Titel: | Ueber einige Stoffe, welche bei der weingeistigen Gährung als Nebenproducte auftreten; von Dr. L. A. Buchner jun. |
Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. XLV., S. 204 |
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XLV.
Ueber einige Stoffe, welche bei der weingeistigen
Gährung als Nebenproducte auftreten; von Dr. L. A. Buchner
jun.
Aus dem bayerischen Kunst- und Gewerbeblatt, Febr.
1846, S. 71.
Buchner, über weingeistige Gährung.
Neben den bekannten hauptsächlichen Producten treten in Mitte der gährenden Masse
fast immer gewisse Nebenproducte auf, die, obwohl ihre
Menge im Verhältniß zu jener der Hauptproducte gewöhnlich nur sehr gering ist,
dennoch in mehr als einer Beziehung unsere Aufmerksamkeit verdienen, weßhalb ich sie
jetzt im Folgenden Gegenstand näherer Betrachtung machen will.
So wird man in zuckerhaltigen Flüssigkeiten die weingeistige Gährung selten vor sich
gehen sehen, ohne mit der Bildung der Hauptproducte der Einwirkung der Hefe auf den
Zucker, nämlich des Weingeistes und der Kohlensäure, zugleich auch jene anderer
Stoffe wahrzunehmen. Schon bei einer anderen Gelegenheit habe ich darauf
hingedeutet, daß in Folge bisher noch nicht genau bekannter Veränderungen des
Ferments und veränderter Wirkung desselben in einer und derselben Flüssigkeit,
manchmal mehrere Währungen nebeneinander und hintereinander auftreten können, so daß
dann bei der weingeistigen Gährung neben dem Weingeist und statt desselben noch
andere Producte, wie Milchsäure, Buttersäure, ein schleimiger Stoff u.s.w. aus dem
Zucker entstehen – eine Thatsache, die aller Beachtung würdig ist, damit man
die Mittel kennen lerne, wodurch solche, der weingeistigen Gährung oft so schädliche
Nebengährungen vermieden werden.
Aber abgesehen von diesen besonderen und unangenehmen Modificationen der
weingeistigen Gährung, so findet, und wenn auch diese noch so regelmäßig verläuft,
und der Zucker nur zu Weingeist und Kohlensäure wird, doch die Bildung noch anderer,
ebenfalls flüchtiger Stoffe in der gährenden Masse statt. Die Flüssigkeiten nämlich,
die zur Bildung berauschender oder weingeistiger Getränke verwendet werden, wie der Traubensaft, die
Bierwürze und die Kartoffelmaische, enthalten ja außer dem darin schon vorhandenen
oder durch das Maischen gebildeten Zucker noch andere Stoffe aufgelöst, welche
während der Gährung des Zuckers sich verändern können. Die Hefe selbst verändert
sich bei ihrer zersetzenden Wirkung auf den Zucker beständig, und kann auch in einer
ganz reinen Zuckerlösung die Bildung flüchtiger Nebenproducte veranlassen.
Daher ist eine gegohrene weingeistige Flüssigkeit weit entfernt, den Geruch und
Geschmack des reinen Weingeistes zu besitzen. Immer ist der weingeistige Geruch von
einem specifischen, nach der Natur der Flüssigkeit verschiedenen, bald angenehmen,
bald unangenehmen Nebengeruch begleitet, an dem man gewöhnlich den Ursprung der
Flüssigkeit sogleich zu errathen vermag.
Wird dann eine solche Flüssigkeit zur Gewinnung des darin vorhandenen Weingeistes
destillirt, so folgt auch der den Nebengeruch verursachende Stoff dem Destillat, und
der erhaltene Branntwein besitzt wiederum einen eigenthümlichen, mehr oder minder
deutlichen Beigeruch, je nach der Substanz, die zu seiner Destillation verwendet
wurde. Ist dieses flüchtige Nebenproduct der Währung unserem Geruchs- und
Geschmackssinne angenehm, dann ist es im Stande dem Weingeist einen erhöhten Werth
zu verleihen, wie dieß beim Franzbranntwein und noch mehr beim Rum und Arrak der
Fall ist; wenn es aber den Weingeist minder angenehm schmeckend und riechend macht,
dann wird es mit dem verächtlichen Namen Fusel
bezeichnet.
