Titel: | Steinheil's optisch-aräometrische Bierprobe in ihrer neuesten vereinfachten Form. |
Fundstelle: | Band 99, Jahrgang 1846, Nr. LXXXVIII., S. 358 |
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LXXXVIII.
Steinheil's optisch-aräometrische
Bierprobe in ihrer neuesten vereinfachten Form.
Aus dem bayerischen Kunst- und Gewerbeblatt,
Januar 1846, S. 4.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Steinheil's optisch-aräometrische Bierprobe.
Es ist schon so oft und bei so vielen Gelegenheiten erörtert worden, was man von
einer Bierprobe zu erwarten habe, daß ich es wohl als
bekannt voraussetzen darf. Hofrath Fuchs hat schon vor
vielen Jahren bei Bekanntgebung seiner hallymetrischen ProbePolytechn. Journal Bd. LXII S. 302. gezeigt, daß
es vorzüglich darauf ankomme, die wesentlichen Bestandtheile des Bieres,
Extractstoff, Alkohol und Kohlensäure zu ermitteln, weil eine Kenntniß von diesen
weit öfter erforderlich ist, als genaue chemische Untersuchung auf fremdartige beigemengte
Stoffe. Denn die quantitative Kenntniß dieser Bestandtheile bildet den wahren
Anhaltspunkt des relativen Werthes verschiedener Biere, wenn den übrigen
Anforderungen des Wohlgeschmackes etc. entsprochen ist. Ich möchte jedoch hiezu
beifügen, daß mir das Messen der Kohlensäure als weniger wesentlich erscheint, weil
schon der Geschmack und andere äußere Merkmale die Menge ihres Vorhandenseyns
indiciren und weil sie auch bei normalmäßiger Gährung des Bieres im Verhältniß zu
der gebildeten Alkoholmenge stehen muß, die durch Messung ohnedieß bekannt wird.
Allein auch die quantitative Kenntniß des Extractes, wenn wir unter diesem den festen
Rückstand eingedampften Bieres verstehen, und des Alkohols bilden für sich noch
keinen festen Vergleichungspunkt für verschiedene Biere. Das eine kann mehr Extract,
das andere mehr Alkohol enthalten. Welches ist das werthvollere? Es scheint mir
daher erforderlich, um einen festen Vergleichungspunkt zu gewinnen, daß man
Rücksicht nehme auf die Bildung des Alkohols aus dem Malzzucker der Bierwürze, und
den Gehalt der Biere, wie er sich aus der Kenntniß des Extractes und Alkohols
ergibt, zurückführe auf die ursprünglich in der Würze vorhanden gewesene Menge von
Malzzucker. Dieser bildet dann eine und dieselbe Einheit, in welcher verschiedene
Biere mit einander verglichen werden können.
Demzufolge reducirt sich die Untersuchung der Biere durch die Bierprobe auf die
Bestimmung der ursprünglichen Quantität von Malzzucker, welche sich ergibt aus der
Bestimmung des Zuckergehaltes und des Alkoholgehaltes, indem letzterer doppelt zu
ersterem gerechnet wird, weil Alkohol aus der doppelten Quantität Zucker entstanden
ist.
Unter diesen Annahmen ist von einer Bierprobe nur zu verlangen, daß sie Extract und
Alkohol nach Gewichtsprocenten möglichst leicht und ausreichend sicher erkennen lasse.
Bei meiner früher schon beschriebenen optisch-aräometrischen ProbePolytechn. Journal Bd. XCI S. 429. war die
Sicherheit der Bestimmung ganz befriedigend. Denn vergleicht man den mittlern Fehler
der einmaligen Anwendung dieser Probe für den Zuckergehalt, wie er sich aus den am
24. Jan. 1843 untersuchten 42 Münchener Biersorten ergibtPolytechn. Journal Bd. LXXXVIII S. 296., mit dem
mittlern Fehler der hally-metrischen Probe, abgeleitet aus einer amtlichen
Untersuchung verschiedener Biere der größeren Städte Bayerns im März 1836,
beobachtet durch drei völlig sachkundige Experimentatoren, so ergibt sich der
mittlere Fehler der
einmaligen Bestimmung in Gewichtsprocent an Zuckergehalt
für die optisch-aräometrische Probe
= + 0,0205
aus 42 Vergleichungen,
für die hallymetrische Probe
= ± 0,338
aus 70 VergleichungenOder da der durchschnittliche Zuckergehalt der Münchener Biere 6
Gewichtsprocent Zucker, der nach der hallymetrischen Prüfung anderer
Biere aber 4,3 Gewichtsprocent betrug, so wird der mittlere Fehler
in Theilen des Zuckergehaltes ausgedrückt:für die optisch-aräometrische Probe =
1/200für die hallymetrische Probe =
1/13.,
das heißt, der zufällige Beobachtungsfehler bei der
optisch-aräometrischen Probe ist 16mal kleiner als bei der
hallymetrischen.
