Titel: | Meade's patentirter hydrostatischer Dampfkessel. |
Fundstelle: | Band 100, Jahrgang 1846, Nr. LXIII., S. 350 |
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LXIII.
Meade's patentirter
hydrostatischer Dampfkessel.
Aus dem Mechanics' Magazine, 1846, Nr.
1174.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Meade's hydrostatischer Dampfkessel.
Bei jedem Dampfkessel findet eine gewisse innere Expansion des Dampfes und folglich
ein Kraftverbrauch statt, dessen Existenz praktisch übersehen zu seyn scheint, der
aber bei näherer Betrachtung einen großen Theil der ursprünglich erzeugten Kraft
absorbirt. Diese fortwährende Dampfexpansion in dem Kessel, zwischen seinem
Entstehungspunkt bei einer extremen Temperatur, folglich bei einem
Elasticitäts-Maximum, und seinem Einströmen in die Dampfbüchse, ist ganz
analog derjenigen, welche in dem Cylinder zwischen seinem Zuströmen bei einer höhern
und seinem Ausströmen bei einer geringern Elasticität stattfindet. In einem gewissen
Grade ist dieser Aufwand bei der bloßen Zerstreuung durch das Wasser unvermeidlich;
praktisch ist es jedoch, denselben einzuschränken und dadurch die Kraft des in die
Maschine zugelassenen Dampfs zu vermehren. Diesen Zweck ohne Erhöhung des Drucks auf
den Dampfkessel zu erreichen, ist eine der Aufgaben der vorliegenden Construction,
welche wegen ihrer Wirkungsweise eine hydrostatische genannt wird.
Man darf nicht vergessen, daß die untern Theile eines Dampfkessels wegen des auf
ihnen lastenden Wassergewichts immer einen größern Druck als die obern auszuhalten
haben, und da jeder Kubikfuß Wasser 62 1/2 (engl.) Pfd. wiegt, so kann dieser
Unterschieb bei einem großen Dampfkessel sich auf viele Tonnen belaufen. Dieser
Druck, welcher gegenwärtig nicht nutzbar verwendet wird, wird hier zum großen Theile
angewendet, um die innere Expansion zu beschränken und auf diese Weise eine
verhältnißmäßig höhere Elasticität des Dampfs zu erzielen, ohne dessen zerstörende
Gewalt auf den Dampfkessel im geringsten zu vermehren. Auf zwei Dinge kommt es
demnach an: die Expansion in dem Dampfkessel zu reduciren und dadurch in gleichem
Maaße den Nutzeffect des Dampfs zu erhöhen, und diesen Zweck zugleich bei dem
Niederdrucksystem zu erreichen. Anstatt den Dampfcollector oder Sammelbehälter wie
gewöhnlich an den von der erzeugenden Fläche entferntesten Theilen des Dampfkessels
anzubringen, und dadurch den innern Aufwand zu einem Maximum zu machen, wird
derselbe so viel wie möglich der dem Feuer ausgesetzten Fläche genähert. In Folge
dieser Anordnung ist der
Dampf in Gemeinschaft mit den untern Theilen des Dampfkessels gleichzeitig dem
Gewichte des darauf lastenden Wassers ausgesetzt und somit genöthigt, einen
verhältnißmäßig größern Theil seiner ursprünglichen Elasticität beizubehalten. Der
durch dieses Eintauchen des Dampfcollectors erzielte Kraftgewinn beläuft sich bei
gewöhnlichen Dampfkesseln auf 2 bis 3 Pfd. per
Quadratzoll, während der Druck im Dampfkessel ungeändert bleibt.