In beiden Fällen ist eine möglichst genaue Kenntniß der im Weingeist aufgelösten
Nebenproducte wünschenswerth; im ersten, um die Mittel zu finden, sie auf eine
wohlfeile Weise künstlich zu bilden und damit aus gewöhnlichem reinen Weingeist Rum,
Arrak u. dgl. geistige Getränke in beliebiger Menge zu fabriciren, im zweiten, um
ein directes billiges Verfahren kennen zu lernen, den Fusel aus den damit
verunreinigten Weingeistsorten abzuscheiden.
So sehr auch diese flüchtigen Nebenproducte der weingeistigen Gährung in mancher
Beziehung von einander verschieden sind, so kommen sie doch auch in vielen
Eigenschaften mit einander überein. Durch ihre übereinstimmenden Eigenschaften
schließen sie sich an die ätherischen oder flüchtigen Oele an; sie sind nämlich
ölartig, leichter als Wasser, worin sie sich nur in geringer Menge auflösen, und auf
welchem sie wie ein Oel schwimmen. In Alkohol, Aether, flüchtigen und fixen Oelen
lösen sie sich leicht auf. Sie sind brennbar. Im reinen Zustande besitzen sie einen
scharfen Geschmack und einen starken, manchmal sogar betäubenden Geruch. Ihre Flüchtigkeit ist
gewöhnlich nicht sehr groß, und ihr Kochpunkt liegt höher als der des Wassers und
mithin noch höher als jener des Alkohols.
Letztere Eigenschaft ist als das beste Mittel anerkannt worden, diese Producte aus
dem Weingeist abzuscheiden. Wenn auch, wie oben erwähnt, im reinen Zustande minder
flüchtig als Wasser und Weingeist, so wird ihre Verflüchtigung doch, wie die aller
ätherischen Oele, durch das Wasser und den Weingeist vermittelt und begünstigt; sie
gehen daher beim Branntweinbrennen aus der gegohrenen Masse mit den Dämpfen des
wässerigen Weingeistes in das Destillat über, und zwar um so leichter, je wässeriger
der Branntwein ist, d.h. je höher sein Kochpunkt liegt. Wird aber ein solcher
Branntwein bei allmählich verminderter Hitze rectificirt, um ihn stärker zu machen
und in Weingeist und zuletzt in Alkohol zu verwandeln, so entfernt man dadurch den
Kochpunkt beider Producte, den des Weingeistes und jenen des ölartigen Stoffes immer
mehr und mehr; in demselben Maaße also, in dem man die Flüchtigkeit des ersteren
durch allmähliches Entwässern vermehrt, vermindert man die des zweiten, so daß diese
öligen Stoffe aus sorgfältig rectificirtem Alkohol zuletzt verschwinden. Die Theorie
des Entfuselns in den jetzigen Destillationsapparaten ist mithin leicht zu
begreifen; denn man bezweckt dabei nichts anderes, als vom Alkohol, welcher bei
79° C. kocht, eine z.B. bei 132° C. siedende Flüssigkeit, wie das
Kartoffelfuselöl, zu trennen und letzteres immer mehr und mehr im wässerigen
Rückstand von den allmählichen Rectificationen, welchen der Weingeist in den
gegenwärtigen Apparaten unterworfen wird, anzusammeln.
Von diesen flüchtigen Nebenproducten der weingeistigen Gährung wird gegenwärtig
keines in größerer Menge gewonnen, und ist keines in chemischer Beziehung besser
studirt worden, als jenes, welches dem Kartoffelbranntwein einen unangenehmen Geruch
und Geschmack ertheilt, nämlich das Kartoffelfuselöl,
weßhalb ich zunächst von den Eigenthümlichkeiten desselben etwas sagen will.