Was die constanten Fehler anbetrifft, die in beiden Methoden liegen können, so haben
sie, wie wir später zeigen werden, hauptsächlich Einfluß auf den Werth der
Einheiten, in welchen Zucker und Alkohol gezählt wird, und können daher die relative
Vergleichung der Biere unter einander nur wenig afficiren. Wir kommen jedoch am
Schlusse dieses Aufsatzes wieder hierauf zurück.
Wenn also demnach die Genauigkeit der optischen Probe im Verhältniß zu ihrer
Vorgängerin gewiß befriedigend genannt werden muß, so schien mir doch die Anwendung
des Apparates noch wesentlicher Verbesserung fähig. Offenbar war die Berechnung des
Zucker- und Alkoholgehaltes mit Rücksicht auf die Temperatur des Versuches,
obschon durch die Hülfstafel sehr erleichtert, doch für manchen zu viel verlangt.
Eine Probe, die von Jedermann gehandhabt werden soll, darf nicht wohl mehr
Schwierigkeit bieten, als das Proben des Weingeistes.
Auf ganz ähnliche Form ist es mir gelungen, die Prüfung der Biere im obigen Sinne
jetzt zurückzuführen und ich zögere daher nicht mit der Publication, weil es gerade
gegenwärtig, wo Bier zu verschiedenem Preise bei uns abgegeben wird, von besonderem
Interesse eyn dürfte, ein sicheres und leicht anzuwendendes Prüfungsmittel zu besitzen, um zu
entscheiden, ob der Preis und der Gehalt im geeigneten Verhältniß stehen.
Ich werde nun die Apparate in ihrer abgeänderten Form beschreiben und dann ihre
Gebrauchsanweisung zusammenstellen. Zur leichtern, Uebersicht schicke ich voran, daß
der Apparat in drei Theilen besteht: 1) der optischen Probe, durch welche man die
Brechungskraft des Bieres bestimmt, 2) der Wage (oder auch der
Gewichtsprocent-Senkspindel), durch welche man die specifische Schwere des
Bieres ermittelt und 3) einer an dem Kästchen für die Instrumente angebrachten
Schubtabelle, welche aus den Ablesungen der beiden erstgenannten Instrumente ohne
Rechnung unmittelbar Zuckergehalt und Alkoholgehalt des untersuchten Bieres nach
Gewichtsprocenten gibt und somit den ursprünglichen Malzgehalt erkennen läßt, wenn
man zu ihrer Summe nochmals den Alkoholgehalt addirt.
Die optische Probe.
Die optische Probe läßt, wie wir gezeigt haben, auch schon in ihrer frühern Form kaum
etwas zu wünschen. Sie ist so gut als ganz unabhängig von der Temperatur, bei
welcher der Versuch angestellt wird, kann unter allen Umständen, bei Tag und bei
Licht angewendet werden, braucht nur sehr wenig Probebier, läßt ½ Maaß
Wasser, dem Eimer Bier zugegossen, mit Sicherheit erkennen; sie kann also wohl nur
in Bezug auf die Construction des Instrumentes eine weitere Verbesserung erfahren.
Diese habe ich vorgenommen und gebe sie hier begleitet von Durchschnittszeichnungen
Fig. 38
bis 43.
