn, hundert Jahre, oder
nagelneu – die Nachbildung ist gleich glüklich. „Das
Hauptverdienst besteht vorerst in der Methode en bas
relief (fast wie eine lithographische Drukoberfläche) die Zeichnung
eines gravirten Holzschnittbloks oder einer Kupferplatte von einem Schnitt
oder einem Stich eines solchen Bloks oder einer Platte so nachzubilden, daß
Original und Nachahmung nicht unterschieden werden können. Dieß wird bewirkt
vermittelst zu verschiedenen Graden der Kraft verdünnter Sauren, welche
zunächst auf die von der Schwärze nicht unterstüzten Theile der Platten
wirken, und so die Drukoberfläche ganz leicht en
relief lassen. Ein anderes wichtiges Verdienst der Erfindung ist
die glüklich darin angewendete Vorsicht gegen die Ausbreitung der Schwärze
unter irgend einem Druk, wodurch die feinsten Linien und schärfsten Kanten
oder Ränder mit besonderer Genauigkeit wiederholt werden. Ein ferneres
Resultat der Erfindung ist die Wiederherstellung alter oder verdorbener
Stiche oder Radirungen, das ist, verdorben durch Verbleichen, entweder durch Nachlässigkeit oder durch Zufälle;
solche Sachen können so aufgefrischt werden, daß sie absolut wie nagelneu
aussehen. In Bezug auf die fernere Beschreibung der Präparation einer Platte
oder eines Cylinders stelle man sich vor, eine Zeitung sollte nachgedrukt
werden. Das Blatt wird zuerst genezt oder befeuchtet mit aufgelöster Säure,
und zwischen Löschpapier gelegt, um die überflüssige Feuchtigkeit absorbiren
zu lassen. Die Schwärze nimmt die Säure nicht an, welche nur von den blanken
leeren Stellen herausgepreßt wird, und diese wegäzt. In allen Fällen, wann
der Druk ganz neu, oder nur ein halbes Jahr alt ist, genügen schon einige
Minuten zu diesem Proceß. Das Papier wird dann sorgfältig auf die Platte
gelegt, womit der Text in unmittelbare Berührung kommen soll, und das Ganze
wird unter eine Presse gebracht, nach deren Entfernung, und nachdem das
Papier vorsichtig losgemacht worden ist, die Buchstaben auf der Platte
umgekehrt gefunden werden; leztere wird dann mit einem Gummipräparat gerieben, worauf
die Buchstaben eine Zugabe Schwärze erhalten, welche sich sogleich innig
verbindet mit jener, aus welcher sie gebildet worden sind. Alles dieß ist in
einigen Minuten abgemacht. Die Oberfläche der Platte um die Buchstaben herum
wird in geringem Grad von der Säure angegriffen oder weggefressen, und nach
Anwendung der Schwärze wird sie vom Zink abgeworfen, und bloß von den
Buchstaben angenommen, welche mit einem gewöhnlichen Schwärzcylinder einer
Handpresse geschwärzt werden. Jeder Buchstabe kommt aus der Presse, als wenn
er durch Metalltypen gebildet worden wäre, und die Nachahmung ist absolut dem Original gleich. Die in das
lithographische Verfahren Eingeweihten werden eine Aehnlichkeit zwischen
demselben, in Zubereitung des Steins und des Zinks, und der neuen Erfindung
sehen. Bei Anwendung des Zinks ist aber die Möglichkeit der Gestaltung zu
Cylindern nicht zu vergessen, namentlich bei großen Ausführungen der
Methode. So können also durch diese Erfindung Texte und Illustrationen auf
schnellstem und wohlfeilstem Wege ins Unendliche nachgemacht werden. Die
Vortheile sind immense; Hr. Hall, der Redacteur
des besagten Journals, sagt unter anderm, daß in London ein Druker ist, in dessen Besiz sich Stereotypen
zu 300,000 Pfund Sterling Werth (3,600,000 fl.) befinden; die neue Erfindung
macht dergleichen Vorräthe unnüz. Welcher Vortheil für Druker, für
Buchhändler, für das Publicum!“