Es ist eine ölartige, leicht bewegliche Flüssigkeit von starkem unangenehmem Geruch
und scharfem, brennendem und kratzendem Geschmack. Wird es im Dampfzustand
eingeathmet, so verursacht es eingeathmet ein Drücken auf der Brust, starken Husten,
Erbrechen und Eingenommenen des Kopfes. Es entzündet sich nur sehr schwierig und muß
hiezu erwärmt werden, worauf es dann mit blauweißer Flamme verbrennt. Im reinen
Zustande siedet es bei 132° C. Bei einer Kälte von – 19 bis 20° C. wird es fest
und krystallinisch blätterig.
Obwohl der gewöhnliche Kartoffelbranntwein einen deutlichen fuseligen Geruch und
Geschmack besitzt, so enthält er doch nur wenig Fuselöl. Eine sehr geringe Menge des
letzteren ist schon im Stande, eine große Menge Weingeistes fuselig zu machen, und
würde der bloße Geruch eines Weingeistes wegen eines Fuselgehalts des letzteren in
Zweifel lassen, so dürfte man nur etwas davon mit warmem Wasser vermischen oder auf
der Hand reiben, wo dann, selbst bei den geringsten Spuren Fuselöles, sich dieses
noch deutlich durch den Geruch erkennen lassen würde.
Es müssen also große Quantitäten, einige 100 Eimer Kartoffelbranntweins rectificirt
werden, um dieses Fuselöl in einigermaßen beträchtlicher Menge zu bekommen. In der
rühmlichst bekannten Weingeistfabrik der HHrn. Vigl und
Riemerschmid in München wird auf solche Weise eine
bedeutende Menge Fuselöls aus dem Kartoffelbranntwein ausgeschieden und zum Brennen
verwendet. Allein ein solches Oel, wie es bei den Rectificationen des Weingeistes im
Rückstand sich ansammelt, ist noch nicht chemisch rein; es ist noch mit Wasser und
Alkohol vermischt, daher der Kochpunkt des rohen Oeles gewöhnlich zwischen 90 und
95° C. liegt. Um es zu reinigen, schüttelt man es wiederholt mit Wasser und
destillirt es hierauf, bis sein Kochpunkt auf 132° C. gestiegen ist; bei
diesem Zeitpunkt wird die Vorlage gewechselt und das darauf übergehende als reines
Oel besonders aufgefangen.
Ueber die nähere Art der Bildung dieses interessanten Oels herrschen noch einige
Zweifel. Es gibt selbst Chemiker, welche glauben, daß dasselbe und andere Fuselöle
kein Product der Gährung, sondern im Gegentheil schon ganz gebildet in den
Kartoffeln, im Korn u.s.w. enthalten sey. Payen hat sogar
das Organ bezeichnet, welches in den Kartoffeln der Sitz des Oels wäre. Nach der
Meinung dieses Chemikers wäre es das Stärkmehl und die Hüllensubstanz der
Stärkmehlkügelchen allein, welche diese ölige Substanz einschließen würde. Indessen
ist es viel wahrscheinlicher geworden, daß sich dieses Oel erst bei der Gährung
bilde. Denn würde es schon im Stärkmehl präexistiren, so müßte dieses, wenigstens in
größerer Menge und im desagregirten Zustande, als Kleister, den Geruch des Fuselöls
unverkennbar besitzen, was nicht der Fall ist, und außerdem tritt dasselbe Oel, wie
Gaultier de Claubry in neuester Zeit gefunden hat,
auch bei der Weingeistfabrication aus Runkelrübenmelasse auf, in welcher es doch gewiß nicht
schon vorhanden ist.
Ueber die Natur des Kartoffelfuselöles sind in neuester Zeit besonders von
französischen Chemikern mehrere Versuche angestellt worden. Es würde zu weit führen,
wenn ich hier in das Detail derselben eingehen wollte; ich will mich daher begnügen
nur zu sagen, daß diese Versuche zu dem interessanten Ergebniß geführt haben, daß
sich das Kartoffelfuselöl in den meisten Beziehungen wie der Alkohol selbst verhält,
ein wahres Analogon desselben darstellt, weßhalb es im System der Chemie auch unter
dem Namen Amylalkohol aufgeführt worden ist.