Statt der zwei Prismen, welche die frühern Proben haben, sind hier zum Schluß der
Gefäße die ohnehin nöthigen Flächen des Objectives und des Fadenobjectes benützt;
statt des achromatischen Mikroskopes der frühern Instrumente, das einfache nur mit
Einer Ocular-Linse, in deren Brennpunkt das Fadenkreuz steht. Die
Objectivlinse des Mikroskopes kann in der optischen Achse verstellt werden mittelst
Schrauben, bis die Parallachse des Fadens verschwindet. Die Deutlichkeit des Bildes
ist sehr verbessert durch die vorgesetzte Blendung mit kleiner Oeffnung. Statt des
Apparates zur Correction des Werthes der Schraubenumgänge ist das Mittelglas, was
die zwei Prismen bildet, drehbar. Nach Vollendung der Instrumente wird durch diese
Drehung, die die Brechungswinkel der Prismen ändert, bewirkt, daß alle Instrumente
bei derselben Flüssigkeit denselben Zahlenwerth an der Trommel angeben.
Endlich ist die Bewegung des Objectfadens jetzt unmittelbar durch einen
Mikrometerschuber bewirkt, was fester und sicherer als die frühere Drehung ist.
Durch alle diese Vereinfachungen ist es möglich geworden, den Apparat gegen früher
bedeutend billiger herzustellen, doch wird man nicht vergessen, daß ein
Mikroskop-Mikrometer-Apparat, welcher kein 1/1000 Linie fehlen darf,
niemals um eine Kleinigkeit hergestellt werden kann.
Die Wage.
Zur Ermittelung des specifischen Gewichtes des zu prüfenden Bieres hat bisher eine
Senkspindel mit eingeschmolzenem Thermometer gedient. Ihre Scala wurde so entworfen,
daß das Instrument bei 15° R. in einer Zuckerauflösung die Gewichtsprocente
angab. Die ganze Scala umfaßt 16° resp.
Gewichtsprocente und war von 1/5 zu 1/5 Grad getheilt. Kleinere Unterabtheilungen
mußten geschätzt werden. Ein Uebelstand bei Anwendung der Senkspindel ist auch, daß
sie ein langes Glas zur Flüssigkeit benöthiget, was den Apparat voluminös und
untransportabel macht; vermindert man aber die Dimensionen der Spindel, bis jedes
gewöhnliche Bierglas zum Versuche ausreicht, so werden die Grade zu klein und die
Angaben nicht mehr so genau als bei der optischen Probe.
Außerdem muß aber auch die Temperatur der Flüssigkeit abgelesen werden, um dann durch
Rechnung das Ergebniß auf eine mittlere Temperatur zu bringen. Dieß alles ist
wesentlich unbequem für den Nichtgeübten. Darum habe ich Mittel ausgedacht, durch
welche man von der Temperatur unabhängig wird und keinen
weitern Apparat als den beigegebenen bedarf. Man erreicht dieß durch eine kleine
Schnellwage, wo aber statt des constanten Gegengewichtes mit einem Gewichte
verglichen wird, was denselben Aenderungen durch die Temperatur unterliegt, wie das
zu untersuchende Bier.
Der Apparat, den ich dazu construirte, ist in der sogenannten Cavaliersprojection
abgebildet. Der Wagebalken besteht aus einem Messingrohr. Er hat der Länge nach
einen Schlitz, in welchem ein Laufgewicht geht. Der Index bewegt sich dabei an einer
Scala hin, die von 0° bis 16° (in gleichen Einheiten wie die
Senkspindel), und zwar von 1/10 zu 1/10 Grad getheilt ist. Durch das Messingrohr
sind unter sich parallel in gleichen Abständen drei Schneiden durchgesteckt. Auf der
mittlern Schneide oscillirt der Balken, indem ein Haken von Eisen, der an dem
Kistchen befestigt werden kann, ihm zur Auflage dient.
An diesem Wagebalken, welchem, wie schon erwähnt, das zur Verpackung des Instrumentes
erforderliche Kistchen als Stativ dient, sind zwei Gefäße angehängt. Das Gefäß links
enthält Wasser, das rechts das zu untersuchende Bier. Das Laufgewicht wird
verstellt, bis die Wage im Gleichgewicht ist; dann zeigt der Index die
Gewichtsprocente Zucker, welche die geprüfte Flüssigkeit enthalten würde, wenn sie
(wie die Würze des Bieres) nur aus Wasser und Malzzucker bestünde. Damit die Temperatur keinen Einfluß
habe, ist das Wassergefäß links um so viel größer, als ein mittleres Bier sich mehr
ausdehnt als Wasser, so zwar daß, wenn die Temperatur höher wird, gleich schwer
Wasser aus dem Gefäß links und gleich schwer Bier aus dem Gefäß rechts herausdrängt
und vom Schubdeckel der Gefäße weggeschoben wird. Hienach ist klar, daß die Gefäße
beide ganz angefüllt und ins Gleichgewicht gesetzt, auch bei höherer Temperatur im
Gleichgewicht bleiben, weil für diesen Fall von jedem Inhalte gleich schwer
herausgedrängt und weggeschoben wird.