Ein anderer Vortheil, den die in Rede stehende Construction gewährt, besteht in der
erlangten größern Heizfläche. Bei näherer Untersuchung dieses Gegenstandes scheint
es, daß die Vorzüge von Röhrendampfkesseln hinsichtlich der Kraft und Schnelligkeit
der Dampfentwickelung nicht allein von der absoluten Zunahme der Heizfläche und der
daraus hervorgehenden vollständigern Transmission der Wärme abhängen, sondern
vielmehr von dem Verhältniß jener Zunahme zu der Quantität des zu verdampfenden
Wassers. Gleiche Quantitäten Brennmaterials erzeugen, man mag das Hoch- oder
Niederdrucksystem annehmen, gleiche Kraftleistungen, aber die Quantität des Wassers
regulirt den bei der innern Zerstreuung absorbirten Theil, d.h. der Nutzeffect des
entwickelten Dampfes scheint im directen Verhältnisse zur
mitgetheilten Wärme und im umgekehrten Verhältnisse zu
der Wassermasse zu stehen. Da der hydrostatische Dampfkessel diese letzte Bedingung
in hohem Grade erfüllt, so kommt seine Leistung in dieser Hinsicht derjenigen des
besten Röhrendampfkessels gleich, ohne jedoch eben so kostspielig und complicirt zu
seyn, während ihm der aus der hydrostatischen Wirkung des darin enthaltenen Wassers
entspringende Vortheil immer eigenthümlich bleibt.
A, A, Fig. 30 und 31, ist der
untergetauchte Collector oder Sammelbehälter, dessen Lage sich mittelst Schrauben
B, B adjustiren läßt. Zwischen ihm und dem Boden des
Dampfkessels bleibt ein Wasserraum von 4 bis 6 Zoll; eben so bleibt zwischen dem
Collector und den Seiten ein Zwischenraum von wenigen Zollen für die Circulation des
Wassers. Der in dem Collector sich sammelnde Dampf gelangt in die Kuppel C und von da durch die Röhre D in die Maschine. Der Schwimmer regulirt mit Hülfe des Ventils E den Dampfzutritt, und da dieses sich nur öffnet,
nachdem die Wasserlinie in Folge des sich anhäufenden Dampfes bis zur Linie ab herabgedrückt worden ist, so liefert es immer
eine hinreichende Menge trockenen Dampfes. Sollte die Production des Dampfs die
Consumtion in der Maschine übersteigen, so drückt der Dampf die Oberfläche des
Wassers allmählich bis über den Rand der letztern herab, worauf er in das darüber
befindliche kühlere Wasser entweicht. Sollte dieses durch den auf solche Weise entweichenden Dampf in
einen Zustand des Siedens versetzt werden, so kann hieraus kein Nachtheil erwachsen,
indem jeder auf diese Weise entwickelte Dampfüberschuß nöthigenfalls unter irgend
einem bestimmten Drucke durch ein oben angebrachtes Sicherheitsventil ins Freie
gelassen werden kann. Seine Elasticität ist indessen immer noch geringer, als die
des Dampfes, welcher durch die Maschine consumirt wird. Die gebogene Röhre F kann auch, wenn es die Umstände gestatten, anstatt des
gewöhnlichen Sicherheitsventils angewendet werden, ohne jedoch so leicht in
Unordnung kommen zu können; besteht sie aus teleskopartig zusammengefügten
Röhrstücken, so kann man sie leicht auf jede Höhe adjustiren; die specifische
Elasticität des Dampfes in dem Collector steht alsdann genau in dem Verhältniß der
Höhe des Wasserstandes in der Röhre. Die zurückgebogene Form der Röhre verzögert die
Dampfentweichung. Der Collector, von oben und unten einem gleich starken Druck
ausgesetzt, braucht nur von leichter Construction zu seyn; er besteht aus einem
schlechten Wärmeleiter und läßt sich wegen Reinigung des Kessels oder Reparaturen
entfernen. Der Feuercanal kann wie bei einem gewöhnlichen kofferförmigen Dampfkessel
angeordnet werden.
Die Vortheile dieser Dampfkessel-Construction lassen sich in folgenden
Hauptpunkten zusammenfassen:
1) eine dem Gewichte der gegenbalancirten Wassersäule äquivalente Erhöhung des
Dampfeffectes, oder mit andern Worten die Anwendung des hydrostatischen Druckes als
Hülfskraft und zwar ohne Vermehrung des Brennmaterialbedarfs oder des innern Druckes
gegen den Kessel;
2) eine rasche und ökonomische Dampferzeugung, d.h. eine große Heizfläche im
Verhältniß zu der Quantität des verdampften Wassers und zwar mittelst einer
verhältnißmäßig einfachen, wohlfeilen und dauerhaften Construction.