Titel: | Verfahren, Ausströmungen von kohlensaurem Gas und anderen schädlichen Gasarten in Brunnen etc. zu neutralisiren; von dem Civilingenieur Faucille. |
Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. XLI., S. 194 |
Download: | XML |
XLI.
Verfahren, Ausströmungen von kohlensaurem Gas und
anderen schädlichen Gasarten in Brunnen etc. zu neutralisiren; von dem Civilingenieur
Faucille.
Aus den Comptes rendus, März 1846, Nr.
12.
Faucille's Verfahren, Ausströmungen von kohlensaurem Gas und
anderen Gasen zu neutralisiren.
Im Jahr 1844 war die Existenz der heißen Bäder zu Vichy durch Bohrungen, welche die
Ergiebigkeit der Quellen bedeutend vermindert hatten, in hohem Grade bedroht. Eine
solche Quelle, die seit langer Zeit vernachlässigt worden war, sollte nun gereinigt
werden; dieselbe war früher sehr ergiebig, lieferte aber damals in 24 Stunden nur
noch 3 Kubikmeter Wasser. Als ich zum Reinigen schritt, sah ich deutlich, daß die
Ausflußstelle dieser Quelle verändert worden war; diese Veränderung war in solcher
Art ausgeführt worden, daß sich sowohl das Volum als die Temperatur des Wassers
verminderte. Sobald ich zu dem Felsen gelangt war, durch welchen die Quelle zu Tag
kam, nahm das Wasserquantum zu und zugleich erhöhte sich die Temperatur desselben.
Ich ließ diesen Felsen sprengen, welcher sich durch Niederschläge aus dem
Mineralwasser gebildet hatte und sich dessen Ausfluß widersetzte, wobei ich zu einer
Art Fischteich gelangte, der offenbar von römischer Construction war. In dem Maaße
als derselbe freigemacht wurde, nahm das Mineralwasser an Volum und Temperatur zu.
Die Arbeiten mußten fortgesetzt werden, als ich aber bis unter den Fischteich
gelangte, entwickelte sich so viel kohlensaures Gas, daß der Brunnen trotz aller
angewandten Vorsichtsmaßregeln unzugänglich wurde. Man versuchte zuerst die Lüftung
mittelst Feuer zu erzwingen, dasselbe löschte aber sogleich aus; man versuchte eine
Compressionsglocke, die mit einer aufsteigenden Röhre versehen war, aber das
kohlensaure Gas stieg nicht in die Höhe; man schüttete eine Quantität süßen Wassers
hinein, theils in Masse, theils durch ein Sieb zertheilt, aber nichts deutete an,
daß das Gas absorbirt wurde; zuletzt versuchte man noch das Kalkwasser und darauf
Salmiakauflösung, aber ebenfalls umsonst.
Die Aufgabe bestand offenbar darin, den ununterbrochenen Strömen kohlensauren Gases
eine ebenfalls andauernde neutralisirende Wirkung entgegenzusetzen und zwar in der
Art, daß die Arbeiter ihre Verrichtungen fortsetzen konnten.
Sechs Jahre zuvor, wo ich mich mit der Verfertigung von Apparaten zur Bereitung
künstlicher gashaltiger Wasser beschäftigte, hatte ich gefunden, daß sich in diesen
Apparaten das Gas nur sehr unvollkommen auflöst und in mehr oder weniger großen
Blasen zwischen den verschiedenen Schichten des angewandten Wassers zurückbleibt.
Ich verfertigte eine kleine Glocke oder einen Recipient, welcher allenthalben
geschlossen war, bis auf einen Probir- oder Auslaßhahn; in denselben wurde
kohlensaures Gas unter mittlerem Druck gebracht, worauf ich nach und nach einen
Strom Wasserdämpfe eintreten ließ, und zwar unter einem größern Druck, als er im
Recipient existirte (ich brauche kaum zu bemerken, daß ich die nöthigen
Vorsichtsmaßregeln ergriff, damit keine Kohlensäure aus der Glocke in den
Dampfkessel übergehen konnte, wozu ich in der Richtung des Dampfstroms eine Klappe
anbrachte); die Auflösung des kohlensauren Gases erfolgte nun vollständig; ich
erhielt ein gashaltiges Wasser, welches wie die natürlichen Säuerlinge sein Gas von
dem Augenblick an, wo man die Flaschen entpfropfte, nicht mehr so schnell verlor,
wie man es bei den künstlichen Wassern steht; dieses Wasser wäre aber zu hoch zu
stehen gekommen, als daß man es hätte absetzen können. Mein Versuch, obgleich mit
vollständigem Erfolg gekrönt, lieferte also bloß eine interessante wissenschaftliche
Thatsache.
An diese erinnerte ich mich nun wieder und machte den Vorschlag an dem Rand des von
kohlensaurem Gas zu befreienden Brunnens einen kleinen Kessel oder eine Aeolipile
anzubringen, dessen Röhre bis auf den Grund des Bodens hinabreicht und nach Belieben
verlängert werden kann. Ich hätte sehr gewünscht daß der Wasserdampf, welcher durch
das untere Ende dieser Röhre austrat, über die Oberfläche des Bodens in einer
unzähligen Menge fächerförmig angeordneter Dampfstrahlen sich verbreitet hätte.
Diese Verbesserung konnte ich nicht mehr anbringen, dessenungeachtet gelang aber der
Versuch vollkommen: der Wasserdampf drang leicht hinab und wurde beim Ausströmen aus
der Röhre nach einigen Augenblicken undurchsichtig und dunkel gefärbt; dann wurde er
allmählich wieder durchsichtig und nach Verlauf von 25–30 Minuten konnte man
ohne Gefahr in den Brunnen hinabsteigen. Der Dampf verhielt sich ganz auf dieselbe
Art, so oft man den Versuch wieder begann; man mußte aber
stets das Einströmen desselben während der ganzen Dauer der Arbeit
fortsetzen. Auf diese Weise konnte man die begonnenen Arbeiten fortsetzen
und den Brunnen so tief ausgraben als man wünschte.
Ein anderesmal habe ich zu Vichy mit demselben Kessel schädliche Dämpfe ganz anderer
Art beseitigt; ich ließ nämlich mit Accum'schen Cement
(welches bekanntlich aus Gußeisenfeile, Schwefelblumen, Salmiak und Wasser besteht) einen großen
Wasserbehälter verkitten, der aus Platten von Lava construirt war. In diesem
Behälter entwickelte sich so viel Schwefelwasserstoffgas, daß kein Arbeiter
hineindringen konnte; durch Hineinleiten von Wasserdampf wurde in wenigen Minuten
alles entwickelte Gas verdichtet und man stieg nun in den Behälter als wenn gar
nichts vorgefallen wäre.
Man begreift wohl, daß sich der Wasserdampf nach der von mir angegebenen Methode noch
zu vielen andern Zwecken, wo schädliche Gase und Dämpfe zu beseitigen sind, z.B. in
Gossen, Abtrittgruben, Bergwerkschachten etc. wird anwenden lassen. Dieses Mittel
ist selbst da anwendbar, wo alle andern scheitern; ich verwundere mich, daß man
nicht früher daran gedacht hat; schon der Umstand daß man in die Bleikammern, wo man
den Schwefel verbrennt, Wasserdampf leitet, hätte darauf führen sollen. Bisher hat
man aber den Wasserdampf nur im aufsteigenden Strom angewandt, um die
Bergwerkschachte zu Ventiliren, und niemals meines Wissens in absteigendem Strom, um
die Absorption der schädlichen Gase zu bewirken.