Daß diese Wage in der Anwendung genauer als die Senkspindel sey, wird wohl Niemand
bezweifeln.
Reductionstafel (Schubtabelle).
Wir wollen jetzt zeigen, wie man aus den Angaben der optischen Probe und der Wage den
Zucker- und Alkoholgehalt eines Bieres finden kann. Wir wählen dazu eine
graphische Construction, ähnlich der Reductionstafel zur Ermittelung des
Alkoholgehaltes der Weingeiste, wie sie der Normalbranntweinwage dahier beigegeben
ist. Durch diese Tabelle soll die Rechnung vermieden werden, um den Apparat einem
noch größern Publicum zugänglich zu machen.
Ich werde nun zeigen, wie diese Tafel entworfen wird.
Man bilde sich Gemenge aus genau abgewogenen Quantitäten von Wasser, Zucker und
Alkohol, nach ganzen Gewichtsprocenten der beiden letzten Bestandtheile. Dabei
berücksichtige man das Krystallwasser des Zuckers und den Wassergehalt des
angewendeten Alkohols: z. B.
Gewichts-Procente.
Nr. 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Zucker
0
2
4
6
2
4
6
8
2
4
6
8
2
4
6
8
Alkohol
0
0
0
0
2
2
2
2
4
4
4
4
6
6
6
6
Wasser
100
98
96
94
96
94
92
90
94
92
90
88
92
90
88
86
Diese Gemenge beobachte man nun der Reihe nach sowohl mit der Wage als in der
optischen Probe. Dabei erhält man:
Textabbildung Bd. 099, S. 364
Für die Gemenge.; Angabe der
Instrumente.; Nr.; Zucker.; Alkohol.; Wasser.; Optische Probe. Tr. Th.;
Waage
u. s. f.
Zur Bildung der Tabelle aus diesen Beobachtungen entwerfe man auf einer Papierfläche
zwei in willkürliche aber gleiche Theile getheilte Scalen. Die horizontale Scala
nenne man „Angaben der Wage“; die
verticale: „Angabe der optischen
Probe“. Nun kann man durch rechtwinkelige Coordinaten von diesen
Scalen aus stets einen Durchschnittspunkt finden, welcher den zwei zusammengehörigen
Angaben der beiden Instrumente bei derselben Flüssigkeit zukömmt. Z. B. optisch
18,5, Wage 2. Dieser Punkt wird eingetragen und so alle drei Punkte der
Beobachtungen 1, 2, 3, 4 für die Gemenge aus Wasser und Zucker ohne Alkohol.
Diese drei Punkte können jetzt durch eine Curve, welche beinahe eine gerade Linie
ist, mit einander verbunden werden, und es ist klar, daß in dieser Linie alle
Zwischenwerthe liegen müssen, welche andere Gemenge aus Zucker und Wasser ohne
Alkohol gegeben haben würden.
Eben so trage man nun die Punkte ein, welche den Beobachtungen 5, 6, 7, 8, den
Gemengen aus zwei Alkohol mit verschiedenen Mengen Zucker entsprechen und verbinde
sie abermals durch eine Curve; so gilt auch von dieser, was von der ersten gesagt
worden: auf ihr liegen nämlich alle Zwischenwerthe für die Gemenge aus zwei Alkohol
und andern Mengen von Zucker, und jedem Punkte in dieser Linie entspricht
rechtwinkelig auf die eine Scala hin eine bestimmte Angabe der Wage, auf die andere
Scala hin eine bestimmte Angabe der optischen Probe.