Von diesen Analogien des Kartoffelfuselöles und des Alkohols verdient das Verhalten
beider Körper zu oxydirenden Agentien besonders hervorgehoben zu werden. Es ist
bekannt, daß der Alkohol unter dem Einflüsse solcher Agentien Sauerstoff anzieht und
sich in eine starke flüchtige Säure, die Essigsäure, verwandelt. Ein ähnliches
Verhalten zeigt auch der Amylalkohol. Unter denselben Einflüssen wird auch er zu
einer, in mehrfacher Beziehung merkwürdigen, der Essigsäure analogen Säure oxydirt,
die besonders wegen ihres anderweitigen Auftretens und wegen ihrer medicinischen
Eigenschaften wichtig ist.
Im Baldrian, dieser bekannten, auch bei uns sehr häufig wachsenden Pflanze, deren
Wurzel ihrer krampfstillenden Wirkung wegen so geschätzt ist, hat man vor mehreren
Jahren eine eigenthümliche flüchtige, ölartige, stark riechende Säure entdeckt, die,
wegen dieses Vorkommens Baldriansäure genannt, einen
wesentlichen Antheil an der Heilkraft benannter Wurzel hat und die seit kurzem auch
im isolirten Zustande, als reine Baldriansäure und als baldriansaure Salze mit
vielem Erfolg medicinisch angewendet wird.
Die Säure nun, die man durch Oxydation des Kartoffelfuselöls leicht erzeugen kann,
verhält sich in jeder Beziehung wie die im Baldrian sich bildende, sie hat nicht nur
dieselbe Zusammensetzung, sondern auch genau alle übrigen Eigenschaften wie die
Baldriansäure; mit einem Wort, die Säure aus Kartoffelfuselöl und die Baldriansäure
sind eben so identisch wie der Zucker aus dem Zuckerrohr und jener aus den
Runkelrüben.
Die künstliche Bildung der Baldriansäure ist, wie gesagt, nicht schwer. Schon beim
bloßen Aufbewahren in einem lufthaltigen Gesäße, welches man häufig öffnet, säuert
sich das Fuselöl und verwandelt sich zum Theil in Baldriansäure, welche Verwandlung
schneller unter dem Einflüsse des fein zertheilten Platins (Platinmohrs) vor sich
geht. Bei der Schnellessigfabrication verschwindet, wenn hiezu nicht entfuselter Kartoffelbranntwein
angewendet wird, der Fuselgeruch vollkommen, weil neben der Umwandlung des Alkohols
in Essigsäure auch der Amylalkohol zu Baldriansäure oxydirt wird. Setzt man
Kartoffelfuselöl bei einer Temperatur von ungefähr 200° C. der Wirkung
ätzender Alkalien aus, so verwandelt es sich durch Zersetzung des Wassers und unter
Entwickelung von Wasserstoffgas, so zu sagen, vollständig in Baldriansäure, die sich
mit dem Alkali verbindet. Am besten aber kann, wie Hr. Apotheker Trautwein in Nürnberg durch mehrere Versuche im Großen
gefunden hat, diese Säure bereitet werden, wenn man auf das Kartöffelfuselöl ein
Gemeng von doppelt-chromsaurem Kali und Schwefelsäure im richtigen
Verhältnisse und bei angemessener Temperatur wirken läßt. Auf diese Weise wird nun
die zu medicinischem Zwecke angewandte Baldriansäure aus Kartoffelfuselöl künstlich
erzeugt, und dadurch diesem Oel, welches bis jetzt nur zum Brennen gebraucht werden
konnte, eine neue Anwendung gesichert.
Aber trotz dieser interessanten und wohlfeilen Bereitung der Baldriansäure aus
Fuselöl, wird ihre anderweitige Bildung, sowohl auf natürlichem wie auch auf
künstlichem Wege, nicht minder wichtig bleiben. Diese Säure ist nämlich seitdem auch
aus mehreren anderen Pflanzen erhalten worden. So hat Winckler in der Wurzel und den halbreifen Samen von Athamanta Oreoselinum einen neutralen krystallisirbaren Stoff, das Athamantin entdeckt, der beim Uebergießen mit
concentrirter Schwefelsäure und auch mit anderen starken Säuren Baldriansäure
entwickelt. Aus der Angelikawurzel kann man neben der von mir vor einigen Jahren
entdeckten krystallisirbaren Angelikasäure eine flüchtige
ölartige Säure darstellen, die mit der Baldriansäure ebenfalls identisch ist; die
flüchtige Säure aus den Beeren und der Rinde von Viburnum
Opulus ist vor kurzem auch als Baldriansäure erkannt worden, und die
nämliche Säure soll nach Chevreul im Delphinöl vorkommen.
