Titel: | Ueber die Gesundmachung der anatomischen Theater; von Sucquet. |
Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. XLVII., S. 216 |
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XLVII.
Ueber die Gesundmachung der anatomischen Theater;
von Sucquet.
Aus den Comptes rendus, Febr. 1846, Nr.
5.
Sucquet, über die Gesundmachung der anatomischen
Theater.
Schon seit langer Zeit bedient man sich beim Studium der Anatomie gewisser zum
Conserviren der verschiedenen Theile des thierischen Organismus bestimmter
Substanzen. Doch waren diese Mittel mehr oder weniger unzuverlässig und veranlaßten
Uebelstände, welche bedeutend genug waren, um ihre allgemeine Anwendung bis jetzt zu
verhindern.
Die anatomischen Theater, gewöhnlich in Mitte bevölkerter Quartiere gelegen, sind
manchmal beklagenswerthe Ansteckungsquellen; alljährlich forderte das in der
miasmatischen Atmosphäre von einigen derselben entwickelte typhöse Fieber seine
Opfer.
Ich bestrebte mich diesem Uebel abzuhelfen. Die gemeinschaftliche Anwendung zweier
von mir zuerst eingeführter Mittel lieferte an der École pratique de Médecine zu Paris sehr befriedigende
Resultate; es sind dieß die Auflösungen des schwefligsauren Natrons und des
Chlorzinks.
Vom schwefligsauren Natron. – Die in der École pratique angewandte schwefligsaure
Natronflüssigkeit erhält man dadurch, daß man einen Strom schwefligsauren Gases in
eine concentrirte Auflösung von kohlensaurem Natron leitet; die Kohlensäure
entweicht mit Aufbrausen und das Natron verbindet sich mit der schwefligen
Säure.
Vom Chlorzink. – Das Chlorzink oder salzsaure
Zink, welches in Gemeinschaft mit dem schwefligsauren Natron angewandt wird,
bereitet man durch Sättigen der käuflichen Salzsäure mit einem Ueberschuß von
Zinkspänen; man erhält eine Flüssigkeit von 50 bis 52° B., welche man mit
Wasser auf 40° verdünnt.
Diese beiden Flüssigkeiten besitzen eine merkwürdige conservirende Kraft und
verdienen in verschiedener Hinsicht Beachtung.
Das schwefligsaure Natron wurde bis jetzt noch nicht als Antisepticum benutzt. Davy wandte die schweflige Säure als solches an, was mich auf den
Gedanken brachte, daß die auflöslichen Salze dieser Säure dieselbe Eigenschaft
besitzen; schon die ersten, gegen Ende des J. 1844 angestellten Versuche fielen sehr
befriedigend aus. Die auf diese Weise behandelten Körper conservirten sich, je nach
dem Zustand der Atmosphäre, oder der Natur der Krankheit, welcher das Individuum
unterlegen war, einen Monat, 30, 40 bis 45 Tage lang. Dieses Verfahren wurde hierauf
in der genannten Schule eingeführt und dann nur mehr auf diese Weise conservirte
Leichen anatomirt.
Jeder Leiche werden, so lange sie noch ganz ist, 4 Liter schwefligsauren Natrons bei
gewöhnlicher Temperatur injicirt. Diese Injection geschieht in der Regel durch eine
der Halspulsadern, oder eben so gut durch die Kniekehle oder Armader etc. Sie dringt
schnell sowohl in die Venen, welche aufschwellen und sich ausdehnen, als auch in die
Lymphgefäße ein. Nach 6 bis 8 Stunden jedoch enthalten die Arterien keine Spur mehr
davon; alle Flüssigkeit ist nun durch ihre Wände hindurch-, und durch
Infiltrirung in alle Zellgewebe des Körpers eingedrungen. Ist das Individuum zum
Studium der Angiologie (Blutgefäßlehre) bestimmt, so kann es nach Verlauf dieser
Zeit durch die Aorta mit Talg injicirt werden, wie es gewöhnlich zu geschehen
pflegt.
Die conservirende Wirkung des schwefligsauren Natrons scheint mir durch die
Verwandtschaft der schwefligen Säure zu dem Sauerstoff der Luft erklärt werden zu
können. Dieser Sauerstoff, das unentbehrliche Element aller Fäulniß, wird von der
schwefligen Säure absorbirt, welche er in Schwefelsäure verwandelt und während der
Dauer dieser Reaction werden die Gewebe dem Einflüsse dieser mächtigen Ursache der
Desorganisation entzogen.
Doch ist diese schützende Kraft des schwefligsauren Natrons keine absolute und
andauernde. Wenn ein Theil des Leichnams zergliedert ist und dann der Luft
ausgesetzt bleibt, geht er in 10 bis 14 Tagen in Fäulniß über; diese erfordert dann
die Anwendung eines wirksameren und nachhaltigeren Mittels, wozu sich das Chlorzink eignet.
Die abgegebenen und bloßgelegten Theile, die Höhlungen des Rumpfes bei
Leichenöffnungen werden, ehe sie in Fäulniß übergehen, mit Chlorzinklösung
gewaschen; jeden Morgen besorgt ein eigens dazu aufgestellter Diener an jedem Tische
das Tränken dieser Theile mit Chlorzink. Löst sich die Epidermis von den Decken, so
wird sie mittelst eines Schwammes weggenommen und die Haut mit dieser Lösung
gewaschen, wodurch sie von mm an gegen Fäulniß geschützt ist.
Das Chlorzink besitzt die schützende Kraft im höchsten Grade. Die am meisten
inficirten animalischen Substanzen werden durch die Berührung mit dieser Flüssigkeit
augenblicklich geruchlos und jene, deren grünliche Farbe schon die tiefe
Desorganisation anzeigte, werden im Fortschritt ihrer Zersetzung aufgehalten und
erhalten nach einem augenblicklichen Verweilen in dieser Lösung sogar ihre Weiße
Farbe wieder.
Das Chlorzink macht augenblicklich den Eiweißstoff, das Fibrin und die löslichen und
fäulnißfähigen Bestandtheile der thierischen Flüssigkeiten gerinnen und bildet mit
ihnen einen unauflöslichen und der Fäulniß unfähigen Niederschlag.