In ähnlicher Weise trage man auch die Beobachtungen 9, 10, 11, 12 und überhaupt so
viele Reihen von Gemengen ein als gemengt und beobachtet worden sind, so entsteht
ein System von schräg herabführenden Linien und in jeder dieser Linien ist der Alkoholgehalt constant, der Zuckergehalt aber von oben
herab zunehmend.
Jetzt beachte man aber auch, daß sich die eingetragenen Punkte noch in einer auf die
ersten Linien fast senkrechten Richtung ebenfalls durch gekrümmte Linien verbinden
lassen, in welchen Linien der Zuckergehalt constant wird,
z. B. 0° oder 2° oder 4° oder 6° und in diesen Linien
variirt der Alkoholgehalt allein, indem er von oben nach unten hin zunimmt.
Durch Einschalten können endlich auch Zwischenlinien gezogen werden, welche den
Zwischenwerthen entsprechen müssen, z. B. für die constanten Zuckergehalte von 1
Gewichtsprocent von 3, 5, 7 u. s. f. Eben so für die constanten Alkoholgehalte von 1
Gewichtsprocent, 3, 5.
Auf diese Weise entsteht nun ein System von sich durchschneidenden Curven, was in der
einen Richtung nach dem Procentgehalt an Zucker, in der andern Richtung nach dem
Procentgehalt an Alkohol führt, und in derjenigen Verbindung mit den Angaben der
optischen Probe und der Wage steht, welche die Beobachtung bekannter Gemenge direct
gegeben hat.
Man kann also jetzt durch die Probe die Aufgabe umkehren,
und aus je einer Angabe der optischen Probe und einer Angabe der Wage ihren
Durchschnittspunkt in dem Curvensysteme bestimmen; da aber für diese die Gehalte an
Zucker und Alkohol gegeben sind, aus diesem Punkte in dem Curvensystem direct die
entsprechenden Mengen von Zucker und Alkohol finden.
Liegt dieser Punkt in einem Durchschnitt der Curven, so führt (nach oben hin) die
eine Richtung oder Linie nach dem Zuckergehalt, die andere nach dem Alkoholgehalt.
Liegt der Punkt aber auf einer Curve, nicht im Durchschnitt, so gibt ihre
Verlängerung den entsprechenden Gehalt im ganzen Procent, nach der andern Richtung
aber den Gehalt, wie er dem Zwischenwerthe zwischen den ganzen Gehaltsprocenten entspricht. Liegt der
Punkt auf keiner Curve, so gilt das zuletzt Gesagte für beide Richtungen.
Dieß wird noch anschaulicher, wenn man sich die Curven nicht bloß für die ganzen
Gewichtsprocente, sondern für jedes Zehntelgewichtsprocent oder für noch kleinere
Zwischentheile nach beiden Richtungen hin ausgezogen denkt. Hier würde fast jeder
angenommene Punkt im Curvensystem mit einem Curvendurchschnitt zusammentreffen, und
also nach den entsprechenden Gehalten in beiden Richtungen führen. Allein die
Deutlichkeit würde barunter leiden, wollte man dieß wirklich ausführen. Es erscheint
auch als völlig unnöthig, da jedermann schätzen kann, wie viel ein Punkt zwischen
zwei Linien von der einen und von der andern abliegt; da aber die Linien für ganze
Gewichtsprocente gezogen sind, so schätzt man demnach auch leicht den Zwischenwerth.
Gesetzt, ein solcher durch die Beobachtung der Instrumente gegebene Punkt falle im
Zuckergehalt zwischen die Linien von 4 und 5 Grad, er liege näher bei 5 als bei 4,
so sagt das Augenmaaß gleich, indem es die Unterabtheilungen zwischen 5 und 4
vergleicht mit dem Abstand des Punkts von 4 oder 5, wie viele Zehntel von 5 Proc.
fehlen, oder wie viele Zehntel zu 4 hinzukommen. Dasselbe gilt natürlich auch in der
andern Richtung für den Alkoholgehalt.