Ferner ist nach Balard die Baldriansäure offenbar ein
Product freiwilliger Veränderung, welche einige gegohrene Flüssigkeiten bei
Berührung mit der Luft erleiden, und ist zum großen Theil die Ursache des starken
Geruchs, welchen sie verbreiten. Balard hat dargethan,
daß diese Säure auch bei vorgerückter Zersetzung gewisser Käse gebildet wird; die
Rinde des Roqueforter Käses, im südlichen Frankreich unter dem Namen rhubarbe (Rhabarber) bekannt, hat ihm bei der
Destillation mit einer verdünnten Säure eine gewisse Menge Baldriansäure geliefert,
und die nämliche Säure ist nebst anderen flüchtigen ölartigen Säuren, die gewöhnlich
im Käse vorkommen, aber in größerer Menge als diese von zwei jungen Chemikern in Gießen (Iljenko und Laskowski) aus
einem in Hessen bereiteten stark riechenden sogenannten Limburger Käse dargestellt
worden; endlich hat neuerlichst Liebig beobachtet, daß
bei der Behandlung des Käsestoffs oder des aus diesem bereiteten Leucins mit
schmelzendem Kalihydrat Baldriansäure entsteht.
Ich wende mich wieder zum Kartoffelfuselöl, um seine Analogie mit dem Alkohol noch
ein wenig zu verfolgen. Bekanntlich entsteht aus dem Alkohol durch die Einwirkung
einiger Agentien, die ihm einen Theil Wasserstoff zu entziehen vermögen, ein sehr
flüchtiger, angenehm obstähnlich riechender Körper, der seiner Bildung wegen von Liebig Aldehyd genannt worden ist. Dieser Stoff bildet
gleichsam das intermediäre Glied zwischen dem Alkohol und der Essigsäure, und kann
leicht in diese durch weitere Oxydation verwandelt werden. Ein ähnliches Glied, der
sogenannte Baldrian- oder Amyl-Aldehyd scheint auch zwischen dem Kartoffelfuselöl und der
Baldriansäure zu liegen. Hr. Apotheker Trautwein in
Nürnberg hat durch die Einwirkung von Manganhyperoxyd und etwas verdünnter
Schwefelsäure auf Kartoffelfuselöl eine sehr flüchtige, höchst angenehm riechende
Flüssigkeit erhalten, deren Eigenschaften es höchst wahrscheinlich machen, daß sie
der Aldehyd des Amylalkohols sey. Von den Eigenschaften dieser Flüssigkeit hebe ich
den außerordentlich obst- oder äpfelähnlichen Geruch, weßhalb sie von Trautwein Obstäther genannt worden ist, hervor. Wird
etwas davon in ein Zimmer gegossen, so nimmt man den angenehmen Obstgeruch noch
besser wahr, als in Masse berochen; indessen reizt ihre Ausdünstung empfindliche
Lungen zum Husten, und nach einiger Zeit bemerkt man in dem damit besprengten Zimmer
den Geruch nach Baldriansäure, in welche sie sich nach und nach durch weitere
Oxydation verändert. Mit fetten Oelen, mit Alkohol und zuckerhaltigen Flüssigkeiten
vermischt, ist der Geruch des Obstäthers dauernder und nachhaltiger, und gelänge es,
ihn vor weiterer Oxydation an der Luft zu schützen, so wäre ihm eine mehrseitige
Verwendung im praktischen Leben zu versprechen. Concentrirte Schwefelsäure scheint
den Obstäther ohne Veränderung der Zusammensetzung in einen Körper mit andern
Eigenschaften zu verwandeln, den ich wegen seines auffallenden Kümmelgeschmackes
hier namhaft mache.