Stellen wir jetzt, nachdem die Instrumente und die Reductionstafel beschrieben sind,
die Gebrauchsanweisung für alle zusammen, so ergibt sich folgendes:
Die optische Probe, so wie die Wage mit den zwei dazu gehörigen Fläschchen werden aus
dem Kistchen herausgehoben, der Schubdeckel wieder geschlossen, der Träger des
Wagbalkens auf die kleinere Seite des Kistchens aufgeschraubt und dieses nun so auf
den Tisch gestellt, daß man die Scala am Wagebalken vor sich hat. In das vom
Beobachter entferntere Prisma der optischen Probe, so wie in das Wagefläschchen,
welches durch L bezeichnet ist und links an den
Wagebalken angehängt wird, kömmt Wasser, wenn nicht schon beide vorher damit
angefüllt waren, was auch vorzuziehen ist, da dieß auf lange Zeit dienen kann.
Sollte das Fläschchen L nicht ganz voll seyn, so darf
man ohne Bedenken einige Tropfen Brunnenwasser zur gänzlichen Anfüllung verwenden.
Man schließt dann seinen Deckel, wobei sich hinwegschiebt, was über den Hals
übersteht.
Eben so wird in das dem Beobachter nächste Prisma der optischen Probe und in das
Fläschchen R, welches rechts vom Beobachter an den
Wagebalken zu hängen kömmt, von dem zu untersuchenden Biere gegossen. Der Deckel des Fläschchens R wird eben so vorgeschoben und das überstehende Bier
abgeschoben, dann äußerlich wohl abgetrocknet.
Nun hängt man die Fläschchen, wie sie bezeichnet sind, an den Wagebalken und
verschiebt das Laufgewicht an der Scala, bis der Wagbalken einsteht oder gegen die
Horizontalebene symmetrisch schwingt. Jetzt liest man die Zahl an der Scala des
Wagbalkens ab, auf welche das Laufgewicht zeigt. Sey diese 3,7.
Deßgleichen bringe man die optische Probe an das Auge, stelle die Kreuzfäden genau
auf den Mittelfaden, wie es schon öfter beschrieben wurde, und lese die Angabe der
Trommel der Mikrometerschraube ab. Sey diese Angabe = 70.
Nun hebe man die Wage von dem Kästchen ab und ziehe an diesem den Schuber hervor,
welcher die Reductionstabelle deckte, bis die Scala rechts, welche überschrieben ist
„Angabe der optischen
Gehaltsprobe“, von dem Rand des Schubers in den Scalatheilstrich
70 (Angabe der optischen Probe) geschnitten wird.
Auf dem Rande des Schubers ist nun eine zweite Scala sichtbar geworden, beschrieben
„Angabe der Wage oder der
Zuckerprocent-Senkspindel.“ Unsere Angabe der Wage
war aber 3,7. Dieser Punkt werde jetzt in dem Curvensystem der Tafel betrachtet.
Zuerst sieht man, daß er nach oben rechts zwischen die Zuckergehalts-Linien
von 5 und 6 fällt, und eben so nach links oben zwischen die Alkoholgehaltslinien von
4 und 5. Der Zuckergehalt des untersuchten Bieres ist also 5 Gewichtsprocent und
6/10, der Alkoholgehalt 4 Gewichtsprocent und 2/10, wo die Zehntel in beiden
Richtungen durch Schätzung ausreichend genau erkannt werden.
Da nun, wie wir schon früher ausführlich gezeigt haben, der Alkoholgehalt aus der
doppelten Quantität Zucker entstanden ist, so zählen wir ihn zweimal zu dem noch
vorhandenen Zuckergehalt und finden demnach den Malzgehalt des untersuchten
Bieres
5,6 + 4,2 + 4,2 = 14
Gewichtsprocent.
D. h. das untersuchte Bier enthielt als Würze 14 Gewichtsprocente Zucker.
Es ist leicht zu sehen, daß die ganze Probe für das Bier hienach kaum mehr Zeit und
gewiß nicht mehr Fertigkeit erfordert, als das Proben des Weingeistes, und daher
hoffe ich, daß sie einfach genug ist, um sich allgemeinen Eingang zu
verschaffen.
Vielleicht will noch in Zweifel gezogen werden, ob die Probe, welche eigentlich für
Gemenge aus Zucker, Alkohol und Wasser gilt, auch auf Biere direct Anwendung finden
dürfe. Ich erinnere jedoch, daß die Analyse der Biere diese Bestandtheile als die
hauptsächlichsten nachweist, und daß die übrigen, von der Hopfeninfusion
übergegangenen Stoffe und namentlich die gebildete Kohlensäure, wie ich schon früher
aus Beobachtungen nachgewiesen, keinen meßbaren Einfluß auf die Brechungskraft einer
Flüssigkeit ausüben. Es dürfte diese Erscheinung als analog betrachtet werden mit
der, wenn Wasser von atmosphärischer Luft befreit oder von ihr gesättiget ist. In
beiden Fällen behält das Wasser äußerst nahe dieselbe Dichtigkeit.