Von der Betrachtung des Kartoffelfuselöles komme ich zu jener eines öligen Stoffes,
der als Nebenproduct der Gährung des Traubensaftes auftritt. Jedermann weiß, daß
eine Mischung von Wasser und Alkohol in demselben Verhältniß wie sie im Weine
vorhanden, so zu sagen keinen Geruch besitzt, während man mit der größten
Leichtigkeit unterscheiden kann, ob in einer ausgeleerten Flasche, in welcher kaum
noch einige Tropfen Flüssigkeit enthalten sind, sich Wein befand oder nicht. Dieser
charakteristische Geruch, der allen Weinen in höherem oder geringerem Grade eigen
ist, wird eben ganz oder theilweise von diesem flüchtigen Oel bedingt, welches ich
als ein Nebenproduct der Weingährung bezeichnet habe.
Man erhält dieses flüchtige Oel, wenn große Quantitäten Wein destillirt werden, am
Ende der Operation. Ebenso erhält man es bei der Destillation der Weinhefe und
besonders der Unterhefe. Aus 10,000 Theilen destillirten Weinbranntweins bekommt man
ungefähr 1 Theil Oel, und man kann annehmen, daß dasselbe 1/40'000 im französischen
Wein ausmacht. Dieses ätherische Oel aus französischem Wein ist vor einigen Jahren
von Liebig und Pelouze näher
studirt und als eine zusammengesetzte Aetherart, als eine Verbindung des aus Alkohol
sich bildenden Aethers mit einer besonderen, den fetten Säuren analogen Säure, der
Oenanthsäure, erkannt worden, weßhalb sie es Oenanthäther oder Oenanthfäure-Aether genannt haben.
Der reine Oenanthäther ist farblos, dünnflüssig, wenig flüchtig, indem er erst
zwischen 225 und 230° C. kocht, von außerordentlich starkem und beinahe
berauschendem Weingeruch, wenn man viel Dampf auf einmal einathmet, und von sehr
starkem, brennendem Geschmacke. Es ist wahrscheinlich, daß der Oenanthäther eine
besondere Wirkung auf den Organismus ausübt, welche die berauschende Eigenschaft des
Alkohols vermehrt, oder ihr wenigstens einen besonderen Charakter verleiht.
Vielleicht gelingt es in der Folge noch andere besondere Stoffe, wodurch sich die
verschiedenen Weinsorten charakterisiren, und die bis jetzt, ohne Zweifel ihrer
geringen Menge halber, der Untersuchung entgangen sind, ebenso darzustellen, wie den
Oenanthäther. Wenigstens wäre hiezu einige Hoffnung vorhanden, wenn man in dieser
Beziehung die Rheinweine, welche ein sehr starkes Bouquet haben, untersuchen
wollte.
Die Quitten besitzen einen Geruch, welcher sehr deutlich an den des Oenanthäthers
erinnert und besonders in der Schale seinen Sitz hat. Unterwirft man die Schalen
reifer Quitten mit Wasser der Destillation, so sammeln sich auf der Oberfläche des
wässerigen Destillats Tröpfchen von einem Oel an, welches einen starken und
angenehmen Quittengeruch hat, und dessen Untersuchung von Hofrath Wöhler dafür zu sprechen scheint, daß die Quitten
wirklich Oenanthäther enthalten.
Aus den Weintrestern von rothen Trauben, welche mit dem Moste gegohren haben, wird im
südlichen Frankreich ein Branntwein destillirt, aus welchem man bei der
Rectification ein öliges Product, das sogenannte Weintresteröl, erhält. Dasselbe besitzt einen nur wenig angenehmen
Geschmack und Geruch und findet gewöhnlich keine Anwendung. Indessen wird es doch
manchmal gebraucht, um dem Getreide- und Kartoffelbranntwein einen andern
Geschmack und Geruch zu ertheilen und dessen wahre Abkunft zu maskiren. Es ist schon
mehr als ein Stückfaß voll Kornbranntwein um höheren Preis für Branntwein aus
Weintrestern verkauft worden, nachdem man ihn durch Zusatz einer sehr geringen Menge
Weintresteröles verändert hatte.