Was nun den festen Rückstand eingekochter Biere betrifft, so ist derselbe in seinem
Verhalten dem Zucker so analog, daß man zur obigen Annahme völlig berechtigt
scheint.
Ich habe Bierextracte durch die Gefälligkeit des Hrn. Prof. Kaiser erhalten, in welchen das Wasser so weit entfernt war, als es ohne
Zerstörung der Verbindung geschehen kann, und von diesen Extracten ebenfalls den
Quantitäten nach genau bekannte Gemenge gebildet und mit denen aus Zucker dnrch
dieselben Instrumente verglichen. Diese Extracte in verschieden concentrirten
Auflösungen waren sowohl für die optische Probe als in specifischer Schwere den
Zuckerauflösungen ganz ähnlich. Sie enthalten nur bei gleicher absoluter Quantität
um das gebundene Wasser weniger Zucker.
Die Gemenge, auf welchen die Tabelle beruht, sind für Zuckergewichte berechnet, bei
welchen das gebundene Wasser abgezogen ist. Würde man statt des von Wasser befreiten
Zuckers obigen Bierextract angewendet haben, so hätten sich bloß die
Zuckergehaltsangaben in dem Verhältnisse von 12 zu 13 vergrößert. Wo also unsere
Wage 12 Gewichtsprocente Zucker in Bier nachweiset, da würde das Einkochen des
Bieres 13 Gewichtsprocente Bierextract liefern, vorausgesetzt, daß bei der
Eindampsung derselbe Punkt der Wasser-Vertreibung getroffen worden wäre,
welcher dem Kaiser'schen Bierextract zukömmt. Da jedoch
das Entfernen des Wassers keine große Sicherheit zuläßt, so wäre durch Annahme
dieser Einheit eine variable Scala zu Grund gelegt worden.
Ich habe daher vorgezogen, den von Krystallwasser befreiten Zucker zur Einheit
anzunehmen, weil mit diesem der trockene Bierrückstand stets leicht verglichen
werden kann, im Falle man lieber nach solchen Einheiten zählen wollte. Uebrigens
brauche ich kaum zu erwähnen, daß es im allgemeinen gar nicht darauf ankömmt, ob die
Einheiten für Zucker und Alkohol in absoluten Werthen gelten oder nicht; denn man
wendet die Probe immer nur an, um zweierlei Biere mit einander zu vergleichen. Wenn
beide in denselben Einheiten verglichen worden, ist der Zweck erreicht. Nur
insofern als der Alkohol als aus dem doppelten Quantum Zucker entstanden betrachtet
wird, kann es in Betracht kommen, und nur deßbalb sind hier beide Einheiten als
völlig von Wasser befreit eingeführt worden.
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 38 stellt
einen Durchschnitt der optischen Gehaltsprobe vor, dessen Ebene durch die Achse des
Mikroskopes und durch die Achse der Mikrometer-Schraube gelegt ist.
Man sieht in a die Ocularlinse, in deren Brennpunkt die
Blendung b steht. Auf dieser sind die Kreuzfäden
aufgespannt, welche sich im Mittelpunkt des Diaphragma's unter spitzem Winkel
schneiden, Fig.
43.
Das Ocular ist in die Mikroskopröhre e eingeschraubt.
Letztere trägt am entgegengesetzten Ende einen starken Metallkörper d. In diesem befindet sich der Träger c des Mikroskop-Objectives f. Der Träger c hat cylindrische Führung und
Leitgewinde in dem Metallkörper d, so daß durch ihn das
Objectiv f des Mikroskopes in des letztern Achse
verstellbar wird. Der Metallkörper d ist senkrecht auf
die Mikroskopachse cylindrisch ausgedreht. In diese Büchse paßt und wird von unten
eingesetzt das zur Aufnahme der Flüssigkeiten bestimmte Gefäß g, g, Fig. 38. Fig. 41 und 42.