Die Substanz, welche im Weintresteröl zum Maskiren des Kartoffel- oder
Kornbranntwein-Geschmackes dient, ist der Oenanthäther, der darin in großer
Menge enthalten ist. Außerdem enthält dieses Oel aber noch andere Producte, nämlich
gewöhnlichen Alkohol, Wasser, Amylalkohol oder Kartoffelfuselöl und noch einige
Stoffe, deren Natur noch nicht bestimmt worden ist.
Im Getreidebranntwein ist ebenso wie im Kartoffelbranntwein ein flüchtiges Oel von
sehr widerlichem, betäubendem, lange anhaltendem Fuselgeruch und scharfem Geschmacke
enthalten, welches sich abscheiden läßt, wenn man einige Eimer Lutter bei gelindem
Feuer rectificirt, wobei das Fuselöl im Phlegma zurückbleibt. Wirft man in dieses so
viel Kochsalz, als sich auflösen kann, und seht hierauf bei gewechselter Vorlage und
verstärktem Feuer die Destillation fort, so geht das Fuselöl über und kann von dem
ebenfalls mit übergehenden Wasser leicht getrennt werden.
Bei der Getreidebranntweinbrennerei bleibt das Fuselöl zum Theil auch auf dem
wollenen Tuche zurück, durch welches man den aus dem Kühlrohr ablaufenden Branntwein
filtriren läßt, und bildet in diesem rohen Zustande eine grünlich-braune,
schmierige Masse von intensivem betäubendem Fuselgeruch.
Dieses Oel ist aber vom Kartoffelfuselöl wesentlich verschieden; es enthält nämlich
keinen Amylalkohol, sondern stellt ein Gemenge von einem neutralen Oele, dem
sogenannten Kornöle mit Oenanthäther, freier Oenanthsäure
und Margarinsäure dar. Das reine Kornöl kann daraus erhalten werden, wenn man das
rohe Oel noch einmal mit Wasser destillirt und hierauf über Aetzkali rectificirt.
Dasselbe besitzt einen vom rohen Fuselöl ganz verschiedenen, dem des Wasserfenchels
einigermaßen gleichkommenden, sehr durchdringenden Geruch, einen scharfen Geschmack,
eine hell-grüngelbe Farbe und dickflüssige Konsistenz.
Es bleibt mir noch einiges über jene flüchtigen Nebenproducte der weingeistigen Gährung zu sagen
übrig, deren Gegenwart im Weingeist diesem einen erhöhten Werth verleiht, deren
Nachbildung daher schon oft versucht und wirklich schon zum Theil ein Gegenstand der
Industrie geworden ist.
Der Rum und der Arrak nämlich enthalten Stoffe von angenehmem Gerüche und Geschmacke
aufgelöst, welche ohne Zweifel Producte der Gährung der Melasse, des
Zuckerrohrsaftes und des gemaischten Reises sind, und welche diese geistigen
Getränke für gewisse Anwendungen, z.B. zur Bereitung des Punsches so beliebt
machen.
Die Natur dieser Stoffe ist noch nicht so sicher ausgemittelt, wie jene der bereits
abgehandelten Nebenproducte. Um dieß zu thun, müßte man eine große Menge Rums und
Arraks bei gelinder Wärme destilliren, um daraus auf die angegebene Weise die
wahrscheinlich minder flüchtigen Producte abzuscheiden und diese einer näheren
chemischen Prüfung zu unterwerfen. Indessen ist es schon mehr als wahrscheinlich
geworden, daß diese Producte dem in französischem Weine und in dem daraus
destillirten Franzbranntwein vorhandenen Oenanthäther analoge Verbindungen seyen,
Verbindungen nämlich von gewissen und besonders flüchtigen Fettsäuren mit Aether.
Solche flüchtige Fettsäuren können unter andern aus der Butter und aus dem
Cocosnußöl dargestellt werden und entwickeln sich aus diesen Fetten beim
Ranzigwerden derselben. Auch im Käse treten sie nebst der Baldriansäure beim
Altwerden desselben aus den Bestandtheilen der darin eingeschlossenen Butter auf und
bedingen wahrscheinlich durch ihren verschiedenen Geruch, ihre Menge und ihr
gegenseitiges Verhältniß hauptsächlich den Unterschied der verschiedenen
Käsearten.
Eine dieser flüchtigen Fettsäuren, nämlich die Buttersäure
ist, wie die Baldriansäure, vorzüglich wegen ihrer in neuester Zeit beobachteten
Bildung aus anderen Körpern besonders interessant geworden. Pelouze und Gélis haben die Beobachtung
gemacht daß, wenn man eine Zuckerlösung mit etwas Caseïn bei einer Wärme von
25 bis 30° C. gähren läßt, sich der Zucker unter gleichzeitiger Entwickelung
von Kohlensäure und Wasserstoffgas in Buttersäure verwandelt. Es ist dieß eine
bequeme Art, die Buttersäure in großer Menge wohlfeil zu bereiten. Scharling hat bei einer Gährung von ausgewaschenem
Kartoffelbrei bei einer Wärme von 30 bis 40° ebenfalls die Bildung der
Buttersäure beobachtet. Auch von Erdmann und Marchand ist die Entstehung dieser Säure beim Gähren
mehliger Samen wahrgenommen worden, und ich zweifle nicht daran, daß sie sich in den
Malztrestern bildet und den säuerlichen Geruch derselben verursacht, wenn sie einige
Zeit lang aufgehäuft
liegen bleiben. Ferner hat Röllner unter dem Namen Pseudo-Essigsäure eine Säure beschrieben, welche
sich bei der freiwilligen Zersetzung des weinsteinsauren Kalkes bildet, die aber von
Berzelius für ein Gemenge von Essigsäure und
Buttersäure erkannt worden ist. Wurtz hat die Entdeckung
gemacht, daß Fibrin oder thierischer Faserstoff, wenn er unter Wasser fault, zum
großen Theil in buttersaures Ammoniak sich verwandelt. Von Chautard ist die Buttersäure in der Gerberlohebrühe, von Marchand im Sauerkraute und im gegohrenen Gurkensafte
neben der Milchsäure nachgewiesen worden, und endlich hat Zeise sogar im Tabaksrauche eine ziemliche Menge Buttersäure als
buttersaures Ammoniak aufgefunden.
Unter solchen Umständen ist es sehr leicht denkbar, daß die Buttersäure und dieser
analoge Säuren auch bei der Gährung der zur Rum- und Arrakbereitung dienenden
Materialien in geringer Menge auftreten und im Entstehungsmomente mit dem in der
gährenden Masse gleichfalls entstehenden Alkohol dem Oenanthäther ähnliche
zusammengesetzte Aetherarten bilden können. Solche Fettsäuren zeichnen sich im
freien Zustande durch einen starken ranzigen und auch schweißähnlichen Geruch aus,
ihre Verbindungen mit Aether aber riechen sehr angenehm, erfrischend, obstähnlich,
und die Erfahrung hat bewiesen, daß solche ätherische Flüssigkeiten, daß z.B. der
Buttersäureäther und noch mehr ein Gemisch desselben mit Ameisenäther, wenn sie in
gehöriger Menge mit Weingeist vermischt werden, diesem ein dem ächten
Jamaika-Rum sehr ähnliches Aroma ertheilen.
Es ist kein Geheimniß geblieben, wie sehr jetzt der Rum und Arrak nachgekünstelt und
verfälscht werden, und daß zu diesem Zweck eine ziemliche Menge Butteräther und auch
mit den flüchtigen Säuren des Cocosnußöles dargestellter Aether (Capronsäure-
und Caprylsäure-Aether) gebraucht wird. Eine solche Nachkünstelei wird um so
weniger strafbar seyn, je mehr der nachgemachte Rum und Arrak dem ächten ähnlich
ist; vielleicht gelingt es durch ein besseres Studium der Umstände, unter welchen
die Rum- und Arrakbereitung vor sich geht, und des in diesen aufgelösten
Aroma's, aus entfuseltem Kartoffelweingeist diese Flüssigkeiten eben so zu bereiten,
wie man jetzt aus Kartoffelfuselöl Baldriansäure und aus
Zucker Buttersäure zu erhalten vermag.