Es ist dieses ein hohler Cylinder, oben offen, unten geschlossen durch den Boden g, Fig. 41, und abgetheilt
durch die Querwand h, Fig. 38, in welche ein
Plan- und Parallelglas eingeschraubt ist. Dieser Cylinder hat geschlitzte
Ausschnitte Fig.
42, um in dem Metallstück d gedreht werden zu
können, ohne dem Mikroskop das Licht zu entziehen, was durch die runde Oeffnung i einfällt.
Der Metallkörper d ist endlich senkrecht auf die Achse
des Mikroskopes eben abgedreht, und trägt auf dieser Ebene den Mikrometerschuber k, Fig. 38 und 39, der durch
die Leitstücke k′, k′, Fig. 39 festgehalten wird.
Gegen den Mikrometerschuber drückt von der einen Seite eine starke Stahlfeder o, Fig. 38, 39, 40, von der andern Seite
die Mikrometerschraube l. Sie ist festgehalten durch die
Lamelle p, welche festgeschraubt ist an den Metallkörper
d, Fig. 39. In n, Fig. 38 und 39, ist der
rändrirte Kopf der Mikrometerschraube zu erkennen, m
zeigt die in 100 Theile getheilte Trommel, welche am Inder q abgelesen wird. In den Mikroskopschuber k
sind endlich zwei Plangläser r eingedreht, zwischen
welchen senkrecht auf die Bewegung des Schubers ein Wollaston'scher Platinfaden gespannt ist. Zur Vermehrung der Deutlichkeit
des Bildes im Mikroskop
ist noch vor die Plangläser eine Blendung s, Fig. 38 und
39, mit
kleiner Oeffnung in der Mitte, gesetzt. Die Gefäße zur Aufnahme der Flüssigkeiten
werden durch die Deckel t, t′, Fig. 40 und 41, verschlossen.
Fig. 44 stellt
die Wage zur Ermittelung des specifischen Gewichtes der Biere in der sogenannten
Cavaliers-Projection dar.
Der Wagebalken a, a besteht
aus einem Messingrohr, der Länge nach geschlitzt und an beiden Seiten
verschlossen.
Senkrecht auf die Achse des Rohres und unter sich parallel sind die Schneiden b, b′ und c durchgesteckt. Die Mittelschneide c liegt in kreisrund ausgedrehten Lagern in dem
Gabelstück d, welches auf das Kästchen zur Verpackung
der Apparate aufgeschraubt wird. Auf den Schneiden b,
b′ bewegen sich Ringhacken e, e′, an welche die
Flüssigkeitsgefäße L und R
angehängt werden. In dem Schlitz des Wagebalkens bewegt sich das Laufgewicht l längs der Scala, die von 0 bis 16 in 160 Theile
getheilt ist, und also 1/10 Proc. unmittelbar angibt.
Das Kästchen, welches zugleich der Wage als Stativ dient, enthält die optische Probe,
den Wagebalken und die Flüssigkeitsgefäße, sämmtlich festgehalten durch den
Schubdeckel f. Es muß übrigens hier bemerkt werden, daß
die Dimensionen in der Zeichnung, welche keine perspectivische ist, weit größer
scheinen als in der Wirklichkeit. Das Ganze fordert weniger Raum als ein mäßiger
Octavband, und kann, da die Ecken in der Wirklichkeit abgerundet sind, sehr bequem
in der Tasche getragen werden.
Auf der Seitenfläche des Kästchens ist endlich noch die Reductionstafel angebracht.
Sie wird gedeckt durch den Schuber g, welcher nach der
Angabe der optischen Probe eingestellt wird, und in der Abbildung auf der Zahl 63
steht. In der nebengesetzten vollständigen Zeichnung der Reductionstafel ist diese
Stellung zugleich für die Angabe 3 der Wage durch punktirte Kreuzlinien markirt.
Der Durchschnitt fällt zusammen mit dem Durchschnitt der Curven in der Tafel; die
eine führt nach oben rechts zu dem Zuckergehalte 5 Proc., die andern nach oben links
zu dem Alkoholgehalte 4 Proc. Es ist sonach der Zusammenhang zwischen den Angaben
der Instrumente und den Angaben der Tafel hieraus ersichtlich.